4.1 Positiver Umgang mit der Vergangenheit
4.1.1 Weg 1: Dankbarkeit
Im normalen Leben wird es einem gar nicht bewusst, dass der Mensch unendlich mehr empfängt als er gibt und dass Dankbarkeit das Leben erst reich macht. (Dietrich Bonhoeffer)
Wenn wir uns nun auf die Reise begeben, um verschiedene Wege zu mehr Lebenszufriedenheit und Glück zu finden und um uns viele Übungen und Möglichkeiten anzusehen, dann beginne ich ganz bewusst mit der Dankbarkeit. Sie ist ein mächtiger Schlüssel zu mehr Lebensfreude und mehr Glücksempfinden. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Menschen diesem Weg schnell aufgeschlossen und zudem ist es ein leicht gangbarer und einfacher Weg. Sonja Lyubomirsky, die bekannte Glücksforscherin und Professorin für Psychologie an der University of California in Riverside, spricht sogar vom Königsweg zum Glück 1 .
Wichtig ist, dass es hierbei nicht darum geht, artig Danke zu sagen, wenn uns z. B. jemand eine Tür aufhält. Hier kommt es vielmehr darauf an, was du tief empfindest. Robert Emmons, Professor für Psychologie an der University of California in Davis, zählt zu den anerkanntesten Dankbarkeitsforschern. Er definiert Dankbarkeit als das „Gefühl des Staunens, des Dankbar-Seins und der Würdigung des Lebens“ 2 . Es ist das Staunen über die Wunder des Lebens und hat viel mit Wertschätzung für die Dinge in unserem Leben zu tun. Es ist also keine Floskel, sondern das echte Staunen und Wertschätzen der vielfältigen positiven Aspekte unseres Lebens. Diese können groß oder klein sein, in jedem Fall ist jeder von uns davon umgeben, auch wenn wir sie manchmal nicht auf den ersten Blick wahrnehmen.
Lass uns erstmal eintauchen in die Forschungsergebnisse zur Dankbarkeit, dann klären wir, warum das eigentlich so gut funktioniert und besprechen am Ende ein paar sehr einfache, aber ungemein wirkungsvolle Übungen, mit denen du dein Glückslevel deutlich steigern kannst.
Was die Forschung über Dankbarkeit weiß
Um die Wirkung von Dankbarkeit zu untersuchen, führte Robert Emmons folgende Untersuchung durch. Er teilte 192 Studierende per Zufall gleichmäßig auf folgende 3 Gruppen auf:
Die 1. Gruppe (Dankbarkeit) war aufgefordert, einmal wöchentlich bis zu fünf Dinge aufzuschreiben, für die die Teilnehmenden dankbar waren. Einmal wöchentlich wurden die Teilnehmenden zudem zu ihrem Wohlbefinden und Themen rund um ihre Gesundheit befragt. Die Untersuchung lief insgesamt über zehn Wochen.
Die 2. Gruppe (Schwierigkeiten) unterschied sich nur darin von Gruppe 1, dass diese Teilnehmenden aufschreiben sollten, welche Schwierigkeiten oder Ärgernisse ihnen begegnet sind. Das konnte in allen Lebensbereichen sein.
Die 3. Gruppe (Begebenheiten) sollte schließlich einfach fünf Begebenheiten aufschreiben, die sie letzte Woche erlebt haben und die einen gewissen Einfluss auf ihr Leben hatten.
Viele Untersuchungen in der Psychologie werden auf diese Art und Weise durchgeführt. Würde man nur einzelne Personen untersuchen, dann könnten die Ergebnisse durch ganz andere Umstände verursacht werden. Durch den Trick, dass eine große Anzahl von Personen per Zufall auf verschiedene Gruppen aufgeteilt wird, hat man vergleichbare Gruppen (man spricht dann von randomisierten Gruppen). Das bedeutet, dass der Gruppendurchschnitt bei einer ausreichend großen Gruppengröße vor dem Experiment gleich ist. Wenn du z. B. 200 Personen per Zufall in zwei Gruppen einteilst und dann z. B. die durchschnittliche Körpergröße oder das durchschnittliche Gewicht berechnest, dann wird das praktisch gleich sein, weil sich mit ausreichend vielen Menschen und einer zufälligen Verteilung die Abweichungen in beiden Gruppen gleichermaßen verteilen. Auch der Durchschnitt der Lebenszufriedenheit wird beispielsweise bei beiden Gruppen nahezu gleich sein.
Dann machen die Forscher Folgendes: Eine der beiden Gruppen wird zur Versuchsgruppe und die andere zur Kontrollgruppe. Das zu untersuchende Merkmal (z. B. Wohlbefinden) wird vorab bei beiden Gruppen gemessen. Die Versuchsgruppe erhält eine „Behandlung“ (z. B. wird mit ihr eine Glücksstrategie durchgeführt), die Kontrollgruppe erhält eine „Placebo-Aufgabe“, macht also auch etwas, das jedoch keine Auswirkung auf die untersuchte Fragestellung hat.
Nach der Intervention messen die Forscher erneut das, was sie untersuchen. Verändert sich jetzt z. B. die Lebenszufriedenheit der Versuchsgruppe signifikant, dann dürfte dies nur an der Behandlung liegen. So ist ursächlich nachweisbar, ob eine Intervention wirkt. Übrigens erforscht auch die Medizin auf analoge Weise die Wirkung von Medikamente. Eine Gruppe bekommt das Medikament mit dem Wirkstoff und die Kontrollgruppe erhält ein Placebo. So lässt sich wissenschaftlich nachweisen, ob ein Medikament tatsächlich wirkt.
Als die Forscher nun nach zehn Wochen die Ergebnisse der Dankbarkeitsintervention auswerteten, zeigte sich, dass die Teilnehmenden der Dankbarkeitsgruppe (Gruppe 1) im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen ihr Leben insgesamt signifikant besser einschätzten und auch signifikant optimistischer für die kommende Woche waren. Zudem hatten sie weniger Krankheitssymptome und – auch das hatten die Forscher gemessen – machten mehr Sport (fast eineinhalb Stunden pro Woche mehr Sport als die Teilnehmenden der „Schwierigkeiten“-Gruppe) 3 . Die Dankbarkeitsübung führt somit ursächlich zu einer messbaren Steigerung dieser Kriterien, insbesondere zu mehr Lebenszufriedenheit.
In einer anderen Untersuchung überprüfte Martin Seligman die Wirkung verschiedener „Glücksinterventionen“. Auch hier kamen die randomisierten Gruppen zum Einsatz. Hierzu schrieben die Teilnehmenden der einen Gruppe (Versuchsgruppe) für eine Woche jeden Abend auf, welche Dinge am jeweiligen Tag gut gelaufen waren und warum dies so war. Diese Gruppe wurde dann mit der Kontrollgruppe verglichen. Die Teilnehmenden dieser Kontrollgruppe waren aufgefordert, eine Woche lang jeden Abend Erinnerungen an früher aufzuschreiben. Das war die Placebo-Gruppe.
Die Ergebnisse waren erstaunlich. Noch nach sechs Monaten (dem Ende der Studie) waren die Teilnehmenden, die für diese eine Woche täglich drei gut gelaufene Dinge aufschrieben, messbar glücklicher und weniger deprimiert 4 . Deutlich messbar war dieser Effekt einen Monat nach Abschluss der Versuchswoche und stieg dann in den darauffolgenden Monaten weiter an. Die Autoren vermuten, dass die Teilnehmenden – obwohl sie dazu nicht aufgefordert waren – so viel Gefallen an der Übung fanden, dass sie diese weiter praktizierten und es dadurch diesen Langzeiteffekt gab.
In der gleichen Studie überprüfte Martin Seligman auch die Wirkung des sogenannten Dankbarkeitsbesuchs. Hierbei werden die Teilnehmer aufgefordert, über ebenfalls eine Woche an einem Dankesbrief zu schreiben, mit dem sie einer Person aus ihrem Leben für einen wichtigen Beitrag danken, für den sie bislang ihre Dankbarkeit noch nicht richtig zum Ausdruck gebracht hatten. Die Teilnehmenden vereinbaren einen Besuchstermin bei dieser Person, ohne jedoch etwas von dem Brief zu erzählen. Beim Besuch selbst lesen sie dann den Brief der Person vor. Diese Teilnehmenden sind unmittelbar nach dem Besuch deutlich glücklicher (der stärkste Anstieg aller untersuchten Interventionen in der Studie). Dieser „Glücksboost“ kann bis zu einem Monat nach dem Besuch gemessen werden, nicht jedoch nach 3 Monaten oder darüber hinaus. Dankbarkeit hat somit einen starken Einfluss auf unser Wohlbefinden. Die Ergebnisse der Studien weisen jedoch darauf hin, dass für eine dauerhafte Steigerung des Wohlbefindens eine einmalige Aktion nicht ausreicht, dafür müssen Dankbarkeitsübungen immer wieder praktiziert werden.
Sichtet man die weitere wissenschaftliche Forschung, dann zeigt sich generell, dass Dankbarkeit nachweislich grundlegend für Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit ist 5 . Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit ausgeprägter Dankbarkeit glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben sind. Gleichzeitig sind sie weniger ängstlich, neidisch und weniger depressiv. Sie sind empathischer, nachsichtiger, hilfsbereiter und weniger auf materielle Ziele fokussiert als Menschen mit geringer Dankbarkeit 6 . Insgesamt zeigt sich durch die vorliegende Forschung sehr fundiert, dass Dankbarkeit Lebensfreude und Lebenszufriedenheit deutlich steigern kann.
Aber warum macht Dankbarkeit Menschen so viel glücklicher? Was geschieht hier?
Die Erklärung liegt in der Funktionsweise unseres Gehirns. Du erinnerst dich noch an die hedonistische Anpassung (siehe Abschn. 2.7). Wir Menschen gewöhnen uns ganz schnell an alle Annehmlichkeiten und schätzen sie dann nicht mehr. Stell dir vor, wir könnten in die Zeit zurückkehren, als deine Urgroßeltern junge Erwachsene waren, und wir erzählten ihnen, wie wir heute leben: in Frieden, Freiheit, Demokratie. Wir berichteten, welche Möglichkeiten die Medizin heute bietet; dass sich eine werdende Mutter heute keine wirklichen Sorgen mehr zu machen braucht, ob sie die Geburt überlebt; wieviel Möglichkeiten wir heute haben, unser Leben zu leben; dass die physischen Arbeitsbelastungen sich deutlich verringert haben, wie lange heute Menschen im Durchschnitt leben; dass Informationen per Knopfdruck verfügbar sind; dass uns nahezu alle Lebensmittel in riesiger Auswahl ganzjährig und teils aus entfernten Kontinenten zur Verfügung stehen. Auch wir selbst können sehr einfach weit reisen, während unsere Urgroßeltern vielleicht nur die Umgebung ihres Dorfes kannten. Natürlich gibt es auch Schattenseiten dieser Entwicklungen, aber auch wenn wir diese ausführlich unseren Urgroßeltern erläuterten, wenn wir ihnen auch von Terrorgefahren, Burn-out, Sucht und vielem anderen erzählten, würden diese vermutlich immer noch ungläubig schauen und sagen: „Wow, was für eine grandiose Welt, in der ihr leben dürft!“
Für uns wiederum ist das alles „normal“. Wir haben uns schnell an alles gewöhnt. Vielleicht am deutlichsten wird dies in dem bekannten Spruch: „Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen.“ Unser Körper ist ein Wunderwerk. Die Gesundheit, das damit verbundene Wohlbefinden und die Möglichkeiten, die er uns bietet, schätzen wir meistens erst, wenn wir krank sind. Dankbarkeit durchbricht dieses „Für-normal-nehmen“ und fokussiert unser Bewusstsein auf die vielen positiven Aspekte unseres Lebens, die es bei jedem von uns gibt, die wir jedoch nicht mehr wahrnehmen, weil sie zu Selbstverständlichkeiten geworden sind. Wir werden uns wieder stärker bewusst, wie gut es uns – trotz aller möglichen Sorgen – in Wirklichkeit geht.
Manche sagen an der Stelle vielleicht, na ja, das ist ja dann nur eine rosarote Brille, mit der wir unsere Wahrnehmung verzerren und das Negative ausblenden. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Mir geht es nicht darum, das Negative auszublenden, wie es in vielen Selbsthilfebüchern steht. Es lohnt sich immer, alles wahrzunehmen und daraus seine Schlüsse zu ziehen (siehe Abschn. 3.14), ohne jedoch in endloses Grübeln zu verfallen (siehe Abschn. 4.2.4).
Mir geht es vielmehr darum, dir bewusst zu machen, wie wir Menschen wahrnehmen. Es kommt nämlich zur hedonistischen Anpassung noch die oben beschriebene Entwicklung der Informationsflut der letzten Jahrzehnte (siehe Abschn. 2.7) hinzu, die dazu führt, dass unser Gehirn viel mehr negativen Nachrichten angeboten bekommt, die es sofort mit Aufmerksamkeit verfolgt und in unser Bewusstsein durchstellt, während die gewohnten guten Dinge im „Hintergrundrauschen“ verbleiben. Da ist es kein Wunder, dass wir irgendwann zu dem Schluss kommen müssen, dass unser Leben in dieser Welt negativ ist.
Genau hier wirkt nun Dankbarkeit. Sie ist keine rosarote Brille, sondern rückt unsere beeinflusste Wahrnehmung wieder in ein richtigeres Verhältnis. Jeder von uns ist von so vielen wundervollen Dingen umgeben, die wir uns wieder bewusst machen sollten. Lass dich also von deinem Gehirn nicht foppen, denn das Gute ist der Normalfall und das Schlechte die Ausnahme 7 .
Wie kann ich Dankbarkeit üben?
Im Folgenden möchte ich Dir, basierend auf den oben erwähnten Forschungsergebnissen, mehrere Übungen vorstellen, mit denen du Dankbarkeit üben und dein Glückslevel und deine Lebenszufriedenheit steigern kannst.
Übung: Das Dankbarkeitstagebuch
Warum bin ich dafür dankbar?
Was kann ich tun, damit ich noch mehr davon erfahre bzw. damit die Situation öfter eintritt oder ich diese öfter so wahrnehme?
Sonja Lyubomirsky forschte auch auf diesem Gebiet. Sie bestätigte ebenfalls die starke Wirkung dieser kurzen Übung. Das Glücksempfinden der Teilnehmenden stieg durch das Dankbarkeitstagebuch (die Studie dauerte sechs Wochen) deutlich an. Allerdings gab es auch ein weiteres wichtiges Ergebnis. Sie ließ eine Gruppe die Übung einmal wöchentlich und die andere Gruppe die Übung 3-mal pro Woche (Dienstag, Donnerstag und Sonntag) für die sechs Wochen durchführen. Den positiven Effekt konnte sie nur bei der Gruppe nachweisen, die nur einmal pro Woche die Dankbarkeitsübung machte. Die Autoren vermuten, dass die Teilnehmenden die Übung mehrmals die Woche als lästige Pflichterfüllung empfanden und diese Routine deshalb keine Wirkung mehr zeigte 8 .
