VIERZEHN

Die Details verblassen mit der Zeit. Wo wir uns zum Abendessen getroffen haben, welche Auftritte wir zusammen hatten, Streitigkeiten mit dem Studio. Die unzähligen Tage und Abende, die Leonard und ich zusammen verbracht haben, verschwimmen zu einer großen Erinnerung. Wenn ich an Leonard denke, habe ich eher emotionale als konkrete Erinnerungen. Welches Glück ich hatte, dieses Abenteuer mit ihm erlebt zu haben, mit meinem »siamesischen Zwilling«, meinem »Bruder von einer anderen Mutter«, meinem besten Freund.

Mit der Fotografie, den Engagements, dem Dichten, dem Arbeiten am Haus, den Vortragsverpflichtungen und den Auftritten auf der einen oder anderen Convention, wo die gesamte Besetzung wie Vertreter eines Königshauses behandelt wurde, war sein Leben ausgefüllt. Aber sein Fokus hatte sich verändert. Wie viele von uns hatte auch er sich vor Jahren ein Versprechen gegeben: »Wenn ich es jemals schaffe, wenn ich jemals Geld verdiene und solide werde, mache ich dies oder jenes.« Aber wie bei uns Übrigen lag dieser angestrebte Zustand immer nach dem nächsten Engagement, nach dem nächsten Erfolg. Bis seine Krankheit ihn zum Kürzertreten zwang, war er noch nicht dort angekommen. Erst als er nicht mehr so viel arbeiten und nicht mehr so viel reisen konnte, wie er wollte, erreichte er endlich diesen Zustand.

Er hatte beschlossen, sein wichtigster Part werde in der Familie sein, weil er die letzten Risse kitten wollte. Wir sprachen öffentlich darüber, und er gab zu: »Meine Kinder und ich haben die letzten Jahre bewusst versucht, eine neue Beziehung zueinander aufzubauen. Zumindest habe ich es versucht, aber ich denke, sie auch.«

»Wir haben gelernt, einander zu schätzen«, erinnert Adam sich. »Er verbrachte mehr Zeit zu Hause denn je, saß da und erzählte Geschichten. Ungefähr alle zwei Wochen trafen wir uns zu einem großen Familienessen, wie sie früher nicht so häufig stattgefunden hatten. Endlich konnten wir alle unsere gegenseitige Zuneigung zeigen.«

Leider ist es manchmal auch ein trauriges Ereignis, das Menschen enger zusammenrücken lässt. 2008 war Adam Nimoy dabei, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, als er eine Frau traf, die er mit den Worten beschreibt: »liebevoll und fröhlich. Eine Frau ohne böse Absichten.« Wie so viele Eltern fragten sich Leonard und Susan, ob Adam trocken wurde und sein Leben wieder in die Hand nahm, weil er diese Frau – Martha hieß sie – kennenlernte, oder ihr begegnet war, weil er sein Leben verändert hatte. Nachdem er ihnen Martha vorgestellt hatte, riefen sie Adam eines Abends an und sagten ihm, wie sehr sie die neue Frau an seiner Seite mochten und sich darüber freuten, welchen Einfluss sie auf sein Leben hatte – besonders, weil sich die Beziehung zwischen ihnen und Adam so positiv entwickelt hatte. Zu einem früheren Zeitpunkt wäre dies ein Anlass für Streit gewesen – schließlich war Adam stolz auf die harte Arbeit, die er in die Veränderung seines Lebens gesteckt hatte. »Aber ich sagte nichts dazu, sondern antwortete einfach: ›Ich freue mich sehr über euren Anruf – und auch über meine neue Beziehung zu euch.‹«

Martha brachte Freude in das Leben aller, und im Januar 2011 heirateten sie und Adam. Vier Monate später wurde bei ihr Krebs im Endstadium festgestellt. Wie Adam sich erinnerte: »Als meine erste Ehe 2004 in die Brüche ging, rief ich meinen Vater nicht einmal an. Als Martha vier Monate nach unserer Hochzeit die Diagnose bekam, war mein Vater der Erste, den ich anrief.«

In den nächsten eineinhalb Jahren rang die ganze Familie mit dieser Krankheit und, wie Adam sagt, Leonard und Susan waren da, »bei jedem einzelnen Schritt. Wir hatten Glück, dass meine Directors-Guild-Versicherung alles bezahlte. Ich benötigte keine finanzielle, sondern moralische Unterstützung, und die bekam ich. Niemand hielt mich stärker aufrecht als die beiden. Sie waren in jeder Hinsicht für mich da, brachten mir Essen, kamen vorbei. Sie taten alles nur Erdenkliche, um uns zu helfen. Es war eine Hundert- achtzig-Grad-Wendung.«

Adam pflegte Martha. »Das ist sehr schwierig«, sagte er. »Man braucht Unterstützung, viel Unterstützung, und die bekam ich. Marthas Mutter, meine Schwester Julie, Leute von der UCLA, wo ich lehrte, und die Zwölf-Schritte-Gruppen, an denen ich teilnahm. Aber vor allem war es unglaublich, wie weit mein Vater und Susan zu gehen bereit waren. In dieser Zeit fanden wir noch einmal ganz neu zusammen.«

Am 9. Dezember 2012 starb Martha. Ihr Vermächtnis lag in gewisser Weise darin, dass sie Leonard und Adam einander nähergebracht hatte, näher, als sie es im Erwachsenenalter je gewesen waren.

