KAPITEL 3

 

Ärger in der großen Stadt

ALEXANDRIA: OKTOBER 48 V. CHR.

Alexandria war nun eine geteilte Stadt. Der größte Teil Alexandrias, inklusive der Insel Pharos, wurde von Achillas, dem General Ptolemaios’ XIII., kontrolliert, während Caesar und seine Legionäre lediglich einen Teil der Palastanlage und das Theater hielten. Die Chancen waren alles andere als gleich verteilt. Mit Pharos in den Händen der Ägypter war es so gut wie unmöglich, die schmale Hafeneinfahrt zu passieren. Ohne diesen Zugang bekam Caesar weder Nachschub, was Versorgung, noch was weitere Truppen anging, und ohne dies beides konnte man ihn aushungern und so zum Aufgeben zwingen.

Doch Caesar war daran gewöhnt, schwierige Situationen umzudrehen, und er hatte immerhin, wie er meinte, einen Trumpf in der Hand: Die königliche Familie, Ptolemaios XIII., Kleopatra und ihre Schwester Arsinoë waren alle bei ihm im Palast. Das war nützlich, sowohl in militärischer Hinsicht als auch für die Propaganda. Denn er konnte behaupten, er schütze sie vor feindlichen Aufständischen, während er sie effektiv als Geiseln hielt.

Caesars erste Versuche, eine Einigung mit der ägyptischen Armee zu erzielen, waren alles andere als viel versprechend. Er setzte den jungen König unter Druck, zwei hochrangige Unterhändler zu Achillas zu schicken, aber kaum waren diese im ägyptischen Lager angekommen, als man sie auch schon angriff. Einer wurde getötet, der andere entkam schwer verletzt. Trug dieser brutale Angriff vielleicht die Handschrift der Gabinius-Söldner? Gerade einmal zwei Jahre zuvor hatte Kleopatra deren Kollegen dafür bestraft, zwei Söhne eines römischen Konsuls getötet zu haben, auf einer ähnlichen diplomatischen Mission wie dieser. Mag sein, dass sie sich jetzt rächten.

Im Palast verdoppelte Caesar nun die Zahl der Bewacher für Ptolemaios XIII. und machte sich daran, seine Optionen zu überdenken. Er wurde nicht nur belagert, er war deutlich in der Unterzahl. Wären seine zwei Legionen komplett gewesen, hätte er über knapp 11.000 Mann verfügt. Aber sie waren es nicht. Caesar hatte höchstens 10.000 Soldaten, der Feind die doppelte Anzahl sowie 2000 Mann Kavallerie. Es muss ihm vorgekommen sein, als wiederhole sich die Geschichte: Sieben Jahre zuvor, als er zum ersten Mal in Britannien einmarschierte (55 v. Chr.), war Caesar einmal ähnlich abgeschnitten gewesen – seine Schiffe im Sturm zerstört, ohne seine so wichtige Kavallerie, in einem unbekannten, feindlichen Land. Durch Glück und Ausdauer hatte er die Lage gerettet. Würde ihm etwas Ähnliches jetzt wieder gelingen?

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Das spätrömische Odeion (deutlich kleiner als das Theater des 1. Jahrhunderts v. Chr.) in Alexandria, 4. Jahrhundert n. Chr.

Zuerst einmal musste er seine Männer beruhigen. Den Feind, so erzählte er ihnen, müssten sie nicht fürchten. Die Gabinianer (immerhin ausgebildete römische Soldaten wie sie) hatten sich inzwischen den Einwohnern angepasst und

sich an das zügellose Leben in Alexandria gewöhnt, hatten sich vom Namen und der Disziplin des römischen Volkes abgewandt und Ehefrauen genommen, mit denen sie inzwischen viele Kinder gezeugt hatten. Hinzu kam eine Ansammlung von Räubern und Piraten … Außerdem hatten sich ihnen viele verurteilte Verbrecher und Verbannte angeschlossen. Allen unseren entlaufenen Sklaven bot sich hier in Alexandria eine gesicherte Existenz, wenn sie sich für die Armee anwerben ließen … Einem alten Privileg gemäß durfte die Armee von Alexandria sogar Freunde des Königs hinrichten lassen, das Eigentum reicher Leute plündern und den königlichen Palast belagern, um Solderhöhungen zu fordern.15

Kurzum: es handelte sich, laut Caesar, um kaum trainiertes Gesindel. Wie sehr muss er gehofft haben, dass das stimmte.

Nun musste Caesar handeln. Und zwar schnell. Die Flotte von 50 Kriegsschiffen, die die Alexandriner Pompeius geliehen hatte, war gerade zurückgekehrt. Wenn Caesars Männer überhaupt eine Chance haben wollten, die Kontrolle über den Hafen zu gewinnen, dann war es zwingend notwendig, diese Schiffe entweder zu beschlagnahmen oder zu zerstören. Während in der ganzen Stadt Kämpfe tobten und eine große Abteilung abgestellt war, den königlichen Palast vor Angriffen zu verteidigen, segelte Caesar also in den Hafen. Sein eigener Bericht darüber, was dann geschah, ist leider sehr knapp, aber das Ergebnis war eindeutig. Am Ende war die feindliche Flotte, sowohl die Schiffe, die vor Anker lagen, wie auch diejenigen auf den Trockendocks, zerstört.

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Eine römische Galeere unter Segeln: Silberdenar, geprägt von Quintus Nasidius in einer mobilen Prägestätte des Sextus Pompeius, 44–43 v. Chr. (Avers siehe S. 31). Durchmesser 2 cm. British Museum, R. 9115.

