Ludwigsfelde, 10. Dezember 1938

Liebste Hilde!

Habe heute Deinen lieben Brief erhalten, wofür ich Dir herzlich danke. Ich war sehr angenehm überrascht, dass nicht nur die anderen Kameraden ein Schreiben von Zuhause, sondern auch ich Post bekommen habe. Dein Brief hat hierher nur zwei Tage gebraucht, dafür die Karten, die ich Dir schreibe, viel länger auf dem Postweg benötigen.

Dass Du traurig warst, dass ich immer noch kein Quartier für uns habe und noch dazu im Krankenstand bin, verstehe ich ganz. Aber keine Angst, ich lasse mich nicht unterkriegen. Mein Kreuz ist schon wieder in Ordnung und fast so gut wie zuvor. Meine starke Natur, auf die ich mich immer verlassen konnte, hat mich auch jetzt nicht im Stich gelassen. Und wie ich Dich kenne, bist Du auch der Meinung, dass ein starker Wille mehr als Pillen und Salben ausrichten kann.

Davon, dass ich jetzt nach Hause komme, kann keine Rede sein. Und wenn, dann nur um Dich zu besuchen. Du kannst den Leuten sagen, dass ich in einer Flugzeugfabrik beschäftigt bin, die zu den weltbesten gehört. Sie hat heuer drei Weltrekorde aufgestellt. Vor allem der Weltgeschwindigkeitsrekord für Mercedes W 125 ist beachtlich. Mit 430 km/h schoss der Rennfahrer Rudolf Caracciola über eine öffentliche Reichsautobahn, Abschnitt Frankfurt—Darmstadt. Der Wagen ist ein Wahnsinn! Das wird uns nicht so schnell jemand nachmachen.

Ich liebe meine Arbeit und ich bleibe hier. Du wirst nachkommen und wir werden heiraten. An unseren Plänen werden wir festhalten.

Leider bekomme ich keinen Urlaub zu Weihnachten. Es werden vor allem die verheirateten Väter bevorzugt. Aber wir bekommen je 20 Reichsmark Weihnachtsremuneration. Das ist doch auch etwas.

Zu Weihnachten sollen wir eine kleine Feier haben. Man hat uns Ostmärker gefragt, ob wir ein Gansl mit Kartoffelsalat oder Reis haben wollen. Wir sollen dabei auch Zither spielen. Wenn Alois zu mir kommt, soll er unbedingt meine Zither und die Noten mitbringen. Hat er schon eine Verständigung vom Arbeitsamt? Ich habe mit dem Ingenieur gesprochen. Er sagt, er fährt nächste Woche in die Ostmark und holt wieder eine Partie hierher.

Ich habe ganz vergessen, meine N.S.F.K. * -Beiträge für November und Dezember zu bezahlen. Sag Alois, er soll es für mich tun. Ich gebe ihm das Geld, wenn er hierherkommt.

Mach Dir keine Sorgen wegen Elfi. Du sollst Dein Leben leben und sie ihres. Du bist für sie nicht verantwortlich. Wegen Lina tut es mir leid, aber mitnehmen kannst Du sie sicher nicht, Elfi würde es nie zulassen. Außerdem, das Kind gehört zur eigenen Mutter.

Liebste Hilde, in ein paar Wochen, und die sind bald um, wirst Du im Schnellzug sitzen und nach Berlin fahren. Oder kommst Du vielleicht schon zu Weihnachten? Das wäre das Beste. Schreib aber vorher, damit ich Dich am Bahnhof abholen kann.

Also für heute lebe wohl. Liebe Grüße und Küsse!

Dein Karl

* Nationalsozialistisches Fliegerkorps