Doch zu diesem Zeitpunkt trat auch Leonards eigene Sterblichkeit bereits zutage. Ich kann nicht sagen, wann mir zum ersten Mal richtig deutlich wurde, welchen Tribut seine Krankheit forderte. Ich erinnere mich, dass wir eines Nachmittags zusammen mit dem Auto zu einer Veranstaltung gebracht wurden, bei der wir beide auftreten sollten. Das hatten wir unzählige Male so gehandhabt, und überall waren wir forschen Schrittes hingegangen. Ankommen, loslegen, Spaß haben, fertig. Aber diesmal musste Leonard zwischendurch stehen bleiben und sich gegen eine Wand lehnen, um zu Atem zu kommen. Mit der Zeit häuften sich diese Pausen. Schließlich nahm er eine Sauerstoffflasche mit ins Auto. Die Krankheit machte Leonard wütend. Er verfluchte sie. »Verdammter Mist!« Verzweifelt schüttelte er den Kopf und fragte: »Warum hast du mich nicht vom Rauchen abgehalten?«

Mein Gefühl der Hilflosigkeit lässt sich nicht in Worte fassen. Leonard war einer der aktivsten Menschen, die ich kannte, und nun verkleinerte sich seine Welt rapide. Und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Das Letzte, was Leonard von mir wollte, war Mitleid.

Für einen Schauspieler ist diese Krankheit besonders grausam. Die Stimme ist sein wichtigstes Werkzeug, ein Instrument, genau wie eine Flöte oder Tuba. Sie kann ein Publikum von Shakespeares London bis zu Spocks Vulkan tragen. Schauspielen beginnt in der Lunge, wo die Stimme herkommt. Beim Ausatmen streift die Luft an den Stimmbändern vorbei, und das erzeugt den ganz persönlichen Ton. Hat man nicht genügend Luft, ist man seiner Stimme beraubt. Die Stimme zu verlieren bedeutet für einen Schauspieler das Ende seiner Karriere. Trotzdem betrachten viele ihre Stimme als selbstverständlich. Sie ist immer da – bis sie eines Tages weg ist.

Richard Arnold, der sehr viel Zeit mit Leonard verbrachte, um Conventions und Auftritte zu organisieren, erinnert sich, die ersten Symptome seiner Krankheit COPD bereits 2006 bemerkt zu haben. »Er musste sich öfter räuspern als früher. Zuerst war es nur ein kleines Ähem, wenn er sprach, dann wurde es zunehmend schlimmer. Eines Nachmittags waren wir in seinem Büro, wo er Autogramme auf Fanartikel schrieb, und seine Stimme klang richtig rau. Ich hatte das schon vorher mal bei ihm gehört, aber nie so schlimm. Ich machte mir Sorgen und fragte: ›Leonard, alles in Ordnung?‹« Er lächelte, griff über den Schreibtisch, legte seine Hand sanft auf meine und antwortete: ›Richard, ich war eben immer ein ordentlicher Raucher.‹ Dreißig Jahre lang zwei Schachteln am Tag, das machte sich nun bemerkbar. Mit der Zeit wurde seine Stimme richtig kratzig, und seine Atemprobleme zeigten sich deutlicher. Wenn ich ihn traf, hatte er immer Clips in der Nase, die ihn mit seiner Sauerstofflasche verbanden.«

Leonard besuchte seine letzte Star-Trek-Convention im Oktober 2011 in Chicago. Er musste einsehen, dass diese Reisen zu anstrengend geworden waren. Zum ersten Mal brachte er seine gesamte Familie mit: Susan, seine Kinder, Enkel und seinen einzigen Urenkel. Er mietete zwei Shuttlebusse, um sie alle durch die Stadt zu fahren. Es war eine ziemlich dramatische Situation. Zachary Quinto hatte ein Video zusammengestellt, in dem alle Beteiligten an den jüngeren Star-Trek-Filmen – von J.J. Abrams über die Darsteller – ihm ihre Dankbarkeit, Bewunderung und Anerkennung aussprechen. Als Leonard eingeführt wurde, stand er allein hinter der Bühne und kämpfte mit den Tränen. Und dann betrat er die Bühne und bekam gewaltige Standing Ovations. Das Stadion war brechend voll, und das zeigte ihm, wie sehr er geliebt wurde. Welch ein Glück, das zu erfahren!

Dies war jedoch nicht sein letzter Auftritt auf einer Convention. Er bekam weiterhin fantastische Angebote, eine letzte Convention zu besuchen. Und dann noch eine. Die Organisatoren waren bereit, ihm für wenige Stunden mehr zu bezahlen, als wir in den drei Jahren der Dreharbeiten zur Originalserie verdient hatten. Wie Richard Arnold ihm sagte, als er ihm die Angebote vortrug: »Hiermit könntest du die gesamte Ausbildung deines Urenkels bezahlen.«

»Ich weiß«, antwortete er. »Aber darum habe ich mich schon gekümmert.«

Jemandem wie Leonard, der nie stillhält, muss es schwergefallen sein, die Angebote abzulehnen. Nicht wegen des Geldes – das wirklich gut war –, sondern wegen der Gelegenheit, ein letztes Mal Zeit mit Heerscharen von Fans zu verbringen. Ich kann unmöglich beschreiben, wie es sich anfühlt, dort oben auf der Bühne zu stehen – oder in unserem Fall zu sitzen. Leonard kannte das Gefühl, genau wie ich, Patrick Stewart und noch einige andere Menschen. Auf einer dieser Conventions zu sein, diese Energie und Liebe zu spüren – näher kommt keiner von uns »der Macht«.

