Kapitel 39

Missverständnisse beim Breitensport

Leider muss man als Übergewichtiger akzeptieren, dass die physikalischen Rahmenbedingungen auf unserem Planeten in gewissen Bereichen stark diskriminierend sind. So richtig deutlich wird das immer wieder beim Sport. Zwar gibt es durchaus Sportarten, für die eine exzessive Körperbeplankung eher förderlich ist, wer jedoch in seiner Freizeit nicht jeden Tag in einem Sumo-Ring mit Salz um sich werfen will, der betätigt sich zumindest in hiesigen Kulturkreisen eher mit sportiven Herausforderungen, die ganz zweifelsohne von Schlanken für Schlanke entwickelt wurden. Wasserski zum Beispiel.

Für drahtige Athleten ist das ein fröhliches Auf-dem-Wasser-Dahingleiten, für das Moppelchen an der Leine wird das Ganze allerdings schnell zu einer unfreiwilligen Tauchfahrt. Ich habe bei diversen Wasserskifahrten schon ganze Baggerseen leergesoffen bei dem Versuch, endlich auf die verdammte Wasseroberfläche zu gelangen, anstatt in einmeterfünfzig Tiefe kilometerweit durch die Brühe zu pflügen.

Abgesehen davon, dass Sie als XXL-Wasserskifahrer eine Zugmaschine benötigen, die ähnlich stark motorisiert ist wie die »Queen Elizabeth«, bedeutet der massive Wasserdruck auf Ihrem Körper auch immer eine Maximalbelastung für Ihre Arme – ich glaube, mit Fug und Recht behaupten zu können, dass ich dank intensiver Wasserskifahrten inzwischen Bizeps wie Popeye bekommen habe und in der Lage wäre, einen Leopard II Panzer durch bloßes Festkrallen daran zu hindern, eine Steilklippe hinunterzufallen.

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Eine weitere Sportart, um die ich als Schwergewicht lieber einen weiten Bogen mache, ist »Bungee-Jumping«. Ein normalgewichtiger Freund von mir erzählte mir einmal, dass er nach einem Sprung tagelang Kopfschmerzen gehabt hat.

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Ich wage mal die Vermutung, dass die Folgen eines Bungee-Sprungs bei einer Person meines Kalibers nicht unbedingt mehr unter die Definition KOPFSCHMERZEN einzuordnen wären, sondern eher unter Asphaltausschlag.

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Eine ebenso unschöne wie unnötige Vorstellung. Kein halbwegs normal denkender Rundkörperbesitzer käme auf die absurde Idee, sich mit all seinem Körpergewicht der Willkür eines Gummibandes auszusetzen …

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Auch andere Sportarten haben bereits im Namen etwas sehr Abschreckendes, wenn man sich selbst als eher stabil konstruiert definiert. »Ultraleichtfliegen« zum Beispiel treibt das auf die Spitze des Machbaren. Ich würde vermutlich schon innerlich zusammenzucken, wenn mir jemand anbieten würde, »leicht zu fliegen«, aber ULTRA-Leichtfliegen ist für mich ja bereits namentlich die Maximierung eines Widerspruchs in sich. ULTRA-Leichtfliegen kommt für mich in etwa so infrage wie Fellmützenhäkeln in der Namibwüste.

Und derlei euphemistische Namensgebungen gibt es quasi wie Sand am Meer, und das paradoxerweise in einem Bereich, der auf den irreführenden Namen »Breitensport« hört. Ironischerweise finden wir gerade im Breitensport den Bereich der »Leichtathletik« … ein echter Wortwitz, erst recht, wenn man dann mit hundert Kilo aufwärts an den »Schwebebalken« spaziert. Sie sehen, es gibt viele Sportarten, in denen wir uns bereits aufgrund der Namensgebung deplatziert fühlen, und es wurde allerhöchste Zeit, dass jemand mal diese sprachlichen Diskriminierungen zur Sprache bringt – finden Sie nicht auch?