Es war ein bedeutender Sieg. Doch mit dem beißenden Gestank des Rauchs, der mit dem Herbstwind über den Hafen und die Stadt und den See wehte, mischte sich ein anderer, weitaus beunruhigender Geruch – das Aroma einer skandalösen Vertuschung. Wie es Verschwörungstheorien so an sich haben, setzte sich diese bald in den Köpfen fest. Es hieß, dass die Flammen, die die alexandrinische Flotte zerstört hatten, angefacht durch den Wind auf die Bibliothek übergegriffen hätten und diese zerstört. Dies berichten sowohl Plutarch als auch Seneca, und Letzterer fügt hinzu, dass an diesem Tag 40.000 Bücher verloren gingen. Noch später, im 2. Jahrhundert n. Chr., behauptet Aulus Gellius, dass die gesamte Sammlung von 700.000 Büchern

während der Plünderung der Stadt verbrannte … nicht vorsätzlich oder auf Befehl hin, sondern versehentlich, durch Soldaten der Hilfstruppen.16

In vielerlei Hinsicht ist Caesar selbst verantwortlich dafür – wenn auch nicht für den Brand der Bibliothek, dann doch zumindest für die anschließende Verwirrung. Die Kürze seiner Darstellung legt nahe, dass er etwas zu verbergen hatte, während er zu Beginn seines (von einem Ghostwriter verfassten) Alexandrinischen Kriegs die kühne Behauptung aufstellt:

Alexandria ist beinahe sicher vor Bränden, weil die Gebäude keine Balken oder Holz enthalten und alle überwölbt sind und bedeckt mit Mörtel oder Estrich.17

Nimmt er den Mund zu voll? Wie so oft ist die Wahrheit schwer zu fassen, aber es scheint doch unwahrscheinlich, dass es die große Bibliothek selbst war, die brannte. Stattdessen könnte es sich um Lagerhäuser für Bücher entlang der Kais am Hafen gehandelt haben, die Feuer fingen und die allgemeine Neigung zu Klatsch und interessanten Geschichten bauschte das Ausmaß der Katastrophe nachträglich auf.

Vom rein militärischen Standpunkt aus gesehen, war die Aktion für Caesar ein voller Erfolg, und als das schwarze Leichentuch des Rauchs sich vom Hafen und den Werften aus über die Stadt legte, landete er mit seinen Männern auf der Pharos-Insel. Durch die von Geschossen geschwängerte Luft kämpften sich die Römer verbissen ihren Weg frei, bis sie ihr Ziel erreichten: den Leuchtturm an der östlichsten Spitze des Insel-Komplexes. Hier, in den Kolonnaden rund um das gewaltige Bauwerk, auf der langen, gewölbten Rampe, die hineinführte, und die breite Wendeltreppe hinauf ins Herz des Leuchtturms müssen die Kämpfe am härtesten gewesen sein. Am Ende aber setzten sich Caesars Soldaten durch, und bei Sonnenuntergang hatten die römischen Legionäre den Leuchtturm besetzt und ihre Stellung konsolidiert – die Marmorstatuen des Pharos, von Zeus, Poseidon und einer ganzen Dynastie Ptolemäern, sahen ihnen dabei zu. Phase eins von Caesars Plan war erfolgreich abgeschlossen.

Und doch kam er noch immer nicht zur Ruhe. Er ließ andere die Angelegenheiten rund um den Leuchtturm organisieren und kehrte in aller Eile in den Palast zurück. Nun musste ein möglichst großes Gebiet mit möglichst vielen Gebäuden befestigt werden, und zwar so schnell es ging; also rief Caesar die Truppen, die im Laufe des Tages an ergebnislosen Kämpfen in den Straßen der Stadt beteiligt gewesen waren, zurück und ließ sie Schutzwälle errichten. Bereits am nächsten Morgen schlängelte sich eine Mauer durch den Schlossgarten und bis zum

Theater neben dem Palast, das als Zitadelle diente und das einen Zugang zum Hafen und zu den Werften bot. An den folgenden Tagen ergänzte er diese Verteidigungsanlagen, so dass sie als Barriere an Stelle einer Mauer dienen konnten und er nicht gegen seinen Willen zum Kämpfen gezwungen würde.18

Für Kleopatra, die das Ganze sicherlich voller Angst durch ein Fenster hoch oben im Palast beobachtete, muss dieser Tag äußerst lehrreich gewesen sein. Falls sie tatsächlich den Buchis-Stier gerudert hatte, war ihr bereits klar, wie viel es ausmachte, sich unter seine Untertanen zu mischen. Aber Caesar, der sich mit zielstrebiger und grausamer Energie mitten in die Schlacht warf, der seine Männer immer von vorderster Front aus anführte, der die ganze Nacht lang den Bau der Mauer überwachte, muss ihr Respekt abverlangt haben; er ließ sie alles, was sie über Menschenführung wusste, neu bewerten. Auch in ihren Gefühlen muss es auf und ab gegangen sein. Dadurch, dass sie sich so energisch auf Caesars Seite gestellt hatte, hatte sie bereits ihren eigenen Rubikon überschritten. Für ihr eigenes Überleben war es mehr als wichtig, dass er siegte. Doch der Anblick der brennenden königlichen Flotte, des Rauchs, der die Werften einhüllte und vielleicht sogar eine Zeitlang aus der Bibliothek zu kommen schien, der Anblick einer ausländischen Armee, die Alexandrias geradezu ikonischen Leuchtturm besetzte – all das muss sie veranlasst haben, sich (wenn auch nur kurz) zu fragen, wo ihre Loyalität lag. Vielleicht kam sie zu dem Schluss, dass der Zweck die Mittel heiligte, wenn es um Leben und Tod ging.

Als Caesar schließlich in ihr Gemach zurückkehrte, seine Tunika befleckt von Schweiß und Blut, Gesicht und Glieder von Asche und Ruß überzogen, muss er einen Anblick abgegeben haben, der nichts mehr mit dem ihrer gepuderten Eunuchen und parfümierten Palasthöflinge gemein hatte, sondern Kleopatra völlig fremd war. Ptolemäische Könige kämpften so einfach nicht. Obwohl sie von einem der Generäle Alexanders abstammten, gaben sie die Kontrolle in der Schlacht viel lieber an andere ab, während sie sich selbst auf das Ritual des Regierens konzentrierten. Innerhalb der Mauern des Palastes muss es bestimmte Personen gegeben haben, die den Römer und seine Soldaten immer argwöhnischer betrachteten.

