Länger jung bleiben

Schlagzeilen, die verkünden, dass wir durch Bewegung den Alterungsprozess verlangsamen können, dass wir fünf, wenn nicht gar zehn Jahre jünger werden oder gar ewig jung bleiben, sind keine Seltenheit. Derartigen Heilsversprechen sollte man grundsätzlich mit einer gesunden Portion Skepsis begegnen, und das klingt ja auch alles viel zu schön, um wahr zu sein.

Was ist also dran an solchen Aussagen? Immer mehr Studien belegen, dass Bewegung tatsächlich eine Art Jungbrunnen ist: Durch regelmäßige körperliche Aktivität steigert man nicht nur sein Wohlbefinden, man lebt auch einige Jahre länger. Außerdem versteht die Forschung langsam auch, durch welche Mechanismen Sport für den Schutz verschiedener Organe sorgt.

Viele Entwicklungen, die wir bisher für unausweichliche Alterserscheinungen gehalten haben, kann man durch regelmäßige Bewegung verlangsamen oder sogar aufhalten.

Nicht nur die Jahre zählen

Um zu begreifen, wie Training den Alterungsprozess beeinflussen kann, muss man sich zuerst die Frage stellen, was Alterung eigentlich ist. Eine Betrachtungsweise wäre die, dass Altern durch die schrittweisen Veränderungen geschieht, die sich im Laufe der Zeit in Ihren Organen vollziehen und die dafür verantwortlich sind, dass Ihr Gehirn, Ihr Herz, Ihr Immunsystem und Ihre Muskeln allmählich immer schlechter funktionieren.

Doch es ist nicht nur die Zahl der Geburtstage, die darüber entscheidet, in welchem Zustand Ihr Herz oder Ihre Nieren sind. Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die alterungsbedingten Veränderungen in den Organen in großem Maße darauf zurückgehen, dass man seinen Lebensstil mit zunehmendem Alter ändert. Man wird immer bequemer, bewegt sich weniger, isst schlechter und lebt insgesamt ungesünder.

Immer mehr Studien belegen, dass Bewegung tatsächlich eine Art Jungbrunnen ist.

Was spielt also die größere Rolle? In welchem Maß sind Alterserscheinungen der Zeit zuzuschreiben und wie viel hängt von den veränderten Lebensumständen ab? Wenn man sich die Alterungsprozesse ansieht, die mit abnehmender Muskelkraft und Kondition einhergehen, kann man grob geschätzt sagen, dass die Hälfte bis zu zwei Drittel dieser Prozesse auf eine verringerte physische Aktivität und andere Faktoren des Lebensstils zurückzuführen sind. Wenn es also so ist, dass ein veränderter Lebensstil zu 50 Prozent für den körperlichen Abbau verantwortlich ist, müsste doch ein aktiverer Lebensstil, wie man ihn vielleicht in jüngeren Jahren gelebt hat, die Alterung verlangsamen können – oder? Genau das hat die Forschung bewiesen: Sie können die Alterungsprozesse verlangsamen, indem Sie sich bewegen – im Optimalfall lässt sich das Tempo sogar um die Hälfte drosseln.

Die Hälfte bis zu zwei Drittel der Alterungsprozesse unserer Muskeln sind auf eine verringerte körperliche Aktivität und andere Faktoren des Lebensstils zurückzuführen.

Kraftwerkbau für die Zellen

Der Zustand Ihrer Körperorgane verschlechtert sich mit der Zeit, ähnlich wie ein Auto Verschleiß aufweist, wenn es zig Kilometer gefahren ist. Doch anders als beim Auto geht es Ihrem Körper besser, wenn Sie ihn benutzen.

Der Körper besteht aus ungefähr 100000 Milliarden Zellen. Ihre Kraftwerke sind die Mitochondrien; sie sind für die Energieproduktion in den Zellen verantwortlich. Die Mitochondrien sind faszinierend: Sie haben ihre eigene DNA, die ausschließlich von der Mutter an die Kinder vererbt wird. Eine Theorie besagt, dass sie ursprünglich einmal Bakterien gewesen sein sollen, die der Zelle im Laufe der Evolution einverleibt wurden, doch das weiß man nicht mit Sicherheit.

Mitochondrien gibt es in jeder Zelle. Je nach Energiebedarf der Zelle sind es ein bis zu mehreren Tausend.

Die Mitochondrien werden die ganze Zeit über ausgetauscht. Sie leben nämlich nicht besonders lange, sondern werden nach wenigen Monaten abgebaut und durch neue ersetzt. Dieses ständige Ab- und Wiederaufbauen schafft ein Gleichgewicht, ungefähr so, wie die Einwohnerzahl eines Landes auf demselben Niveau bleibt, wenn genauso viele Menschen sterben wie geboren werden oder einwandern.

Die Zahl der Mitochondrien erreicht zwischen 20 und 25 Jahren ihren Zenit. Danach beginnt sie langsam zu sinken. Bei älteren Menschen findet man also weniger Mitochondrien, die überdies nicht so effektiv arbeiten. Das führt dazu, dass auch die Muskelzellen immer schlechter arbeiten. Auch die Gehirn- und Herzzellen arbeiten nicht mehr, wie sie sollen, wenn sie nicht mit ausreichend Energie versorgt werden. Die Tatsache, dass die Mitochondrien im Alter weniger werden und schlechter arbeiten, ist wahrscheinlich ein sehr wichtiger Faktor bei unseren Alterungsprozessen.

