Kapitel 40

Die Krankenhausdiät

Eine Möglichkeit zum radikalen Gewichtsverlust habe ich bisher noch nicht beschrieben, dabei ist der Besuch beim Schönheitschirurgen ja für einige Zeitgenossen schon so geläufig wie für normale Menschen der Gang zum Zahnarzt. Für eine adäquate Beurteilung dieser Möglichkeiten bedurfte es also auch hier einer intensiven Recherche, und selbstverständlich habe ich keine Kosten und Mühen gescheut, mir durch selbstlosen Einsatz ein Bild von den Möglichkeiten der modernen Chirurgie zu machen.

Die Vorgehensweise beim Fettabsaugen waren mir dank einschlägiger TV-Magazine schon leidlich bekannt, doch muss ich gestehen, dass ich Bilder von Ärzten, die mit langen blutverschmierten Edelstahlröhren in den Körpern der Patienten rumstochern wie Straßenarbeiter, die gerade die Kanalisation durchspülen, nicht gerade als ermutigend ansehe. Aber was hilft’s – für Ruhm und Ehre und die Vorstellung, den Operationssaal drahtig-erschlankt zu verlassen, hieß es also: Auf ins Krankenhaus.

O. K. … ich gebe es zu, ich habe mich natürlich nicht unters Metzgermesser gelegt, um mittels der plastischen Chirurgie überschüssige Pfunde wegschnippeln zu lassen, so ambitioniert war und werde ich dann doch wohl niemals sein. Allerdings kenne ich mich mit Krankenhausaufenthalten deutlich besser aus, als mir lieb ist, denn leider hatte ich in der Vergangenheit den einen oder anderen Pflichtaufenthalt zu bewerkstelligen. Dabei geht es noch nicht einmal um eine Operation, die ja durchaus ein gewisses Abschreckungspotenzial hat, sondern um den Krankenhausaufenthalt an sich.

Krankenhäuser arbeiten nämlich in einem Raumzeit-Kontinuum, das mir wohl auf ewig verschlossen bleiben dürfte. Wie man morgens um 5:30 einen Raum fröhlich strahlend mit einem lauten »GUTEN MORGEN« betreten kann, bleibt mir für immer ein Rätsel – angeblich wird dann immer Puls und Blutdruck gemessen, aber dass mein Blutdruck und Puls um diese Zeit überhaupt schon messbar sind, überrascht mich schon sehr – bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass ich vor 9:00 in einem Stadium verharre, das der Leichenstarre am nächsten kommt.

Auch der Hinweis auf eine private Zusatzversicherung ändert übrigens nichts an dieser strikten Zeitplanung, allenfalls ist die Essenskarte dann nicht mehr kassenpatientengelb, sondern privatversichertgrün – was den unermesslichen Vorteil birgt, dass man auch Pflaumenmus als Wunschaufstrich fürs Frühstück wählen kann –, wenn man es denn schafft, zum Frühstück überhaupt geistig und körperlich zur Nahrungsaufnahme bereit zu sein. Die Mahlzeiten sind im Krankenhaus nämlich sehr verwirrend benannt: Das Frühstück wird irgendwo in einem Zeitkorridor zwischen 05:00 und 06:30 verabreicht, ich habe das immer nur in einer seichten Form des Wachkomas wahrgenommen, und wenn ich dann endlich wirklich wach wurde, war das kleine Graubrotensemble mit Früchtetee meistens schon wieder vollständig abgeräumt. Der Brunch wird dann jedoch wie gewohnt gegen 11:30 serviert – heißt dort aber paradoxerweise MITTAGESSEN. Dafür gibt’s zur tatsächlichen Mittagszeit dann einen Kaffee, das Abendbrot hat man dann allerdings schon lange vor dem Sandmännchen wieder vollständig verdaut. Je nach Grund des Krankenhausaufenthalts kann man aber mit den bunten Medikamentenknabbereien auf dem Nachttischchen den kleinen Hunger zwischendurch bekämpfen, das hat auch den Vorteil, dass dann die Träume viel lebensechter und actiongeladener sind als sonst. Ich habe immer die kleinen grünen Pillchen den bläulich schimmernden vorgezogen, aber das wird wohl von Fall zu Fall unterschiedlich beurteilt werden.

Diese Erfahrungen waren dann am Ende aber ausschlaggebend für meinen festen Vorsatz, mich niemals ohne wirkliche Not in ein Krankenhaus zu begeben, und mit absoluter Sicherheit nicht auf einen OP-Tisch. Ganz offenbar ist also mein Leidensdruck noch nicht groß genug für eine Schönheits-OP.

Mein Praxistipp Nr.26:

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man irgendwann an einem Punkt der Verzweiflung angelangt ist, an welchem man sich nur noch unters Messer legen will, um die überschüssigen Pfunde loszuwerden. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass diese Art des Gewichtsverlusts wenig nachhaltig ist, und Sie bei gleichbleibender Einstellung zu sich und Ihrem Körper nach einer gewissen Zeit vor exakt den gleichen Problemen stehen werden wie zuvor. Magenband, Fettabsaugungen, Magenverkleinerungen – schnippeln Sie stattdessen lieber an Ihrer Psyche, Ihrem Ego oder an Ihrem Speiseplan – selbst die allergrünsten Pillchen auf dem Nachttisch im Krankenhaus sind einen solch massiven operativen Eingriff in Ihren Körper nicht wert.