Eine von ihnen war Kleopatras Schwester Arsinoë. Vielleicht mochte sie nicht, wofür Caesar stand; vielleicht war sie eifersüchtig auf Kleopatra, die ihre Beziehung mit dem römischen Feldherrn offen zur Schau stellte; vielleicht dachte sie auch, dass jener nicht gewinnen könne und dass sie selbst, wenn sie es jetzt geschickt genug anstellte, Königin werden könnte – was auch immer es war, irgendwie schaffte sie es, die von Caesar aufgestellten Wachen zu umgehen, und flüchtete aus dem Palast, um sich den Belagerern unter Kommandant Achillas anzuschließen. Achillas jedoch hätte wohl gerne darauf verzichtet. Kaum war Arsinoë bei ihm eingetroffen, da stritten sich die beiden schon darum, wie der Krieg zu führen sei.

Wir wissen nur wenig über diese „andere Ptolemäerin“, Arsinoë. Stets steht sie im Schatten ihrer älteren Schwester Kleopatra, ewig die Zweite, die Nebenrolle. Wäre ihr Schicksal nur ein wenig anders verlaufen, so wäre sie sicher ein ebenso verführerisches Ziel für die Darstellungen von Historikern gewesen. Zweifellos hatte sie eine ähnliche Erziehung wie Kleopatra genossen, auch sie war wohl kultiviert und sprachgewandt, eine interessante Gesprächspartnerin von faszinierender Schönheit. Doch der unbarmherzige Lauf der Geschichte zeigt sie lediglich als erfolglose, unattraktive Doppelgängerin Kleopatras, als alte Jungfer, dazu verdammt, falsche Entscheidungen zu treffen, als boshafte Schwester, die darauf aus ist, Kleopatra das Leben schwer zu machen.

Für den ägyptischen Kommandanten Achillas war es ein weiterer Rückschlag, dass er sich jetzt mit der energischen Prinzessin Arsinoë auseinandersetzen musste. Eine Zeitlang, so sagte man, hatte er geheime Berichte aus dem Inneren des Palastes erhalten. Ihr Verfasser war der Eunuch Pothinos gewesen, der Hauslehrer und Berater des jungen Königs Ptolemaios. Doch dann wurden seine Agenten enttarnt und verhaftet, Pothinos hingerichtet. Vielleicht fungierte Caesar sogar selbst als Henker. Erst wenige Wochen zuvor hatte Pothinos dem König geraten, Pompeius ermorden zu lassen, was Caesar tief getroffen hatte. Den Eunuchen nun zu töten, muss seltsam befriedigend gewesen sein.

Außerdem, wie Caesar später behauptete, wenn er Pothinos nicht getötet hatte, dann hätte Pothinos sicherlich versucht, ihn umzubringen.19 Doch was auch immer der vorgeschobene oder reale Grund war: Tatsächlich hatte Caesar deutliche Vorteile davon, dass der Eunuch tot war.

Außerhalb des Palastes stellte sich Alexandria auf eine längere Belagerung ein; doch seine findigeren Bewohner (und dazu zählten sicher auch die Angehörigen des Museion) suchten nach innovativen Wegen, die Situation zu einem Ende zu führen. Während man aus anderen Teilen Ägyptens mehr und mehr schwere Artillerie und Geschosse heranbrachte, auf Schiffen über den Nil, durch die Kanäle und in den Mareotis-See, dröhnte in einigen Gebieten von Alexandria der unaufhörliche Lärm von Hämmern und Sägen, da man die Straßen und Boulevards in der Vorbereitung auf den Kampf mit Barrikaden versah.

Durch alle Straßen und Gassen hatte man eine dreifache Mauer gezogen, aus quadratischen Steinblöcken und nicht weniger als zwölf Meter hoch, die die unteren Bereiche der Stadt mit sehr hohen Türmen schützte, zehn Stockwerke hoch. Außerdem hatten sie mobile Türme von gleicher Höhe gebaut, mit Rädern und Seilen, die auf den flachen Straßen überall hin gezogen werden konnten.20

Caesar war sichtlich beeindruckt. Seine Berichte sprechen von der „Intelligenz und Scharfsinnigkeit“ der Alexandriner, die, zusätzlich zu ihren sonstigen Bemühungen, schnell alles nachahmten, was sie bei den Römern beobachteten, und versuchten, sie darin zu übertreffen. Er sah auch ein, um wie viel es den Alexandrinern ging. Nicht zuletzt deshalb wurde ihr Leitspruch „Wenn wir [Rom] nicht vertreiben, wird Ägypten zur Provinz“ 21 zum kraftvollen Schlachtruf, der immer mehr Menschen anzog, die sich für ihr Land einsetzten, und die Soldaten zu immer verzweifelteren Akten der Tapferkeit trieb.

Doch wie so oft kam jemandes Ego dazwischen. Seit sie aus dem Palast entkommen war, war Arsinoë mit ihrem General, Achillas, unglücklich gewesen. Sie ließ ihn töten und ernannte an seiner Stelle seinen Mörder zum General: ihren Lehrer, den Eunuch Ganymedes. Arsinoë selbst behielt den Oberbefehl.

Ganymedes war ein kluger Mensch. Kaum hatte er sein Amt angetreten, da brachte er einen Plan auf den Weg, der verheerende Folgen haben sollte (obwohl wir nicht wissen, ob er selbst oder Arsinoë darauf gekommen war). Er verunreinigte Caesars Trinkwasser. Da Alexandria zwischen der Wüste und dem Meer ein gekeilt war, musste es sich zur Trinkwasserversorgung auf den Nil verlassen, und die Stadt war stolz auf ihr ausgeklügeltes unterirdisches Netz von Rohrleitungen, Tanks und Filteranlagen. Der Hauptkanal und seine Abzweigungen lagen in den Händen der Ägypter, und wie Caesar erklärt, bediente sich Ganymedes dieser Tatsache, so gut er konnte:

Er blockierte die Wasserkanäle, isolierte diejenigen Teile der Stadt, die er selbst kontrollierte, und dann pumpte er mit Hilfe von Wasserrädern und anderen Maschinen große Mengen von Meerwasser hinein, so dass dieses unaufhaltsam hinabfloss in Caesars Teil der Stadt. Deshalb wurde das Wasser, das man in den dortigen Häusern schöpfte, binnen kurzer Zeit salziger als üblich … Es dauerte nicht lange, bis man das Wasser dort nicht mehr trinken konnte, während das von noch weiter unterhalb noch verseuchter und salziger war. So gab es keine Zweifel mehr, und alle Soldaten wurden von einer solchen Angst gepackt, dass sie sich alle in äußerster Gefahr wähnten.22

Das war nur allzu verständlich. Selbst im November ist es in Alexandria heiß, und ohne Wasser konnten die belagerten Römer nicht lange überleben. Caesar wusste, dass sie sich eventuell Wasser von anderswo schicken lassen konnten, aber das war nicht der Punkt. Die Moral ist eine sprunghafte Angelegenheit. Vielleicht würde es nicht mehr lange dauern, bis die Disziplin nachließ und die Legionäre eine übereilte, ungeordnete und politisch blamable Evakuierung verlangten. Caesar hielt eine bewegende Rede und befahl seinen Männern (zweifellos mit einem aufrichtigen Stoßgebet an die Siegesgöttin), Brunnen zu graben. „Jedes Gebiet an der Küste“, so erklärte er ihnen leichthin, „enthält von Natur aus Süßwasseradern. “ Zu seinem Glück hielt sich sein Küstenabschnitt daran, und so gruben sie, während ihr General sicherlich mit gutem Beispiel voranging, die ganze Nacht („begeistert“, wie es in Caesars Bericht heißt), bis sie „eine große Menge Süßwasser“ fanden.

Während man sich noch darüber freute, erreichte den Palast nur zwei Tage später eine weitere gute Nachricht: Hilfe war auf dem Weg. Die 37. Legion, einst ein Teil von Pompeius’ Armee und jetzt Caesar treu ergeben, war einige Meilen östlich gelandet, und mit ihnen kamen Lebensmittel und Waffen, Geschosse und schwere Artillerie. Die Gebete der belagerten Römer waren erhört worden. Doch es gab ein Problem: Die spätherbstlichen Passatwinde, die Caesar daran gehindert hatten, Alexandria zu verlassen, vereitelten nun die Versuche der 37. Legion, ihn zu erreichen.

Zumindest behauptete Caesar das.23 Seine weiteren Aktionen deuten jedoch darauf hin, dass dies nicht der einzige Grund (bzw. der wahre Grund) dafür war, dass sie ein Stück weit weg von Alexandria vor Anker gegangen waren. Caesars wie stets ungestüme Reaktion war, seine gesamte Flotte zu bemannen und aus dem Hafen heraus zu leiten (während seine Legionäre an Land blieben, um den Palast und den Leuchtturm zu bewachen). Dann hielt er Kurs auf die 37. Legion. Vielleicht wollte Pompeius’ alte Legion keine Stadt betreten, die bereits belagert wurde. Wären die Passatwinde tatsächlich ein so großes Problem gewesen, hätte Caesar sicherlich nicht den Hafen verlassen, denn dann hätte er ja selbst nicht mehr zurückkehren können. Für die Römer, die in Alexandria blieben, wäre dies tödlich gewesen – von Kleopatra ganz zu schweigen. In seiner Darstellung der Episode scheint aber noch etwas anderes verschwiegen worden zu sein. Die Tatsache, dass er mit leeren Schiffe lossegelte und nicht direkt Kurs auf die 37. Legion machte, sondern wertvolle Zeit vor Anker an der Küste verbrachte, während seine Männer an Land gingen, um Trinkwasser zu finden, legt nahe, dass sein Erfolg beim Brunnengraben doch nicht ganz so spektakulär war, wie seine Berichte es behaupten: Ein wichtiger Grund für seine Reise wird es gewesen sein, Wasser zu besorgen.

An diesem Punkt begann Caesars Plan fehlzuschlagen. Die unbewaffneten und schutzlosen Männer, die am Ufer mit dem Füllen der schwerfälligen Wasserschläuche beschäftigt waren, wurden von den Alexandrinern überfallen und gefoltert. Schnell erfuhren die Angreifer, dass Caesar an Bord seiner Schiffe keine Soldaten hatte. Die Alexandriner konnten ihr Glück kaum fassen. Als Caesar mit seiner eigenen Flotte, nunmehr verstärkt durch die Kriegs- und Handelsschiffe der 37. Legion, zurück in Richtung Hafen fuhr, erblickte er vor der hoch aufragenden Silhouette des Leuchtturms und gegen die Abendsonne die alexandrinischen Schiffe. Obgleich er so viele von ihnen zerstört hatte, besaßen die Ägypter immer noch eine gewaltige Flotte, und die wartete nun darauf, dass die Schlacht begann.

Die Nacht brach an, und Caesar zögerte, zum Schlag auszuholen. Er befahl seinen Schiffen, die Anker zu werfen. Eines seiner kleineren Schiffe jedoch, das ein wenig entfernt von den übrigen lag, erschien den Alexandrinern als leichte Beute, und sie griffen an. Caesar hatte keine Wahl: Er musste dem Schiff zu Hilfe eilen, und in den Wirren der her einbrechenden Dunkelheit kaperte seine Flotte ein Schiff, versenkte eine weiteres und fügte den anderen herbe Verluste zu. Die demoralisierte alexandrinische Flotte floh, und Caesar kehrte, um mit seinen eigenen Worten zu sprechen,

mit seinen siegreichen Schiffen nach Alexandria zurück, einem sanften Wind entgegen, die Handelsschiffe im Schlepptau.24

Einmal mehr hatte Caesar eine schwierige Situation, die er (im Nachhinein) niemals hätte zulassen dürfen, in einen Sieg umgemünzt. Und Kleopatra hatte schon wieder aus erster Hand eine nützliche Lektion in Sachen militärisches Kommando gelernt.

