6 Beispiele aus der Praxis
In den folgenden Beispielen möchte ich Ihnen verschiedene Anlagenkonzepte vorstellen. Die Gebäude in den Beispielen unterscheiden sich darin, wie hoch der Wärmebedarf ist und in welcher baulichen Situation die Heizungsanlage konzipiert oder verändert werden soll. So beschreibt das erste Beispiel den Einbau einer Wärmepumpe in einem Neubau. In Beispiel 2 ersetzt eine Hybrid-Wärmepumpe eine Gasheizung. Beispiele 3 und 4 zeigen den Einbau von Wärmepumpen im Rahmen einer größeren Sanierung und Beispiel 5 enthält einen klassischen Heizungstausch in einem unsanierten Gebäude.
Neben der Beschreibung der technischen Lösung finden Sie in jedem Abschnitt auch eine wirtschaftliche Analyse. Zur Darstellung der Wirtschaftlichkeit greife ich auf die Methode der Lebenszykluskosten zurück. Dabei beschränke ich mich, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf die beiden wesentlichen Kostenfaktoren: die einmalige Investition für die neue Heizungsanlage und die Energiekosten während des Betriebs der Anlage (siehe Abbildung 6.1). Die Berücksichtigung diverser weiterer Einflussparameter, wie Wartungskosten oder Kosten für den Kaminkehrer, würde die Genauigkeit der Rechnung nicht signifikant erhöhen, aber die Nachvollziehbarkeit erschweren.
Abbildung 6.1
Beispielhafter Vergleich zweier Varianten mit Lebenszykluskosten
Betrachten wir beispielhaft diese beiden Varianten mit unterschiedlich hohen Investitions- und Betriebskosten. Die Anschaffungskosten von Variante A sind deutlich geringer als die von Variante B. Gleichzeitig sind die Energiekosten von Variante A aber höher. Nach 15 Jahren sind für beide Anlagen 50.000 € Gesamtkosten entstanden (siehe Abbildung 6.1). Vorher war Variante A günstiger, danach ist es Variante B. Je länger die Anlage nun noch in Betrieb bleibt, desto größer ist die Ersparnis von Variante B.
Häufig beinhalten die Beispiele Photovoltaikanlagen, denn PV-Anlagen und Wärmepumpen sind eine empfehlenswerte Kombination. Weil der Strombedarf für Wärmepumpen meistens zusammen mit dem Haushaltsstrom gemessen wird, enthalten die Lebenszykluskosten alle Energiekosten, die durch Strom abgedeckt werden.
Ist also in einem Beispiel eine Photovoltaikanlage vorhanden, so enthalten die Lebenszykluskosten sowohl den Stromverbrauch für den Haushalt als auch die Erlöse durch die Einspeisung des Photovoltaikstroms. Auch in einem Vergleichszenario mit einer Gasheizung wird dann so getan, als wäre eine Photovoltaikanlage vorhanden, und auch der Haushaltsstrom wird in die Kosten eingerechnet. Nur so lassen sich die Kosten bei sektorgekoppelten Energiesystemen vergleichbar darstellen.
Sektorkopplung
Der Begriff »Sektorkopplung« meint im Kontext der Energiewende die Verknüpfung von verschiedenen Energiesektoren. Als typische Energiesektoren kennen wir die Bereiche Wärme, Mobilität, Industrie oder Strom. Die Wärmepumpe überführt Energie aus dem Sektor Strom in den Sektor Wärme. Die Photovoltaikanlage versorgt wiederum die beiden Sektoren.
Was sich heute logisch und gewohnt anhört, war vor fünf oder zehn Jahren noch eher ungewohnt: Wärme wurde durch einen Energieträger erzeugt (meist Öl oder Gas), der Strom wurde aus dem Stromnetz entnommen und das Auto an der Tankstelle getankt. Alle Sektoren waren also mehr oder weniger voneinander getrennt. Die isolierte Betrachtung der Sektoren hat einen Vergleich unterschiedlicher Heizungen in der Regel einfacher gemacht. Wurde eine Ölheizung durch eine Gasheizung getauscht, konnte man Gas- und Ölpreis miteinander vergleichen.
Wird heute eine Wärmepumpe mit Photovoltaikanlage installiert, wirkt sich dies aber auch direkt auf den Haushaltsstrom und das Laden eines möglicherweise vorhandenen Elektroautos aus, was die Betrachtung des gesamten Energiesystems notwendig macht.