Mehr Lebenszeit und -qualität

Und was hat das Training nun damit zu tun? Wie sich herausgestellt hat, ist körperliche Aktivität – sowohl Konditions- als auch Krafttraining – das Beste, was Sie tun können, um neue und bessere Mitochondrien aufzubauen. Und das Interessante ist, dass das nicht nur für die Muskelzellen gilt.

Eine Forschergruppe der Universität Harvard hat genetisch manipulierte Mäuse untersucht, deren Zellen beschädigte Mitochondrien nicht reparieren konnten. Die Mitochondrien und damit auch die Zellen funktionierten immer schlechter. Im Alter von acht Monaten – was ungefähr 60 Menschenjahren entspricht – waren die Muskeln der Tiere so gut wie weggeschrumpft. Ihr Fell ging stellenweise aus. Ihre Gehirne waren kleiner geworden. Die Tiere waren außerdem wesentlich weniger an Sozialkontakten mit anderen Mäusen interessiert. Ihr Sexualtrieb war völlig zum Erliegen gekommen. Manche bewegten sich kaum noch. Kurz und gut: Sie waren vorzeitig gealtert. Mit einem Jahr waren die meisten gestorben, was ein gutes Stück unter der durchschnittlichen Lebenserwartung einer Maus liegt.

Doch dann verordneten die Forscher einer Gruppe derart genmanipulierter Mäuse physische Aktivität, indem sie sie drei Mal pro Woche jeweils 45 Minuten in einem Laufrad rennen ließen. Diese Maßnahme wurde im Alter zwischen drei und acht Monaten durchgeführt. Auf menschliche Verhältnisse umgerechnet wäre das so, als wäre man im Alter zwischen 20 und 50 dreimal pro Woche zehn Kilometer gelaufen – zweifellos ein sehr ambitioniertes Trainingsprogramm.

Mit den Tieren, die so viel liefen, passierte etwas ganz Erstaunliches: Regelmäßiges Laufen erwies sich als reinstes Wundermittel gegen den Genschaden, mit dem sie geboren waren. Ihre Muskeln blieben erhalten und schrumpften nicht. Ihr Fell bekam keine kahlen Stellen. Ihr Gehirn verkleinerte sich nicht. Ihr Herz war in viel besserer Form, und es schien ihnen insgesamt wesentlich besser zu gehen als der Vergleichsgruppe mit derselben Mutation, aber ohne Bewegungsproramm. Sie waren körperlich aktiver und zogen sich nicht von ihren Artgenossen zurück. Sie interessierten sich weiterhin für Sex. Sie schienen einfach nicht auf dieselbe Art gealtert zu sein wie die physisch inaktiven Tiere.

Die Forscher stellten fest, dass die aktiven Mäuse sich nur wenig von gleichaltrigen gesunden Mäusen ohne diese Genmutation unterschieden, und dass die vorzeitige Alterung, zu der sie genetisch verurteilt schienen, gebremst worden war. Nach einem Jahr waren die meisten genmanipulierten Tiere aus der inaktiven Gruppe wie gesagt tot, während die Mehrheit der »Trainingsmäuse« nicht nur am Leben war, sondern auch noch in erstaunlich guter Verfassung für ihr Alter.

Ein verblüffendes Resultat. Wie konnte es sein, dass die im Laufrad rennenden Tiere sich gegen die Alterungsprozesse schützen konnten? Als die Wissenschaftler sie untersuchten, stellten sie fest, dass die aktiven Tiere mehr Mitochondrien in ihren Zellen hatten, nicht nur in den Muskelzellen der Beine, sondern unter anderem auch im Gehirn und im Herzen. Dass Laufen die Beinmuskeln vor dem Schrumpfen bewahren würde, war ja noch naheliegend, doch im Prinzip bewahrte es alle Muskeln und Organe vor vorzeitigen Alterungserscheinungen. Eine Erklärung dafür hat man noch nicht, man weiß nur, dass es so ist – und das ist ja eigentlich das Wichtigste.

Wenn Sie untrainiert sind und beginnen, regelmäßig zu trainieren, entstehen schon in den ersten Wochen neue Mitochondrien.

Training gibt Energie

Dass Mitochondrien wichtig für die Leistungsfähigkeit sind, gilt auch für Menschen. Bei Spitzensportlern in den Ausdauersportarten ist das Gesamtvolumen der Mitochondrien doppelt, zum Teil sogar dreimal so hoch wie beim Bevölkerungsdurchschnitt.

Wenn man von einem passiven Lebensstil zu regelmäßiger Bewegung übergeht, entstehen mehr Mitochondrien in den Zellen, um den gesteigerten Energiebedarf zu bedienen. Zudem arbeiten die Mitochondrien besser. Wie bereits erwähnt, kann eine Zelle mehrere Tausend Mitochondrien enthalten. Das Training treibt die »guten« Mitochondrien an, woraufhin ihre Zahl zunimmt, während gleichzeitig die Zellen besser darin werden, die »schlechten« Mitochondrien auszusortieren und abzubauen. Das lässt sich bei älteren Menschen besonders deutlich beobachten.

Wenn Sie untrainiert sind und beginnen, regelmäßig zu trainieren, entstehen schon in den ersten Wochen neue Mitochondrien. Ihre Muskelzellen werden schnell effektiver in ihrer Energieproduktion. Doch Sie müssen dranbleiben, denn wenn Sie mit dem Training aufhören, flacht die Mitochondrienproduktion schnell wieder ab, und da die kleinen Kraftwerke nur ein paar Wochen leben, sinkt ihre Zahl sukzessive. Infolgedessen verschlechtert sich Ihre Kondition schon nach wenigen Wochen ohne Bewegung, was wahrscheinlich jedem aufgefallen ist, der sein Training schon einmal länger unterbrochen hat.