Aber die Alexandriner waren noch lange nicht geschlagen. Auch wenn sich Caesar neue Vorräte verschafft hatte, so hatte er nun auch wesentlich mehr hungrige Mäuler zu stopfen. Darüber hinaus wurden er und Kleopatra effektiv immer noch belagert, und die Alexandriner rechneten sich aus, dass sie mit einer größeren Flotte die Blockade ausbauen und ihn aushungern könnten. Also organisierten sie so viele Schiffe, wie sie auftreiben konnten, darunter die Zollboote, die die Mündungen des Nil-Deltas patrouillierten, reparierten stillgelegte Schiffe und rüsteten sie aus. Holz war teuer im baumarmen Ägypten, und so demontierten sie die Sparren von Säulengängen und öffentlichen Gebäuden, um daraus Ruder zu bauen. Innerhalb einer erstaunlich kurzen Zeit versammelten sie 27 Kriegsschiffe sowie eine Reihe kleinerer Boote und testeten ihre neue Flotte im westlichen Hafen aus.

Im Palast wurde Caesar immer ungeduldiger. Er hatte das Gefühl, als liefe alles auf den Showdown zu. An einem frühen Wintermorgen ruderten seine Schiffe aus der Einfahrt des königlichen Hafens hinaus und um die Spitze der Insel Pharos herum, um ihre Positionen einnehmen. Als wäre es ein eingespieltes Ritual, näherte sich vom westlichen Hafen aus bald auch die frisch renovierte alexandrinische Flotte. Einen langen, unruhigen Moment lang standen sich beide Seiten gegenüber, unbeweglich, keiner bereit, den ersten Schritt zu wagen, aus Angst, auf die Untiefen, die sich vor der Insel erstreckten, aufzulaufen. Schließlich, auf ein Nicken Caesars hin, stießen vier seiner Schiffe vor. Die Schlacht hatte begonnen.

Caesars Darstellung ist sehr lebendig: Sie erzählt von geschickten Steuermännern, die die römischen Schiffe auf Kollisionskurs mit den alexandrinischen hielten und dabei stets versuchten, sie ganz eng zu schneiden und ihre Ruderreihen anzugreifen. Sie erzählt von lodernden Geschossen, von in der schmalen Meerenge ineinander verkeilten Galeeren, von erbitterten und blutigen Kämpfen an Deck. Sie erzählt davon, wie alle Dächer der Stadt vollgestopft waren mit Menschen, Römern wie Alexandrinern, die sich mühten, etwas zu erkennen; unter ihnen sicher auch (obgleich er sie nicht namentlich erwähnt) Kleopatra. Am Ende war Caesars Flotte siegreich. Die Alexandriner drehten ab und ruderten verzweifelt zurück in ihren sicheren Hafen, während ihre Kameraden von der Küste aus salvenweise Geschosse auf die sie verfolgenden Römer abfeuerten.

Doch genau wie zuvor, als er die alexandrinische Flotte in Brand gesteckt hatte, konnte Caesar es nicht dabei belassen. Vielmehr wusste er, dass es jetzt an der Zeit war, seinen momentanen Vorteil zu nutzen. Auch wenn er den Leuchtturm kontrollierte, war doch der Rest der Insel Pharos, zusammen mit dem Heptastadion, dem Damm, der sie mit dem Festland verband, in der Hand des Feindes. Gab es eine bessere Zeit als jetzt, um diese Gebiete zu erobern – jetzt, wo sich die Alexandriner in einem Zustand äußerster Verwirrung befanden? Also ruderte er mit ein paar kleinen Barken und Jollen auf die Insel zu, um sie von der Hafenseite aus anzugreifen, während seine Flotte dies vom Meer aus tat. Für eine Weile hielten die Inselbewohner dagegen und beschossen sie von den Dächern der Häuser und von den vielen Türmen aus, die um die Siedlung verstreut lagen und an die zehn Meter hoch waren. Aber dann ergriff sie doch noch die Panik. Viele sprangen ins Meer und versuchten, durch den Hafen zu schwimmen, um sich in der Stadt in Sicherheit zu bringen.

Einige schafften es, die meisten aber nicht. Bei Einbruch der Nacht konnte Caesar behaupten, er habe rund 6000 Gefangene gemacht.25 Als es dunkel war, besah man sich seine Beute, und die Kämpfe hörten auf. Aber als der Morgen graute, erschien Caesar wieder, in voller Rüstung, seinen Purpurumhang um die Schultern, an der Spitze einer Flottille aus kleinen Booten, die auf das Heptastadion zuhielt und auf jenen Teil der Insel Pharos, der dem Damm am nächsten lag und der immer noch von den Alexandrinern kontrolliert wurde. Ein wilder Hagel von Pfeilen schlug die Insulaner in die Flucht, und während einige der römischen Soldaten an Land sprangen, um die verbleibenden Widerstandsnester auszuheben, liefen andere das Heptastadion hinunter, bis zu dem Punkt, wo sie es am besten verbarrikadieren konnten. Sie errichteten schnell einen Wall auf dem Damm; dahinter mühten sie sich ab, die Torbögen, durch die Boote von einem Hafen in den anderen fahren konnten, mit Steinen aufzufüllen und so zu blockieren.

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Caesar, den Kopf mit Lorbeer gekrönt, als „dictator perpetuus“ („auf Lebenszeit“) Silberdenar, Rom, 44 v. Chr. Durchmesser 2 cm. British Museum, 1843,0116,170