6.1 Energiepreise
In allen Beispielen in diesem Kapitel habe ich für den Energieeinkauf mit einem Gas- bzw. Ölpreis von 9 ct/kWh und einem Strompreis von 30 ct/kWh gerechnet (9 ct/kWh Ölpreis entspricht in etwa 90 € pro 100 l). Diese Zahlen entstammen Vergleichsportalen aus dem Internet und gelten für Neukunden in Deutschland. Die Preise inkludieren die Umsatzsteuer. Da die Diskussion um Wärmepumpen unter anderem wegen deutlich gestiegener Gaspreise geführt wird, stelle ich in jedem Beispiel außerdem die Lebenszykluskosten bei einem Gaspreis von 12 ct/kWh dar.
Leider sind die Abrechnungen der meisten Energieanbieter extrem unübersichtlich. Sie zahlen nicht nur für die eigentliche Energie, sondern auch Leitungskosten, Zählerkosten, monatliche und jährliche Pauschalen usw. Umgekehrt werden diverse Boni gegengerechnet. Dieses Verwirrspiel ist natürlich beabsichtigt: Es macht es unmöglich, zwei Energieangebote rasch zu vergleichen.
In den folgenden Beispielen nehme ich daher vereinfachend an, dass es sich um »effektive Energiepreise« handelt. Diese ergeben sich, wenn Sie die Gesamtenergiekosten laut Jahresabrechnung durch die verbrauchte Energiemenge dividieren. Wenn Sie also im vergangenen Jahr 4200 kWh Strom verbraucht haben und dafür 1260 € bezahlt haben, beträgt der effektive Strompreis 1260 € / 4200 kWh = 0,30 ct/kWh.
Diese effektiven Kosten sind immer wesentlich höher als der reine Energiepreis, mit dem Ihr Energieanbieter wirbt! Auch in den Medien werden oft irreführend nur die reinen Energiepreise genannt, ohne alle unvermeidlichen Nebenkosten zu berücksichtigen. Alle Energiepreise beinhalten die Umsatzsteuer.
Durch die Ukrainekrise und den damit einhergehenden Stopp von Erdgaslieferungen aus Russland war der Gaspreis in den letzten Monaten starken Schwankungen unterworfen. Da aus Erdgas auch Strom erzeugt wird, hat sich dies auch auf den Strompreis ausgewirkt. Die enorm hohen Energiepreise aus dem Jahr 2022 waren im Herbst 2023 zwar größtenteils überwunden, es bestehen aber immer noch große Unterschiede zwischen den Energieversorgen.
Der Blick in die Zukunft
Naturgemäß lässt sich nicht vorhersagen, wie sich Strom- und Gaspreis in der Zukunft entwickeln werden. Selbst relativ kleine Abweichungen in meinen Musterrechnungen, z. B. die Annahme, dass der Strompreis auf 28 ct/kWh sinkt und dass der Gaspreis auf 12 ct/kWh steigt, haben erheblichen Einfluss auf die Lebenszykluskosten. Kurz zusammengefasst gilt: Je mehr der Gaspreis im Vergleich zum Strompreis steigt, desto eher lohnt sich eine Wärmepumpe aus wirtschaftlicher Sicht.
Das Problem ist, dass Sie sich mit der Anschaffung oder Sanierung Ihrer Heizung auf viele Jahre binden. Ein Auto können Sie relativ unkompliziert verkaufen und durch ein anderes ersetzen, wenn sich der Betrieb als unwirtschaftlich erweist. Für die Heizung gilt das leider nicht.
Überspitzt und ohne Berücksichtigung ökologischer Aspekte kann man es so zusammenfassen: Wenn eine Wärmepumpe aus einer Kilowattstunde Strom drei Kilowattstunden Wärme produziert, dann lohnt sich die Umstellung einer Gasheizung auf eine Wärmepumpe nur, wenn der Strompreis langfristig günstiger ist als der dreifache Gaspreis.
Durch die Stromproduktion in Gaskraftwerken gibt es eine direkte Auswirkung des Gaspreises auf den Strompreis. Man könnte nun annehmen, dass es egal ist, mit welcher Energie geheizt wird, da sowieso alle Energieformen einer gewissen Abhängigkeit unterliegen und in Zukunft jede Energieart teurer wird. Betrachtet man die Preisentwicklung in Abbildung 6.2, so ergibt sich ungefähr eine Verdopplung aller dargestellten Energiepreise im Zeitraum von 1991 bis 2019, was einer jährlichen Preissteigerung von 2,7 % entspricht.