Schließlich dachte sich jemand etwas aus, um Leonards körperliche Einschränkungen zu umgehen: Er sollte zu einer Convention in Florida per Skype zugeschaltet werden. Die Veranstalter schickten ihm Techniker nach Hause, die ihm alles Nötige auf dem Schreibtisch aufbauten. Darin liegt eine wunderbare Ironie: die Art von Technologie des Raumzeitalters, die in der Originalserie benutzt wurde, damals in Wirklichkeit aber noch nicht existierte, ermöglichte es ihm nun, darüber zu sprechen. Er hielt seinen Vortrag, und dann stellten die Fans sich der Reihe nach vor einem Computer vor Ort auf. Sie nannten Leonard ihren Namen, und er gab jedem von ihnen ein Autogramm, das ihnen am nächsten Tag zugeschickt wurde.

»Es war toll«, sagte Leonard und fügte hinzu: »Ich musste mich nicht einmal in Schale schmeißen!«

Er sagte allen Organisatoren immer wieder: »Das war’s, ich bin im Ruhestand«, konnte aber nie widerstehen, noch ein nächstes Projekt zu machen. Ständig zu arbeiten steckte ihm in den Genen. Er war genauso süchtig danach, etwas zu erschaffen, wie nach den Zigaretten. Und so ging er nie wirklich, wirklich, wirklich ganz in den Ruhestand. Es gab immer noch einen Auftritt, ein weiteres Projekt, das ihn interessierte, das seine Neugier weckte. Unter diesen letzten Projekten, denen er sich enthusiastisch widmete, war eine denkwürdige Reise zurück nach Boston. Um seinem Vater für alles, was er getan hatte, zu danken, schlug Adam vor, eine kurze Dokumentation zu drehen. Die beiden reisten nach Boston und filmten Leonard Nimoys Boston. Was zuerst als Familienalbum gedacht war, wurde letztendlich ein PBS-Spezial.

Als ich Leonards Begeisterung sah, während er seinem Sohn von den Geschichten und Orten seiner Kindheit berichtet, hielt ich inne und dachte an den energiegeladenen jungen Leonard, der gerade zu einem Star wurde. »Hier habe ich segeln gelernt … Hier habe ich Stühle gestapelt, um ein bisschen Geld zu verdienen … An dieser Kirche bin ich jeden Tag vorbeigegangen … Wir lebten im dritten Stock über Harry Rubin’s Credit Union … Es gab ein einziges Gebäude einige Blöcke weiter, das einen Aufzug hatte.« Und dann, typisch Leonard, sprach er mit Wärme von seinen Eltern und erzählte eine Geschichte, die ich noch nie gehört hatte, die mich aber nach allem, was ich über ihn wusste, auch nicht sonderlich überraschte. Eines Nachts hatten er und ein Freund fast bis Mitternacht gearbeitet und Stühle vor der Konzertmuschel weggeräumt. Er kam mit den zwei Dollar, die er verdient hatte, nach Hause und begegnete unterwegs seinen Eltern, die sich Sorgen gemacht und ihn gesucht hatten. »Meine Mutter fragte: ›Wo warst du?‹ ›Wir haben Stühle gestapelt.‹ ›So spät?‹ ›Ja, wir sind gerade fertig geworden.‹ Ich gab ihnen die zwei Dollar. Mein Vater riss sie mir aus der Hand und zerfetzte sie. Er war wütend, weil meine Mutter sich aufgeregt hatte, das konnte er nicht haben. Er hielt es nicht aus. Sie hob die Fetzen auf. Auf die zwei Dollar würde sie nicht verzichten. Schweigend gingen wir nach Hause.«

Gegen Ende dieser wunderbaren 28-minütigen Dokumentation wurde Leonard ein wenig melancholisch, als er an das Viertel im West End dachte, das niedergerissen worden war, an seine Kindheit, die der Erneuerung des Stadtbilds zum Opfer gefallen war, und sagte wehmütig: »Ich vermisse Boston. Es war ein guter Ort.«

