Die nackte Erde verbergen, das sollen alle Pflanzen. Einige können es aber besonders gut, und die werden unter dem Begriff Bodendecker zusammengefasst. Die Übergänge zu den Polsterstauden sind fließend: Auch Polsterstauden können große Flächen bedecken, wie das Beispiel des Filzigen Hornkrauts (Cerastium tomentosum, z. B. ‘Silberteppich’) zeigt, sie breiten sich aber meist langsamer aus als Bodendecker, und sind von kissenartigem, klar konturiertem Wuchs.
Bodendecker hingegen umfassen vor allem zwei Wuchstypen: Arten wie das Kleine Immergrün (Vinca minor), das dank seiner Wurzeln bildenden Triebe wie mit langen Fingern immer mehr Raum umfasst, und Arten wie das Vorfrühlings-Alpenveilchen, die sich mit der Zeit vermehren und aus einer Vielzahl kleiner Einzelpflanzen größere Teppiche bilden. Die Wuchshöhe der Bodendecker bewegt sich überwiegend zwischen 5 und 40 cm, einige Storchschnabel-, Beinwell-, Funkien- und Knöterich-Arten oder aber auch die filigranen Wald-Astern (Aster divaricatus) erreichen aber durchaus 50 – 70 cm. In Sachen Wüchsigkeit sind alle Temperamente vorhanden, von sich bedächtig, aber beständig ausbreitenden Vertretern bis hin zu Wildfängen, deren Ziel nicht weniger als die komplette Garteneroberung zu sein scheint.
Sowohl Polsterstauden als auch Bodendecker können sich harmonisch in abwechslungsreiche Pflanzungen einfügen, sofern man langsam wüchsige Arten nicht mit übergriffigen Nachbarn kombiniert oder letztere beizeiten zurückschneidet oder aber umgekehrt rasant raumgreifende Arten mit konkurrenzstarken Pflanzen kombiniert, die ihnen Einhalt gebieten.
SOKO SONNENBRAND
Viele Pflanzen mögen sonnige Plätze, aber sonnig, heiß und trocken? Da hört der Spaß oft ganz schnell auf. Zum Glück haben sich zahlreiche Polsterstauden auf genau solche Extremstandorte spezialisiert, darunter viele Vertreter der Steingartenfraktion Seite 68. Meist wird einer abwechslungsreichen kleinteiligen Bepflanzung der Vorrang gegeben, mitunter sollen aber auch größere Flächen begrünt oder noch besser beblüht werden, sei es in Hanggärten oder auch im Regenschatten von Gebäuden. Der Polster-Phlox (Phlox subulata, P. douglasii), niedrige Fetthennen (z. B. Sedum floriferum ‘Weihenstephaner Gold’), Wolliger Ziest, Grauer Storchschnabel (Geranium cinereum ‘Ballerina’), Dost (Origanum vulgare) und Thymian-Arten (z. B. Thymus herba-barona, T. serpyllum, T. × citriodorus) zeigen hier, was in ihnen steckt. Wohlgemerkt wenn man sie lässt, denn sie können sich auch ganz gut zurückhalten und werden nicht lästig. Insbesondere Dost und Thymian füllen auch Lücken zwischen Gehwegplatten in mediterranen Kiesgärten, viele Thymian-Arten halten sogar gelegentliches Betreten aus.
Clematis werden vorwiegend als Kletterpflanzen eingesetzt, eignen sich aber auch als attraktive Bodendecker. Am schönsten wirken kleinblumige Arten und Sorten, beispielsweise die Großblättrige Waldrebe (C. heracleifolia), die Aufrechte Waldrebe (C. recta), die Ganzblättrige Waldrebe (C. integrifolia) und die Stauden-Waldrebe (C. jouiniana).
TEAM GOLDENE MITTE
Wo es sonnig bis halbschattig und der Boden nicht mehr ganz so trocken ist, erweitert sich die Auswahl geeigneter Arten schlagartig. Ein ebenso attraktiver wie robuster Bodendecker, der auch als Rasenersatz propagiert wird, ist die Teppichverbene (Phyla nodiflora). Ihre kleinen rosafarbenen Blütenköpfchen erinnern aus der Nähe an die des Wandelröschens (Lantana camara, stark giftig, als Balkonschmuck sehr beliebt) und duften zart. Kräftig rosa bis pink sind hingegen die von Mai bis in den August hinein erscheinenden Blüten des Scheinwaldmeisters (Phuopsis stylosa, auch Baldriangesicht genannt) – ein wuchskräftiger Bodendecker, dessen dichte Polster sich durch gelegentlichen Rückschnitt jedoch gut begrenzen lassen. Ebenso hübsch wie ausbreitungsfreudig sind auch die wintergrüne Garten-Silberwurz (Dryas × suendermannii) mit ihren großen weißen Blüten über kräftiggrünen derben Laubmatten sowie das filigrane, aber nicht zu unterschätzende Zimbelkraut (Cymbalaria pallida), das besonders in der violett blühenden Variante mit niedlichen Blütengesichtern erfreut.