Aufgrund dieser Forschungsergebnisse empfehle ich dir, die Übung langfristig einmal pro Woche zu machen. Bei vielen hat es sich bewährt, täglich zu starten (am besten abends, z. B. immer vor dem Zähneputzen) und aufzuschreiben, für was du am heutigen Tag dankbar bist. Das können ganz kleine Dinge sein (die schöne lila Blume auf dem Weg zur Arbeit) oder ganz große Dinge (die Geburt meines Kindes). Wenn du den Eindruck hast, es wird Routine, dann verändere die Häufigkeit bis hin zu wöchentlich. Ich weiß jedoch von vielen, die sich viel leichter tun, täglich ein solches Ritual durchzuführen, als mehrmals die Woche oder einmal wöchentlich daran zu denken. Finde hier den Rhythmus, der für dich passt.
Wichtig ist dabei ohnehin nicht das Abarbeiten eines Schemas. Wichtig ist, dass du die Dankbarkeit für die positiven Seiten und die vielen tollen Selbstverständlichkeiten deines Lebens spürst und dies mithilfe dieser wiederkehrenden Übung in deinem Leben verankerst. Vielleicht kommst du irgendwann sogar dahin, dass du allgemein über dein Leben denkst: Wow, mein Leben ist wirklich gesegnet!
Ich will dir noch von einer Erfahrung von mir erzählen. Als ich damals von diesen Studien las und mit dem Dankbarkeitstagebuch begann, entdeckte ich bei mir die Fähigkeit, auch tagsüber in einer kurzen ruhigen Minute Dankbarkeit für das, was gerade ist, zu empfinden. Ich nehme dann Dinge wahr, die mir früher gar nicht aufgefallen wären. Lustig war z. B. der Augenblick, als ich an einem kalten Wintermorgen, an dem ich direkt nach dem Aufstehen und noch etwas müde und barfuß im Bad stand. Eigentlich dachte ich so verschlafen noch gar nichts, als mir plötzlich in echter Dankbarkeit die wohlige Wärme an meinen Füßen durch die Fußbodenheizung auffiel. Dann regte sich als Nächstes der Gedanke „Guten Morgen, die Dankbarkeitsübung scheint zu wirken!“ Ich kann diese Übung nur wärmstens empfehlen. Mir brachte sie ein intensives Lebensgefühl und wunderbare Lebensfreude und ich möchte diese Übung nicht mehr missen. Sie ist so einfach, braucht so wenig Zeit und hat eine so grandiose Wirkung.
Übung: Der Dankesbrief
Überlege dir, wer dir in den letzten Jahren etwas Gutes getan hat oder wer immer für dich da war. Schreibe dann dieser Person, der du dankbar bist, einen Brief. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass es schon ausreicht, über mehrere Wochen eine Viertelstunde pro Woche an dem Brief zu schreiben. Es stellte sich auch heraus, dass bereits das einfache Schreiben dieses Briefes ausreicht, um das Glücksgefühl nachweislich zu steigern. Der Brief muss nicht unbedingt abgeschickt werden 9 .
Auch hier geht es nicht um das starre Befolgen von Vorgaben. Du kannst die Übung auf deine Situation anpassen. Aus der Übung einen Dankbarkeitsbesuch wie in der oben geschilderten Studie zu machen, ist eine starke Erweiterung, das muss jedoch für die beteiligten Personen passen 10 .
Dankbarkeit geplant zum Ausdruck bringen
Wir haben gesehen, dass der Dankesbrief auch ohne Abschicken wirkt. Spannender und intensiver ist es natürlich, wenn eine Interaktion stattfindet und wenn du einem anderen Menschen tatsächlich dankst. Denn das hat mehrere Effekte: Zum einen steigerst du dein Glücksempfinden, zum anderen die Freude des anderen und diese wirkt zwischen euch und vertieft auch noch eure Beziehung. In diesem Abschnitt geht es somit darum, dass du jemandem, dem du danken willst, ohne einen formalen Dankesbrief zu schreiben, deine Dankbarkeit zeigst.
Ich will dir ein Beispiel geben, wie mir so ein Dank einmal zuteilwurde. Ich war mit einer Freundin verabredet. Sie hatte eine harte Zeit hinter sich, weil sie ihre Arbeitsstelle verloren hatte. In dieser Zeit habe ich sie unterstützt und beraten. Das war in meinen Augen auch nichts Außergewöhnliches und durch meine berufliche Erfahrung für mich auch nicht schwierig. Als wir dann so zusammensaßen, griff sie in ihre Tasche und sagte, sie hätte mir ein kleines Geschenk mitgebracht. Nachdem nun alles geregelt sei, war es ihr ein großes Anliegen mir zu danken, weil ich die ganze Zeit für sie da gewesen war, ihr geholfen hatte, sie sich jederzeit auf meinen Rat verlassen konnte und sie sich dadurch nie allein gefühlt habe. Sie sagte, sie sei mir unglaublich dankbar für die Unterstützung in dieser für sie echt harten Zeit und sie sei ebenfalls so dankbar für unsere Freundschaft. Ich bekam Gänsehaut und habe mich unheimlich darüber gefreut, weil mir erst dadurch bewusst wurde, wie wertvoll dies für sie war. Solche Freude wirkt auch wieder zurück und hinterlässt beide glücklicher.
Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir Dankbarkeit dem anderen gegenüber zeigen können. Es muss nicht der geschliffene Dankesbrief sein, ehrliche Dankbarkeit reicht völlig aus, solange es zu der Situation und zu den Personen passt. Jede Situation und jede Person ist anders.
Nach meiner Erfahrung ist es jedoch vielen Menschen eher peinlich, ihre Dankbarkeit auszudrücken. Ich meine damit nicht das „einfache Danke-Sagen“, sondern wirklich sein tiefes Gefühl mitzuteilen und sich zu öffnen.
Hier will ich dich gerne ermutigen, es trotz der Ungewohntheit zu machen, mehr davon zu leben und mehr Dankbarkeit weiterzugeben. Du wirst überrascht sein, welche tolle Wirkung dies hat.
Übung: Dankbarkeit zeigen
Überlege dir, bei wem du dich gerne einmal bedanken möchtest. Plane dann die Gelegenheit und erkläre dem anderen, warum du so dankbar bist und warum der andere bzw. das, was er für dich getan hat, so wunderbar ist. Wenn es für dich passt, kannst du dies beispielsweise durch ein kleines Geschenk oder eine passende Postkarte oder etwas anderes, das die Person mitnehmen kann, noch verstärken.
Wichtig ist jedoch, dass du diese Dankbarkeit der anderen Person gegenüber wirklich tief empfindest. Auch wenn dies hier unter „Wege zu deinem Glück“ steht, solltest du dem anderen deine Dankbarkeit mitteilen, damit er glücklicher ist. Das sollte deine Priorität sein. Dass du dann auch glücklicher wirst, geschieht von alleine.
Dankbarkeit spontan zum Ausdruck bringen
Oft begegnen dir im Alltag tolle Menschen, die mehr machen, als erforderlich ist, die überaus hilfsbereit und freundlich sind. Auch da lohnt es sich für dich und für die Person, deine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.
Als ich vor einiger Zeit mit meiner Tochter einen Bibliotheksausweis für sie beantragt habe, trafen wir auf eine tolle Frau, die uns alles erklärte, gute Tipps gab, richtig freundlich war und sehr gute Laune hatte. Wir sagten natürlich am Ende „vielen Dank“. Danach fragte ich mich jedoch, warum ich nicht mehr gesagt habe. Heute würde ich vielleicht sagen: „Darf ich Ihnen noch etwas Persönliches sagen? Ich bin echt begeistert, wie Sie uns hier bedient haben. Sie sind so hilfsbereit und gut gelaunt. Sie sind heute unser Highlight des Tages. Und dafür wollte ich einfach Danke sagen. Danke, dass Sie uns so toll bedient haben.“
Wenn du etwas Herausragendes wahrnimmst, dann kann ich dich nur darin bestärken, mutig zu sein. Sprich es einfach aus, auch wenn es dir zuerst komisch vorkommt. Wenn du wirklich Dankbarkeit empfindest, dann kommt es auch beim Gegenüber absolut richtig an.
Nur wenn sich jetzt jemand denkt, beim Nächsten, den ich treffe, probiere ich das gleich aus, irgendetwas wird es schon geben, was ich ansprechen kann, dann würde ich diesen bremsen. Es muss wirklich empfundene Dankbarkeit sein. Aber sonst kann ich dir nur empfehlen, spiele damit, sei mutig, mache etwas, was „man“ sonst üblicherweise nicht tut, springe über deinen Schatten und sprich tolles Verhalten an und schau, was dann passiert.
Übung
Nimm dir für die nächsten Wochen vor, tolles Verhalten, für das du dankbar bist, spontan anzusprechen.
Weitere Möglichkeiten
Ich möchte dir noch von einer Übung berichten, die vielleicht nicht zum direkten „Hausgebrauch“ geeignet ist, jedoch auch außergewöhnliche Effekte hat. Martin Seligman und seine Studierenden haben sich diese Übung ausgedacht 11 . Jede Studentin und jeder Student hat die Möglichkeit, zu einem Dankbarkeitsabend eine Person einzuladen, die eine große Bedeutung in ihrem bzw. seinem Leben besitzt, der sie bzw. er jedoch nie richtig gedankt hat. Für den Abend selbst bereitet jeder ein Testimonial vor, d. h. eine Art Urkunde, wie sie in den USA üblich ist. Dies machen die Studierenden sehr ausgiebig und feilen über mehrere Wochen an den Formulierungen. Dann treffen sich die Studierenden und die eingeladenen Personen, darunter Mütter, ein Zimmernachbar und enge Freunde zu Wein und Käse. In diesem Rahmen lesen nun die Studierenden die Testimonials vor und sprechen darüber. Die Wirkung ist unglaublich. Die Teilnehmenden sind tief gerührt – nicht nur, wenn es sie betrifft, sondern insgesamt bei den vorgetragenen Dankesreden. In den Augen sieht man bei allen Teilnehmenden die tiefe Rührung, Freudentränen kullern und am Ende gibt es niemanden, der nicht zutiefst bewegt ist. Als die Studierenden am Ende des Semesters das Seminar bewerteten, schrieben viele, dass dieser Abend einer der tollsten Abende ihres Lebens war 12 .
Auch wenn dieses Vorgehen eher in die amerikanische Kultur passt, so inspiriert es dich vielleicht, die ein oder andere Dankbarkeit, die noch nie ausgesprochen wurde, nun zum Ausdruck zu bringen. Solange du ehrliche Dankbarkeit empfindest und es in einem Rahmen stattfindet, der für den anderen angenehm ist, können du und auch dein Gegenüber nur gewinnen.
Übrigens muss das Teilen von Dankbarkeit auch nicht immer in so großem Rahmen und mit so viel Vorbereitung stattfinden. Wenn du mit einer Freundin auf einer Wanderung bist, warum teilst du dich nicht einfach mit: „Schau dir diesen Ausblick bei diesem Wetter an! Ich bin so dankbar, dass wir heute zusammen hier sind.“
Übung: Beim Körper bedanken
Diese Übung habe ich von einer Freundin von mir. Sie bedankt sich jeden Abend bei ihrem Körper. Ihr Körper hat es ihr ermöglicht, buchstäblich durch den Tag zu gehen, so viel zu erleben und zu gestalten. Dafür sagt sie Danke. Manchmal dauert dies nur ein paar Sekunden, manchmal geht sie die verschiedenen Körperregionen durch und bedankt sich ausführlicher. Wenn dich dies anspricht, probiere es aus. Unser Körper ist ein grandioses Wunderwerk und diese Übung hilft dabei, dies wahrzunehmen und nicht einfach als Selbstverständlichkeit hinzunehmen.
Was lernen wir nun daraus? Dankbarkeit ist ein machtvoller Zugang zu mehr Glück, weil er unsere Wahrnehmung für die positiven Dinge unseres Lebens öffnet, die wir längst für selbstverständlich nehmen. Wenn wir diese noch mit anderen Menschen teilen, dann können wir sowohl deren als auch unser Leben positiv beeinflussen. Im Kern geht es darum, dass du dir der vielen positiven Aspekte, die oft zur Selbstverständlichkeit geworden sind, im Leben wieder bewusst wirst. So viele haben hiervon schon profitiert. Probiere es aus und beobachte, was sich bei dir verändert.
4.1.2 Exkurs: Weg 2: Bewältigungsstrategien
Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste im Leben alles glattgehen. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolg, Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe sind, durch die wir wachsen und reifen. (Antoine de Saint-Exupéry)
Wir alle wissen, dass es im Leben auch Rückschläge, Misserfolge und Krisen geben kann. Die Positive Psychologie fragt, wie Menschen damit am besten umgehen können und was dabei sogar helfen kann, noch stärker daraus hervorzugehen. Mehr dazu erfährst du in den Online-Zusatzmaterialien unter: Exkurs 7 auf http://extras.springer.com.
4.1.3 Exkurs: Weg 3: Regelmäßiger Life-Check-up
Wir kennen den medizinischen Check-up. Der Körper wird detailliert untersucht und wir erhalten eine strukturierte Rückmeldung zum aktuellen Status unseres Körpers. Dies geht gleichermaßen auch für dein Leben und das Beste daran ist, dass du nur dich selbst dazu brauchst. In diesem Exkurs erhältst du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, um in einfacher und systematischer Form einen Check-up für dein Leben durchzuführen. Ich empfehle dir, diesen Check-up jährlich durchzuführen. Alle weiteren Informationen findest du hier: Exkurs 8 auf http://extras.springer.com.
4.1.4 Exkurs: Weg 4: Vergebung 13
An seinem Ärger festzuhalten ist genauso wie eine glühende Kohle in die Hand zu nehmen, um sie nach jemandem zu werfen. (Buddha)
Gerade wenn wir uns mit der Steigerung unseres Glücks- und Lebensgefühls beschäftigen, ist es wichtig, auch jene Aspekte im Blick zu haben, die darauf dämpfend wirken können. Das können Dinge sein, die uns widerfahren sind und bei denen wir selbst nach langer Zeit noch Groll, Abscheu und vielleicht sogar Hass fühlen. Wenn es in deinem Leben kleine oder große derartige Themen gibt, dann lege ich dir besonders ans Herz, diesen Exkurs zu lesen. Du wirst darin erkennen, dass Vergebung ermöglicht, diesen Grauschleier von deinem Leben zu nehmen und dadurch noch viel mehr Lebensfreude zu spüren. Gerade wenn du jetzt vielleicht denkst, „vergeben werde ich nie“, dann lohnt es sich für dich sehr, zumindest diesen Exkurs einmal durchzulesen: Exkurs 9 auf http://extras.springer.com.