Abbildung 6.2 Entwicklung der Energiepreise in den letzten 40 Jahren
Vergleicht man jedoch die Entwicklung der Strom- und Gaspreise in den Jahren 2021 bis 2023, so ist ersichtlich, dass der Strompreis prozentual in diesem Zeitraum bei Weitem nicht so stark angestiegen ist wie der Preis von Erdgas. Dies liegt daran, dass der deutsche Strommix nur zu einem geringen Anteil durch Gaskraftwerke gedeckt wird. 50 % und mehr stammen mittlerweile aus erneuerbaren Energiequellen, die unabhängig von Energieimporten Strom erzeugen können. (Häufig wird bei der Abhängigkeit von Energie der Fokus auf Öl und Gas gelegt, aber auch Uran für den Betrieb von Kernkraftwerken musste Deutschland lange importieren. Die weltweit wichtigsten Förderländer für Uran sind Kanada, Australien, Kasachasten, Niger und Russland.)
Im September 2021, also vor den Auswirkungen der Ukrainekrise, lag der Gaspreis bei ca. 6 ct/kWh, der Strompreis bei 28 ct/kWh. Ein Jahr später hatten die Energiepreise vorerst mit 40 ct/kWh für Gas und 70 ct/kWh für Strom ihren Höchststand erreicht. Ein weiteres Jahr später lagen die Preise wieder deutlich niedriger bei 9 ct/kWh für Gas und 30 ct/kWh für Strom (siehe Abbildung 6.3).
Abbildung 6.3 Entwicklung der Strom- und Gaspreise zwischen 2021 und 2023
Abbildung 6.4 Prozentuelle Veränderung der Strom- und Gaspreise zwischen 2021 und 2023
Setzt man nun die Preise aus 2021 als Referenz an, so ist der Gaspreis auf mehr als 600 % gestiegen und hat sich im Herbst 2023 auf einem Niveau von 150 % eingependelt (siehe Abbildung 6.4). Beim Strompreis lag das Maximum bei 250 % im Vergleich zu 2021 und liegt inzwischen mit 107 % wieder sehr nahe bei seinem Ausgangswert (dies gilt ebenfalls für Herbst 2023). Dabei müssen Sie jedoch beachten, dass in der Zwischenzeit die EEG-Umlage, die für jede Kilowattstunde Strom bezahlt werden musste, ausgesetzt wurde. Mit ihr wäre Strom heute mit 38 ct/kWh ca. 8 ct/kWh teurer und würde auf einem Niveau von 135 % im Vergleich zu 2021 liegen.
CO2-Bepreisung
Seit 2021 müssen für CO₂-Emissionen, die in den Sektoren Wärme und Verkehr entstehen, CO₂-Zertifikate erworben werden. Den Einkauf der Zertifikate übernehmen Energiehändler, die die Kosten dafür auf den Endkundenpreis aufschlagen. Die Produktion von Strom unterliegt bereits seit 2005 dem europäischen CO₂-Zertifikatehandel.
Der Preis für die CO₂-Zertifikate war bisher recht moderat, soll aber in den kommenden Jahren deutlich steigen. Bis 2025 sind die Kosten für die CO₂-Zertifikate vorgegeben, ab 2026 wird ihr Preis in einem freien Handel ermittelt. Da die EU ihre CO₂-Emissionen senken möchte, werden logischerweise immer weniger CO₂-Zertifikate ausgegeben, was je nach Nachfrage zu höheren Preisen führen wird. Theoretisch könnte der Preis auch sinken, falls wenig CO₂ emittiert wird und es ausreichend viele CO₂-Zertifikate gibt, aber davon ist eher nicht auszugehen.
Der höhere CO₂-Preis wird sich auf alle Energieformen auswirken, die bei ihrer Nutzung CO₂ verursachen. Strom hat hier den Vorteil, dass in Deutschland bereits ca. 50 % der Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen stammt und damit kein CO₂ verursacht. Der erneuerbare Anteil bei Gas und Öl wird jedoch noch sehr lange auf einem sehr niedrigen Niveau bleiben, da grüner Wasserstoff oder daraus abgeleitete grüne Gase oder E-Fuels nur in sehr begrenzter Menge zur Verfügung stehen werden. CO₂-Zertifikate haben 2023 am Erdgaspreis einen Anteil von ungefähr 0,6 ct/kWh, der bis 2025 auf ca. 1 ct/kWh steigen wird.
Bei Ihrer Planung kann ich Ihnen den Blick in die Zukunft leider nicht abnehmen. Wie viel Strom und Gas in 2, 5, 10 oder 30 Jahren kosten werden, lässt sich nicht seriös vorhersagen. Berechnen Sie daher die Kosten für Ihre zukünftige Heizung mit unterschiedlichen Werten und spielen Sie verschiedene Szenarien durch, genauso wie es in diesem Kapitel geschieht. So erhalten Sie ein gutes Gefühl dafür, wann sich der Heizungstausch lohnt.
In Abschnitt 6.8 finden sie weitere Beispiele, wie sich die Lebenszykluskosten einer Wärmepumpe im Vergleich zu einer Gasheizung bei unterschiedlichen Energiepreisen darstellen.