Sauerstoffradikale gelten neben der Verringerung und Verschlechterung der Mitochondrien als die großen Bösewichte, die hinter den Alterungsprozessen stecken.

Der antioxidative Effekt von Training

Sie haben sicher schon einmal gehört, dass vor den sogenannten freien Radikalen gewarnt wird. Diese werden in den Zellen gebildet, wann immer Sauerstoff umgesetzt wird, und sie sind schädlich für den Körper. Normalerweise macht der Körper die freien Radikalen unschädlich, indem er sie zu weniger schädlichen Stoffen umbaut, aber manchmal rutschen welche durchs Raster und richten doch Schaden an. Sauerstoffradikale gelten neben der Verringerung und Verschlechterung der Mitochondrien als die großen Bösewichte, die hinter den Alterungsprozessen stecken. Je länger eine Zelle gelebt hat, umso mehr Schäden durch Sauerstoffradikale hat sie erlitten, und das wiederum bewirkt, dass das gesamte Organ – der Muskel, wenn es eine Muskelzelle ist, oder das Gehirn, wenn es eine Gehirnzelle ist – immer schlechter funktioniert.

Die Rettung vor dem Angriff der freien Radikalen sind Antioxidantien, die wir unter anderem mit der Nahrung aufnehmen. Doch obwohl eine normale Ernährung nach den gängigen Ernährungsempfehlungen ausreichend Antioxidantien enthält, gibt es eine schier unüberschaubare Menge von Nahrungsergänzungsmitteln und Tabletten, die Abhilfe versprechen. Antioxidantien haben sich zu einer Millionenindustrie entwickelt, und in der Werbung wird meist behauptet, dass sie gegen die »aggressiven Schäden durch freie Radikale« schützen. Sollten wir also alle anfangen, diese Antioxidantien-Tabletten in uns hineinzustopfen?

Es stimmt zwar, dass Antioxidantien vor den durch freie Radikale verursachten Schäden schützen können, doch die Wirklichkeit ist wie immer komplexer: Freie Sauerstoffradikale verursachen nämlich nicht nur Probleme. Heute wissen wir, dass sie auch eine wichtige Rolle in den komplizierten Mechanismen spielen, die dafür sorgen, dass Ihre Joggingrunden zu verbesserter Kondition und Kraft führen. Wenn man seine Sauerstoffradikalen mit Antioxidantien ausschaltet, besteht das Risiko, dass man schlechtere Trainingsergebnisse erzielt.

Norwegische Wissenschaftler verabreichten einer Gruppe von einigermaßen trainierten Freizeitsportlern, die ein hartes Trainingsprogramm absolvieren mussten, fast drei Monate lang täglich zusätzliche Antioxidantien (Vitamin C und E). Der Effekt war nahezu kontraproduktiv. Wie sich herausstellte, hatten diejenigen, die die Nahrungsergänzungsmittel eingenommen hatten, weniger neue Mitochondrien gebildet, obwohl sie dasselbe Training hinter sich hatten wie die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Und wie gesagt, ist die Bildung neuer Mitochondrien einer der wichtigsten Trainingseffekte. Sie verplempern mit Nahrungsergänzungsmitteln also nicht nur Geld, sondern gefährden auch Ihren Trainingserfolg.

Heute weiß man noch nicht genau, auf welche Weise Antioxidantien den Trainingseffekt beeinflussen, doch eines steht fest: Der Körper kann Antioxidantien auch selbst bilden, sie brauchen nicht aus Tabletten oder der Nahrung zu kommen. Wenn Sie sich bewegen, beschleunigen Sie die natürliche Bildung von Antioxidantien und stärken die Abwehr gegen die freien Radikale. Außerdem kann der Körper freie Radikale besser abbauen – und zwar ohne Antioxidantien – wenn man sich bewegt. Regelmäßige körperliche Aktivität ist ein starkes natürliches Antioxidans.

Freie Sauerstoffradikale bringen nicht nur negative Wirkungen mit sich, sondern sind auch nützlich. Die Vermutung liegt nahe, dass der Körper selbst besser weiß, wie man solche Dinge reguliert, als die Hersteller irgendwelcher Nahrungsergänzungsmittel.

Unser biologisches Alter

Hätte jemand vor dreißig Jahren in einem medizinischen Lehrbuch geschrieben, dass uns Sport fünf bis zehn Jahre jünger machen kann, wäre das wahrscheinlich überhaupt nicht ernst genommen worden. Vor ein paar Jahren wurde jedoch genau diese These aufgestellt, nachdem Studien zu den sogenannten Telomeren vorlagen und man damit ein weiteres Puzzleteilchen zur Funktionsweise des Alterungsprozesses hinzufügen konnte.

Die Telomere sind ein Stückchen DNA, das nicht in jeder Zelle vorkommt und am Ende der Chromosomen sitzt. (Das sind die Einheiten, von denen Sie normalerweise 46 in Ihren Zellen haben und in denen Ihre DNA verpackt ist.) Die Telomere schützen das Chromosom. Man könnte sie mit den kleinen Plastikkappen am Ende von Schnürsenkeln vergleichen, die dafür sorgen, dass das Band nicht ausfranst. Jedes Mal, wenn sich eine Zelle teilt, werden die Chromosomen kopiert, und bei jeder Kopie werden die Telomere ein bisschen kürzer. Am Ende sind sie so kurz, das die Chromosomen nicht mehr kopiert werden können, was bedeutet, dass die Zelle sich nicht mehr teilen kann. Auf diese Art setzt die Telomerlänge der Anzahl der möglichen Zellteilungen eine natürlich Grenze. Deswegen ist es gut, wenn die Telomere lange Zeit möglichst lang bleiben.