Die Befriedigung, die Vater und Sohn aus der gemeinsamen Arbeit zogen, ermutigte Adam, ein weiteres Projekt vorzuschlagen. Im Jahr 2016 jährte sich der fünfzigste Geburtstag der Originalserie. Um das zu feiern, schlug Adam vor, eine Dokumentation über die Geschichte von Spock zu drehen. Leonard war einverstanden, Spock zu würdigen, bestand aber darauf, dass es keine Leonard-Nimoy-Dokumentation sein sollte. Spock sollte im Mittelpunkt stehen, und er würde nur insofern mitmachen, als er über alles sprach, was zur Erschaffung der Figur beigetragen hatte – von seinem Fremdheitsgefühl in Boston bis zu den Schwierigkeiten in den Anfängen seiner Karriere. »Er wollte es als Abschiedsgeschenk für die Fans machen, die er liebte, schätzte und respektierte«, sagte Adam. »Er war ihnen sehr dankbar, dass sie dieses ganze Phänomen hervorgebracht hatten, es beruhte ja auf ihnen. Dies sollte die ultimative Arbeit über Spock werden. Wie er erarbeitet wurde, wie Leonard Roddenberry half, ihn zum Leben zu erwecken, wie die Figur sich entwickelte und Kult wurde, warum die Menschen sich damit identifizieren und warum die Popkultur Spock so lange in Ehren hielt. Wir setzten uns also hin und redeten darüber. Wir wollten alles aufnehmen, und ich hatte es eilig mit dem Filmen. Er aber glaubte, wir hätten unendlich viel Zeit. Und dann wurde er krank …«

Seit einigen Jahren sprachen Leonard und ich über unsere Sterblichkeit. Ich sagte zu ihm: »Vielleicht lege ich ein so hohes Tempo vor, weil ich meinen eigenen Tod klar vor Augen habe …«

»Ich stelle mir den Tod als Verlust des Bewusstseins vor«, antwortete Leonard. »Und ich bin mir darüber im Klaren. Ich denke an … ich denke an den Verlust von Beziehungen, an ihr Ende. Ich denke an den Verlust künstlerischer Gelegenheiten, die ich liebe. Ich liebe es, kreativ zu sein, zu sehen, wie sich etwas entwickelt … Meiner Ansicht nach ist es an der Zeit, wohltätige Zeichen zu setzen, etwas zu geben, zurückzugeben, so viel ich kann, so viel wir können – der Gemeinde, verschiedenen Veranstaltungsorten, der Kunstförderung, der Förderung von Kindern, der Bildung, dem, woran wir glauben und was uns wichtig ist … etwas zu hinterlassen.«

Etwas hinterlassen. Wenn man älter wird und das Glück hatte, mehr Geld zu verdienen als für die Familie benötigt, überlegt man allmählich, was genau man damit anfangen will. Es zwingt zum Nachdenken, was einem am wichtigsten ist, wie man den Menschen in Erinnerung bleiben will. Es ist interessant, ein Leben anhand des Erbes zu betrachten, das ein Mensch hinterlässt. Ein Mensch bemisst sich daran, was er zurücklässt, um die Welt besser zu machen. Es verwundert also nicht, dass Leonard und Susan Theater sowie künstlerische und Bildungsprogramme unterstützten. Leonard redete nicht darüber, aber wenn er sah, dass Not am Mann war, setzte er sich ein. Ich wusste nicht viel darüber, bis ich es wie jeder andere auch in der Zeitung las, trotzdem war ich nicht überrascht. Bereits 1998 spendete das Ehepaar dem Museum of Contemporary Art in Los Angeles hunderttausend Dollar, um den Kauf einer Reihe von Fotografien zu ermöglichen. George Takei war mehrere Jahre lang im Vorstand des Japanese American National Museum und erinnert sich: »Leonard und Susan kamen in unser Museum, um sich die Ausstellungen anzusehen, und er war so beeindruckt, dass er eine hübsche Summe spendete.«

Absolut ins Bild passt, dass eine von Leonards größten Spenden an das berühmte Griffith Observatory in Beverly Hills ging. Das klassische Art-déco-Gebäude wurde 1935 eröffnet und war ein Wahrzeichen von L.A. Es ist in zahlreichen Filmen zu sehen, darunter … denn sie wissen nicht, was sie tun, Rocketeer und die Terminator-Filme. Aber das Gebäude verfiel dramatisch. Als Leonard und Susan eine Million Dollar – die sicher von den Reisen der Enterprise durchs Universum stammten – für den Ausbau und die Renovierung spendeten, sagte er, wie Spock es wohl auch ausgedrückt hätte: »Indem sie den Himmel betrachten und sich Gedanken über unseren Platz im Universum machen, bekommen die Menschen einen neuen Blick auf ihr tägliches Leben. Das Griffith Observatory bietet seinen Besuchern eine Gelegenheit dazu.« Das Observatorium wurde entkernt und komplett neu aufgebaut. Es bekam ein zusätzliches Untergeschoss, in dem sich der Leonard-Nimoy-Event-Horizon-Vortragssaal befindet, der mit seinen einhundertneunzig Plätzen vor allem für Vorführungen, Vorträge und andere Veranstaltungen genutzt wird.

Leonard war immer fasziniert von allem, was uns außerhalb unserer irdischen Beschränkungen erwarten mochte. Er war überzeugt, dass es andere Lebensformen im Universum gibt. Er spekulierte nicht darüber, wie sie aussehen oder wie sie auf uns reagieren könnten, ob sie weiter entwickelt sind als wir oder in einem primitiven Stadium verharren, aber er war sich sicher, dass es sie irgendwo dort draußen gibt. Nachdem wir so lange im Star-Trek-Universum gelebt hatten, konnte wahrscheinlich keiner von uns noch glauben, dass wir die einzigen Bewohner des Weltalls seien. Leonard interessierte sich immer für Phänomene, die unser Wissen und unser Denkvermögen übersteigen, und deshalb ergab es absolut Sinn, dass er für das Observatorium eine solche Summe hergab.