4.2 Glück im Hier und Jetzt
Laufe nicht der Vergangenheit nach und verliere dich nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und jetzt. (Buddha)
In diesem zweiten Abschnitt kommen wir nun zu sich großartig anfühlenden Wegen zum Glück. Es geht um das Glück in der Gegenwart, es geht um das, woran vielleicht die meisten Menschen zuallererst denken, wenn sie sagen sollen, was Glück für sie ausmacht: großartige Gefühle haben, das Leben feiern, genießen, Freude haben, Lust und puren Spaß erleben. Es geht um all die positiven Emotionen, die wir so lieben, und darum, später zu sagen: „Das war richtig gut, so soll Leben sich anfühlen!“
Um zu wissen, was dir richtig Spaß macht, brauchst du übrigens keine Psychologie, da bist du selbst die allerbeste Expertin bzw. der allerbeste Experte. Du weißt, was du liebst, was dich erregt, was dir Freude macht, was dein Herz liebt. Insofern könnten wir jetzt einfach kurz darüber nachdenken, wie du mehr davon in dein Leben bringen kannst. Danach gehen wir dann zu den nächsten Themen über. Doch Stopp! Das wäre viel zu kurz gesprungen und gerade bei diesem zentralen Thema schade, weil auch hierzu die Psychologie großartige Konzepte zur Verfügung stellt. Die folgenden Kapitel werden dir einen neuen Blick auf das Thema „Glück im Hier und Jetzt“ geben und dir Strategien aufzeigen, mehr positive Gefühle in dein Leben zu holen und sie auszukosten.
Eine sehr wichtige Unterscheidung hat Martin Seligmann in diesem Zusammenhang ausgeführt. Es ist die Unterscheidung zwischen Vergnügen und Flow 14 .
Vergnügen sind alle Freuden, die sinnlich sind oder starke emotionale Komponenten haben. Das ist beispielsweise die Praline, die auf der Zunge schmilzt, das Musikstück, bei dem wir Gänsehaut bekommen, das Kaminfeuer nach einer langen Wanderung im Schnee. Zentrales Element sind unsere Gefühle wie Behagen, Entzücken, Spannung, Orgasmus, Ekstase und Genuss.
Wie wir am meisten von diesen Vergnügen profitieren, damit beschäftigen wir uns gleich in Weg 5 und 6. Was ist nun aber Flow, die zweite große Freude im Hier und Jetzt?
Flow entsteht, wenn wir ganz in einer Aufgabe versinken und darin aufgehen. Wir lösen eine Aufgabe, wir stellen handwerklich etwas her oder lesen ein spannendes Buch. Kennzeichen von Flow ist, dass wir im Augenblick von Flow keine Emotion haben. Wir sind so bei der Sache, dass die Zeit stehen bleibt. Erst danach sagen wir, das hat Spaß gemacht, das war richtig cool. Mit Flow werden wir uns ausführlich in Weg 7 beschäftigen.
Im Alltag unterscheiden wir nicht. Wir sagen, ein Saunaabend, ein 5-Gänge-Menü, ein Rockkonzert (alles Vergnügen), eine Bergwanderung, eine Schachpartie oder ein Kreuzworträtsel (alles Flow) hat Spaß gemacht. Wir werden jedoch gleich sehen, dass dies ganz unterschiedliche Wege sind. Jeder davon ist jedoch wichtig und wertvoll.
4.2.1 Weg 5: Genuss
Die alten Ägypter hatten eine sehr schöne Vorstellung vom Tod. Wenn ihre Seelen an die Himmelspforte kamen, stellten ihnen die Götter zwei Fragen. Die Antworten entschieden darüber, ob sie eingelassen wurden oder nicht. (…) Ist es dir gelungen, Freude im Leben zu finden? (…) Und hat dein Leben anderen Freude gebracht? (Carter Chambers (Morgan Freeman) im Film „Das Beste kommt zum Schluss“)
Bei diesem wunderbaren 5. Weg geht es darum, Vergnügen noch mehr zu genießen und das, was uns das Leben an Vergnügen gibt, noch mehr wahrzunehmen, intensiv auszukosten und in uns „aufzusaugen“. Um es gleich vorweg zu sagen, wir Menschen sind unterschiedlich: Die einen können gar nicht genug bekommen von diesen tollen Gefühlen und die anderen sagen: „Ab und zu ist das ja okay, aber ich will gar nicht ständig voller Vergnügen und Entzückung sein, das ist mir viel zu anstrengend.“ Beides ist völlig in Ordnung und du bestimmst, wieviel du davon in deinem Leben haben willst. Dieses Kapitel zeigt dir, wie du dies für dein Leben noch besser gestalten kannst.
Mit Vergnügen ist alles gemeint, was dich positive und freudvolle Gefühle erleben lässt. Dazu zählen zum einen körperliche Vergnügen: Du bist hungrig und isst die erste Gabel deiner Lieblingsspeise; du nimmst ein warmes Bad, nachdem du durchgefroren nach Hause gekommen bist; du hörst eine Musik, die dich ergreift; du riechst einen Duft, der dich entzückt; du umarmst einen lieben Menschen bis hin zu den Freuden der Sexualität.
Zum anderen zählen hierzu „höhere“ Vergnügen. Sie sind komplexer hinsichtlich der Auslöser, die sie in Gang setzen, und zahl- und variantenreicher als die körperlichen Vergnügen. Hierzu zählen Gefühle wie Amüsiertheit, Harmonie, Behagen, Entspannung (niedrige Intensität), Lust, Frohsinn, Überschwang (mittlere Intensität) bis hin zu Ekstase, Spannung, Ausgelassenheit, Euphorie, Hochstimmung, Begeisterung (hohe Intensität). Sie erfordern wenig oder gar kein Denken.
Wir tauchen jetzt tief ein in das Thema positive Emotionen und Genuss. Meine Anregung an dich ist, auf deine innere Stimme zu hören, wenn du dies jetzt liest. Sagt dir deine innere Stimme z. B. etwas wie: „Wow, das ist ja cool. Ich liebe diese Gefühle und jetzt weiß ich noch besser, wie ich sie stärker genießen kann“, oder sagt dir deine Stimme etwas wie: „Das regt mich jetzt irgendwie auf, den Genuss so stark herauszustellen. Das ist ja wohl ganz schön egoistisch, mich so gut zu fühlen, wenn es anderen Menschen so schlecht geht“? Manche Menschen erkennen dabei plötzlich, welche Glaubenssätze (siehe Abschn. 3.3) bei ihnen am Werk sind. Also gerade dann, wenn du irgendetwas Ablehnendes oder Kritisches dabei denkst, dann schau noch genauer hin, woher das kommt und ob es berechtigt ist (was es ja durchaus sein kann). Wir kommen gegen Ende dieses Kapitels noch einmal auf diese Haltung zu sprechen.
Abwechslung
Aus deinen eigenen Erfahrungen weißt du, dass die oben erläuterten Vergnügen einen großen Haken haben: Sie sind kurzlebig. Sie fühlen sich toll an, sind jedoch schnell abgeflaut, wenn der äußere Reiz aufhört, zudem gewöhnen wir uns schnell an sie. Du brauchst eine höhere Dosis, um die gleichen Gefühle wieder auszulösen, falls dies überhaupt möglich ist.
Wenn du beispielsweise das erste Mal nach langer Zeit von deinem Lieblingseis kostest, dann ist das ein traumhafter Moment. Die erste Kugel ist ein wahrer Traum, die zweite Kugel ist auch noch gut. Aber spätestens bei der fünften Kugel spürst du vermutlich keinen Genuss mehr. Das lässt sich auch nicht durch eine höhere Dosis (noch mehr Eis) ausgleichen. Du bist einfach von diesem Geschmack gesättigt. Auch die wohlig warme Badewanne nach deinem langen Winterspaziergang ist anfangs großartig, jedoch nach einiger Zeit wird es fad. Da hilft auch kein besserer Badezusatz oder mehr warmes Wasser. Du kennst dazu sicher ganz viele Beispiele aus deinem eigenen Erleben. Die Psychologen nennen dieses Phänomen Habituation (Gewöhnung) oder Adaption (Anpassung). Es ist das gleiche Phänomen, das wir als hedonistische Anpassung bereits kennen (siehe Abschn. 2.7).
Was bedeutet dies nun konkret? Was bringen dir diese Erkenntnisse, um öfter und intensiver genussvolle Gefühle zu haben? Wenn der Genuss wunderbar, jedoch flüchtig ist und wenn die fabelhaften Gefühle abebben, weil wir uns daran gewöhnen, dann gibt es daraus eine Schlussfolgerung: Wechsle zwischen deinen Vergnügen ab. Suche dir möglichst viele verschiedene Situationen, die du genießen kannst und in denen du das Leben liebst. Verteile sie über die Zeit, lass dazwischen genug Zeit vergehen, hole dir sprichwörtlich und im übertragenen Sinne den Appetit zurück. Dann genieße diese Freuden!
Reflexionsfragen bzw. Übung
In welchen Lebenssituationen kennst du diesen Effekt der Gewöhnung?
Was verschafft dir Genuss? Beobachte dich selber, wenn du dazwischen die Pause länger oder kürzer machst. Was ist die ideale Zeit, um z. B. dein Lieblingsmusikstück wieder zu hören oder den tollen Rotwein wieder zu trinken? Wie entwickelt sich dein Genuss?
Eine schöne Übung kann es sein, sich selbst oder seine Liebsten mit einer „Genussaktion“ zu überraschen oder sich überraschen zu lassen. Das muss auch nichts Großartiges sein, vielleicht das Lieblingsmusikstück zum Heimkommen, die unverhoffte Tasse Kaffee, den Rücken zu massieren und zu streicheln oder ein paar Zeilen der Zuneigung zu schreiben. In manchen Familien überraschen sich die Eltern und Kinder immer wieder gegenseitig mit einer solchen Aktion. Deiner Phantasie und deinen Ideen sind hier keine Grenzen gesetzt.
Die Haupterkenntnis aus diesem Abschnitt lautet: Wir gewöhnen uns schnell an Vergnügen und Genuss ist kurzlebig. Verzicht und Abwechslung sind die beste Gegenstrategie. Wie du eine vorhandene schöne Situation trotz ihrer Vergänglichkeit noch mehr auskosten kannst, damit beschäftigen wir uns im nächsten Abschnitt.
Auskosten
Stell dir vor, du fühlst nun den Genuss. Du fühlst, es ist wunderbar in diesem Moment. Gerade weil solche Gefühle nicht für immer bleiben, ist es interessant zu fragen, wie du nun das meiste herausholen kannst. Wie kannst du diesen fabelhaften Augenblick auskosten, wie kannst du seine Essenz in dich aufnehmen und in vollen Zügen genießen?
Auch dafür liebe ich die Psychologie. Es gibt einen noch kleinen Forschungsbereich, der sich genau damit beschäftigt. Ist das nicht großartig? Die beiden Psychologieprofessoren Fred Bryant von der Loyola University Chicago und der zwischenzeitlich verstorbene Joseph Veroff haben zu diesem Thema sogar ein eigenes Buch veröffentlicht 15 . Im Folgenden erläutere ich dir die zehn Strategien dieser beiden Psychologen, sodass du die für dich geeigneten Varianten heraussuchen kannst und damit in der Lage bist, den Genuss, den dir dein Leben gibt, zu vertiefen und noch mehr auszukosten.
Die zehn Strategien, um den Genuss mehr auszukosten
Strategie 1: Mitteilen: Suche dir Menschen, denen du mitteilen kannst, wie wertvoll und wunderbar diese Erfahrung und dieser Moment für dich sind. Die Untersuchungen zeigen, dass diese Strategie den stärksten Effekt hat. Du wirst erfahren, dass es Menschen gibt, die sich total mit dir freuen und es gibt Menschen, die in ihren eigenen Themen noch so gefangen sind, dass sie vielleicht nur Neid empfinden und dementsprechend reagieren. Wir kommen darauf noch in Weg 13 und 14 zu sprechen (siehe Abschn. 4.4.1 und Abschn. 4.4.2). Vielleicht zeichnet sich wirkliche Freundschaft vor allem dadurch aus, dass wir uns für das Glück und Wohlergehen des Freundes ehrlich freuen können. Teile dich vor allem denjenigen Menschen mit, die sich mit dir freuen. Wenn du gerade niemanden um dich hast, dann sage es dir ruhig selber, wie phantastisch dieser Augenblick gerade für dich ist. Zudem kannst du dir vorstellen, wie du einem lieben Menschen von deinem wundervollen Gefühl in dieser Situation erzählst.
Strategie 2: Erinnerungen bewahren: Mache dir bewusst „geistige“ Fotos im Gedächtnis, um dich später zu erinnern. Zudem kannst du dir einen Gegenstand als Souvenir mitnehmen. Fred Bryant berichtet zum Beispiel davon, dass er, um sich an seine gefühlte Freude und sein Glück zu erinnern, als er den Gipfel des Snowmass Mountain erklommen hatte, einen kleinen Stein als Andenken mitgenommen hat. Auch richtige Fotos können dir die Erinnerung bewahren.
Strategie 3: Dir selbst gratulieren und dich beglückwünschen: Sag dir selbst, wie stolz du auf dich bist und wie beeindruckt andere von dir sein müssen, denke daran, wie lange du auf so etwas gewartet hast. Das ist mal eine Ansage, oder? Um Missverständnisse zu vermeiden, will ich dies noch weiter erläutern. Nicht gemeint ist zu prahlen, sich über andere zu stellen oder gar andere schlecht zu machen. Gemeint ist, wenn etwas gut gelaufen ist, eine wohlige Zufriedenheit und einen Stolz für sich zu empfinden. Klopf dir auf die Schulter! Sag dir, dass du es gut gemacht hast. Viele Menschen machen großartige Dinge, freuen sich aber nicht über sich, sondern suchen das Haar in der Suppe. Diese Strategie soll dem entgegenwirken. Wenn eine Fußballmannschaft ein Spiel gewonnen hat, dann feiert sie auch dann, wenn ein Elfmeter verschossen wurde. Natürlich ist es von Vorteil, auch immer zu prüfen, ob du dich noch weiterentwickeln kannst. Aber im ersten Schritt soll es einfach darum gehen, dass du stolz auf dich bist, wenn etwas gut gelaufen ist, und das Gefühl genießt.
Strategie 4: Die Wahrnehmung schärfen: Steigere den Genuss, indem du alle anderen Reize ausblendest. Wenn du tolle Musik hörst oder die erste Gabel deines Lieblingsessens schmeckst, schließe die Augen und konzentriere dich ganz darauf. Fred Bryant beschreibt ebenfalls, dass er seine Augen schloss, als er den Berggipfel erklommen hat, um ganz im Genuss des Augenblickes zu sein und beispielsweise den starken Wind zu hören und zu spüren, der über die Berggipfel blies. Sei ganz präsent in dem Moment des Genusses.
Strategie 5: Vergleichen: Hierbei geht es darum, seine Gefühle mit früheren Gefühlen oder mit der Situation anderer zu vergleichen. Mit fällt dazu mein Vater ein. Er wurde noch als Jugendlicher am Ende des Zweiten Weltkrieges als Soldat eingezogen, geriet dann in russische Gefangenschaft und musste viel hungern. Er sagte immer wieder – und das Jahrzehnte später –, wenn wir als Familie gemeinsam beim Essen waren, wie er dieses Essen im Vergleich zu damals in der Gefangenschaft wertschätzte. Oder ich erinnere mich, wie sich an einem Montagmorgen in der Gondel zum Skigebiet zwei andere Skifahren unterhielten und meinten: „Ist das nicht der Hammer, dass wir heute bei diesem tollen Wetter Skifahren können, während alle anderen im Büro sind?“ Bei dieser Strategie gibt es eine haarfeine Unterscheidung zwischen Dankbarkeit und sich über andere erheben. Wenn du dankbar bist im Vergleich zu früher oder zu deiner Situation im Vergleich zur Welt, dann passt die Strategie. Wenn du dich vergleichst, weil du dich über andere stellen willst, dann ist dies nicht hilfreich, weil dies noch aus einer mangelnden Anerkennung deiner selbst entspringt. Außerdem haben wir beim Thema Vergleichen bereits gesehen, dass wir dabei aufpassen sollten, weil es immer noch irgendwo etwas Besseres gibt.