Die Länge der Telomere wird oft als Maß für das biologische Alter eines Menschen genommen. Bei älteren Leuten haben sich die Zellen schon oft geteilt, also sind die Telomere kurz. Bei Kindern, bei denen sich die Zellen noch nicht so oft teilen konnten, sind die Telomere lang. Als Faustregel könnte man daher sagen: Je älter ein Mensch, desto kürzer seine Telomere. Dass sich die Telomerlänge mit dem biologischen Alter in Verbindung bringen lässt, hat sich auch gezeigt, als man die Telomere von Zwillingen verglich: Kürzere Telomere bedeuten ein erhöhtes Risiko für einen frühzeitigen Tod.

Menschen, die sich regelmäßig bewegen, haben längere Telomere als Gleichaltrige, die nicht trainieren – sie scheinen einfach biologisch jünger zu sein.

Fünf Jahre extra

Mit großem Interesse haben sich die Altersforscher der Untersuchung des Telomers zugewandt. Viele haben die Verbindung zwischen physischer Aktivität und Telomerlänge unter die Lupe genommen, um objektiver beurteilen zu können, ob Training den Alterungsprozess tatsächlich verlangsamen kann. Das Ergebnis war spektakulär: Es stellte sich heraus, dass Menschen, die sich regelmäßig bewegen, längere Telomere haben als Gleichaltrige, die nicht trainieren – sie scheinen einfach biologisch jünger zu sein.

In einer Studie, bei der man die Telomerlänge von über 1000 Zwillingen verschiedenen Alters maß, zeigte sich, dass die Telomere verschieden lang waren, obwohl man bei Zwillingen davon ausgehen kann, dass sie bei der Geburt ungefähr gleich lange Telomere hatten. Das beobachtete man sogar bei eineiigen Zwillingen, die nahezu identische Gene haben.

Die Ursache für den Unterschied kann ja nicht das Alter sein, es muss an etwas anderem liegen. Die Wissenschaftler befragten die Zwillinge zu ihren Bewegungsgewohnheiten. Hier fanden sich merkliche Unterschiede bei den Geschwistern. Manche waren regelmäßig körperlich aktiv, andere nicht. Wie sich zeigte, hatte der bewegungsfreudigere grundsätzlich längere Telomere als sein Zwilling, der sich nicht so viel bewegte.

Interessanterweise war gar kein besonders hartes Training vonnöten, um die Länge der Telomere zu erhalten. Schon eine Viertelstunde pro Tag genügte. Bei denjenigen, die 100 Minuten pro Woche trainierten – was ungefähr auf eine Viertelstunde pro Tag hinausläuft – waren die Telomere so viel länger, als wären sie fünf bis sechs Jahre jünger. Wer sich länger als eine Viertelstunde pro Tag bewegte, erzielte noch größere Effekte. Eine halbe Stunde Training pro Tag verursachte einen Unterschied in der Telomerlänge, der einem Altersunterschied von neun Jahren gleichkam.

Man kann sich fragen, ob die Unterschiede in der Telomerlänge nicht noch auf andere Faktoren zurückzuführen sein könnten als nur auf Training. Womöglich leben Menschen, die viel trainieren, generell anders? Vielleicht rauchen sie nicht, oder sie achten eher darauf, was sie essen? Die Wissenschaftler justierten daher die Ergebnisse nach und rechneten die Effekte heraus, die auf Essen, Rauchen und Übergewicht zurückzuführen waren, sodass am Ende nur noch die Wirkung der Bewegungsgewohnheiten übrig blieb. Das Resultat war dasselbe: Bei den Versuchspersonen, die eine halbe Stunde pro Tag trainierten, waren die Telomere so viel länger, dass es einem Altersunterschied von neun Jahren entsprach.

Damit Training die Telomere so lang erhält, dass man fünf bis neun Jahre jünger scheint, muss man sich allerdings ordentlich anstrengen. Es ist nicht nötig, sich völlig zu verausgaben, aber der Puls muss steigen, und man sollte ins Schwitzen kommen. Laufen, Skilanglauf, Schwimmen oder Tennis sind Sportarten, die in dieser Hinsicht effektiv sind. Bloßes Spazierengehen reicht hingegen nicht aus – es scheint die Länge der Telomere nicht zu beeinflussen.

Viele jubelten, als diese Erkenntnisse veröffentlicht wurden. Die Unterschiede in der Telomerlänge bei physisch aktiven beziehungsweise inaktiven Menschen sind zweifellos spannend. Aber ohne ein Spielverderber sein zu wollen: Man sollte vorsichtig mit seinen Schlussfolgerungen sein. Training sorgt dafür, dass Ihre DNA der von jüngeren Menschen gleicht, weil die Telomere länger sind. Aber bedeutet das wirklich, dass Sie biologisch jünger sind? Das weiß man nicht.

Die Telomere sind ein wichtiges Puzzleteilchen im biologischen Alter eines Menschen. Doch leider lässt sich die Länge Ihrer Telomere nicht eins zu eins mit Ihrem wahren biologischen Alter gleichsetzen.

Wer sich mindestens eine Viertelstunde am Tag bewegte, schien rein biologisch fünf bis sechs Jahre jünger, im Gegensatz zu seinem Zwilling, der sich nicht körperlich betätigte.

Eine halbe Stunde Training pro Tag verursachte in Zwillingsstudien einen Unterschied in der Telomerlänge, der einem Altersunterschied von neun Jahren gleichkam.

Im Schnitt verlieren Sie ab dem vierzigsten Lebensjahr mit jedem weiteren Lebensjahrzehnt acht bis zehn Prozent Ihrer Muskelmasse. Das bedeutet, dass jährlich ein knappes Prozent Ihrer Muskelmasse verschwindet.