Eine Zeitlang lief alles nach Plan. Aber dann erschienen wie aus dem Nichts hinter den Römern auf dem Damm, zwischen der Barrikade und der Insel Pharos die Alexandriner. Sie wurden immer mehr, und nun gerieten die Römer (darunter einige der Riderer, die ihre Boote verlassen hatten, um den anderen zu helfen), in Panik. Verwirrt sprangen sie vom Damm aus in die kleinen Boote; einige versuchten, die Laufplanken einzuholen, während andere sich noch verzweifelt bemühten, an Bord zu kommen. An der Barrikade versuchte Caesar vergeblich, seine Truppen zu sammeln, und am Ende musste er sich eingestehen, dass die Sache verloren war. Er versuchte, so viel an Ordnung aufrechtzuhalten, wie er nur konnte, und zog sich auf sein Boot zurück, aber auch hier war er nicht sicher. Da immer mehr Menschen daraufsprangen, sank es allmählich gefährlich tief ins Wasser ein. Caesar wusste, was passieren würde, und so nahm er seinen purpurnen Umhang von den Schultern, sprang ins Wasser und schwamm quer durch den Hafen, bis dahin, wo seine Kriegsschiffe vor Anker lagen. Viele seiner Männer hatten weniger Glück. Hektische Hände rissen an den Seiten der Boote, verängstigte Menschen versuchten, sich an Bord zu ziehen, und durch den Ansturm sank ein Boot nach dem anderen. Die siegreichen Alexandriner liefen über das Heptastadion und zurück auf die Insel, überrannten und befestigten sie, installierten ballistische Geschosse und übernahmen die Kontrolle über die Hafeneinfahrt.

Wie immer gab es aber vielleicht mehr über diese Episode zu berichten, als Caesar später zugab. Als seine Boote rings um ihn herum zu sinken beginnen, hören wir von einem kuriosen Detail:

Caesar sprang vom Damm aus in ein kleines Boot, um sich selbst zu retten und seinen Männern zu helfen. Aber die Ägypter kamen von allen Seiten auf ihn zu, und so sprang er ins Meer und rettete sich schwimmend, wenn auch unter Schwierigkeiten. Es heißt, er habe er in einer Hand zahlreiche Papiere gehalten, die er nicht loslassen wollte und die ganze Zeit über aus dem Wasser hielt, so dass er nur mit einer Hand schwimmen konnte, obwohl er ständig unter Beschuss war. Sein kleines Boot sank kurz darauf.26

Was waren das für Papiere, die Caesar so verzweifelt zu retten versuchte? Hatte er sie aus dem sinkenden Boot gerettet, oder hatte er sie die ganze Zeit über bei sich? Was für Folgen hätte ihr Verlust gehabt? Bestimmt waren sie äußerst wichtig, wenn Caesar bereit war (wie aus seinen späteren Berichten deutlich wird), dafür sein Leben zu riskieren. Doch wie so vieles in dieser Geschichte, dient auch diese Episode letztlich nur dazu, uns aufzuzeigen, wie lückenhaft unser Wissen ist, und uns davor zu bewahren, allzu selbstgefällig damit umzugehen.

Es war eine Pattsituation entstanden. In den Straßen Alexandrias rumpelten noch immer jeden Tag die zehn Stockwerke hohen Rädertürme über die Boulevards, auf der Suche nach Schwachstellen in Caesars Verteidigungsanlagen, während im Palast der ungewohnte Geruch der ungewaschenen römischen Soldateska, der sich immer weiter ausbreitete, die Gemüter der königlichen Hausangestellten langsam aber sicher zum Überkochen brachte.

Wie sich der zu Wutanfällen neigende junge Ptolemaios XIII. verhielt, der machtlos auf seinem juwelenbesetzten Thron saß, als königliche Geisel, ist nicht überliefert. Aber in den Wochen nach dem Debakel am Heptastadion scheint Caesar spürbar erleichtert gewesen sein, als eine Delegation der Alexandriner eintraf, die verlangte, dass ihr König ausgeliefert würde. Sie hätten genug von „ der strengen Diktatur des Ganymedes“, klagten sie.

Caesar, der sich (in seinen eigenen Worten) „nicht von Großzügigkeit“ leiten ließ, „sondern von knallhartem Kalkül“, hörte sich ihren Appell bereitwillig an. Später schrieb er, dass er vermutete, dass hinter den Forderungen der Delegation mehr steckte, als diese zugab, denn „er war sich durchaus bewusst, dass es ein Volk von Betrügern war, das stets seine wirklichen Absichten verbarg“. Wenn das stimmte, dann hatten die Ägypter ihren Meister gefunden, denn Caesar wusste, dass die Alexandriner mit Ptolemaios XIII. in ihrem eigenen Lager bald zu unfreiwilligen Zeugen einer spektakulären Geschwisterrivalität und eines erbitterten Machtkampfes werden würden. Arsinoë würde sich kaum über die Ankunft ihres launischen kleinen Bruders freuen. Wie Kleopatra darauf reagierte, dass Caesar ihn entließ, darüber können wir nur spekulieren. Sicherlich entbehrte die Situation, als der Junge den Palast verließ, nicht der Dramatik. Vielleicht war Kleopatra an Caesars Seite, als dieser

ihn bei der Hand nahm, um den Jungen zu entlassen, der beinahe ein Erwachsener war. Aber der König war geschickt in der Kunst der Täuschung (darin wich er wenig vom Rest seines Volkes ab), er begann zu weinen und zu betteln, dass Caesar ihn nicht fortschicke: Nicht einmal sein eigenes Reich, sagte er, sei ihm lieber als Caesars Anblick. Caesar war tief bewegt, und nachdem er dem Jungen die Tränen getrocknet hatte, versicherte er ihm, wenn er dies tatsächliche denke, dann würden sie bald wieder vereint sein.

Dabei hatte der König in der Tat ganz andere Gedanken. Im nächsten Satz schreibt Caesar:

[Ptolemaios], wie ein aus dem Kerker in die Freiheit Entlassener, begann so heftig gegen Caesar Krieg zu führen, dass es schien, als seien die Tränen, die er bei ihrer Trennung vergossen hatte, Freudentränen gewesen waren.27

Und so hätte sich die Situation noch länger hinziehen können. Aber inzwischen, im Jahre 47 v. Chr., war Hilfe für die belagerte römische Armee unterwegs. Der Frühling war angebrochen, und Mithridates von Pergamon nahte zu ihrer Rettung. Zugleich fuhren mit Hilfsgütern beladene römische Schiffe entlang der syrischen Küste langsam nach Süden und würden bald Ägypten erreichen. Die Alexandriner waren bestürzt. Sie stationierten Kriegsschiffe vor der Stadt des heiligen Vergnügens, Kanopos, um die römische Flotte abzufangen. Caesar schickte seine eigenen Schiffe, um sie anzugreifen; sie wurden abgewehrt.