Strategie 6: Versenken im Augenblick (Absorbierung): In dieser Strategie geht es darum, möglichst nicht zu denken, sondern ganz in den Moment einzutauchen, sich ganz darin zu vertiefen und vollständig im Hier und Jetzt zu sein. Dies ist analog der Meditation: Der Geist und alle Bewertungen und Überlegungen sind außen vor, du bist mit vollem Bewusstsein bei dem, was im Hier und Jetzt passiert und was du fühlst. Diese Strategie eignet sich für dich dann besonders, wenn du nicht sehr zum Denken tendierst. Für Menschen, die stark zum Denken tendieren, ist z. B. die Strategie „Erinnerungen bewahren“ hilfreicher. Es gibt sogar – wenn auch nicht so häufig – ein Erleben, in dem die Prozesse parallel ablaufen, d. h. sowohl das volle Bewusstsein im Denken vorhanden ist als auch gleichzeitig die Vertiefung im Augenblick 16 .
Strategie 7: Freude im Verhalten ausdrücken: Dazu gehört zum Beispiel lachen, kichern, vor Freude auf und ab hüpfen, bei tollen Dingen „Wow!“ ausrufen. Auch dies verstärkt das vorhandene Gefühl. Du kennst vielleicht die Übung, bei der du dich eine Minute lang aufrecht hinstellst und lächelst. Danach fühlst du dich besser. Genauso ist es auch bei dieser Strategie. Du verleihst körperlich oder sprachlich dem Genuss Ausdruck und das verstärkt wiederum das Gefühl. Meine Haltung zu dieser Strategie ist, dass ich empfehle, dich nicht zu verstellen und authentisch zu sein. Wenn du jemand bist, der z. B. für sein lautes Lachen bekannt ist, dann weißt du nun, dass diese Verhaltensweise dich unterstützt, etwas Lustiges noch intensiver zu spüren. Wenn du eher ein zurückhaltender Mensch bist, dann kannst du diese Strategie natürlich auch ausprobieren, allerdings wirst du dich vermutlich dagegen entscheiden, bei der nächsten Gelegenheit vor Freude hüpfend durch das Zimmer zu springen und jeden, der in deiner Nähe ist, zu umarmen.
Strategie 8: Aufmerksamkeit im Bewusstsein des vergänglichen Augenblicks: Diese Strategie ist im Vergleich zu Strategie 6 stark im Denken: Du fühlst den schönen Augenblick und weißt, dass dieser flüchtig und vergänglich ist. Du wünschst dir, dass du die Zeit anhalten könntest. Gerade wegen seiner Vergänglichkeit willst du diesen Augenblick voll und ganz genießen. Vielleicht siehst du einen wunderschönen Sonnenuntergang und weißt, dass dieser in einigen Minuten vorbei ist. Deshalb willst du voll und ganz diesen Augenblick in dich aufsaugen. Du konzentrierst deine ganze Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt und auf den Genuss.
Strategie 9: „Gute Dinge zählen“: Diese Strategie entspricht unserem Weg 1: Dankbarkeit. Es geht darum, dir bewusst zu werden, wie gut es dir geht und wieviel persönliches Glück du hast. Es geht nicht zwingend darum, diese Dankbarkeit auch jemandem gegenüber auszudrücken, sondern allein das Fühlen der Dankbarkeit für den positiven Augenblick erhöht dein positives Gefühl.
Strategie 10: Sich den Genuss nicht kaputt machen: Alle bisherigen Strategien waren Möglichkeiten, noch mehr aus dem wunderbaren Moment herauszuholen. Strategie 10 ist umgekehrt: Sie beschreibt, was du nicht machen sollst, außer du willst dir den Augenblick kaputtmachen. Wenn du nicht länger die Freuden des Augenblicks genießen willst, dann hilft Folgendes: Denk daran, was du jetzt eigentlich schon längst machen oder wo du jetzt bereits sein solltest. Auch sehr beliebt: Denke darüber nach, wie dieser Augenblick noch schöner sein könnte, was zur Perfektion fehlt. Wenn das alles nicht hilft, dann gibt es noch einen ultimativen Schachzug: Verurteile dich, dass du deinen schönen Gefühlen nachhängst, wo doch die Pflicht ruft.
Auch wenn ich die letzten Sätze ironisch formuliert habe, so steckt doch viel Wahrheit darin. Wir sind wieder bei den Haltungen. Manchen Menschen haben Glaubenssätze wie „zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Andere bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn es ihnen gutgeht.
Reflexionsfragen
Wie geht es mir, wenn es mir gutgeht?
Kann ich das zulassen?
Glaube ich, dass ich es verdiene?
Bekomme ich Angst oder ein schlechtes Gewissen, wenn für mich alles perfekt läuft?
Welche der zehn aufgeführten Strategien praktiziere ich heute schon aktiv?
Welche Strategie ist neu und möchte ich ausprobieren?
Wie kann ich diese Strategie stärker in meinen Alltag einfügen?
Das sind wichtige Fragen, wenn du nach mehr Lebensfreude strebst. Wie ging es dir beim Lesen dieses Abschnittes? Ist etwas in dir angesprungen? Bist du vielleicht auf einen deiner Glaubenssätze gestoßen? Ein gar nicht so seltener Glaubenssatz lautet übrigens: „Wenn es mir zu gut geht, dann passiert irgendetwas, was mich wieder zurückholt“ oder „… dann werde ich bestraft.“ Du kennst die selbsterfüllende Prophezeiung. Menschen mit diesem Glaubenssatz fühlen sich oft darin bestätigt, weil der Glaubenssatz die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass er sich erfüllt.
Ich möchte dir gerne meine Haltung dazu aufzeigen: Für mich hat jeder Mensch ein Recht darauf, dass es ihm gut geht und er dieses Leben und diese Welt in vollen Zügen genießen kann. Viele Menschen können uneingeschränkt die Freuden des Lebens genießen, sie werden dafür nicht bestraft und es passiert auch nichts Schlimmes. Wenn du den obigen Glaubenssatz hast, dann möchte ich dir unbedingt sagen, dass es nur der Glaubenssatz ist, der wirkt. Es gibt kein Gesetz im Universum, das dafür sorgt, dass es dir nicht richtig gut gehen darf. Wenn dich das betrifft, dann reflektiere darüber und lass dir vor allem sagen: Du bist wertvoll und du darfst dein Leben genießen. Dir darf es dauerhaft hervorragend gehen und keine Macht dieser Welt hat etwas dagegen.
Außerdem wurde vielen von uns irgendwann beigebracht, dass wir lieb, nett und freundlich zu den anderen sein sollen, aber dass es nicht gut ist, wenn wir uns selbst lieben und uns zuallererst um uns kümmern. Bei Licht betrachtet ist das eine alberne Vorstellung: Wie willst du andere zum Strahlen bringen, wenn du nicht selber strahlst? Wie willst du dich mit anderen freuen, wenn du keine Freude in dir hast? Alles beginnt immer bei dir selbst. Selbstliebe ist ein ganz entscheidender Schlüssel zur Lebensfreude und zu guten Beziehungen (siehe Abschn. 3.12). Mangelnde Selbstliebe bedeutet, dass diese Menschen sich etwas von außen holen müssen: Liebe und Anerkennung. Das zeigt sich oft nicht auf den ersten Blick. Mangelnde Selbstliebe kann sich sehr unterschiedlich ausdrücken. Da ist ein Mensch, der extrem abfällig über andere spricht (und sich damit besser machen will). Da ist der Schüler, der andere mobbt, damit er sich als der Stärkere fühlen kann. Es kann jedoch genauso der Mitarbeiter sein, der alles für andere macht und selbst irgendwann krank wird, weil er nicht auf sich achtet. Er hofft vielleicht so auf die Anerkennung der anderen, dass ihm das wichtiger ist als sein Wohlbefinden und seine Gesundheit. Dann gibt es viele Beziehungen, die unter dem manchmal ausgesprochenen und manchmal unbewussten Motto stehen: „Ich liebe dich, wenn ich das und das von dir erhalte.“ Ich möchte dir diese Spielarten der mangelnden Selbstliebe deshalb skizzieren, weil du daran erkennen kannst, was sie auslöst und warum Selbstliebe der Schlüssel zu einem besseren Miteinander ist. Sie ist nicht egoistisch, sondern eine Voraussetzung für echte Mitmenschlichkeit (bei der nicht im Hintergrund die Rechnung aufgemacht wird, das habe ich dir gegeben, dann kann ich auch etwas erwarten). Wenn du dich selbst liebst, wenn du dich als wertvoll und einzigartig ansiehst, dann kannst du dich über alles Positive bei anderen freuen, dann entsteht kein Neid. Vor allem kannst du dich dann auch über deinen eigenen Genuss freuen.
Genuss und Freude können wunderbare Zutaten für ein gelingendes Leben sein. Wenn dir diese Zutaten zusagen, genieße sie bei allen Möglichkeiten und dies in vollen Zügen. Ich bekomme oft Gänsehaut über die Freude, die in unserem Leben möglich ist. Das muss auch nichts Großartiges sein, es kann schon der Anblick einer schönen Landschaft sein oder nur das Gefühl, als Mensch mit allen Sinnen und ganz bewusst an diesem Wunder Leben teilzunehmen.
Achtsamkeit
Achtsamkeit bedeutet, ganz im Augenblick, im Hier und Jetzt zu sein. Das bedeutet, mit allen Sinnen den jetzigen Augenblick wahrzunehmen, ohne zu bewerten. Es geht darum, das wahrzunehmen, was ist, sowohl im Außen als auch im eigenen Erleben. Mir gefällt in diesem Zusammenhang der Begriff Panorama-Bewusstsein 17 gut. Die Wahrnehmung öffnet sich für alles. Wenn du an unseren 0,0012 %-Filter denkst, dann wird ihm gesagt: „Lass einfach mal alles wirken und filtere nicht gleich ganz vieles weg.“
Vielleicht kennst du den gegenteiligen Zustand zu Achtsamkeit sehr gut, den ich Autopilot nenne. Alles läuft einfach ab. Beim Duschen sind deine Gedanken schon beim Frühstück und der Verkehrslage. Beim Frühstück denkst du über deinen ersten Termin nach etc. Weißt du z. B. noch, wie dein letztes Mittagessen geschmeckt hat? Als ich früher so im Autopilot-Modus unterwegs war und mich meine Frau mal abends fragte, was ich mittags gegessen hatte, musste ich ehrlich nachdenken. Vielleicht hast du ja ähnliche Erfahrungen gemacht.
Achtsamkeit fördert intensiven Genuss. Denke an ein leckeres Essen. Wenn du achtsam bist, dann wird dir vielleicht auffallen, wie liebevoll der Teller angerichtet ist, du riechst den Duft und schmeckst den Nuancen in der Speise nach. Du bist dir bewusst, dass du deinem Körper neue Lebensenergie zuführst und bist vielleicht all denen dankbar, die mitgewirkt haben, damit du nun dieses Essen genießen kannst. Vielleicht wendest du eine Strategie aus dem vorherigen Teil an. Du könntest die Augen schließen, um die Speise noch intensiver zu schmecken, oder du könntest dich beglückwünschen, dass du ein so gutes Essen zu dir nehmen kannst. Das alles gelingt dir mit Achtsamkeit. Das Gegenteil ist auch einfach und vielen von uns gut bekannt: Du nimmst das Essen einfach zu dir, vielleicht nicht einmal gut gekaut, und in deinem Kopf bist du vielleicht beim aktuellen Fernsehprogramm, beim E-Mail-Checken oder Telefonieren. Ich will nichts davon werten. Manchmal genieße ich es, mit einer Pizza auf dem Sofa vor dem Fernseher zu sitzen. Wenn du dich bei den Themen ertappt fühlst, will ich dich auch nicht ändern. Ich möchte ohnehin niemanden ändern. Das Einzige, was ich dir gerne sagen möchte, ist, wenn du mehr Genuss in dein Leben holen möchtest, dann hilft es, achtsam zu sein und dich nicht mit anderen Dingen parallel zu beschäftigen. Übrigens zeigen viele Untersuchungen, dass wir Menschen ohnehin nicht multitaskingfähig sind. Wir können gut automatisierte Verhaltensweise mit einer anderen Aufgabe kombinieren. Deshalb geht es in der Regel ganz gut, Auto zu fahren und sich zu unterhalten (außer als Fahranfänger). Bei allen Aufgaben hingegen, die wir bewusst ausführen, ist es viel erfolgreicher und effizienter, sie nacheinander zu machen.
Dann gibt es noch den zweiten wichtigen Grund: Achtsamkeit lässt dich die vielen Wohltaten deines Lebens erst entdecken und genießen. Das kann für dich ein ganz entscheidender Punkt sein. Fragt man Menschen, ob sie gerne mehr Genuss in ihrem Leben haben wollen, dann sagen die allermeisten: „Ja, bitte unbedingt, doch wie soll das gehen?“ Das wirklich Verrückte daran ist, dass jeder in seinem Leben ganz viele genussvolle Aspekte hat. Die meisten haben jedoch auf Autopilot geschaltet und bekommen davon nichts mit. Die wohlige warme Dusche wird genauso wenig genossen wie der Kaffee am Morgen, ein gutes Musikstück im Radio, die Umarmung vom Partner oder Kind zum Abschied, ein Telefonat mit einem netten Kollegen oder Freund etc. Alles läuft einfach so ab. Gehe mal bewusst durch einen Tag und genieße alles, was das Leben dir an positiven Dingen zur Verfügung stellt. Natürlich soll das nicht in „Anstrengung“ ausarten. Wenn du jedoch einmal spielerisch darauf achtest, wie viele Möglichkeiten sich an einem ganz normalen Tag bieten, wirst du überrascht sein. Letztlich bist du es, der entscheidet, ob du ein tolles Essen genießt oder währenddessen E-Mails checkst.
Achtsamkeit ist ein großes und umfangreiches Thema, zu dem es bereits sehr viele gute Bücher gibt, auf die du bei Interesse zurückgreifen kannst. Aus diesem Grund werde ich dieses wichtige Thema an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Bei Weg 20: Meditation (siehe Abschn. 4.5.4) kommen wir noch einmal auf Achtsamkeit zu sprechen.
Was kannst du nun aus diesem 5. Weg mitnehmen? Genuss ist eine großartige Strategie, um Glück im Augenblick zu fühlen und intensiv positive Gefühle wahrzunehmen. Sorge für Abwechslung, lass dich inspirieren von den unterschiedlichen Strategien den Genuss zu intensivieren und sei achtsam, damit dir nicht vor lauter Gedanken an die Zukunft und Vergangenheit das Beste im Augenblick verloren geht.
