»Das Leben ist verdammt schön.«
JOSH WAITZKIN
war das Vorbild für das Buch und den Film Searching for Bobby Fischer
. Er gilt als Schachgenie und hat Lernstrategien perfektioniert, die sich auf alles anwenden lassen, unter anderem auf seine große Leidenschaft, das Brazilian Jiu-Jitsu (er hat einen Schwarzgut unter Marcelo Garcia abgelegt, einem Star der BJJ-Szene) und Tai-Chi Push Hands (eine Disziplin, in der er Weltmeister war). Heutzutage verbringt er seine Zeit damit, die weltbesten Athleten und Investoren zu coachen, außerdem arbeitet er daran, die Schuldbildung zu verbessern und seine neue Leidenschaft in den Griff zu bekommen, das SUP-Surfen. Seine diesbezüglichen Versuche haben mich (Tim) schon mehrmals beinahe das Leben gekostet. Ich traf Josh zum ersten Mal vor vielen Jahren, nach meiner Lektüre seines Buches The Art of Learning
.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
On the Road
von Jack Kerouac: Dieses Buch öffnete mir als Teenager die Augen für die berauschende Schönheit der kleinen Augenblicke, die das Leben zu bieten hat.
Tao Te Ching
von Laotse: Dieser philosophische Klassiker inspirierte mich dazu, mich mit Weichheit und Empfänglichkeit zu befassen, die das Gegenteil zu meinen wilden Leidenschaften sind.
Zen and the Art of Motorcycle Maintenance
von Robert M. Pirsig: Inspirierte mich dazu, die dynamische Qualität als Lebensweise zu kultivieren.
Ernest Hemingway on Writing
: Das wichtigste kleine Buch über die Weisheit hinter dem kreativen Schreibprozess, das mir bisher in die Finger gekommen ist.
Welche Anschaffung von maximal 100 Dollar hat für dein Leben in den letzten sechs Monaten (oder in letzter Zeit) die größte positive Auswirkung gehabt?
Die Big Wave SUP Leash von Stay Covered für 36 Dollar. Die Fußschlaufe reißt nicht, und dafür bin ich enorm dankbar, weil ich in großer Entfernung zum Strand mit meinem SUP-Brett schon in die eine oder andere haarige Situation geraten bin.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Die schmerzhafteste Niederlage in meinem Leben war die letzte Runde der U-18-Weltmeisterschaft im Schach in Szeged, Ungarn. Mein Kontrahent im Finale war ein russischer Spieler, der mir schon früh ein Remis anbot. Ich lehnte ab, weil ich gewinnen wollte … und verlor. Im entscheidenden Moment des Spiels musste ich eine Entscheidung treffen, die völlig außerhalb meiner üblichen Gewohnheiten lag. Ich fand erst drei Monate später, nach über einhundert Stunden Spielanalyse, die richtige Entscheidung. Ich hätte meine letzte den König schützende Figur opfern müssen, weil der gegnerische Angriff von meiner Verteidigung lebte und durch sie genährt wurde. Meine Verteidigungsfiguren standen eigentlich nur im Weg, und die Bauern hätten ausgereicht, um den König zu schützen und den Angriff ins Leere laufen zu lassen. Das Prinzip: die Macht der Leere – oder mit nichts auf eine Aggression
zu reagieren. Diese Lektion fühlte sich wie ein vollständiger Paradigmenwechsel an, und ich widmete anschließend einen Großteil meiner Zeit diesem Ansatz.
Zwölf Jahre später nutzte ich ihn, um die Weltmeisterschaft im Tai-Chi Chuan Push Hands zu gewinnen. Die bitterste Niederlage im Schach lehrte mich somit eine der wichtigsten Lektionen meines Lebens und brachte mir über zehn Jahre später einen Weltmeistertitel ein. Es ist schön zu sehen, wie sich das Leben entwickelt, wenn man alles aufs Spiel setzt und seine Fühler ausgestreckt hält.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Das Leben ist verdammt schön.«
Was ist eine deiner – gern auch absurden – Eigenheiten, auf die du nicht verzichten möchtest?
