WAS TUN BEI … ?

Grau ist alle Theorie. Kommen wir zur Praxis – nun wird es wirklich konkret: Was kann getan werden, wenn es brennt, schmerzt oder juckt? Hier findest du zum einen Hilfe zur Selbsthilfe, aber auch die Hinweise, wann du dich dringend in professionelle Hände begeben solltest.

 

HARNWEGSINFEKTE – BLASENENTZÜNDUNG

Im Jahr 2007 wurde eine Studie veröffentlicht, nach der Frauen eine Blasenentzündung aufgrund der eindeutigen Symptome sehr gut selbst diagnostizieren können und hierzu kein ärztlicher Termin nötig ist.14

Schauen wir uns zunächst an, welche Arten der Blasenentzündung, auch Zystitis genannt, es gibt. Prinzipiell unterscheidet die Medizin zwischen sogenannten aufsteigenden Infektionen, also Infektionen, die von der Harnröhre in die Harnblase wandern können. Bleibt die Entzündung dort und heilt aus, spricht man von einem unkomplizierten Harnwegsinfekt. Seltener ist eine absteigende Infektion der Harnwege, welche von den Nieren ausgehen kann.

Trödelt das Immunsystem, ist anderweitig beschäftigt oder gerade nicht in der besten Verfassung, kann eine aufsteigende Infektion auch munter weiter nach oben gehen: von der Harnröhre in die Blase über die Harnleiter und dann zu den Nieren. Spätestens dann wird es kompliziert, das heißt dann auch so: komplizierte Zystitis.

FAUSTREGEL: Werden die Beschwerden eines Harnwegsinfektes nicht innerhalb von drei Tagen besser, tritt Fieber auf und/oder gibt es Schmerzen in der Nierengegend, sogenannten Flankenschmerz, dann musst du dringend eine/n Expert:in aufsuchen.

Kommt ein Harnwegs- und Blaseninfekt immer wieder, heißt das in der Medizin: Er ist rezidivierend. Das ist schon bei dreimal im Jahr der Fall.

Die klassischen Symptome sind:

• Schmerzen beim Wasserlassen

• häufiges Wasserlassen mit dem Gefühl, ganz dringend zu müssen

• Gefühl, die Blase wird nicht leer

• Blasenkrämpfe

Unterschieden wird auch danach, ob die Blasenentzündung durch eine Infektion hervorgerufen wird oder nicht. Die nicht infektiöse Blasenentzündung wird durch Fehlbildungen der Organe (z. B. der Nieren) oder Gifte (Toxine) und Strahlung verursacht – das nur der Vollständigkeit halber. Heilungen im Selbstversuch sind bei diesen Formen der Blasenentzündungen fehl am Platz und werden daher in der Schlüpferakademie auch nicht weiter besprochen.

 

 

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Erreger der Harnwegsinfekte

Darf ich vorstellen, der Hauptverdächtige des gemeinen Blaseninfektes: Escherichia coli.

Er will nichts Böses und ist einer der ersten Siedler unserer Darmflora nach der Geburt. Hier leistet er wichtige Arbeit, hält pathogene (krank machende) Keime fern und sorgt dafür, dass es keine Durchfälle gibt. Das zeigt aber auch, dass dieser winzige Zeitgenosse ein Profi darin ist, neues Terrain zu besiedeln. Er möchte gern der Erste sein, unternimmt Expeditionen und hat ein paar interessante Eigenheiten entwickelt. Er kann sich z.B. aktiv vorwärtsbewegen und Nährstoffe „erschnüffeln“ – Kohlenhydrate (Zucker) mag er ganz besonders gern. Er braucht keinen Sauerstoff, verwendet ihn bei Bedarf aber trotzdem. In der Fachsprache wird das als fakultativer Anaerobier bezeichnet. Er kann sich hervorragend in Schleimhäuten festhalten und ist dabei ziemlich ausdauernd.

Sein bester Kumpel bei Blaseninfektionspartys ist der Proteus mirabilis, und wie das bei engen Freunden so ist, haben die beiden ziemlich ähnliche Eigenschaften. Die Merkmale, die sie am meisten verbinden, sind ihre Zugehörigkeit zur normalen Darmbesiedelung des Menschen und die Fähigkeit, sich aktiv auf Wanderschaft zu begeben.

Natürlich gibt es noch wesentlich mehr Bakterien, die einen Harnwegsinfekt auslösen können. Mit deutlichem Abstand hinter diesen beiden Bakterien kommen andere Keime vor, die sich bei Vorerkrankungen oder vorheriger Antibiose sehr gern im Blasengewebe breitmachen: Klebsiella, Staphylokokken, Pseudomonas. Denkbar ist auch eine zweite Blasenentzündung nach dem kurzfristigen Erfolg mit einem Antibiotikum bei der ersten Infektion. Diese hat den Nährboden dafür geschaffen, dass sich nun andere Keime so richtig gut ausbreiten können.