Übungen
Einen schönen Tag haben
Diese Übung stammt von Martin Seligman, der sie mit seinen Studierenden durchführt. Die Aufgabe ist, alles das, was du nun gelernt hast, in die Praxis umzusetzen. Die Aufgabe macht wirklich Freude und wird dir gefallen, wenn du sie umsetzt. Plane dir einen schönen Tag. Nimm einen freien Tag im nächsten Monat und plane diesen schriftlich Stunde für Stunde. Mache nur das, was du gerne machst. Wende dabei so viel wie möglich von dem Gelernten an. Mach also Dinge, die du nicht am Vortag gerade gemacht hast (Abwechslung). Sei achtsam und genieße. Vertiefe den Genuss mit einer der zehn Strategien. Lass es leicht und genussvoll sein. Du musst nicht perfekt sein und du musst auch nicht jede dieser Strategien anwenden. Wichtig ist, dass du Lust hast, die Freuden dieses Tages zu genießen, und es dann locker und voller Neugier und nicht mit einer riesigen Erwartung machst.
Wenn dir dies zu verplant ist, kannst du es natürlich auch abwandeln.
Dich am alltäglichen Genuss erfreuen
Du kannst dir für zwei Stunden am Tag vornehmen, ganz bewusst und intensiv darauf zu achten, was du genießen kannst, und dies dann auch zu tun
Du kannst dich z. B. mit dem Handy zwei- oder dreimal am Tag erinnern lassen zu planen, was du in den nächsten zwei Stunden genießen willst. Das kann auch etwas ganz Kleines sein, z. B. bewusst eine kurze Pause machen und sich selbst dabei spüren. Du bringst damit Bewusstsein in die Situationen.
Du kannst dir abends notieren, was der nächste Tag vermutlich an Möglichkeiten bringt, um zu genießen. Sorge auch hier für Abwechslung.
Ziel ist, dass dir ganz von alleine und selbstverständlich auffällt, wenn du in einer Situation bist, die du vollen Herzens genießen kannst. Mir fällt es bei mir und bei vielen anderen auf: Ein ganz „normales“ Leben an einem ganz „normalen“ Tag bietet viele Möglichkeiten, um unser Leben zu genießen. Das Einzige, was wir dazu brauchen, ist, dass wir uns dessen in dieser Situation bewusst werden. Dann können wir es auch genießen.
4.2.2 Exkurs: Weg 6: Gönne dir jeden Tag etwas Schönes
Sich jeden Tag etwas Schönes bewusst zu gönnen ist ein wunderbarer Weg und macht ganz viel Spaß. Zudem kannst du in dem Exkurs lesen, warum diese positiven Lebensaspekte unsere Widerstandsfähigkeit im Leben deutlich erhöhen: Exkurs 10 auf http://extras.springer.com.
4.2.3 Weg 7: Flow
Wie ging es dir mit den beiden letzten Wegen? Wie findest du dieses Thema, die positiven Gefühle im Hier und Jetzt intensiv zu spüren? Manche Menschen finden es wundervoll und andere Menschen können nur zum Teil etwas damit anfangen. Auch dies kann sich über die Zeit verändern. Ich war beispielsweise früher ein extrem rationaler Mensch. Alle Gefühle habe ich gleich im Kopf einsortiert und teilweise auch wegsortiert, statt sie zu fühlen. Jeder von uns ist, wie er ist, und diese Einzigartigkeit und Besonderheit macht auch jeden so wertvoll.
Du erinnerst dich noch an die weiter oben dargestellte Unterscheidung von Flow und Vergnügen. Martin Seligman stellt diese Unterscheidung deshalb so stark heraus, weil Flow auch denjenigen Menschen, deren Fähigkeit zum Erleben von Genuss nicht so stark ausgeprägt ist, einen weiteren Weg zu einem glücklicheren und zufriedeneren Leben ermöglicht. Außerdem beschreibt Martin Seligman sich selber auch immer wieder als griesgrämig 18 . Ich vermute, dass auch ihm persönlich deshalb Flow sehr bedeutend ist. Genau über diesen wichtigen Weg sprechen wir jetzt.
Was ist aber nun Flow genau? Kennzeichen von Flow ist, dass du ganz in der Situation aufgehst, die Außenwelt existiert nicht mehr, die ganze Aufmerksamkeit ist im Hier und Jetzt, keine Gedanken sind in der Zukunft oder in der Vergangenheit und du wunderst dich danach, wo die Zeit geblieben ist. Du merkst vielleicht erst danach, wie hungrig du inzwischen bist, wie sehr du eigentlich schon längst auf die Toilette musst oder vielleicht auch, dass dir der Rücken vom langen Sitzen wehtut. Flow kannst du in ganz verschiedenen Situationen erleben: beim intensiven Arbeiten, beim Spielen, beim Lesen, beim Kochen, beim Basteln, beim handwerklich etwas Herstellen, beim Tanzen, beim Suchen nach einer Lösung für eine knifflige Aufgabe, bei intensiven Gesprächen oder dem Interagieren in einer Gemeinschaft, bei sportlichen Aktivitäten und bei vielem anderen. Als ich mich vor vielen Jahren das erste Mal mit Flow beschäftigte, dachte ich mir, ich glaube, ich kenne das gar nicht. Das hatte ich wohl noch nie. Erst während der weiteren Beschäftigung mit diesem Konzept fiel mir auf, wo in meinem Leben überall Flow war. Auch dies war sehr unterschiedlich: beim Joggen, bei einem Vortrag, beim Lesen eines Buches, in einer intensiven Unterhaltung. Sollte es dir jetzt auch so gehen, dass dir in deinem Leben noch keine Flow-Beispiele einfallen, dann lies einfach weiter. Du hast sicher einige. Sie müssen auch nicht über lange Zeit gehen, manchmal sind es nur ein paar Minuten, die wir im Flow sind.
Auch wenn andere Forscher 19 Konzepte beschrieben haben, die Flow sehr ähnlich sind, so ist doch Mihály Csíkszentmihályi der Wissenschaftler, der diesen Begriff geprägt hat und untrennbar damit verbunden ist. Der Psychologieprofessor der University of Chicago mit dem schwer auszusprechenden Namen 20 , der inzwischen im Ruhestand ist und übrigens europäische Wurzeln hat, forschte sehr umfangreich zu Flow. Er befragte Tausende Menschen in ganz unterschiedlichen Kulturen rund um die Welt. Dabei gab es zwei Überraschungen: Wenn wir uns Aktivitäten ansehen, die Flow auslösen, dann sind diese sehr unterschiedlich: Um Extreme zu nennen, tritt Flow beim Langstreckenschwimmer bei der Durchquerung des Ärmelkanals genauso auf wie beim Schachspieler im Turnier oder dem Bergsteiger an der Steilwand. Erstaunlich war, dass trotz völlig unterschiedlicher Tätigkeiten Flow immer sehr ähnlich beschrieben wird. Die zweite Überraschung war, dass Flow unabhängig von Kultur, Bildung, Gesellschaftsschicht, Alter und Geschlecht ebenfalls gleich beschrieben wurde. Für Mihály Csíkszentmihályi zeichnet sich ein glückliches Leben vor allem dadurch aus, dass es Flow enthält 21 . Er plädiert dafür, die Anstrengungen des Lebens zu genießen, bereits den Weg dahin und nicht erst das Ziel. Das erinnert dich sicher an unser Wartezimmerthema (siehe Abschn. 3.5). So kommt er zu dem Schluss: „Nur die direkte Kontrolle der Erfahrung, die Fähigkeit, jeden Moment Freude an allem, was man tut, zu empfinden, kann die Hindernisse auf dem Weg zu einem erfüllten Leben überwinden.“ 22
Deine Fähigkeiten und die Anforderungen der Aufgabe sind in Balance: Du fühlst dich der Aufgabe gewachsen, sie ist herausfordernd, du bist jedoch weder über- noch unterfordert.
Du konzentrierst dich so stark auf das, was du tust, dass Handeln und eigenes Bewusstsein verschmelzen: Du bist so vertieft in die Aufgabe, dass sie (fast) automatisch abläuft, du verschmilzt mit der Aufgabe, sie wird mühelos, weil alles fließt. Das ist jedoch nur das Empfinden, tatsächlich kann die Aufgabe schwere körperliche Anstrengung oder große geistige Aktivität erfordern.
Die Aufgabe hat klare Ziele und
Du bekommst sofort eine Rückmeldung über dein Tun: Sowohl ein klares Ziel als auch unmittelbare Rückmeldung findest du z. B. beim Tennisspielen genauso wie beim Bergsteigen. Die Ziele und Rückmeldungen müssen nur für dich relevant sein. Ein Maler kann sehr wohl im Flow sein, während ein Zuschauer von außen weder das Ziel erkennt noch sicher sagen kann, ob die Pinselstriche nun gelungen oder unpassend sind.
Du handelst mit einer tiefen, aber mühelosen Hingabe, welche die Sorgen und Frustrationen des Alltagslebens aus dem Bewusstsein verdrängt: Denke noch einmal an den ersten Teil unseres Buches. Das Bewusstsein von uns Menschen hat einen sehr begrenzten Rahmen (20 bis 60 Bit/s, (siehe Abschn. 2.3) 24 . Wenn wir eine Aufgabe haben, die uns voll fordert, dann ist kein Raum mehr für Sorgen und Gedanken an Zukunft und Vergangenheit. In meinen Seminaren vergleiche ich das gerne mit dem Windsurfen. Ich liebe das Surfen und vor allem den Punkt, wenn das Surfbrett so schnell wird, dass es nicht mehr in Verdrängerfahrt im Wasser liegt, sondern mit einem Ruck auf die Wasseroberfläche gleitet. Du gewinnst ab diesem Punkt im Gleiten plötzlich deutlich an Geschwindigkeit und gleichzeitig wird das Halten des Segels viel leichter, weil du schneller mit dem Wind fährst. Leichter und schneller, das ist die Erfahrung, die vielen Surfern glänzende Augen bereitet. Mit Flow ist es genauso. Es gibt keine störenden Gedanken mehr, die dich parallel beschäftigen. Alle Sorgen sind irrelevant. Es zählt nur, was jetzt hier passiert, und da ist deine volle Aufmerksamkeit. Es geht leichter und schneller, es läuft einfach, es fließt!
Erfreuliche Erfahrungen machen es dir möglich, dass du das Gefühl der Kontrolle über die Situation erlebst: Genau genommen ist es die Abwesenheit der Sorge, die Kontrolle zu verlieren. Ein Tänzer beschreibt dies z. B. mit „Ich sorge mich nicht um Erfolg oder Misserfolg. Was für ein kraftvolles, warmes Gefühl das ist! (…) Ich fühle die enorme Kraft in mir, etwas Erhabenes und Schönes zustande zu bringen.“ 25
Deine Selbstwahrnehmung schwindet: Im Alltag denken wir sehr oft an unser Selbst, wir wollen gut dastehen, machen uns Gedanken, ob wir alles richtig machen, wie die Außenwelt uns sieht. Im Flow hat dies alles keine Bedeutung mehr. Wir werden eins mit der Aufgabe. Bergsteiger berichten, dass sie sich eins mit dem Berg fühlen, Läufer, dass sie eins mit der Gruppe werden, die zum Ziel läuft, Musiker, dass sie mit dem Orchester verschmelzen, und Chirurgen berichten, dass im Flow das ganze Team bei einer schwierigen Operation wie ein Organismus funktioniere. Interessanterweise taucht nach dem Flow-Erleben ein gestärktes Selbstgefühl auf, gewachsen mit verbesserten Fähigkeiten.
Dein Gefühl für Zeitabläufe verändert sich: Oft scheint die Zeit stillzustehen, Stunden können sich wie Minuten anfühlen. Es gibt selten auch das gegenteilige Phänomen: Beispielsweise berichten Balletttänzer, wie eine schwierige Position, die nur wenige Sekunden umfasst, sich bei Weitem deutlich länger anfühlt.
Mihály Csíkszentmihályi konnte nach Tausenden von Interviews und jahrelanger Forschung Flow so detailliert beschreiben. Was bei diesen acht Komponenten auffällt ist, dass positive Emotionen für Flow nicht erforderlich sind. Du bist im Flow so in dem, was du tust, dass kaum Emotion gefühlt wird. Es läuft einfach. Danach jedoch oder wenn du gestört wirst, dann fühlst du, wie grandios diese Erfahrung war. In diesem Buch geht es mir darum, dich zu inspirieren, die Dinge auszuprobieren, von denen du das Gefühl hast, dass sie für dein Leben wertvoll sind. Wenn du mehr Flow in dein Leben bringen willst, wie kannst du vorgehen?
Was sind die Voraussetzungen, damit Flow entstehen kann?
Die Tätigkeit sollte dir grundsätzlich Freude bereiten. Das ist in der Regel so. Es gibt auch Berichte z. B. von Fließbandarbeitern, die die Aufgabe eigentlich nicht machen wollten, dann jedoch trotzdem Flow verspürten. In der Regel ist es jedoch so, dass es etwas ist, was du grundsätzlich gerne machst. Und dann kommt der zweite Aspekt, der nahezu alle Aspekte oben verdichtet:
Die Aufgabe sollte so herausfordernd sein, dass du weder über- noch unterfordert bist. Das ist oben die erste der acht Komponenten. Nahezu alles andere geht dann daraus hervor.
Dann gibt es oben links einen Bereich „Angst“. Dies sind Aufgaben, die sehr herausfordern sind, für die jedoch deine Fähigkeiten noch nicht ausreichend entwickelt sind. Was hier entsteht, sind Angst und Panik. In der Mitte gibt es den wunderbaren Flow-Kanal. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass Fähigkeiten und Herausforderungen zueinander passen.
Lass uns das an einem Beispiel zeigen. Lena ist ein Mädchen, das anfängt Tennis zu spielen. Sie soll einfach nur Bälle über das Netz spielen. Das macht dem Kind Freude. Sie ist beim Punkt S1. Die Fähigkeiten sind noch gering, die Anforderungen auch. Das wären gute Ausgangsbedingungen für Flow. Müsste Lena schon jetzt mit einer fortgeschrittenen Gegnerin bei einem Turnier spielen, dann wäre Lena überfordert. Lena wäre dann beim Punkt S2. Vielleicht hätte sie in diesem Beispiel keine Angst, mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre sie jedoch frustriert und vielleicht würde sie sogar sagen, dass ihr das Tennisspielen keinen Spaß macht und ihr auch nicht liegt. Hier entsteht kein Flow.
Wenn Lena jedoch auf S1 weiter übt, dann wird sie besser. Wenn dann keine Steigerung der Aufgabe kommt und Lena weiterhin nur Bälle über das Netz schlagen darf, dann ist Lena am Punkt S3. Sie ist unterfordert und langweilt sich damit. Auch hier kann kein Flow zustande kommen. Bekommt sie jedoch nun eine Gegnerin mit ähnlichen Erfahrungen, dann landet sie schließlich bei S4. Was du hier sehr gut erkennen kannst, ist der Umstand, dass im Flow auch noch etwas anderes stecken kann, nämlich Wachstum. Wer öfter im Flow ist, bekommt mehr Übung und wird dadurch immer besser. Solange die Fähigkeiten den Anforderungen angemessen sind, solange kann Flow entstehen. Die Person bewegt sich im Flow-Kanal immer weiter nach rechts oben.