Und schließlich besann sich Leonard auf seine Wurzeln im lokalen Theater. Er und Susan spendeten eineinhalb Millionen Dollar für die Renovierung des Thalia Theatre an der Upper West Side in New York, am Broadway, Ecke 95. Straße. Er hatte eine besondere Verbindung zu Isaiah Sheffer, der das angrenzende Symphony Space leitete. Dort lief ein beliebtes Programm, das »Selected Shorts« hieß und zu dem Schauspieler und Schauspielerinnen eingeladen wurden, um Kurzgeschichten zu lesen. Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren hatte Leonard dort großartige Kurzgeschichten vorgetragen, von James Thurber über Evelyn Waugh bis Raymond Carver, Geschichten, die auch im Radio gesendet wurden und als Podcasts erhältlich waren. In Wahrheit jedoch erklärte er sich immer wieder zu diesen Lesungen bereit, weil er sich mit Sheffer treffen wollte. Wenn sie Zeit miteinander verbrachten, unterhielten sie sich nämlich auf Jiddisch. Genau wie Leonard kam Sheffer aus dem jiddischen Theater, und er war einer der wenigen Menschen, mit denen Leonard diese Sprache sprechen konnte. »Er kannte Schwartz« – so stellte Leonard ihn vor. Es war ihre gemeinsame Liebe zu einer aussterbenden Sprache, die sie verband. »Zayn oder nit zayn?«, deklamierte Leonard. »Ot vos s’iz di frage.« Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.

Und dann zitierte er vielleicht das Gedicht, an das er so oft denken musste, nachdem er von zu Hause fortgegangen war:

Oyfn veg shteyt a boym …

Zog ikh tsu der mamen: -her, zolst mir nor nit shtern,

Vel ikh, mame, eyns un tsvey bald a foygl vern …

Dicht am Weg steht ein Baum …

Also sag ich: »Mutter, hör, schaff mir nicht Beschwerde, Wenn ich nunmehr eins, zwei, drei selbst ein Vogel werde.«5

Das Thalia war ein beliebtes Kino gewesen, in dem amerikanische Klassiker und große ausländische Filme gezeigt wurden, immer als Doppelvorstellung. Fellini, Bergman, Truffaut wurden dort gespielt. Aber 1987 wurde es geschlossen und stand über zwölf Jahre lang leer. Bei einem seiner Treffen mit Leonard und Susan erwähnte Sheffer, dass das Symphony Space das Thalia gern sanieren wolle. Er hatte vor, eine neue Bühne zu bauen und in einen Komplex mit dem Symphony Space zu integrieren. Susan und Leonard boten an, Geld zu spenden, und im Leonard Nimoy Thalia mit rollstuhlfreundlichem Zugang und hundertachtundsechzig Plätzen finden nun unterschiedlichste Veranstaltungen statt. Dieser bunt gemischte Kulturort entspricht genau Leonards Vorstellungen.

Leonard hinterließ eine Menge, um uns in Erinnerung zu halten, wer er war und was er geleistet hat. In einem Interview 2011 sagte er: »Ich habe viele Wiederauferstehungen in meiner Laufbahn erlebt. Ich bin gestorben und zurückgekehrt. Ich bin gegangen und wiedergekommen.«

Aber all das endete am 27. Februar 2015.

Seine Krankheit hatte ihn in den letzten Jahren immer mehr im Griff. Er dachte über sein Leben nach, überlegte, an welchem Punkt er sich befand, und kam zu dem Schluss, dass er zufrieden war. »Ich wache manchmal morgens auf und denke, am Ende habe ich die Belohnung für harte Zeiten bekommen«, hat er mir einmal gesagt. »Wirklich. Ich habe das Gefühl, belohnt worden zu sein.« Später ergänzte er: »Ich fühle mich gesegnet. Dies ist die beste Zeit meines Lebens … Ich bin unglaublich glücklich.«

Endlich hatte er, wonach er seit seiner harten Kindheit gesucht hatte: eine liebevolle Familie. »Mein gegenwärtiges Leben mit meiner Frau ist so erfüllend, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Ich habe zwei tolle Kinder, fünf Enkel. Ich hatte eine fantastische Reise.«

Als wir in Erinnerungen über die Crew von Raumschiff Enterprise schwelgten, besonders den wunderbaren DeForest Kelley, sagte ich: »Man lebt, und man stirbt.«

»Schauspieler tun es auf der Bühne«, antwortete er. »Lass uns nicht mehr leiden!« Und dann fügte er hinzu: »Der Tod ist unvermeidlich. Bis dahin will ich mich freuen, dass wir beide auf unsere eigene Weise jeden Tag die Energie und die Lust am Leben aufgebracht haben, um Interessantes, Spannendes, Kreatives, Produktives und Vergnügliches zu tun. Und dass wir eine wunderbare Freundschaft geführt haben.«