Die Muskeln erhalten

Wenn man älter wird, beginnen die Muskeln zu schrumpfen. Der Verlust von Muskelmasse im Alter wird in der medizinischen Fachsprache als Sarkopenie bezeichnet und ist ein Phänomen, für das sich viele Forscher extrem interessieren. Für dieses Interesse gibt es mehrere Gründe:

Wenn man Muskelmasse verliert, ist das ein wichtiges Warnsignal, denn es bedeutet, dass man ein erhöhtes Risiko hat, vorzeitig zu sterben. Doch nicht nur das Sterberisiko wird beeinflusst. Sarkopenie führt auch dazu, dass man immer schwerer allein zurechtkommt. Vielleicht kann man zunächst nicht mehr ohne Schwierigkeiten Treppen steigen oder seine Einkaufstüten nicht mehr alleine tragen. Im schlimmsten Fall kann man irgendwann nicht einmal mehr gehen oder ohne Hilfe aus dem Bett aufstehen.

Ab dem vierzigsten Lebensjahr verlieren Sie mit jedem weiteren Lebensjahrzehnt im Schnitt acht bis zehn Prozent Ihrer Muskelmasse. Das bedeutet, dass jährlich ein knappes Prozent Ihrer Muskelmasse verschwindet. Nach dem siebzigsten Lebensjahr beschleunigt sich diese Entwicklung noch, was daran liegt, dass die Muskelfasern mit fortschreitendem Alter zum einen weniger werden, zum anderen schwächer. Als wäre das noch nicht genug, lagert sich auch noch vermehrt Fett in den Muskeln ein.

Diese Entwicklung lässt sich jedoch teilweise aufhalten. Um den Muskelabbau zu verlangsamen, ist allerdings Krafttraining erforderlich, Spazierengehen oder Joggen reicht nicht. Fügen Sie Ihrem Spaziergang oder der Joggingrunde einfach in Abständen eine Krafttrainingseinheit hinzu. Am besten mit wenigen Wiederholungen, wenn Sie schwere Gewichte heben.

Wenn Sie älter sind, denken Sie daran, dass Sie zu Anfang besonders vorsichtig sein müssen, um sich nicht zu verletzen. Es sind keine besonders langen Trainingseinheiten nötig. Zwei- bis dreimal die Woche zehn bis 15 Minuten reichen aus. Und Sie brauchen auch keine Gewichte im Fitnessstudio zu stemmen, sondern können sich auf funktionelle Bewegungen konzentrieren, bei denen Sie gegen den Widerstand Ihres eigenen Körpergewichts antrainieren, zum Beispiel Treppensteigen, aus dem Sitzen oder Liegen aufstehen. Auch Training mit dem Expander oder mit Gymnastikbändern eignet sich.

Um den Muskelabbau im Alter zu verlangsamen, ist Krafttraining erforderlich, Spazierengehen oder Joggen reicht nicht aus.

Kraft und Gleichgewicht

Wir haben zwei Haupttypen von Muskelfasern: langsame und schnelle. Die langsamen sind die Arbeitspferde, die die ganze Zeit ackern. Die langsamen Muskelfasern in den Waden oder am Rücken helfen, den Körper aufrecht zu halten, wenn Sie aufstehen. Die schnellen Muskelfasern hingegen sind für die Schnellkraftentwicklung verantwortlich und werden in blitzschnellen Einsätzen aktiv, um sich im Anschluss wieder auszuruhen, etwa wenn Sie etwas Schweres heben oder wenn Sie eine kurze Strecke rennen.

Die schnellen Muskelfasern verschwinden als Erstes, wenn man älter wird – wahrscheinlich, weil man sie immer seltener benutzt. Die meisten Menschen legen eben, wenn sie erst mal über 70 sind, seltener einen Sprint ein und heben auch keine so schweren Gewichte mehr wie vielleicht noch mit 20. Die langsamen Muskelfasern hingegen überleben länger, vielleicht weil sie schlicht die ganze Zeit aktiv sind, auch bei älteren Menschen.

Dass man schnelle Muskelfasern verliert, kann schwerwiegende Konsequenzen haben, denn sie spielen eine wichtige Rolle für unsere Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten. Wenn Sie zum Beispiel auf einer Eisplatte ausrutschen, sorgen die schnellen Muskelfasern dafür, dass Sie blitzschnell die Position ihrer Beine verändern, um das Gleichgewicht zu halten und nicht zu stürzen. Wenn Ihre schnellen Muskelfasern in schlechter Verfassung sind, steigt das Sturzrisiko. Das ist der Grund dafür, dass Verletzungen infolge von Stürzen bei älteren Menschen häufiger vorkommen.

Merken Sie sich also, dass die schnellen Muskelfasern sterben, wenn sie nicht benutzt werden und der Körper glaubt, dass er sie nicht mehr braucht. Stoppen kann man dieses Muskelsterben durch Aktivität – und dafür ist wie gesagt Krafttraining erforderlich.

Es gibt verschiedene Theorien dazu, welche Prozesse beim Altern eigentlich ablaufen. Ein paar von den wichtigsten haben Sie jetzt kennengelernt. Eines ist sicher: Unser Alter hängt nicht nur ab von der Zahl der Geburtstage, die wir gefeiert haben. Telomere, Mitochondrien, freie Radikale, Muskelkraft und Muskelvolumen – alle diese Faktoren sagen etwas über Ihr biologisches Alter aus. In einem Punkt sind sich alle Altersforscher einig: Durch Training lassen sich die Alterungsprozesse verlangsamen.