Flow ist ein tiefes Gefühl von Freude, das oft erst nach der Aktivität erlebt wird. Dieses Gefühl ist anders als die Freuden des Genusses, über die wir bei den Wegen 5 und 6 gesprochen haben. Es scheint so zu sein, dass wir durch unsere Tätigkeit etwas in welcher Form auch immer Lohnendes gemacht haben. Möglicherweise hat es uns weitergebracht, noch erfahrener in dem zu werden, was wir ohnehin schon kennen und können. Spürst du den Unterschied? Martin Seligman spricht von einer spannenden Analogie mit der Wirtschaft. Kapital definiert sich als Ressource, die nicht konsumiert, sondern für höhere Gewinne in der Zukunft investiert wird. Vergnügen ist wie konsumieren. Ein Glas Champagner, eine Massage oder ein 5-Gänge-Menü, all das kann Lustgefühle auslösen, die jedoch wieder verfliegen bzw. gegen die biologische Sättigung laufen. Sie werden konsumiert. Flow dagegen ist die Bildung von Kapital. Möglicherweise führt Flow zum seelischen Wachstum. Bei Flow geht es um die Tätigkeit selbst, nicht mehr um ein Ziel dahinter.
Die klassische Methode um Flow zu untersuchen ist die Erfahrungs-Stichproben-Methode (ESM, englisch: Experience Sampling Method). Sie ist sehr einfach. Die Teilnehmenden einer Studie bekommen einen Pager bzw. eine Handy-App und werden per Zufall verteilt über den Tag angepiepst und aufgefordert anzugeben, was sie in diesem Moment gerade denken, tun, wie engagiert sie dabei sind und welche Gefühle sie spüren. Dabei zeigt sich, dass Flow sehr unterschiedlich verteilt ist. Manche Menschen berichten häufig davon, andere erleben Flow sehr selten.
Mihály Csíkszentmihályi untersuchte beispielsweise Jugendliche 26 , von denen 250 häufig und weitere 250 selten von Flow-Erlebnisse berichten. Die Niedrig-Flow-Jugendlichen sahen viel fern und hingen viel in Einkaufszentren herum. Die Hoch-Flow-Teenager dagegen verbrachten viel Zeit mit ihren Hausaufgaben, ihren Hobbys und engagierten sich sportlich. In der Untersuchung zeigte sich, dass die Hoch-Flow-Jugendlichen bezüglich ihres psychischen Wohlbefindens (darunter auch Selbstwertgefühl und Engagement) deutlich besser abschnitten als die Niedrig-Flow-Gruppe. Interessanterweise dachten sie jedoch, dass die Jugendlichen der Niedrig-Flow-Gruppe mehr Spaß hätten als sie. Flow baut Fähigkeiten auf. Die Hoch-Flow-Kids erreichen eine bessere Ausbildung, sie haben eine tiefere Bindung zu Menschen und werden erfolgreicher sein.
Wie kannst du in deinem Leben Flow-Erfahrungen steigern?
- 1.
Beobachte dich selbst
Die folgenden Reflexionsfragen können dir helfen, mehr zu erfahren, was für dich Flow erzeugt. Wenn du weißt, was bei dir zu Flow führt, dann kannst du dies öfter tun. Jedoch ohne große Erwartung. Wenn Flow entsteht, ist es gut, wenn nicht, ist es ebenfalls gut. Sonst ist es ähnlich wie mit den Genusserfahrungen: Wenn du es erzwingen willst, dann funktioniert es meist nicht.
Reflexionsfragen
Welche Tätigkeiten machen dir Freude?
Wann erlebst du Flow?
Gibt es etwas, was bei dir Flow begünstigt oder verhindert?
- 2.
Bleibe im Flow-Kanal
Achte darauf, dass die Anforderungen zu deinen derzeitigen Fähigkeiten passen. Es gibt interessante Untersuchungen zur Aufmerksamkeit. Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass zu einfache Aufgaben dazu führen, dass unser Geist abschweift. Wir sind nicht mehr so gut in der Lage, zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen zu unterscheiden 27 . Bei zu schwierigen Aufgaben kommen wir genauso wenig in Flow. Versuche deshalb – soweit dies möglich ist – Aufgaben zu finden, die deine Aufmerksamkeit voll beanspruchen und dich dabei weder über- noch unterfordern. Je besser deine Fähigkeiten werden, desto anspruchsvollere Aufgaben kannst du wählen.
- 3.
Fokussiere deine Aufmerksamkeit
Es ist sehr erstaunlich, wie wenig wir oft bei der Sache sind. Dan Gilbert, ebenfalls ein Psychologieprofessor aus Harvard, untersuchte mithilfe einer App (trackyourhappiness.org), ob wir mit der Aufmerksamkeit gerade bei der Sache sind, die wir tun. Das funktioniert ganz einfach. Die App gibt ein Signal und die jeweilige Person beantwortet ein paar Fragen: was sie gerade tut, ob ihre Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist oder sie gerade an etwas anderes denkt und wie glücklich sie sich fühlt. Was glaubst du, wie viele Menschen sind nicht bei der Sache, die sie gerade tun? Die Antwort lautet, knapp die Hälfte (46,9 %). Dies bedeutet, dass wir die Hälfte der Zeit an etwas anderes denken, als im Hier und Jetzt zu sein. Die Forscher interessiert nun natürlich, was einen Einfluss auf das erlebte Glück hat. Es gibt zwar einen Einfluss der jeweils ausgeübten Tätigkeit auf das Glücksgefühl, die Unterschiede sind jedoch nicht so groß. Es gibt nur eine bedeutsame Ausnahme: Während Sex waren die Glücksgefühle deutlich höher. Den viel stärkeren Einfluss hatte die Aufmerksamkeit der Menschen: Das Glücksempfinden war deutlich stärker, wenn die Menschen bewusst bei der Aktivität waren, die sie gerade machten. Selbst wenn ihre Aufmerksamkeit zu sehr angenehmen Aspekten abgewandert war, fühlten sie sich nicht besser. Allerdings waren sie deutlich weniger glücklich, wenn sich ihr Geist mit neutralen oder negativen Themen beschäftigte. Dan Gilbert kommt so auch zu dem Schluss: Der menschliche Geist wandert gerne umher und ein umherwandernder Geist ist nicht glücklich 28 .
Wir werden dem Thema noch einmal bei der Meditation begegnen. Es fördert Glück, immer besser zu lernen, ganz bei der Sache zu sein, die du gerade tust. Zusätzlich fördert sie auch die Möglichkeit, in Flow zu kommen, was ebenfalls glücklich macht.
Falls du beispielsweise häufig Gespräche führst, übe dich darin, die Aufmerksamkeit vollständig deinem Gesprächspartner zu widmen. Beobachte, wie sich deine Gespräche entwickeln, wenn du wirklich ganz da bist.
Wenn du also stärker in Flow kommen willst, dann sei ganz bei der Sache. Konzentriere dich ganz auf das, was du vorhast. Wenn dein Geist abdriftet, dann ist das in Ordnung, hole ihn jedoch wieder zurück, sobald dir das auffällt. Es ist wie beim Windsurfen in der Verdrängerfahrt, du musst immer wieder korrigieren, das Segel und das Brett immer wieder korrigierend ausrichten, und plötzlich kommt eine Böe, dein Brett kommt ins Gleiten und schießt förmlich über das Wasser, leicht und schnell und du wirst zu einer Einheit mit dem Brett, dem Segel und den Elementen.
- 4.
Vermeide Störungen, die dich aus dem Flow reißen
Wir haben gesehen, dass sich Flow auch dadurch auszeichnet, dass die Außenwelt in unserer Wahrnehmung verschwindet. Wenn uns diese Außenwelt immer wieder aus dem Flow zurückreißt bzw. erst gar nicht ermöglicht, dass wir mit voller Aufmerksamkeit dauerhaft in unsere Aufgabe eintauchen, dann ist das eine deutliche Behinderung. Neben Kollegen und vielen anderen Einflussgrößen ist das in der heutigen Zeit vor allem unser Handy und bei der Arbeit am PC das E-Mail-Programm bzw. sonstige Apps. Wenn ich beispielsweise an diesem Buch arbeite, dann stelle ich mein Handy lautlos und lege es in einen anderen Raum. Studien deuten darauf hin, dass häufige Unterbrechungen der Konzentration beispielsweise durch eingehende Nachrichten oder Anrufe die geistige Leistungsfähigkeit deutlich verringern 29 . Vor allem reißen sie dich aus deinem Flow. Deshalb ist es bestimmt eine gute Idee, alle Störquellen auszuschalten, wenn du etwas konzentriert tun willst. Du bist schneller, du bist besser und du erhöhst deine Wahrscheinlichkeit beträchtlich, über eine längere Phase Flow zu erleben.
- 5.
Definiere Zwischenziele
Um in den Flow zu kommen ist es hilfreich Zwischenziele zu definieren. Selbst ein Bergsteiger hat nicht nur den Gipfel als Ziel. Mindestens unbewusst hat er verschiedene Abschnitte als nächste Ziele für sich definiert. Das hilft die Aufgabe schneller anzupacken. Trotz der Herausforderung wird sie lösbarer. Du gleitest leichter hinein und das begünstigt Flow.
- 6.
Magst du in deiner Freizeit Flow erleben?
Eine sehr häufige Freizeitaktivität vieler Menschen ist Fernsehen und Beiträge in sozialen Netzwerken zu schreiben und zu lesen. Jeder soll und darf tun, was für ihn richtig ist. Allerdings stellt sich dabei meist kein Flow ein. Diese Tätigkeiten sind auf der Abb. 4.1 ganz unten links angesiedelt. Sie erfordern keine großen Fähigkeiten und stellen auch keine Herausforderungen dar. Mihály Csíkszentmihályi nennt diesen Teil der Darstellung Apathie. Vielleicht hast du die Erfahrung ja auch schon gemacht: Du hast den ganzen Abend stundenlang ferngesehen, stehst dann auf, um ins Bett zu gehen, und fragst dich, wohin der Abend verschwunden ist. Was hat es dir gebracht? Hier ist zwar auch die Zeit vergangen, jedoch hast du, vergleichbar mit Stunden, die du in sozialen Netzwerken verbringst, danach nicht mehr Energie und bist danach auch nicht lebensfroher. Tatsächlich haben Forschungen gezeigt, dass beim Berieselnlassen vor dem Fernsehen die Stimmung oft sogar leicht depressiv wird 30 .
Achte deshalb darauf, wie du deine Freizeit verbringst, auch wenn andere Themen auf den ersten Blick attraktiver erscheinen 31 . Die Mischung macht es auch hier. Wenn du mehr Flow erleben möchtest, mache Dinge, an denen du Freude hast und die dich fordern.
- 7.
Lebe deine Stärken
Wenn du deine Stärken einsetzt, dann hast du sehr gute Voraussetzungen, in Flow zu kommen. Hier gilt alles, was wir weiter oben (siehe Abschn. 3.2) bereits besprochen haben.
- 8.
Behalte immer dein Leben als Ganzes im Blick
Wie bei allen Aspekten, so muss auch Flow in Balance zum restlichen Leben stehen. Wer nur noch liest oder sich nur noch im Hobbyraum aufhält, dabei Verabredungen vergisst, sich sozial isoliert, nicht mehr regelmäßig isst, der wird vermutlich trotz vieler Flow-Erfahrungen irgendwann zu dem Schluss kommen, dass dies kein geeignetes Lebenskonzept ist. Ich bin generell ein großer Befürworter von Balance, Vielseitigkeit und Ganzheitlichkeit. Das ganze Leben darf bunt und gut werden, dazu braucht es nicht ein Extrem. Meine Haltung ist, dass ein gelingendes Leben sich gerade durch den Mix an unterschiedlichen Aspekten in dem Maß auszeichnet, wie es sich für den jeweiligen Menschen richtig anfühlt. Dazu gehören sicher Flow, aber auch Genuss, Sinn, positive Beziehungen, Anstrengung, Wachstum und Erfolg.
4.2.4 Exkurs: Weg 8: Kein Grübeln oder warum Glück nicht ins Gedankenkarussell kommt
Du weißt noch aus der Einleitung, dass die Positive Psychologie nicht nur die positiven Dinge untersucht, sondern auch die negativen und hinderlichen Aspekte unseres Lebens. Grübeln ist so ein hinderlicher Aspekt für mehr Lebensfreude und deshalb ist dieser Exkurs für dich besonders hilfreich, wenn du zum Grübeln neigst. In dem Exkurs schauen wir uns die Forschungsergebnisse zum Grübeln an und vor allem, welche hilfreichen Gegenstrategien die Wissenschaft dazu anbietet: Exkurs 11 auf http://extras.springer.com.
4.3 Zukunft gestalten
4.3.1 Weg 9: Deine Lebensvision entwickeln und deine Lebensträume verwirklichen
Jeder Mensch hat eine ganz besondere Aufgabe; es werden dir alle Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die du brauchst. (Tom McCallum, spiritueller Führer der Metis)
Dieser Weg ist ein weiterer sehr mächtiger und kraftvoller Weg zu einem gelingenden und glücklicheren Leben. Ich erlebe bei meinen Seminarteilnehmern immer, wieviel Energie dieser Weg freisetzt und welche Freude und Zufriedenheit möglich werden.
Kleine und große Lebensträume
Lass uns mit den Lebensträumen starten. Hast du Lebensträume? Diese können so unterschiedlich sein wie wir Menschen sind. Manche sagen, ich möchte gerne einmal das Nordlicht sehen, Löwen in freier Wildbahn erleben oder an ein ganz bestimmtes Ziel reisen. Manche sagen, ich möchte gerne Kinder haben, ein Buch schreiben oder einen Oldtimer fahren. Überlege für dich einmal, welche Lebensträume du hast. Diese brauchen auch nicht so groß sein wie die oben genannten Beispiele. Vielleicht willst du unbedingt einmal bei einer bestimmten Sportveranstaltung dabei sein oder einen Künstler live erleben. Mach dir eine Liste dieser Ziele. Wenn dir kein einziger Lebenstraum einfällt, dann ist das genauso in Ordnung. Vielleicht bist du auch einfach so glücklich, wie und wo du gerade bist.
Wenn du deine Liste vor dir liegen hast, dann beachte zwei Aspekte. Der erste Aspekt ist folgender Rat: Verwirkliche deine Lebensträume! Genieße die Vorbereitung und die Umsetzung! Es gibt uns einen großen Energieschub, wenn wir unseren Herzensprojekten folgen. Oft (nicht immer) ist es sogar leichter als wir denken und wir müssen es nur anpacken. Das trifft insbesondere auf die kleineren Lebensträume zu. Wenn du deine Lebensträume realisierst, dann denke an den Weg 5 (Genuss). Genieße die Vorbereitung und die Verwirklichung in vollen Zügen. Erwarte auch nicht zu viel, sonst stellst du dir selbst ein Bein. Um im Beispiel oben zu bleiben: Du siehst dann das Nordlicht und denkst dir: „Mann, wo bleibt das Glücksgefühl, los, jetzt muss ich glücklich sein!“ So funktioniert es leider nicht. Sieh das, was du realisiert, als Geschenk an dich, mit Dankbarkeit, dass es dir möglich ist. Sieh es ruhig spielerisch und wie ein Kind mit großen Augen, das alles wie zum ersten Mal sieht.
