»Ich wache jeden Morgen mit der festen Überzeugung auf, dass ich mein volles Potenzial noch nicht einmal annähernd realisiert habe. ›Großartigkeit‹ ist ein Verb.«
MAURICE ASHLEY
ist der erste internationale Großmeister afroamerikanischer Abstammung in der Schach-Geschichte. Seine Liebe zu dem Spiel gibt er als dreimaliger Trainer für die nationalen Meisterschaften, Autor zweier Bücher, ESPN-Moderator, Entwickler einer iPhone-App, Erfinder eines Puzzles und Motivationsredner an andere weiter. In Anerkennung seiner enormen Beiträge wurde Ashley im Jahr 2016 in die Chess Hall of Fame aufgenommen. Sein Buch
Chess for Success: Using an Old Game to Build New Strengths in Children and Teens
zeigt die vielen Vorteile von Schach, vor allem für gefährdete junge Menschen. Seine TEDx-Rede mit dem Titel »Working Backwards to Solve Problems« wurde fast eine halbe Million mal angesehen. Zusammen mit unserem gemeinsamen Freund Josh Waitzkin (siehe
S. 218)
war er außerdem in der Folge von
The Tim Ferriss Experiment
über brasilianisches Jiu-Jitsu zu sehen.
Welches Buch (welche Bücher) verschenkst du am liebsten? Warum? Welche ein bis drei Bücher haben dein Leben am stärksten beeinflusst?
Es gibt eine ganz Reihe von Büchern, die grundlegende Veränderungen in meinem Dasein ausgelöst haben. Das erste, das mich noch heute bewegt, war aber Passages
von Gail Sheehy. Ich habe es mit 18 Jahren gelesen, und es hat mir die Augen für die Erkenntnis geöffnet, dass ich in jeder Phase meines Lebens eine andere Person sein würde, die ganze Zeit über bis ins hohe Alter und am Ende dem Tod. Es hat mir klargemacht, dass ich versuchen sollte, mein Leben rückwärts zu leben; ich wollte mit der Weisheit älterer Menschen beginnen und dabei die Energie der Jugend nutzen. Das konnte ich nicht immer umsetzen, aber es hat mir sehr dabei geholfen, den richtigen Blick darauf zu behalten, auf was es ankommt und auf was nicht.
Erwähnen möchte ich außerdem Sugar Blues
von William Dufty, denn es hat dafür gesorgt, dass ich meine Ernährung radikal zum Besseren umgestellt habe. Mastery
von George Leonard hat mir die Herausforderungen dargelegt, mit denen wir alle auf dem Weg zu Könnerschaft auf egal welchem Gebiet konfrontiert sind. Und The 4-Hour-Workweek
von Tim Ferriss hat dafür gesorgt, dass ich das durchschnittliche Leben aufgegeben und mich auf die Suche nach einem Leben mit völliger Flexibilität und der Freiheit gemacht habe, es auf meine eigene Art zu leben.
Welcher (vermeintliche?) Misserfolg war die Voraussetzung für deinen späteren Erfolg? Hast du einen »Lieblingsmisserfolg«?
Für einen Turnier-Schachspieler sind Misserfolge ein fester Bestandteil der Entwicklung. Meinen wichtigsten Misserfolg hatte ich bei einem Turnier in Bermuda, bei dem ich ein entscheidendes Spiel gewinnen musste, um endlich den Titel internationaler Großmeister zu bekommen, den höchsten und angesehensten Titel, den ein Schachspieler erreichen kann. Ich spielte gegen den Großmeister Michael Bezold aus Deutschland, und in einer bedeutenden Stellung musste ich entscheiden, ob ich eine seiner wichtigen Figuren schlagen sollte oder einen einfachen Bauern. Wie sich herausstellte, hätte ich alle meine Vorteile behalten, wenn ich den Bauern genommen hätte. Stattdessen war ich gierig und nahm seinen Turm, was dazu führte, dass meinem Angriff sofort wieder die Luft ausging. Nachdem ich das Spiel verloren hatte, erklärte mir Alexander Shabalov, ein Großmeister, der viermal den US-Titel gewonnen hatte, ganz ruhig meinen Fehler. Dann sagte er Worte, die ich nie vergessen werde: »Um Großmeister zu werden, musst du schon einer sein.« Ich verstand sofort, dass ich mich wieder an die Arbeit machen musste, mich selbst zu perfektionieren, bevor ich tatsächlich an das Gewinnen von Spielen denken konnte. Diese Überlegung hat dafür gesorgt, dass ich meine Augen seitdem stets stärker auf den Prozess richte als auf das Ergebnis.
Wenn du an einem beliebigen Ort ein riesiges Plakat mit beliebigem Inhalt aufhängen könntest, was wäre das und warum?
»Ich wache jeden Morgen mit der festen Überzeugung auf, dass ich mein volles Potenzial noch nicht einmal annähernd realisiert habe. ›Großartigkeit‹ ist ein Verb.«
Diese Worte sind mir eines Morgens in einem Blitz von Bewusstsein und Erkenntnis in den Sinn gekommen. Ich habe noch viele Meilen vor mir, also werde ich meine verbleibenden Jahre mit dem Versuch verbringen, Jahr für Jahr zu verbessern, wer ich bin. Großartigkeit ist kein Endziel, sondern eine Folge von kleinen Aktivitäten, die wir täglich unternehmen, um unsere Fähigkeiten beständig zu verjüngen und aufzufrischen, im ständigen Bemühen darum, eine bessere Version von uns selbst zu werden.
Welche Überzeugungen, Verhaltensweisen oder Gewohnheiten, die du dir in den letzten fünf Jahren angeeignet hast, haben dein Leben am meisten verbessert?
Ich habe vor kurzem an einem Selbsthilfe-Kurs namens Landmark teilgenommen und dabei gelernt, dass nichts wichtiger ist, als in meinen Beziehungen vollkommen offen und transparent zu sein. Das hat mit der Zeit zu weniger, aber hochwertigeren Beziehungen geführt und mich davon befreit, mir allzu viele Gedanken darüber zu machen, was andere Leute denken könnten. Inzwischen ist eines der wichtigsten Worte in meinem Vokabular »Authentizität«. Das ist mein Maßstab dafür, ob ich einen Haufen Mist erzähle oder ob ich die Wahrheiten ausspreche, die aus meiner Seele kommen.