Als echter Dauerblüher erweist sich die auch als Blauer Bubikopf bezeichnete Teppichlobelie (Pratia pedunculata): Von Mai bis zum ersten Frost bildet sie von blauen Sternchenblüten übersäte frischgrüne Matten, ehe sie den Winter über wieder einen Blick auf den Boden erlaubt. Die Große Sternmiere (Stellaria holostea) hingegen blüht zwar kürzer (April bis Juni), bleibt aber auch in der kalten Jahreszeit ansehnlich grün, genau wie das Weiße Fingerkraut (Potentilla alba × sterilis) und der Kriechende Günsel (Ajuga reptans), der seine glänzenden grünen bis rotbraunen Blätter im Mai und Juni verwegen mit violettblauen Blüten kombiniert. Für kleinere Flächen sind auch Veilchen eine Zierde, allen voran das Pfingst-Veilchen (Viola sororia). Im Größenvergleich ein echter Riese ist hingegen das elegant-bizarre Brandkraut (Phlomis russeliana). Im Juni und Juli schmücken mehrere Etagen hellgelber, wie Donuts um die Stängel liegende Blüten die bis zu 100 cm hohen Triebe. Selbst im trockenen Zustand wirkt die Präriestaude äußerst ansprechend und setzt Akzente im winterlichen Garten. Brandkraut ist aufgrund seiner Wüchsigkeit allerdings eher für große Flächen geeignet, genau wie der in großen Gruppen sehr ansprechende Teppich-Knöterich (Polygonum affine) mit seinen rosaroten Blütenkerzen – auf feuchten Flächen verträgt er auch volle Sonne.
Ebenfalls sehr ausbreitungsfreudig ist die sich stark versamende Braunelle (Prunella grandiflora). Um ihr Einhalt zu gebieten, müssen Sie Verblühtes konsequent ausschneiden, auf größeren Flächen kann auch ein Freischneider zum Einsatz kommen. Auch der Felsen-Storchschnabel (Geranium macrorrhizum) und der Gold-Felberich (Lysimachia punctata) breiten sich gerne aus, genau wie die Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), die erst mit weißen Blüten und dann mit aromatischen Früchten bezaubert. Besonders auffällig ist die halbgefüllt blühende Sorte ‘Plena’.
SPECIAL FORCES FÜR DEN SCHATTEN
Vollschatten allein ist schon eine echte Herausforderung. Wenn sich die Fläche dann aber auch noch im Wurzelbereich von Bäumen und Sträuchern befindet, heißt es Ohren anlegen – schattig und trocken und Wurzeldruck, das schaffen nur die ganz Harten. Mit leuchtend gelben Blüten warten sowohl die 10 cm hohe Golderdbeere als auch das geniale, 30 cm hohe Teppich-Johanniskraut (Hypericum calycinum) auf – ganz unbescheiden, aber hochverdient. Das Johanniskraut ist immergrün und punktet auch noch mit einer tollen Herbstfärbung und rotem Fruchtschmuck. Die Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum) legt ebenfalls ein gesundes Selbstbewusstsein an den Tag: Über ihrem attraktiv panaschierten Laub erheben sich im Mai / Juni zahlreiche Blüten in zartem Rosa bis kräftigem Violett. Weiß blühende Sorten sowie die hellgelben Blüten der optisch sehr ähnlichen Goldnessel (Lamiastrum galeobdolon) bringen zusätzlich Licht ins Dunkel.
Achtung, Wucherer!
Um stark wachsende Arten wie Brandkraut, Goldnessel, Golderdbeere, Turiner Meister oder den Teppich-Knöterich erfolgreich in den Garten zu integrieren, gibt es drei Möglichkeiten: Genug Fläche zur Verfügung stellen. Mit ähnlich durchsetzungsstarken Arten kombinieren. Den Ausbreitungsdrang mithilfe einer Rhizomsperre begrenzen. Bei letzterem handelt es sich um eine besonders robuste Folie (die ausdrücklich als Rhizomsperre ausgewiesen sein sollte!), die in den Boden eingegraben wird. Mindestens 5 cm sollten noch herausschauen, um einem Überwachsen vorzubeugen.
Mit der Bodenfeuchte steigt auch im vollen Schatten die Zahl geeigneter Bodendecker. Beliebte und bewährte Arten sind Gedenkemein (Omphalodes verna), Pfennigkraut (Lysimachia nummularia) sowie einige Elfenblumen (z. B. Epimedium × perralchicum ‘Frohnleiten’, E. alpinum, E. rubrum ‘Galadriel’, E. × versicolor ‘Sulphureum’). Letztere krönen ihr meist wintergrünes attraktives Laub im April / Mai mit grazilen Blüten, die über den Blättern tanzen. Seltener anzutreffen, aber ebenso hübsch wie funktionstüchtig sind der Teppich-Beinwell (Symphytum grandiflorum) mit seinen cremefarbenen oder zwischen rosa, violett und himmelblau schwankenden Blütenglöckchen, der ebenfalls zu den Borretschgewächsen zählende Rauling (Trachystemon orientalis) und der 30 – 40 cm hohe Turiner Meister (Asperula taurina), sozusagen die größere Variante des Waldmeisters. Die Waldraute (Trautvetteria caroliniensis) legt größentechnisch noch eine Schippe drauf: Ihre duftenden weißen Blüten schweben auf bis zu 100 cm Höhe über dem geschlitzten Laub. Ein echter Geheimtipp für moderne Gestaltungen sind die Schmale Lilientraube (Liriope graminifolia) und der Teppich-Hartriegel (Cornus canadensis). Die Lilientraube bildet mit ihrem wintergrünen grasartigen Laub dichte frischgrüne Flächen, aus denen sich von August bis Oktober mit rosa überhauchten Blütenperlen besetzte Triebe hervorschieben. Der Hartriegel bedeckt den Boden sehr gleichmäßig, ab Juni zieren ihn von weißen Hochblättern umgebene Blüten, danach rote Früchte.