Bei mir entwickelte sich in den letzten Jahren der Lebenstraum, die Forschungsergebnisse der Positiven Psychologie verständlich und anwendbar für diejenigen Menschen aufzubereiten, die mehr aus ihrem Leben machen möchten. Daraus entstand unter anderem dieses Buch. Für mich ist es grandios, einem solchen Lebenstraum zu folgen und ich fühle das Leben dadurch viel intensiver und bunter. Das ist meine erste Empfehlung an dich: Verwirkliche deine Lebensträume und genieße die Vorbereitung und Umsetzung.
Die zweite Empfehlung bringt dich in eine Reflexion über deine Lebensträume. Schau dir deine Liste an und überlege dir in Ruhe, warum du im Kern diesen Lebenstraum hast. Manche Lebensträume sind gar nicht unsere eigenen, sondern wir haben sie unreflektiert übernommen. Die Werbung sowie Strategien in den sozialen Medien können uns glauben machen, dass das neue Luxusauto oder die Luxushandtasche ein wirklicher Lebenstraum sind. Weißt du, was klasse ist? Da du das Buch nun bis hierhin gelesen hast, kennst du all die Mechanismen. Du weißt, wie lange solche Luxusartikel glücklich machen (Stichwort: Hedonistische Anpassung, siehe Abschn. 2.7), oder du kannst erkennen, für wen du es tust (Stichwort: „das Leben deiner Nachbarn leben“, siehe Abschn. 3.7). Das wirst du nun zunehmend feststellen: Aus allen diesen Einzelkapiteln wird für dich ein großes und klares Bild über dein gelingendes Leben. Übrigens geht es mir bei den Beispielen oben nicht um eine Wertung. Die kannst nur du abgeben und es kann wunderbar sein, ein tolles Auto zu fahren. Mir geht es darum, dass du hinter jedem deiner Lebensträume weißt, warum du diesen hast – damit du sicher sein kannst, dass es wirklich dein Traum ist, und damit du weißt, warum du ihn wirklich verfolgst. Der beste Kompass, den du hast, ist dein Gefühl und die Botschaften deines Herzens (siehe Abschn. 3.17). Wenn du das Gefühl hast, „mach es aus vollem Herzen, das fühlt sich stimmig an“, dann tu es. Auch hier gilt für mich die „permission to be human“. Du bist ein Mensch und darfst auch unvernünftig sein. Das Leben darf leicht sein und soll hier nicht „verkopft“ werden. Wenn du etwas machen willst, von dem du genau weißt, dass es dir nur darum geht, eine Person mit etwas zu beeindrucken, und du es trotzdem tun willst, dann tue es. Auch das kann Spaß machen. Wichtig ist mir, dass du ein Bewusstsein dafür hast. Dass du ehrlich weißt, um was es dir geht.
Liebe es und genieße es, deine Lebensträume Wirklichkeit werden zu lassen!
Deine Lebensvision entwickeln
Bislang haben wir uns über deine Lebensträume unterhalten. Im folgenden Schritt geht um dein ganzes zukünftiges Leben, wie darf es aussehen und was ist deine Sicht darauf? Dafür habe ich eine phantastische Übung für dich. Ich kenne bislang niemand, der diese Übung ernsthaft gemacht hat und danach nicht dankbar und sehr froh darüber war. Nur eins vorweg: Es ist ähnlich wie mit der Übung zu deinen Werten (siehe Abschn. 3.18), das geht nicht schnell mal in zehn Minuten. Da es um nichts weniger geht als um dein Leben, ist jede investierte Sekunde unglaublich wertvoll. Meine Bitte an dich ist, nimm dir diese Zeit. Du wirst dir selbst am Ende dafür dankbar sein.
Es geht darum, ein Bild davon zu entwickeln, wie dein Leben künftig sein soll. Schwarz-weiß gesprochen haben wir im Leben zwei Möglichkeiten: Entweder wir „leben so vor uns hin“, lassen uns treiben und reagieren einfach auf das, was passiert, oder wir haben ein klares Bild von dem, wie wir leben möchten, und verfolgen das. Im ersten Fall sind wir ein Boot, das vor sich hindümpelt und davon abhängig ist, woher der Wind kommt. Im zweiten Fall setzen wir die Segel und steuern. Selbst wenn uns der Wind massiv ins Gesicht bläst, können wir seine Kraft nützen und gegen den Wind kreuzen. Im ersten Fall sind wir oft passive victim, im zweiten Fall active agent. Im ersten Fall werden wir gelebt und im zweiten Fall leben wir. Wenn du ein glücklicheres und gelingendes Leben möchtest, dann solltest du wissen, was für dich ein glückliches und gelingendes Leben ausmacht. Du kennst aus dem ersten Buchteil deinen Wahrnehmungsfilter. Wenn du weißt, was dir wirklich wichtig ist, dann wird dein Filter dir diese Informationen aus der Umwelt auch ins Bewusstsein durchstellen. Wenn du weißt, was du möchtest, fängst du auch an danach zu suchen und die Wahrscheinlichkeit, dass es auch so kommt, erhöht sich beträchtlich. Du sparst sehr viel Zeit, denn du verfolgst nicht heute dies und morgen das, sondern kannst schnell entscheiden, was für dich richtig ist. Du kannst viel besser Nein sagen und das gibt dir Raum für das, was dir wirklich wichtig ist.
Übung: Entwicklung meiner Lebensvision
Wie erhältst du nun ein klares Bild deiner Lebensvision?
Die Schritte dorthin sind gar nicht so schwer. Sie benötigen jedoch in der Regel Zeit, weil du dich immer wieder fragen wirst: Was ist mir wirklich wichtig? Am Ende dieser Übung hast du buchstäblich ein Bild deines künftigen Lebens, das du erstellt hast und künftig ausgestalten kannst. Du kannst dir ein großes Blatt Papier nehmen und tatsächlich malen, du kannst jedoch auch eine Collage machen, indem du Bilder und Texte aus Zeitschriften ausschneidest. Manche machen es digital und verwenden Fotos aus dem Internet oder der eigenen Fotosammlung. Wähle die Art, die dir zusagt, es gibt hier kein Richtig und Falsch. Es soll zu dir passen und für dich am Ende ausdruckstark sein.
Bevor du in die Umsetzung gehst, helfen dir die folgenden Vorüberlegungen:
Schritt 1: Nimm in Anlehnung an den Abschn. 4.1.3 (Weg 3: Regelmäßiger Live-Check-up) die Liste deiner Lebensbereiche: Partnerschaft/Liebe, Familie und Großfamilie, Freunde, Beruf/Berufung/Stärken, Finanzen, Gesundheit/Fitness, Freizeit/Erholung, Wohnsituation, Wachstum/Lernen/Weiterentwicklung, Spiritualität/Religion, Sinn.
Überlege dir nun, wie dein Leben in diesen Bereichen aussehen soll. Hilfreich ist oft, eine Perspektive aus der Zukunft zu wählen: Stell dir vor, du bist 80 Jahre alt, wie soll dann dieser Aspekt deines Lebens zwischen dem jetzigen Zeitpunkt und deinem 80. Geburtstag gewesen sein, damit du freudig und lächelnd zurückblicken und sagen kannst: „Ja, das war ein gutes Leben, ich hatte ein glückliches und gelingendes Leben!“ Überlege dir die Aspekte für jeden einzelnen Lebensbereich. Fühle in dich hinein, ob es sich nach deinem eigenen Wunsch anfühlt oder vielleicht ein Wunsch anderer (z. B. Eltern, Gesellschaft, Medien, Werbung) ist. Gehe jeden Bereich durch und schreibe dir die Antworten am besten auf. Schreibe dir auch das Datum dazu. Es ist sehr spannend, wenn du dir das nach einem längeren Zeitraum erneut anschaust.
Schritt 2: Nun darfst du kreativ sein. Gestalte dein gelingendes Leben als Bild. Du hast alle Freiheiten. Es geht darum, dass du am Ende ein Bild hast, das dir gefällt und deine Lebensvision darstellt. Es soll ein Bild sein, mit dem du dich jeden Tag daran erinnerst, wie sich dein Leben entwickeln soll, ein Bild, auf das du dich freust und das du gerne siehst. Als ich diese Übung das erste Mal gemacht habe, hatte ich ein Bild mit vielen Dingen, die ich erreichen wollte. Ich schaute darauf und es fühlte sich unheimlich anstrengend an. Das war damals eine wichtige Erkenntnis für mich, da es genau mein Leben widerspiegelte. Ich hatte vergessen, in das Bild Entspannung, Relaxen und den Genuss der Schönheit des Lebens aufzunehmen. Als ich es entsprechend vervollständigt hatte, fühlte es sich für mich richtig an, da die Balance zwischen Anstrengung und Entspannung enthalten war. Nur du kannst entscheiden, was für dein gelingendes Leben richtig und wichtig ist. Achte auf jeden Fall auf dein Gefühl. Du solltest dieses Bild aus ganzem Herzen mögen.
Wenn du der ganzen Übung noch das i-Tüpfelchen geben möchtest, dann überlege dir einen Spruch oder ein bis zwei Wörter, die dein Leben beschreiben. Es ist eine Art Slogan gemeint, den du gerne als Überschrift für dein künftiges Leben nehmen möchtest. Das ist nicht ganz einfach, vielleicht fällt dir jedoch ein passender Spruch ein.
Du wirst nach der Übung merken, wie „sortiert und aufgeräumt“ du dich fühlst. Du hast eine „Landkarte“ davon, wie sich dein Leben entwickeln soll. Ich empfehle dir, dich regelmäßig mit deinem Bild zu beschäftigen. Ich habe mir zum Beispiel mein Bild ins Büro gehängt. Seminarteilnehmer haben mir erzählt, dass sie ihr Bild auf dem Handy als Hintergrundbild nutzen. Ich sage dir nicht, dass dein Leben sich auch exakt so entwickeln wird. Allerdings hast du nun deinen Leitstern, anhand dessen du die Entscheidungen in deinem Leben treffen und die Dinge in deinem Leben wahrnehmen kannst. Aus dem zweiten Kapitel kennst du die Mechanismen, die dann am Ende die Wahrscheinlichkeit beträchtlich erhöhen, dass sich dein Leben deiner Vision entsprechend verändert.
Ich leite aus meinem Bild jährlich meine Top-5-Ziele für das Jahr ab. Jeden Morgen, bevor ich in den Arbeitstag starte, schaue ich mir diese Top 5 an und überlege mir, wie ich diesen Tag hierfür nutzen kann. Dies gibt mir Klarheit und Bewusstheit und macht mein Leben viel intensiver.
4.3.2 Weg 10: Ziele setzen
Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Was wir können und möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen. So verwandelt ein leidenschaftliches Vorausergreifen das wahrhaft Mögliche in ein erträumtes Wirkliches. (Johann Wolfgang von Goethe)
Ziele zu setzen, zu verfolgen und zu erreichen ist ein wichtiges Thema, wenn wir uns mit Lebenszufriedenheit und Glück beschäftigen. Du kennst folgenden Effekt sicherlich aus deinem Erleben: Wenn du ein Ziel erreicht hast und sagen kannst: „Ja, ich habe das geschafft!“, dann gibt dir das ein gutes Gefühl. Je größer und schwieriger das Ziel war, umso länger und anhaltender ist dein positives Erleben. Es ist das Erleben von Selbstwirksamkeit. Auch wenn es kleinere Dinge sind, die du erreicht hast, erkenne deine Leistung an. Klopf dir einfach auch mal selbst auf die Schulter, damit deiner Aufmerksamkeit nicht entgeht, was du alles erreichst.
Ziele ermöglichen befriedigende soziale Beziehungen zu anderen Menschen, sie helfen uns unsere Zeit besser einzuteilen und steigern unser Selbstwertgefühl 32 . Ziele zu haben sortiert das Leben, Ziele geben dem Leben Energie und Richtung. Du weißt, wofür du jeden Morgen aufstehst. Je mehr wir mit unseren Zielen das verwirklichen möchten, was uns im Innersten wichtig ist, umso mehr und umso länger wirkt sich dieser Weg auf unsere Lebenszufriedenheit und unser Lebensglück aus.
Positive Gefühle (dass wir uns richtig gut fühlen, Lust, Ekstase, Wärme, siehe Weg 5: Genuss, siehe Abschn. 4.2.1),
Engagement (gemeint ist damit Flow, also ganz in einer Aufgabe aufzugehen, siehe Weg 7: Flow, siehe Abschn. 4.2.3) sowie
Sinn (zu einer Sache, die größer ist als man selbst ist, zu gehören und ihr zu dienen, siehe Weg 22: Sinn, siehe Abschn. 4.5.6).
Zielerreichung wurde eine der tragenden fünf Säulen seiner Theorie. Auch das Ziel dieser neuen Theorie und der gesamten Positiven Psychologie wurde von Martin Seligman neu definiert: Das Ziel ist Aufblühen. Menschen soll es möglich sein, durch die Verstärkung positiver Gefühle sowie von Engagement, Sinn, positiven Beziehungen und Erfolg, aufzublühen 34 . Dieses Ziel spricht mir voll aus dem Herzen. Ist es nicht grandios, wenn es eine Wissenschaft gibt, die Menschen darin unterstützt, voller Freude, Energie und gleichzeitig Zufriedenheit das Beste aus sich zu machen, sich zu entwickeln und zu wachsen und dabei Sinn und Glück zu empfinden?
Es gibt eine große Anzahl Forschungsarbeiten, die sich mit Zielerreichung und deren Auswirkungen auf unsere Lebenszufriedenheit beschäftigt haben 35 . Die Wissenschaftler hat interessiert, ob alle Ziele gleichermaßen unsere Lebenszufriedenheit und unser Lebensglück erhöhen.
Gibt es Ziele, die langfristig glücklicher machen als andere?
Die Forscher unterteilten dazu Ziele in verschiedene Kategorien und untersuchten, welche dieser Kategorien langfristig glücklicher und zufriedener machen und welche nicht.
Kompetenzziele: eigene Kompetenzen ausbauen, persönliche Entwicklung, eigene Stärken einsetzen und etwas aus eigener Kraft erreichen (das, was bereits kleinste Kinder zeigen: „Ich machen!“, Beispiele sind: eine Fremdsprache lernen, den eigenen Arbeitsbereich in drei Monaten ohne fremde Hilfe komplett beherrschen, Einfühlungsvermögen in andere steigern);
Generative Ziele: persönlicher Beitrag für andere, zu einem größeren Ganzen und für künftige Generationen (z. B. seinen Kindern ein gutes Vorbild sein, Bäume pflanzen für eine lebenswertere Stadt, junge Menschen in deren Entwicklung unterstützen);
Nähe und Beziehung: dazu zählen Ziele, die auf Vertrautheit und enge wechselseitige Beziehungen ausgerichtet sind (z. B. Freunden helfen und ihnen sagen, wie wichtig sie einem sind, Freundschaften vertiefen, ein noch besserer Zuhörer werden);
Spiritualität: hierzu zählen alle Ziele, die über das eigene Selbst hinausgehen und mit dem Glauben der Menschen zusammenhängen (z. B. die Schöpfungskraft in allem zu erkennen, was uns umgibt, das eigene Verhältnis zu Gott vertiefen).