In einem Punkt sind sich alle Altersforscher einig: Durch Training lassen sich die Alterungsprozesse verlangsamen.

Qualität statt Quantität

Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Größe und der Kraft eines Muskels – das ist wenig überraschend. Aber die Muskelkraft beziehungsweise die Qualität der Muskeln ist wichtiger als das Muskelvolumen. Muskulös zu sein ist vielleicht erstrebenswert, wenn man am Strand Eindruck machen will, aber rein medizinisch zählt es, wie stark Sie sind und nicht wie dick Ihre Oberarme sind.

Der Verlust von Muskelkraft wird in der medizinischen Fachsprache als Dynapenie bezeichnet. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Verlust von Muskelkraft und einem erhöhten Sterberisiko; weniger ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen dem Verlust von Muskelvolumen und dem Sterberisiko. Bei einer Studie an Personen um die 75 stellte sich heraus, dass diejenigen, die Muskelstärke eingebüßt hatten, eher starben als diejenigen, die sich ihre Kraft bewahrt hatten. Doch nicht nur das Sterberisiko steigt mit dem Verlust der Stärke, sondern auch das Risiko für diverse Krankheiten.

Kraft und gute Muskelkontrolle sind wichtig, um die Herausforderungen des Alltags zu meistern und das Risiko von Stürzen, bei denen man sich schlimmstenfalls etwas bricht, zu mindern. Im Laufe des Lebens sinkt die Kraft, insbesondere nach dem fünfzigsten Lebensjahr. Das liegt daran, dass das Nervensystem die Muskeln immer schlechter kontrollieren kann, aber auch daran, dass die Muskeln weniger werden und mehr Bindegewebe und Fett einlagern. Krafttraining wirkt diesen Verschlechterungen entgegen und sorgt dafür, dass bis ins hohe Alter eine gute Muskelkontrolle erhalten werden kann.

Langer Atem, langes Leben

All die verschiedenen Theorien zum Alter können ganz schön verwirrend sein. Es gibt jedoch etwas, das Sie einfach testen können und das mehr über Ihr biologisches Alter aussagt als irgendwelche chemischen und zellbiologischen Indikatoren: Ihre Kondition. Denn sobald Sie kurzatmig werden, ist das ein Warnsignal für die Verschlechterung Ihrer Gesundheit.

Medizinisch wird Kondition für gewöhnlich durch die maximale Sauerstoffkapazität definiert, also die maximale Menge Sauerstoff, die Ihr Körper pro Minute aufnehmen und an Herz und Muskeln weitergeben kann. Normalerweise verschlechtert sich Ihre Kondition ab 30, und zwar um fünf bis zehn Prozent pro Lebensjahrzehnt. Eine der Ursachen ist, dass das Herz nicht mehr so schnell schlagen kann, wenn Sie älter werden.

Doch nur wenige lassen ihre Sauerstoffkapazität messen. Normalerweise unterziehen sich nur Spitzensportler oder besonders ehrgeizige Freizeitsportler dieser Mühe – leider. Ihre maximale Sauerstoffkapazität ist nämlich nicht nur wichtig, um beim Laufen eine gute Zeit zu erzielen, es ist auch einer der Werte, die am meisten über Ihren allgemeinen Gesundheitszustand aussagen – mehr als Gewicht, Blutdruck oder Cholesterinspiegel. Wie man sie misst und wie man seine aerobe Kapazität testen kann, ohne ins Labor zu gehen, beschreiben wir im Anhang.

Eine schlechte Kondition ist verbunden mit einem erhöhten Sterberisiko, das gilt besonders für Männer. Die Unterschiede sind groß: Bei Männern ist die Sterblichkeit bei denjenigen mit schlechter Kondition dreimal so hoch wie bei denen mit der höchsten Sauerstoffkapazität. Man weiß nicht mit Sicherheit, warum das so ist, aber es scheint damit zusammenzuhängen, dass Menschen mit hoher Sauerstoffkapazität besser gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und mehrere Krebsarten geschützt sind.

Schlechte Kondition ist auch nicht nur ein Anzeichen für den schlechten aktuellen Gesundheitszustand, sie gibt auch Hinweise auf die Risiken, mit denen man in den nächsten Lebensjahrzehnten rechnen muss. Eine Studie des Cooper-Instituts, bei der über 65000 Personen untersucht wurden, zeigte, dass die Kondition, die Sie zwischen 40 und 50 haben, in Zusammenhang mit Ihrem Risiko steht, zwischen 70 und 80 herzkrank zu werden. Dieses Resultat lässt sich nicht damit erklären, dass die Studienteilnehmer mit schlechter Kondition öfter rauchten, älter waren oder höheren Blutdruck hatten – diese Faktoren wurden bei der Analyse nämlich herausgerechnet.

Für den Fall, dass Sie das Gerede über Krankheits- und Sterberisiken nervt, möchten wir Ihnen etwas Beruhigendes mit auf den Weg geben: Wenn man sich ansieht, was für eine Kondition Sie haben sollten, um Krankheiten zu vermeiden, sind die Anforderungen ziemlich niedrig. Wenn Sie ein Mann um die 50 sind und in acht Minuten 1,6 Kilometer laufen können, gehören Sie bereits der Gruppe mit dem geringsten Herzerkrankungsrisiko an. Für Frauen sind es neun Minuten. Männer und Frauen, die die Strecke in zehn bzw. zwölf Minuten schaffen, liegen in der mittleren Gruppe. Länger sollten Sie aber nicht brauchen, denn mit jeder weiteren Minute steigt das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung in der Zukunft. Oder vielleicht sollten wir es so formulieren: Mit jeder Minute, um die Sie Ihre Zeit verbessern können, reduzieren Sie Ihr Risiko! Das Beste an der maximalen Sauerstoffkapazität ist ja, das man sie durch körperliche Aktivität beeinflussen kann.

