Kapitel 12
IN DIESEM KAPITEL
Die chemische Zusammensetzung von Batteriezellen ist nicht von unendlicher Dauer. Lithium-Ionen-Akkus haben leider ein Problem mit hohen Temperaturen sowie langen Zeiträumen mit nahezu leerem oder randvollem Akku. Das schädigt auf Dauer die chemischen Strukturen in den Zellen, im Besonderen die Grafitgitter. Je öfter diese Situationen vorkommen, desto mehr und schneller verliert der Akku an Kapazität und Leistung.
Keine Angst! Um größere Schäden am Akku zu vermeiden, hält die Software Ihrer Bordelektronik schon wirksame Maßnahmen vor. Sie können mit Ihrem Verhalten allerdings die Lebensdauer Ihres Akkus erhöhen und den Abfall der Leistungsfähigkeit verzögern, indem Sie Folgendes tun:
»Wer oft zu schnell seine Batterie lädt beziehungsweise entlädt, mindert deren Lebenserwartung.«
Martin Winter, Batterieforscher in Münster
Nach mehreren Tausend Kilometern kann es vorkommen, dass der Akku scheinbar mehr an Kapazität verliert, als zu erwarten wäre. Das kann daran liegen, dass nicht mehr alle Zellen gleich voll geladen sind, wie es eigentlich sein soll. Sprich: Eine Zelle ist zu 100 Prozent gefüllt, andere aber nur zu 95 oder 90 Prozent. Das ist nichts Ungewöhnliches, denn die vielen Zellen sind nicht alle identisch: Es gibt durch die Herstellungsprozesse ganz leichte Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung und Kapazität. Werden nun alle Zellen beim Laden und Entladen aber immer gleich gefordert, vergrößern sich die Differenzen mit jedem Ladezyklus.1 Das muss man sich in etwa vorstellen, wie in Abbildung 12.1 zu sehen ist.
Manche Bordcomputer melden dann 100 Prozent für das Gesamtsystem, obwohl noch nicht alle Zellen randvoll sind – orientiert am Höchststand der schwächsten Zelle. Andere verharren in der Anzeige bei 95 Prozent und der Akku nimmt keinen Strom mehr auf – damit die schwächsten Zellen nicht überladen und geschädigt werden.
Beim Fahren und Entladen bleiben diese Verschiebungen bestehen – man nennt sie auch Zellendrift (drift, englisch: Verschiebung, Spannungsabweichungen zwischen den Zellen). Wenn der Bordcomputer meint, der Akku ist bei 0 Prozent, dann gibt es immer noch Zellen, die bei 5 und mehr Prozent liegen – eben die, die zuvor bei der angeblichen Vollladung an der 100er-Grenze waren. Auch hier verweigert der Bordcomputer eine weitere Entladung, um die schwachen Zellen zu schützen. Tatsächlich hat der Fahrer aber nur 90 bis 95 Prozent der eigentlich verfügbaren Kapazität nutzen können. Die schwächsten Zellen beeinflussen also die Gesamtkapazität, und das im Laufe der Zeit immer mehr.
Um dieses Problem zu beheben, sollten die Akkuzellen ab und zu ausbalanciert (lateinisch ins Gleichgewicht bringen), sprich: alle Zellen wieder auf denselben Level gebracht werden. Das Batteriemanagementsystem startet diesen Prozess in der Regel ganz automatisch, nämlich dann, wenn die Zellendrift einen bestimmten Wert überschreitet. Wie tut es das? Es setzt den Ladevorgang einfach dann ganz vorsichtig mit geringen Strömen fort, wenn der Akku eigentlich schon voll gewesen ist, der Ladestecker von der Ladestation aber längere Zeit nicht abgezogen wird. Geladen wird dann so lange, bis auch die schwächsten Zellen wieder beim Maximum sind.
Bei Batteriemanagementsystemen mit sogenanntem aktiven Balancing können dabei Ströme von kapazitätsreichen, starken Zellen in schwächere umleiten. Solche mit passivem Balancing beladen einfach alle Zellen der Akkupacks weiter, wobei überschüssige Energie bei den bereits vollen Zellen zu ihrem Schutz über einen Widerstand in Wärme umgewandelt wird – der hat quasi die Funktion eines Überdruckventils.
Die Bedingungen, wann ein Batteriemanagementsystem ein Balancing startet, sind von Modell zu Modell unterschiedlich. In Internetforen wird fleißig darüber diskutiert, wie man es manuell auslösen kann. Beim VW E-Golf heißt es zum Beispiel, der Wagen müsse weniger als 30 Prozent Füllstand haben, wenigstens eine halbe Stunde parken, dann mit Wechselstrom (AC) an Typ 2 voll aufgeladen werden und mit eingestecktem Ladekabel weitere 30 Minuten stehen.
www.elektroautomobil.com/newsbeitrag/die-richtige-balance/