Doch bald erreichte Alexandria die Nachricht, dass Mithridates und seine Männer Pelusion erreicht hatten, die Grenzstadt, das östliche Tor nach Ägypten, dass er sie überrannt hatte und dass er in der Nähe des Delta sein Lager aufgeschlagen habe. In aller Eile stellte sich die alexandrinische Armee am Ufer des Mareotis-Sees auf und begann, die dortigen Flussboote und Barken zu bemannen. Als die Ruder die glasige Oberfläche des flachen Sees durchpflügten, führte Ptolemaios XIII., mit Ganymedes und vielleicht auch Arsinoë an seiner Seite, die Ägypter hinaus in das Netz von Kanälen und Flüssen und dann weiter auf den Nil und ins östliche Delta.

Das war der Moment, auf den Caesar gewartet hatte. Die langen Monate beengter Straßenkämpfe und unentschlossener Scharmützel waren vorüber. Endlich würde es zu einer richtigen Schlacht kommen. Er ließ nur wenige Männer zurück, um den Palast zu bewachen, und segelte mit seinen Truppen aus dem Hafen hinaus, ließ den großen Serapis-Tempel von Kanopos ebenso rechts hinter sich wie Herakleion und erreichte den Nil.

Als Caesars Truppen Ptolemaios endlich fanden, hatte er bereits eine gute Nachricht erhalten. Zweifellos wollte Ptolemaios in die Schlacht ziehen, bevor Caesar eintraf, und so hatte seine Vorhut Mithridates’ Lager angegriffen. Aber um ihre Disziplin war es nicht zum Besten bestellt, und sie waren schnell von Mithridates’ Männern besiegt worden. Nun hatte sich der ägyptische König auf einem gut zu verteidigenden Hügel aufgestellt, auf der einen Seite geschützt durch einen Sumpf, auf der anderen durch den Nil. Doch anstatt zu warten, bis er angegriffen wurde, entsandte Ptolemaios seine gesamte Kavallerie sowie einen Teil der leichten Infanterie, um Caesar abzufangen, der noch über 10 km entfernt war. Den Römern, die so lange in Alexandria eingesperrt gewesen waren, muss das Ganze wie ein Geschenk der Götter vorgekommen sein. Ihre unterdrückte Frustration explodierte in einem wahren Blutrausch gegenüber den ägyptischen Truppen. Caesars Männer erschlugen alles, was sich ihnen in den Weg stellte, und rückten immer weiter vor, bis zu Ptolemaios’ Lager.

Anstatt noch am selben Tag anzugreifen, bestand Caesar darauf, dass sich seine Truppen ausruhten, doch mit der Morgendämmerung kam die letzte Schlacht. Während noch Langstreckengeschosse auf das ägyptische Lager niederregneten, erkämpften die Römer sich ihren Weg hinein. Als Ptolemaios’ Männer zum Festungswall liefen, um diesen zu verteidigen, sah Caesar, dass sie die Hügelkuppe beinahe ungeschützt zurückgelassen hatten. Er schickte eine Kohorte hinauf, um sie einzunehmen. Nun wurden die Alexandriner zugleich von unten und von oben angegriffen, und

erschreckt durch den Kampfeslärm von beiden Seiten, begannen sie, ziellos durch ihr eigenes Lager zu laufen. Durch diese Panik angespornt, betraten unsere [d.h. Caesars] Männer das Lager fast zur gleichen Zeit von allen Seiten; diejenigen, die von oben herunterliefen, töteten eine große Zahl der Feinde im Lager. Viele Alexandriner versuchten der Gefahr zu entgehen und warfen sich kopfüber vom Wall in den Teil des Flusses, der daran vorbeifloss … Fest steht, dass der König selbst aus dem Lager entkommen konnte und an Bord eines Schiffs genommen wurde; aber aufgrund der großen Zahl von Männern, die schwimmend das nächstliegende Schiff zu erreichen suchten, lief sein Schiff voll Wasser und er ertrank.28

Caesar gab den Befehl, die Leiche zu bergen. Es war wichtig, dass niemand glaubte, der König lebe noch. Doch alles, was man fand, war die goldene Rüstung des Jungen. Er selbst war im Nil verschwunden.

Der Krieg war vorbei. Als sich der siegreiche Caesar Alexandria näherte, fand er sich umringt von Bürgern, viele davon gekleidet in rituellen Gebetsroben, darunter Priester mit rasierten Köpfen, die ihm die heiligsten Objekte aus den Tempeln der Stadt darboten; all dies Gesten, mit denen sich die Bürger die Gnade des Feldherrn erbaten. Mit einer theatralischen Geste der Großherzigkeit nahm er ihre Unterwerfung an, und unter dem überwältigenden Jubel seiner eigenen Truppen bahnte er sich den Weg durch die Stadt zurück zum Palast – und zu Kleopatra.

Mag sein, dass in Ägypten nun Frieden eingekehrt war, aber anderswo gab es immer noch solche, die Pompeius unterstützt hatten, im ganzen Römischen Reich. Weitere kriegerische Auseinandersetzungen warteten auf ihn, in Afrika und Spanien. Doch Caesar beeilte sich nicht, dorthin aufzubrechen. Eine Zeitlang konnte er sicherlich behaupten, dass er seinen Leuten eine Kampfpause gönnen musste. Die Belagerung war dicht auf Pharsalos gefolgt und auf die Schlachten, die Pharsalos vorausgegangen waren; insgesamt war man ganz offensichtlich erschöpft. Es konnte nicht schaden, eine Pause einzulegen, vielleicht von einer Woche oder so. Aber aus einer Woche wurde ein Monat, und bald war allen klar, dass Caesar andere Pläne haben musste.

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„Ein verführerisches Versprechen unendlicher Fruchtbarst“: Der Nil fließt nördlich von Assuan vorbei an der Bergen den westlichen Wüste.