Die maximale Sauerstoffkapazität ist einer der Werte, die am meisten über Ihren allgemeinen Gesundheitszustand aussagen – mehr als Gewicht, Blutdruck und Cholesterinspiegel.

Der Risikogruppe davonlaufen

Es ist ziemlich einfach, etwas für seine Kondition zu tun und das Risiko einer ganzen Reihe von Krankheiten zu senken. Regelmäßiges Konditionstraining wie Laufen oder Radfahren mehrmals pro Woche hebt die Sauerstoffkapazität um 5 bis 40 Prozent. (Wie Sie gesehen haben, ist das Steigerungspotenzial der Menschen sehr unterschiedlich.) Auch 80-Jährige ziehen noch Nutzen aus dem Training und verbessern ihre Kondition.

Das bedeutet, dass man durch Sport der Risikogruppe mit der zu niedrigen Sauerstoffkapazität buchstäblich »davonlaufen« kann. Wer durch regelmäßiges Training in die Gruppe mit der besseren Sauerstoffkapazität wechselt, hat auch eine höhere Chance, länger zu leben.

Es ist nie zu spät

»Ich hätte mit dem Training anfangen sollen, als ich 20 oder 30 war, jetzt bin ich 60, das ist zu spät, um noch anzufangen.« – So argumentieren sicher viele. Natürlich ist es gut, wenn man sich schon früh im Leben angewöhnt hat, sich regelmäßig zu bewegen. Aber die Annahme, dass es zu spät ist, wenn man mit 60, 70 oder selbst mit 80 oder 90 mit dem Training anfängt, ist völlig falsch – nichtsdestotrotz ist dieser Irrtum sehr verbreitet.

An der Harvard-Universität in Boston hat man 80- und 90-Jährige, die sehr inaktiv lebten und tagsüber nur noch herumsaßen oder gar lagen, die Möglichkeit gegeben, sich sportlich zu betätigen. In erster Linie mussten sie Krafttraining absolvieren. Natürlich mussten sie keine schweren Gewichte stemmen, sondern einfache Übungen gegen leichten Widerstand ausführen, zum Beispiel aus dem Sitzen aufstehen, Treppen steigen oder andere Bewegungen. Das Ergebnis war überraschend gut. Nach nur zehn Wochen hatten viele ihre Kraft verdoppelt, manche sogar verdreifacht! Eine solche Steigerung wäre für 20- und 30-Jährige vollkommen unmöglich.

Natürlich können 80- und 90-Jährige nicht unbegrenzt Muskeln aufbauen. Die verbesserte Kraft bei alten Menschen, die physisch aktiver sind, ist nämlich nicht auf tatsächliches Muskelwachstum zurückzuführen, sondern vor allem darauf, dass das Nervensystem die bestehenden Muskeln wieder besser anzuwenden lernt. Doch die Studie zeigte, dass es auch im hohen Alter zu vermehrtem Muskelzuwachs kam, wenn das Training über einen längeren Zeitraum fortgeführt wurde.

Die Annahme, dass es zu spät ist, wenn man mit 60, 70 oder selbst mit 80 oder 90 noch mit dem Training anfängt, ist völlig falsch.

Training in fortgeschrittenem Alter

Alte Menschen sind immer noch in hohem Grad trainierbar und sprechen zum Teil ganz hervorragend auf physische Aktivität an. Krafttraining ist offenbar besonders erfolgversprechend.

Etwas mehr Kraft kann Ihnen große Vorteile bringen, etwa weil Sie sich wieder freier bewegen oder länger ohne fremde Hilfe zurechtkommen können.

Seien Sie vorsichtig und fangen Sie mit einfachen Übungen an, um das Verletzungsrisiko gering zu halten.

Es gibt keine universelle Trainingsform, die für alle älteren Menschen funktioniert, aber eine Faustregel lautet, dass sie sich statt auf Übungen mit leichten Gewichten lieber auf funktionelle Bewegungen konzentrieren sollten, z. B. Aufstehen oder Treppensteigen.

Sie brauchen nicht lange trainieren. Zehn bis 15 Minuten sind genug, am besten mindestens zweimal pro Woche. Wichtig ist, dass Sie es sich zur Gewohnheit machen.

Potenziale im hohen Alter

Vor 30, 40 Jahren bekamen Menschen ab 60 oder 70 oft den Rat zu hören, mit körperlichen Aktivitäten vorsichtig zu sein. Eine verbreitete Auffassung war, bei Anstrengung in fortgeschrittenem Alter laufe man nur Gefahr, sich zu verletzen oder einen Herzinfarkt zu bekommen. Die jüngsten Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass das nicht stimmt.

Viele Menschen sind offenbar selbst darauf gekommen. Die Zahl der älteren Leute, die joggen und an Laufwettkämpfen teilnehmen, ist geradezu explodiert. Viele Marathonveranstalter berichten, dass die Gruppe der über 70-jährigen Läufer prozentuell am schnellsten wächst. Es gibt Beispiele von 70-Jährigen, die einen Marathonlauf in unter drei Stunden geschafft haben. Einer von ihnen ist der Kanadier Ed Whitlock, der vor ein paar Jahren – im Alter von 73 Jahren – die Distanz in zwei Stunden und 54 Minuten zurücklegte. Eine Zeit, mit der er Anfang des 20. Jahrhunderts zur absoluten Weltspitze im Marathonlauf gehört hätte. Oder was sagen Sie zu dem Briten Fajua Singh, der 2011 im Alter von 100 Jahren einen Marathonlauf absolvierte?