Candidapilze und Mykoplasmen machen vor dem Blasenepithel nicht halt und können Infektionen verursachen. Bei den Mykoplasmen handelt es sich um ziemlich fiese Zeitgenossen. Zwar führen diese die Silbe „Myko“, also „Pilz“ im Namen, haben allerdings mit diesen recht wenig zu tun, außer dass auch die Mykoplasmen sich nicht durch Zellteilung, sondern durch Knospung fortpflanzen.

Ureoplasma urealyticum klingt zwar fast poetisch, ist aber der Name einer Mykoplasmenart, die oft übersehen wird. Diese Biester können zur Normalbesiedelung der Intimzone gehören und verhalten sich im Normalfall auch ganz manierlich – außer wenn bei einer Blasenentzündung gängige Antibiotika eingenommen wurden. Dann kann es zu einer Selektion kommen: Während die E.-coli- oder Proteus-Bakterien durch die Antibiotika kräftig eins auf die Mütze kriegen und immer weniger werden, breitet sich das Ureaplasma urealyticum genüsslich aus. Hat es das einmal geschafft, wird es unangenehm, da sehr häufig Blase, Harnröhre und Vagina ein Tummelplatz sind. Die Symptome sind dann auch noch sehr unspezifisch. Der entstehende vaginale Ausfluss riecht nicht, ist wässrig und klar, allerdings sehr sauer und sorgt oft für sehr starkes Brennen.

Aufgrund der speziellen Fortpflanzungsform – der Knospung – sind die antibiotischen Behandlungen oft besonders langwierig, z.B. rund 28 Tage mit Tetracyclinen.

 

 

Erste Hilfe

Es brennt wie Feuer, und die Toilette ist die beste Freundin, von der du dich ungern und wenn nur für eine überschaubare Zeit entfernen willst. Welcher Untermieter gerade für so viel Ungemach sorgt, ist dir herzlich egal, stimmt’s? Zunächst muss also erst mal dafür gesorgt werden, dass dein Bewegungsradius wieder vergrößert wird.

Wärme, Wärme und nochmals Wärme

Sofern du in heimatlichen Gefilden bist, sollte das nicht allzu schwer umzusetzen sein. Vollbäder sind nicht das erste Mittel der Wahl, da diese sehr schnell auf den Kreislauf schlagen können, außerdem schwitzt du darin (auch unbemerkt) sehr stark. Alles, was dein Körper ausschwitzt, läuft nicht als Flüssigkeit durch die Harnwege und spült diese. Dein Körper hat mit den Schmerzen schon genug zu ackern, mit einem Vollbad stresst du ihn noch mehr.

Lokale Wärme ist besser: ein heißes Fußbad (du erinnerst dich vielleicht an die Lektion in Geografie?), und zwar so warm, wie du es aushalten kannst, sowie ein feuchtheißer, handelsüblicher und sauberer Waschlappen an den Ausgang der Harnröhre gedrückt. Das lindert das „Wasserschneiden“ schon mal zügig.

Lass dir Zeit im Bad, mach es dir bequem. Nimm eine große Tasse warmes Wasser, idealerweise Tee, mit ins Bad, wahlweise dein Smartphone – keinen Druck, keine Hektik.

Warme Socken und eine Wärmflasche für den Bauch wirken dann in Phase 2 zusammen mit einer Decke um die Taille, damit es auch die Nieren kuschelig haben. Ein „Geheimtipp“ aus der chinesischen Medizin sind selbstwärmende Moxapflaster: Die etwa 2 cm großen, runden „Döschen“ sorgen für Entkrampfung, wenn diese über dem Schambein mittig aufgeklebt werden. Das hat nichts mit TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) zu tun – hier wird die Blaseninfektion anders behandelt –, aber die punktuelle Wärme hat schon einigen meiner Patient:innen Linderung verschafft.

Präsentation.

Trinken, trinken und … (nein, nicht noch mal trinken)

Dieser Grundsatz gilt nur, sofern du keine Beeinträchtigung der Nierenfunktion hast, also wenn deine Nieren ganz normal arbeiten und die Flüssigkeitsmenge aufgrund dieser Vorerkrankung nicht begrenzt werden muss. Alles, was du gut trinken kannst, ist super, um die Harnwege zu spülen. Die tollsten Empfehlungen nützen nichts, wenn die aufgenommene Menge aufgrund von Würgereiz zu niedrig ist. Am besten ist ein wärmendes, nicht „säuerndes Getränk“. Säuernde Getränke sind Obstsäfte, Kaffee oder Sprudel. Auch Hochprozentiges säuert den Urin an, was die Schmerzen verstärkt.

Wenn du keinen Tee magst: Ein warmes Bier ist auch Flüssigkeit, am besten alkoholfrei – keine Dogmen an dieser Stelle, Hauptsache genug Flüssigkeit. Wobei in der Akutphase alle 15 Minuten ein Glas mit etwa 200 ml Flüssigkeit optimal ist. Diese Frequenz über ein bis drei Stunden sorgt für eine regelmäßige Spülung der Blase.