Ich mag Regen, Stürme, raue Wetterbedingungen und Chaos, hinter denen sich Harmonien verbergen. Ist das ausgefallen genug?
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Ich hatte zahlreiche »Misserfolge«. Tim hat viele auf unseren gemeinsamen Surfreisen miterlebt. Als ich noch jünger war und Wettkampfsport betrieb, dauerte es oft lange zwischen einer herben Niederlage und meiner Einsicht, wie wertvoll ihre Lektion gewesen war. Ich war immer ziemlich gut darin, eine technische Korrektur vorzunehmen, aber ich habe in den letzten Jahren zwei Dinge deutlich verbessert: die Ursache für den technischen Fehler zu finden und meine Konsequenzen daraus zu ziehen (wodurch sich meine Leistung enorm verbessert); und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die Niederlage mich besser macht, obwohl ich mir nach dem Rückschlag natürlich trotzdem die Wunden lecke.
Welchen Rat würdest du einem intelligenten, motivierten Studenten für den Einstieg in die »echte Welt« geben?
Tu das, was du liebst, auf eine Art, die du liebst, und widme dich fortan mit Leib und Seele diesem Projekt. Lass dich nicht von der Trägheit übermannen. Hinterfrage deine Annahmen und die Annahmen derer in deiner Umgebung. Bemerke, wie du unbewusst alles daran setzt, dein altes Schema aufrechtzuerhalten, auch wenn es dich lähmt und dir im Weg steht. Stähle deinen Körper, um deinen Geist zu stärken.
Ein Rat, den er/sie ignorieren sollte: Folge dem ausgetretenen Pfad. Vermeide jedes Risiko. Spiele auf Nummer sicher. Trage einen Anzug.
Welche schlechten Ratschläge kursieren in deinem beruflichen Umfeld oder Fachgebiet?
So ziemlich alles, was von jemandem kommt, der nie richtig gelebt und sein Wissen in der Praxis getestet hat. Hüte dich vor Philosophologen.
Wozu kannst du heute leichter Nein sagen als vor fünf Jahren?
Ich sage zu fast allem Nein, was in der Öffentlichkeit spielt. Ich sage Nein zu mehr als 99 Prozent der beruflichen Angebote, die Leute mir machen. Ein Kernprinzip ist, dass es keine bessere Investition gibt als die Investition in den eigenen Lernprozess, und ich lasse mich nur auf Leute ein, die mich herausfordern und besser machen. Ich bin exponentiell besser, wenn ich mich zu 100 Prozent auf etwas einlasse, nicht nur zu 99 Prozent, und deshalb mache ich nur Dinge, die mich dazu motivieren, alles zu geben. Und ich lasse mich nur auf Leute ein, die ich achte oder von denen ich glaube, dass ich ihnen Achtung entgegenbringen kann.
Was tust du, wenn dir alles zu viel wird, du nicht mehr fokussiert bist oder deine Konzentration nachlässt?
Ich ändere meinen Aktivitätszustand. Wenn ich mich in der Nähe von Wellen aufhalte, reite ich auf ihnen. Oder ich mache ein kurzes, intensives Kettlebell-Workout, fahre Rad, schwimme, dusche kalt, springe in ein Eisloch, wobei ich nach der Wim-Hof-Methode atme, mit der sich die Frequenz des Herzrhythmus verändern lässt [siehe Adam Robinson,
Seite 210
, für eine ausführlichere Beschreibung]. Es ist erstaunlich, wie der Geist dem Körper folgt. Ganz ehrlich, ich denke, dass ein mangelndes Verständnis oder der fehlende Wunsch, diese einfache evolutionäre Realität zu verstehen, das ist, was viele Menschen davon abhält, ihr Leben deutlich zu verbessern.