Wenn man der Auffassung ist, dass ein Marathon heute nichts Besonderes mehr ist, auch wenn man schon im Rentenalter ist, gibt es noch extremere Beispiele. Der »Ironman« ist eine der härtesten Langstreckenwettkämpfe der Welt. Verlangt werden 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und ein kompletter Marathonlauf von 42 Kilometern – alles hintereinander. Als Ende der 1970er-Jahre auf Hawaii die ersten Wettbewerbe veranstaltet wurden, ging nur eine Handvoll Topathleten in Hochform an den Start. Doch in den letzten Jahren ist die Zahl der älteren Ironman-Teilnehmer enorm gestiegen. Es gibt mehrere 80-Jährige, die den Wettkampf bewältigt haben, und vor wenigen Jahren hat die erste Frau über 80 diese Herausforderung bestanden.

Die Sichtweise auf das Älterwerden und darauf, wozu der menschliche Körper in der Lage ist, bis er 70, 80 oder sogar 90 ist, hat sich von Grund auf verändert. Natürlich muss nicht jeder gleich einen Marathon laufen. Doch der Ratschlag, dass Senioren es lieber ruhig angehen lassen sollten, ist definitiv falsch.

Viele Marathonveranstalter berichten, dass die Gruppe der über 70-jährigen Läufer prozentuell am schnellsten wächst.

Mythen über Training und Altern

Training kann den Alterungsprozess nicht aufhalten.

Es ist belegt, dass sich viele der Beschwerden, die mit dem Älterwerden einhergehen, durch regelmäßige physische Aktivität verlangsamen oder sogar beseitigen lassen. Regelmäßiges Kraft- und Konditionstraining vergrößert die Chance, dass Sie länger leben und zudem Altersbeschwerden wie Müdigkeit oder Schmerzen lindern.

Hegen Sie trotzdem Zweifel? Dann lesen Sie dieses Kapitel noch einmal genau durch. Natürlich lässt sich das Altern nicht ewig hinauszögern. Alle Menschen sterben irgendwann, auch die besonders aktiven. Wenn Sie sich jedoch regelmäßig bewegen, werden Sie weit länger eine hohe Lebensqualität genießen.

So viel kann ich gar nicht trainieren, dass ich den Alterungsprozess aufhalte.

Sie brauchen gar nicht knallhart zu trainieren, wenn Sie den Alterungsprozess verlangsamen wollen. Schon 15 Minuten pro Tag oder 90 Minuten pro Woche erhöhen Ihre Chancen, mehrere Jahre länger zu leben. Geben Sie nicht auf, auch, wenn Sie es nicht schaffen, intensiv dranzubleiben. Mehr Sport bringt zwar oft auch mehr, aber auch ein bisschen Bewegung ist unendlich viel besser als gar keine – das gilt auch in Bezug auf die Begleiterscheinungen des Alters.

Krafttraining ist nur etwas für Leute, die es auf einen »Beachbody« anlegen.

Der Verlust von Muskelmasse ist dafür verantwortlich, dass man Gefahr läuft, vorzeitig zu sterben und im Alltag immer schlechter zu funktionieren. Zudem hilft Krafttraining erwiesenermaßen, Osteoporose und Stürzen vorzubeugen. Das liegt daran, dass Muskelkraft erforderlich ist, um das Skelett richtig zu belasten.

Schieben Sie also statt eines Spaziergangs oder einer Joggingrunde ab und zu eine Krafttrainingseinheit ein, am besten mit wenigen Wiederholungen. Wenn Sie im fortgeschrittenen Alter sind, denken Sie daran, am Anfang besonders vorsichtig zu sein. Zwei bis drei Mal pro Woche zehn bis 15 Minuten können schon ausreichen.

Ich bin zu alt für Sport, ich werde mich nur verletzen.

Leichtes Krafttraining kann das Sturzrisiko älterer Leute im Alltag sogar senken, da die sogenannten schnellen Muskelfasern, die wichtig für unser Gleichgewicht sind, dadurch besser erhalten werden. Natürlich muss das Training dem Alter und den körperlichen Voraussetzungen angepasst werden. Wenn Sie älter sind, sollen Sie keine schweren Gewichte stemmen, sondern besser mit funktionellen Übungen beginnen, zum Beispiel Aufstehen aus dem Sitzen. Halten Sie sich vor Augen, dass Ihre Beweglichkeit und Geschmeidigkeit mit dem Alter abnimmt – ungeachtet der Tatsache, ob Sie trainieren oder nicht –, aber nutzen Sie die Vorteile, die Ihnen regelmäßiges Training bringt.

Alte Menschen profitieren nicht mehr von Training.

Alte Menschen sprechen oft unglaublich gut auf physische Aktivität an. In Studien konnten 80-Jährige, die mit leichtem Krafttraining begannen, ihre Kraft innerhalb weniger Monate verdoppeln. Eine solche Steigerung wäre bei Jüngeren undenkbar. Durch den Kraftzuwachs erreichen viele ein wesentlich höheres allgemeines Funktionsniveau und kommen besser allein zurecht.

Ich habe eine chronische Krankheit und kann deswegen keinen Sport treiben.

Physische Aktivität ist in den meisten Fällen gut für Menschen, die an chronischen Krankheiten leiden, z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Natürlich muss das Training auf die Krankheit abgestimmt werden. Fragen Sie Ihren Arzt, in welcher Form Sie sich körperlich betätigen können, wenn Sie an einer chronischen Krankheit leiden.