Für einen Mann des Geistes wie ihn muss das Museion eine gewisse Anziehungskraft gehabt haben. Auch die Bibliothek, vorausgesetzt, dass nicht alle Bücher vom Ruß des Feuers geschwärzt waren, bot einzigartige Möglichkeiten, frühe Ausgaben der Philosophen und Dichter zu lesen. Desweiteren gab es Wissenschaftler und Architekten, Astronomen und Techniker, deren Know-how er, zurück in Rom, mit Gewinn würde nutzen können. Vor allem aber war da Kleopatra, die nunmehr die unbestrittene Königin von Ägypten war und die, was für Caesar natürlich genauso wichtig war, bald die Mutter seines Kinds sein würde.

Kleopatra hatte ihre eigenen Pläne für Caesar. Seit Generationen gehörten ein Besuch bei den heiligen Krokodilen und eine schnelle Fahrt auf dem Nil zum Pflichtprogramm für berühmte ausländische Besucher. Doch jetzt, wo sie den mächtigsten Mann der römischen Welt zu unterhalten hatte, ordnete Kleopatra eine Kreuzfahrt an, die ehrgeiziger und verschwenderischer sein sollte als jede, die das alte Ägypten je gesehen hatte. Die schriftlichen Zeugnisse zu dieser Kreuzfahrt sind äußerst knapp, Caesar selbst erwähnt sie nicht einmal, was darauf hindeuten mag, dass sie, auch wenn er gerne mitfuhr, nicht zu seinem eigenen Masterplan gehörte. Der Historiker Appian berichtet darüber in einem einzigen, missbilligenden Satz:

Er fuhr mit 400 Schiffen den Nil hinauf, um in der Gesellschaft von Kleopatra das Land zu erkunden, und auch auf andere Weise fand er Gefallen an ihr.29

Moderne Autoren haben viel mehr daraus gemacht. Gewiss, bedenkt man Kleopatras ptolemäischen Stammbaum (sowie ihre späteren spektakulären Inszenierungen), dürfte sie sichergestellt haben, dass dies eine Reise war, die Caesar nicht so schnell vergessen würde. Und nicht nur Caesar, sondern auch ihre Untertanen, die Ägypter. Und es war auch nicht einfach nur eine Vergnügungsreise, sondern zugleich eine ganz nüchterne Darstellung ihrer Autorität.

Wenn Kleopatra in ihrer Jugend die Symbolkraft der Reise mit dem Buchis-Stier nach Hermonthis geschätzt hatte, dann wusste die nunmehr erwachsene Königin, bei der man bereits die Anzeichen der Schwangerschaft sah, erst recht um die große Bedeutung dieser Reise. Jetzt war es kein heiliger Stier, mit dem sie das Schiff teilte, sondern Caesar höchstpersönlich. All die göttliche und metaphysische Kraft, von der man glaubte, dass sie dem Stier von Hermonthis innewohnte, war nichts im Vergleich zur schieren Macht Roms und der Autorität ihres menschlichen Repräsentanten. Die Nachricht von Ptolemaios’ Niederlage und Tod muss mit ihr flussaufwärts gereist sein. Wenn irgendeiner von Kleopatras Untertanen immer noch glaubte, ihr widerstehen zu können, so musste ihn der Anblick von Caesar und den Kähnen mit Caesars Soldaten eines Besseren belehren.

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Ägypten trifft Rom: Die Überreste eines Isis-Tempels aus römischer Zeit (vorne) werden von den Pyramiden von Gizeh in den Schatten gestellt.

Doch die Reise war mehr als eine bloße Machtdemonstration. Während sich die Flottille ihren Weg nach Süden brachte, entfaltete sich die atemberaubende, unendliche Fruchtbarkeit Ägyptens mit all ihren verlockenden Verheißungen. Die Pyramiden, der Tempel von Luxor, das Tal der Könige – all das war für Caesar, der stets an Roms hungrige Mäuler dachte, nur schmückendes Beiwerk, verglichen mit dem reichen, fruchtbaren Boden und dem üppig bewachsenen Ufer. Als sie so nach Süden segelten, legte Kleopatra Caesar schamlos ihr eigenes Land zu Füßen, nackt und ungeschützt. Er verfügte (wie er schon gezeigt hatte) über die Macht, sich mit Gewalt alles zu nehmen, was er wollte. Wie viel nützlicher war es jedoch, wenn man das Ganze in eine Partnerschaft verpacken konnte. wenn Rom kaufte, was es sich mit Gewalt hätte nehmen können.

Im Juni kam Achet, die Zeit des jährlichen Nilhochwassers, und als das Wasser stieg, kehrten die Boote nach Alexandria zurück. Der Handel war besiegelt. Caesar bestätigte Kleopatra als Königin von Ägypten. Sie war ihm (wie er später schrieb) „treu und blieb unter seinem Protektorat“.30 Natürlich musste sie ihren jüngeren Bruder, Ptolemaios XIV., heiraten; aber dieser war erst dreizehn und nicht mehr als eine bloße Symbolfigur. Für Arsinoë hatte Caesar jedoch andere Pläne. Schließlich hatte sie nicht nur gegen ihn gekämpft, sondern gegen Rom, und so ließ er sie später in die Hauptstadt des Reichs schicken – in Ketten.

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Der Gott Sobek, in Form eines Krokodils mit Atefkrone. Bronzestatuette, hergestellt in Ägypten um 600 v. Chr. Höhe 12,5 cm, Länge 10 cm. British Museum, 1902,1013.4.

Momentan hatte Caesar jedoch ganz andere Sorgen. Ein Krieg im Osten stand bevor, es war an der Zeit, aufzubrechen. Er ließ zwei Legionen in Alexandria zurück, verabschiedete sich von Kleopatra, die wenige Wochen vor ihrer Niederkunft stand, und mit seiner Flotte hinter sich segelte er zum letzten Mal am Leuchtturm Pharos vorbei. Das nächste Treffen mit Kleopatra würde in Rom stattfinden.

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Kaiserliche Hauptstadt: das Forum Romanum, von der Via Sacra unterhalb des Kapitols aus nach Osten hin gesehen, in Richtung des (späteren) Kolosseum