Ich denke oft über Freundschaft nach. Unsere Freundschaft. Alle Freundschaften. Die Verwicklungen, die zwei Menschen manchmal für kurze Zeit, manchmal fast für ein ganzes Leben zusammenbringen. Es gibt flüchtige und dauerhafte Freundschaften. Freundschaft ist so ein allumfassendes Wort, aber es beschreibt nicht die Tiefe einer Beziehung. Man kann viele Bilder dafür verwenden – unsere Freundschaft erstreckte sich über ein Meer an Zeit, und wie bei jeder Reise war die See manchmal rau. Am meisten bedaure ich eigentlich, dass Leonard und ich uns in den letzten Jahren seines Lebens nicht mehr so nahestanden wie früher einmal. Es hatte einen kleinen Vorfall gegeben: Ich war an einem Film über die vielen Kommandanten der Enterprise beteiligt, und Leonard wollte nicht darin auftreten. Ich dachte, das sei ein Scherz, es war eine Kleinigkeit. Nur ein weiteres von vielen Projekten, die wir zusammen gemacht hatten. Aber dann filmte ihn ein Kameramann ohne seine Einwilligung auf einer Convention, und er wurde wütend. Er sprach nicht mehr mit mir. Es ergab keinen Sinn, und ich versuchte mehrere Male, zu ihm durchzudringen und das Problem aus der Welt zu schaffen, bekam jedoch keine Antwort. Ich verstehe es nicht, dachte ich, ging aber davon aus, dass sich das Zerwürfnis mit der Zeit aufklären würde. Jede Freundschaft hat ihre Höhen und Tiefen. Dies war etwas Vorübergehendes, unsere Freundschaft war zu stark, um an einer solchen Lappalie zu zerbrechen.

Es schmerzte mich sehr. Da ich nie zuvor einen Freund wie Leonard gehabt hatte, hatte ich mich logischerweise auch noch nie in einer solchen Situation befunden und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Wäre mir der Grund für Leonards Schweigen bekannt gewesen, hätte ich einen eventuellen Fehler nicht nur eingestanden, sondern die Verletzung auch zu heilen versucht. Falls ich etwas falsch gemacht, etwas gesagt hatte, das zu dem Missverständnis geführt hatte, hätte ich es gern gewusst und wiedergutgemacht. Aber ich erfuhr es nicht. Ich habe keine Ahnung, was passiert war.

Es kann nicht bloß dieser Kameramann gewesen sein. Nach jenem Auftritt flogen wir sogar noch zusammen mit Leonards Flugzeug zurück nach Los Angeles, und er war wie immer. Wenn etwas nicht stimmte, habe ich es nicht gespürt, und er hat nichts gesagt.

Leonard fürchtete sich nicht vor Konfrontationen – störte ihn etwas, dann sprach er es an. Deshalb verwirrte mich diese Sache so sehr. Viele Male versuchte ich ihn direkt zu erreichen, wollte über gemeinsame Freunde herausfinden, wo das Problem lag, erfuhr es aber nie. Ich stand vor einem Rätsel. Immer wieder fragte ich gemeinsame Bekannte: »Was ist passiert?« Aber niemand konnte es mir sagen. Es ist mir nach wie vor schleierhaft und bricht mir das Herz, wirklich. Ich werde nie aufhören, darüber nachzugrübeln und tiefes Bedauern zu verspüren.

Sie begannen mit den Dreharbeiten zur Originalserie und begleiteten uns unser ganzes Leben: Geschichten über unsere angebliche Feindschaft, unsere Streitigkeiten. Abgesehen davon, dass ich mich in den ersten Monaten daran gewöhnen musste, dass Leonard mehr Aufmerksamkeit bekam als ich, stimmte nichts davon. »Unsere Geschwisterrivalität«, nannte Leonard es lachend, aber er war der engste Freund, den ich hatte.

Und dann das. Wenn nötig, kommunizierten wir über andere Menschen. Einer davon war Richard Arnold, der sich um unsere Star-Trek-Belange und andere gemeinsame Angelegenheiten kümmerte. Er kannte uns beide seit Jahrzehnten und wusste, wie tief unsere Freundschaft war. So beschrieb Richard sie, so habe ich sie in Erinnerung: »Sie hatten einander unheimlich gern«, sagte er. »Das war offensichtlich, wenn man sie zusammen auf der Bühne sah. Sie hielten zwar nicht Händchen, waren sich aber so nahe wie möglich und legten jeweils den Arm um die Schultern des anderen. Sie lachten so viel miteinander, dass ich es für einen Fehler hielt, die Fanfotos gleichzeitig mit beiden zu machen, denn sie hätten die ganze Zeit nur geredet. Die letzten Jahre waren hart, weil Leonard Bill immer noch unheimlich wichtig war und umgekehrt. Sie wussten beide, dass ich auch mit dem jeweils anderen zu tun hatte. Kam ich in Bills Büro, fragte er nach Leonard, war ich bei Leonard zu Hause, fragte er nach Bill. Leonard wollte immer wissen, was Bill gerade trieb, und amüsierte sich über seinen verrückten Zeitplan mit Dreharbeiten, Werbespots, einer neuen CD, einer ausgedehnten Reise irgendwohin. Verrückt, vollkommen verrückt.«

Ich wusste, dass er krank war, das wussten wir ja alle, aber bis zu seinen letzten Tagen war mir nicht klar, wie schlimm es um ihn stand. Als ich es schließlich erfuhr, schrieb ich ihm einen letzten Brief.