Viel mehr bringt allerdings nichts, es würde nur deinen Kreislauf noch zusätzlich belasten. Mit der Bekämpfung der Schmerzen und der Infektion ist dein Körper gerade vollauf beschäftigt.

Manche Quellen schlagen eine Wasserkur vor, bei der das Wasser mit Natron versetzt wird. Falls du Natron nicht kennst, es ist ein altes Backtriebmittel, man kann auch gut Kalkränder an der Badewanne damit wegputzen.

Ein Teelöffel Natron auf 500 ml Wasser ergibt eine gute Base, die die Blasenwand nicht zusätzlich reizt. Die Säurekonzentration des Urins nimmt mit erhöhter Trinkmenge ab, sofern du nicht literweise Kaffee in dich hineinschüttest. Der Grundsatz von vorhin gilt auch für Natron: Die besten Empfehlungen nützen dir nichts, wenn du das Getränk aufgrund von Würgereiz nicht schlucken kannst.

Du kannst dir natürlich auch Kräutertee kochen. Hier solltest du zwischen „Haustee“, um die Trinkmenge zu erhöhen, und „Arzneitee“, der eine definierte Wirkung hat, unterscheiden. Ersterer ist dazu da, dir wohlschmeckend die Kehle herunterzurinnen, Letzterer Medizin zum Trinken. Die Tees, die bei den unterschiedlichen Blaseninfektionen genannt werden, sind Arzneiteerezepturen. Wie bereits erwähnt ist Pflanzenmedizin keine sanfte Medizin. Auch vom Arzneitee für einen Blaseninfekt solltest du nicht mehr trinken als angegeben. Spätestens seit ich in meiner Praxis Patient:innen begegnet bin, die ihre tägliche Trinkmenge auf mehr als 5 Liter am Tag gesteigert haben, um Blasenentzündungen vorzubeugen, gehe ich mit dieser Empfehlung nicht unkritisch um, denn auch hier gibt es ein Zuviel.

Schmerzmittel

Bei einer akuten Blasenentzündung leistet beispielsweise Ibuprofen gute Dienste, vorausgesetzt, die Nierenfunktion ist nicht gestört und es liegen keine anderen Gründe vor, dieses Medikament nicht zu verwenden. Neben der entkrampfenden und schmerzlindernden Wirkung trägt Ibuprofen auch zur Entzündungshemmung bei. In der Akutphase einer Blaseninfektion, die häufig auch mit Blasenkrämpfen einhergeht, hat sich die Kombination mit einem krampflösenden Mittel bewährt. Buscopan und Paracetamol in Kombination sind in der Apotheke frei verkäuflich erhältlich.

 

 

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Schmerzmittel und Nebenwirkungen

Ob Ibuprofen, Paracetamol, Acetylsalicylsäure (ASS) – auch frei verkäufliche Schmerzmittel sind Medikamente mit Wirkungen und Nebenwirkungen. Manche Nebenwirkungen sind bekannt: z.B. dass ASS die Blutgerinnung beeinflusst, dass Paracetamol bei zu hoher und zu regelmäßiger Einnahme die Nieren schädigen kann usw. Es gibt jedoch immer wieder Überraschungen.

Ibuprofen ist in Verdacht geraten, bei hohen Dosierungen als Verhütungsmittel zu fungieren, da es negative Auswirkungen auf die Fähigkeit einer befruchteten Eizelle hat, sich in der Gebärmutter einzunisten. Diese Erkenntnis hat sich leider noch nicht bei allen Frauen mit Kinderwunsch herumgesprochen, gerade bei denjenigen, die aufgrund einer Endometriose starke Periodenschmerzen oder Migräne haben und daher regelmäßig „eine Ibu“ einnehmen.

 

 

Hilfe bei speziellen Blaseninfektionen

Die folgenden Blaseninfektionen wirst du in keinem Lehrbuch finden. Aber vielleicht helfen dir die speziellen Namen à la Schlüpferakademie, die spezielle Ursache deiner Beschwerden ein wenig genauer zu erkennen. Während die Maßnahmen in der akuten Phase in allen Fällen gleich sind (siehe das Kapitel „Erste Hilfe“, S. 129), gibt es Unterschiede bei der Vorbeugung und den Dos und Don’ts. Mischformen sind übrigens sehr häufig.

Ich empfehle dir im Vorfeld die Lektüre bestimmter Kapitel der Schlüpferakademie, beispielsweise die Grundlagen zur Durchführung eines Sitzdampfbades (S. 121) – sie helfen dir ungemein beim Verständnis des folgenden Kapitels.

Die beschriebenen Rezepte kannst du dir in der Apotheke mischen lassen: entweder lokal vor Ort oder online bei spezialisierten Apotheken. Potenzielle Bezugsquellen sind am Ende des Buches zusammengefasst.