Mein liebster Leonard,

ich liebe Dich wie meinen Bruder. Als wir uns gerade kennenlernten, zu Beginn unserer engen Freundschaft, hast Du mich vielleicht das eine oder andere Mal geärgert. Das hat man mir zumindest erzählt, aber ich erinnere mich an keinen Ärger, nur an Gelächter.

Ich erinnere mich, dass wir zusammen in Limousinen saßen und uns vor Lachen krümmten. Ich erinnere mich an unsere tief schürfenden Gespräche über Familie, über Freunde und das Leben im Allgemeinen. Die Geschichten, die Du mir über Deinen Großvater und Deinen Vater erzählt hast. Das geistige Verschmelzen und die Interviews. Ich habe Dich sehr geliebt, Leonard – für Deinen Charakter, Deine Moral, Dein Gerechtigkeitsgefühl, Deine künstlerische Veranlagung, ob als Fotograf oder als Schauspieler. Ich empfinde große Dankbarkeit, dass ich Dich so viele Jahre lang gekannt habe. Du bist der Freund, der mich am längsten und am besten kennt. Ich habe Dich schrecklich vermisst und mich nach unseren gemeinsamen Abendessen gesehnt.

Vor fünfzig Jahren habe ich Dir geraten, mit dem Rauchen aufzuhören, aber Du hast nicht auf mich gehört. Jetzt rate ich Dir, zu entspannen und glücklich zu sein. Du bist ein wunderbarer Mensch, und wie so viele andere schätze ich Dich sehr. Alles Gute, mein lieber Freund.

Dein

Bill

Ich weiß nicht, ob er den Brief je gelesen hat. Ich hoffe es. Aber wie dem auch sei, ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass er die Tiefe meiner Gefühle für ihn kannte.

Die letzten Worte, die er zu Millionen Fans in Form eines Tweets sagte, waren: »Das Leben ist wie ein Garten. Es mag perfekte Momente geben, aber man kann sie nicht festhalten, außer in der Erinnerung. LLAP.«

LLAP. Live long and prosper, lebe lang und in Frieden. Spocks Worte. In den letzten Tagen seines Lebens wurden Leonard und sein Geschöpf, Mr. Spock, wirklich eins.

Rabbi John L. Rosove, Susans Cousin, erzählt von Leonards Tod: »Seine Familie hatte sich um ihn versammelt, in einem Kreis der Liebe. Leonard lächelte, dann ging er. Es war ein sanftes Dahinscheiden, so leicht, als würde ›ein Haar aus einem Becher Milch geklaubt‹, wie der Talmud den Augenblick des Todes beschreibt.«

Millionen Menschen trauerten um ihn als einen guten Menschen, der die Erde für eine weitere Reise verlassen hatte. Präsident Barack Obama erklärte: »Lange, bevor es cool war, ein Nerd zu sein, gab es Leonard Nimoy. Sein Leben lang liebte Leonard die Kunst und die Geisteswissenschaften, war ein Unterstützer der Naturwissenschaften und ging großzügig mit seinem Talent und seiner Zeit um. Und natürlich war er Spock. Cool, logisch, mit großen Ohren und einem kühlen Kopf, im Zentrum von Star Trek, dieser optimistischen, offenen Vision der menschlichen Zukunft. Ich habe Spock geliebt.«

Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten so etwas über einen Jungen aus der Bostoner Innenstadt sagt, ist das wirklich ziemlich cool.

Als Leonard starb, befand ich mich in Florida als einer der Stargäste eines großen Rotkreuz-Benefizabends. Ich beschloss, die Veranstaltung nicht abzusagen, bei der eine Menge Geld für Menschen in Not zusammenkam, sondern zu dem Abendessen zu gehen und am nächsten Tag zurückzufliegen – auch wenn das bedeutete, Leonards Beerdigung zu verpassen. Diese war für Sonntagmorgen angesetzt. Ich war immer der Meinung, man müsse die Menschen in Ehren halten, solange sie leben. Ich finde, man muss die Toten betrauern, aber auch das Leben feiern. Für diese Entscheidung wurde ich heftig kritisiert. Bei der Veranstaltung bat ich die über tausend Anwesenden, innezuhalten und nicht nur Leonards, sondern auch meines Freunds Maury Hurley zu gedenken, eines wunderbaren Autors und Produzenten, der in derselben Woche gestorben war. Meine Töchter vertraten unsere Familie bei der Beerdigung.

Manchmal ist es schmerzhaft, berühmt zu sein. Die Tatsache, dass ich mich mit dieser Kontroverse herumschlagen musste, anstatt auf meine Weise um einen geliebten Freund zu trauern, ist ein Beispiel dafür.

Ich denke an Leonard. Ich vermisse ihn. Selbst wenn wir nicht in engem Kontakt standen, war er immer ein Teil meines Lebens. Und wenn ich an ihn und an alle Abenteuer denke, die wir zusammen erlebt haben, fällt mir seine Lebenslust ein, sein Bedürfnis, das Leben und seine unendlichen Wunder zu erforschen. Ich denke an seine spirituelle Seite, die stets nach Antworten suchte, sie aber nie fand, wie er selbst wusste. Ich denke an seine Großzügigkeit und seinen Einsatz für gleiche Rechte für alle. Ich denke an seinen unermüdlichen Enthusiasmus für die Künste und sein Anliegen, die Kreativität junger Menschen zu wecken. Und ich denke an ihn, wie er vor mir stand mit wissendem Lächeln, die Hand erhoben, die Finger zum Vulkanischen Gruß gespreizt.

Fünfzig Jahre sind ein ganzes Leben, das im Nu vergeht. Ich schließe die Augen und sehe ihn, jung und gut aussehend, groß und schweigsam. Er ist gegenwärtig in meinem Kopf, sein leichter Gang, sein sarkastischer Humor, seine Leidenschaft für die Arbeit. Ich höre seine Stimme in ihrer ganzen Fülle, mit ihrer endlosen Neugier und ihrer Traurigkeit. Ich höre sein Lachen.

Ich blicke zurück und sehe mein eigenes Leben in seinem gespiegelt. Der junge Schauspieler, der ich war, stählerner Körper, gesunder Menschenverstand, begeistert von den vielen Möglichkeiten. Vor fünfzig Jahren hätte niemand, wirklich niemand voraussehen können, was vor uns lag – dieses Wunder, das Star Trek heißt, und eine Freundschaft, die daraus entstand und fast ein halbes Jahrhundert lang andauerte. Die Tatsache, dass ich nichts mehr zu Star Trek beitragen kann, ist sehr traurig, aber das ist nichts im Vergleich zu der Verzweiflung darüber, dass Leonard gestorben ist, bevor wir den Bruch in unserer Freundschaft kitten konnten. Trauer erfüllt mich, wenn ich mir klarmache, dass wir das niemals ausräumen können.

Es gibt eine Fotografie von Leonard und mir, die ich besonders mag. Darauf krümmen wir beide uns vor Lachen – wir lachten übereinander. Bei Leonard war es so, dass man sich sein Lachen verdienen musste. Wir saßen während einer Convention auf der Bühne und beantworteten Fragen. Wir hatten nichts vorbereitet, unsere Antworten kamen spontan und sollten sowohl das Publikum als auch uns selbst mit Anspielungen auf gemeinsame Geheimnisse unterhalten. Es gab keinen Filter, keine Richtlinien. Auf diesem Foto ist so deutlich, dass wir die Essenz unserer Freundschaft gefunden hatten und beide darin schwelgten. Es war ein Moment purer, vollkommener Freude darüber, wer wir waren, was wir zusammen erreicht hatten, was uns verband – nicht nur miteinander, sondern mit den Star-Trek-Fans und der Freude, dass wir uns gefunden hatten.

Wenn ich an unser Verhältnis denke, an die Tatsache, dass wir den fünfzigsten Geburtstag von Star Trek feierten, dann weiß ich, dass ich mich vor allem immer daran erinnern möchte.

Leonard hatte eine wunderbare Lebensphilosophie. Steve Guttenberg erzählte mir von einem Abend, als er bei Leonard und Susan zum Essen war. »Ich schwadronierte gerade über das Leben, da bremste mich Leonard. ›Begreifst du nicht?‹, fragte er. ›Das Leben ist deine Auster.‹ Das ist schon sehr lange her, aber diese Worte habe ich nie vergessen. Ich habe darüber nachgedacht und entnehme ihnen, dass das Leben ein Geschenk ist, dass jeder Augenblick wichtig ist. Dass ich das Beste aus jedem Tag machen sollte. Los, genieß es!«

»Findet eure Freude«, zitierte Leonard Joseph Campbell. »Dieser Planet, diese Gesellschaft ist in Not. Ja, ich betrachte dies als eine Zeit der Not. Vor einigen Jahren sprach ich bei der Abschlussfeier an der Boston University und sagte: ›Gebt uns das Beste, was ihr habt, wir brauchen es. Wir brauchen dringend, was ihr uns zu geben habt. Es ist wichtig, dass ihr euch darauf konzentriert, was ihr zur Party mitbringt. Der Rest läuft dann hoffentlich von selbst.‹«

In seinem Stück Vincent griff Leonard unter anderem auf die Briefe von Vincent van Gogh zurück. Ein Zitat von ihm passt auf so vielen Ebenen: »Ich bin ein Mann vieler Leidenschaften … Ich bin ein Gast auf Erden, verbirg Deine Gebote nicht vor mir … Es ist ein alter Glaube, und es ist ein guter Glaube, daß unser Leben eines Pilgers Reise ist – daß wir Fremdlinge auf Erden sind … Das Ende unserer Pilgerfahrt ist der Eintritt in unseres Vaters Haus, wo viele Wohnungen sind, wohin Er vorausgegangen ist, uns die Stätte zu bereiten.«6

LLAP, mein Freund, mein lieber, lieber Freund.


5 »Dicht am Weg steht ein Baum«, übersetzt von Andrej Jendrusch, Alfred Margul-Sperber und Hubert Witt, http://www.tangoyim.de/lieder/oyfn-veg-shteyt-a-boym.html (zuletzt abgerufen am 18.07.2016)

6 Fritz Erpel (Hrsg.): Vincent van Gogh. Sämtliche Briefe, Bd. 4, übersetzt von Eva Schumann, Zürich 1965, S. 335