Diese Ziele sind eng mit höherer Lebenszufriedenheit verbunden und interessanterweise eng mit der Frage nach der tieferen Bedeutung unseres Seins verknüpft: Warum bin ich hier 37 ?
Wohlstand und Reichtum (diese Effekte kennst du bereits aus dem ersten Buchteil, siehe Abschn. 2.7 und 2.9);
Soziale Anerkennung (alle Ziele, die verfolgt werden, um von anderen anerkannt zu werden. Letztlich ist dies nicht verwunderlich, denn je mehr jemand die Anerkennung von anderen braucht, umso mehr fehlt ihm die eigene Anerkennung sich selbst gegenüber);
Macht und Einfluss (alle Ziele, die nur der Macht und des Einflusses wegen verfolgt werden). Nicht gemeint ist hier der Einsatz von Macht und Einfluss für höhere Ziele (z. B. das Wohl künftiger Generationen);
Unabhängigkeit (zu meinen, niemand anderen zu brauchen (das entgegengesetzte Ziel von „Nähe und Beziehung), hiervon ist das förderliche Konzept von Autonomie fein zu trennen („Ich lebe und entscheide in Einklang mit meinen Werten“), das hiermit nicht gemeint ist);
Äußere Attraktivität (z. B. Schönheitsoperationen).
Hat dich etwas an diesen Ergebnissen überrascht? Nachdem du das Buch bis hierhin gelesen hast, wirst du vieles vermutet haben. Ich bin ein großer Fan der Wissenschaft. Sie macht es durch ihre Methoden möglich, psychologische Vermutungen zu ergründen und zu verstehen, was für die meisten Menschen funktioniert. Was jedoch für dein Leben passt und richtig ist, das kannst nur du entscheiden. Was für die meisten richtig ist, muss nicht zwingend auch für dich richtig sein. Das ist mir ein sehr wichtiger Punkt. Alle Ergebnisse der Wissenschaft sind wertvoll und wichtig. Sie sind es vor allem, damit du Unterscheidungen und Strukturen hast, um etwas für dich zu überlegen und zu erproben. Aber dann sollst nur du entscheiden, was du in deinem Leben umsetzt. Das soll und kann dir keine Wissenschaft vorschreiben. Das Einzige, zu dem ich dich ermutigen möchte, ist, die Dinge spielerisch auszuprobieren, zu erproben und zu beobachten, was für dich sinnvoll ist und sich richtig anfühlt.
Wenn du deine Lebensvision, wie im letzten Kapitel beschrieben, erarbeitet hast und sich diese auch dann noch stimmig anfühlt, wenn du dir vorstellst, du bist 80 Jahre alt und schaust auf dein Leben zurück, dann hast du eine sehr gute Grundlage, um davon deine Ziele abzuleiten. Wenn deine Ziele zu deiner Lebensvision passen, dann bist du richtig unterwegs.
Die Psychologie hat weitere wichtige Unterscheidungen erarbeitet, mit denen du deine Ziele „abklopfen“ kannst.
Fünf wichtige Unterscheidungen, um durch Ziele glücklicher zu werden
Intrinsische oder extrinsische Ziele: Intrinsisch ist dein Ziel dann, wenn es aus dir selber kommt, d. h. wenn du es dir gesetzt hast und es dir wichtig ist. Extrinsisch bedeutet, dass du das Ziel von außen übernommen hast: Du arbeitest an dem Projekt, weil du dafür Geld bekommst, oder du studierst Medizin, weil deine Mutter es will. Extrinsische Ziele sind nur „Mittel zum Zweck“, wir würden sie gar nicht verfolgen, wenn nicht dahinter Geld, soziale Anerkennung oder die Angst vor Strafe stecken würde. Wissenschaftliche Studien belegen auch wenig überraschend die Schlussfolgerung, dass uns intrinsische Ziele Freude machen und zur Lebenszufriedenheit beitragen, während dies die extrinsischen Ziele nicht ermöglichen. Die Untersuchungen konnten zudem nachweisen, dass Menschen, die stark extrinsische Ziele verfolgen, weniger Selbstvertrauen, weniger Selbstverwirklichung und eine geringere Lebenszufriedenheit zeigen 39 .
Authentische oder nicht authentische Ziele: Authentisch sind Ziele dann, wenn sie zu deinen Werten und zu deiner Persönlichkeit passen und damit im Einklang stehen. Zu deinem Lebensglück und zu deiner Zufriedenheit tragen nur die authentischen Ziele bei 40 . Aus diesem Grund ist auch so hilfreich für dich, dir deiner Werte bewusst zu sein (siehe Abschn. 3.18). So kannst du noch schneller entscheiden, ob ein Ziel authentisch zu dir passt.
Annäherungsziele oder Vermeidungsziele: Wenn eine Schülerin für die Schule lernt, will sie zeigen, was sie kann, und eine möglichst gute Note erreichen oder will sie eine Fünf oder Sechs vermeiden? Ziele lassen sich sowohl als Annäherungs- als auch als Vermeidungsziel formulieren. Du kannst das Ziel haben, gegenüber deiner Führungskraft nicht mehr so unsicher aufzutreten (Vermeidungsziel) oder ihr gegenüber Selbstvertrauen zu zeigen (Annäherungsziel). Menschen, die Vermeidungsziele verfolgen, sind weniger glücklich, weniger gesund und eher gestresst. Selbst die Partner von Menschen mit Vermeidungszielen sind weniger zufrieden als die Partner von Menschen mit Annäherungszielen 41 . Es lohnt sich daher, deine Ziele nach diesem Aspekt zu überprüfen und ggf. neue zu formulieren.
Harmonische oder widersprüchliche Ziele: Dahinter verbirgt sich die Frage, ob deine Ziele zusammenpassen und integrierbar sind. Wenn du das Ziel hast, ein Restaurant zu eröffnen, und gleichzeitig das Ziel, jedes Wochenende und abends frei zu haben, dann könnte das schwierig werden. Nicht alle Zielkonflikte sind so offensichtlich wie dieser und viele Menschen sind nicht so weit wie du nach der Übung in diesem Kapitel und haben einen Überblick über ihre Ziele. Sie werden durch widersprüchliche Ziele unglücklich und sind sich der Widersprüchlichkeit oft gar nicht richtig bewusst. Oft geben sie am Ende gleich beide sich widersprechenden Ziele auf. Der wichtigste Aspekt ist, dass du dir dessen bewusst bist. Dann kannst du entscheiden, ob du nur ein Ziel davon verfolgst (besser eins aufgeben als beide) oder ob du eine Strategie entwickelst, vielleicht doch beide Ziele zu erreichen. Um im Beispiel zu bleiben eröffnest du dann vielleicht kein klassisches Restaurant, sondern übernimmst eine Schulkantine.
Auf Aktivitäten oder auf Umstände ausgerichtete Ziele: Was macht glücklicher: Aktivitätsziele (Flüchtlinge unterrichten, sich mit Kunst beschäftigen, regelmäßig mit den Enkeln einen Tag verbringen) oder Ziele, die die Lebensumstände verbessern (einen neuen Fernseher kaufen, ans Meer ziehen)? Forschungen 42 zeigen, dass die Aktivitäten länger glücklich machen als die Veränderung der Umstände. Du kannst dir die Erklärung bestimmt schon denken: auch veränderte bessere Umstände machen erst einmal glücklich, doch die hedonistische Anpassung (siehe Abschn. 2.7) führt schnell zur Gewöhnung. Statt uns über das Haus in der Nähe zum Strand zu freuen, wünschen wir uns nun ein größeres Haus mit uneingeschränktem Meerblick.
Ziele ändern sich im Laufe des Lebens und auch unsere Möglichkeiten ändern sich. Vielleicht haben wir in höherem Alter mehr Möglichkeiten zu reisen, da die Kinder aus dem Haus sind und wir Zeit und Geld dafür haben, oder wir haben evtl. weniger Möglichkeiten, wenn eine körperliche Beeinträchtigung uns einschränkt. Da sich unsere Rahmenbedingungen ändern können, ist es wichtig, dass wir unsere Ziele flexibel und angemessen anpassen können. So wie ein regelmäßiger Life-Check-up (siehe Abschn. 4.1.3, Weg 3) zumindest einmal jährlich sinnvoll ist, so ist es sehr lohnend, deine Lebensvision und deine wichtigsten Ziele regelmäßig zu überprüfen. Einmal jährlich ist aus meiner Sicht ein guter Rhythmus und die Zeit um den Jahreswechsel bietet sich für viele Menschen hierzu an.
Übung: Meine fünf wichtigsten Ziele
Schreibe dir deine derzeitigen wichtigsten Ziele auf und vergleiche sie dann mit deiner Lebensvision. Sind alle wichtigen Bereiche deines Lebens abgedeckt? Passen deine Ziele zu deiner Vision? Achte darauf, dass deine Ziele wie deine Lebensvision ausbalanciert sind. Oft fehlen bei den Zielen Aspekte wie Entspannung/Relaxen, Genuss und Freude, Aspekte, die zu Vitalität und Wohlbefinden beitragen. Prüfe, ob deine Ziele diese Aspekte enthalten bzw. für dich ein eigenes Ziel hierfür sinnvoll und stimmig ist.
Leite dann deine Top-5-Ziele für das restliche Kalenderjahr ab und schreibe sie auf. Ich mache mir dazu gerne eine Mindmap und male dann jedes Ziel mit einer anderen Farbe an. Wichtig ist nur, dass du diese fünf Ziele in anschaulicher Weise festhältst, sodass du gerne wieder draufschaust.
Trifft mindestens eine Zielkategorie unten für dein Ziel hier zu? | Treffen alle unten aufgeführten Kategorien für dein Ziel zu? |
---|---|
□ Kompetenzziel □ Generatives Ziel □ Nähe- und Beziehungsziel □ Spirituelles Ziel | □ Intrinsisches Ziel □ Authentisches Ziel □ Annäherungsziel □ Harmonisches Ziel □ Aktivitätsziel |
Die Unterscheidungen sind sehr hilfreich, um sie mit deinen Zielen abzugleichen. Bedenke, dass dies alles nur Hilfsmittel zu deiner Reflexion und Bewusstwerdung sind und keine Gesetze. Ich hatte z. B. einmal das Ziel, eine lang ersehnte Reise zu machen. Da hatte ich rechts alle 5 Kategorien, jedoch links keinen einzigen Treffer. Das ist auch eine Erkenntnis: Die Reise ist ein Geschenk an mich und nicht an andere. Natürlich habe ich die Reise gemacht und das war auch genau richtig so. Was ich dir damit zeigen möchte ist, dass du gut daran tust, dir all dieser Themen bewusst zu werden. Mache dann allerdings das daraus, was für dich stimmig und richtig ist. Das bringt dir noch mehr Glück und Freude in dein Leben.
Um deine Ziele zu erreichen ist es sehr hilfreich, den Prozess, wie du zu deinem Ziel kommst und wieviel Freude dir dies macht, zu visualisieren und dir mit allen Sinnen vorzustellen. Den Weg zu visualisieren ist noch wirkungsvoller als sich nur den Erfolg beim Erreichen des Ziels vorzustellen 43 . Spitzensportler wenden diese Techniken schon sehr lange an. Wenn du dich noch vertiefter zu Techniken zur besseren Zielerreichung informieren willst, gibt es dazu jede Menge Ratgeber. Wenn deine Ziele mit deiner Lebensvision und mit deinen Werten stimmig sind, hast du sicher schon mehr als die halbe Miete. Dann wirst du Freude an der Verwirklichung deiner Ziele haben und das wird dich auch viel näher an den Erfolg führen.
Mir ist es wichtig, dir diesen Weg aufzuzeigen, denn Ziele zu verfolgen ist eine weitere gute Möglichkeit zu mehr Lebensfreude und es gibt wichtige Unterscheidungen, die dir helfen, solche Ziele zu verfolgen, die am Ende auch zu mehr Freude führen.
4.3.3 Weg 11: Optimismus – die geheime Strategie für mehr Lebensfreude und mehr Gesundheit
Dieser 11. Weg kommt so alltäglich daher. Optimismus, denkst du dir vielleicht, ja, das ist vermutlich für ein glücklicheres und erfolgreicheres Leben sinnvoll. Vielleicht überrascht dich jedoch, was die Wissenschaft dazu herausgefunden hat und wie differenziert Optimismus betrachtet werden kann. Dieses Thema ist viel umfassender, als wir es in der Regel vermuten. Lass uns gleich einmal mit ein paar Ergebnissen der Forschung beginnen. Was meinst du: Leben optimistische Menschen länger?
Jedes Jahr kommen Tausende Menschen in die Mayo-Klinik in Minnesota, um ihre körperlichen Krankheiten behandeln zu lassen. Bei der Aufnahme erhalten die Patientinnen und Patienten verschiedene Fragebögen, darunter auch einen, der Optimismus misst. Nun haben die Forscher diese Daten von 839 Personen, die vor über 30 Jahren dort behandelt wurden, analysiert. Das erstaunliche Ergebnis war, dass die optimistischen Menschen 19 % länger lebten als die prognostizierte Lebenserwartung 44 .
In einer anderen Studie wurde an über 1 300 Männern untersucht, ob Optimismus bzw. Pessimismus Auswirkungen auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. Die Männer wurden durchschnittlich über zehn Jahre hinweg untersucht. Dabei wurden auch klassische Risikofaktoren und deren Einfluss erfasst wie z. B. Rauchen, Bluthochdruck, Alkoholkonsum und Übergewicht. Zur weiteren Kontrolle wurde auch das Maß des Empfindens von Angst, Feindseligkeit und Depression gemessen. Auch hier zeigten sich erstaunliche Ergebnisse: Wenn man die Männer in drei gleich große Gruppen einteilt (optimistisch, durchschnittlich und pessimistisch), dann zeigt sich, dass die optimistischen Männer 25 % weniger oft an Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten als die Männer mit durchschnittlichem Optimismus. Die pessimistischen Männer wiederum erkrankten deutlich häufiger als der Durchschnitt 45 . Als Martin Seligman 120 Männer untersuchte, die bereits einen Herzinfarkt hatten, kam er zu vergleichbaren Ergebnissen. Nicht die gewöhnlichen Risikofaktoren und nicht einmal das Ausmaß der Schädigung des Herzens durch den ersten Herzinfarkt konnten das Risiko für einen zweiten Infarkt ausreichend vorhersagen. Nur Optimismus war aussagefähig. Nach achteinhalb Jahren waren 15 der 16 am stärksten pessimistischen Männer an einem weiteren Herzinfarkt gestorben. Bei den 16 optimistischen Männern waren es fünf 46 . Eine Untersuchung reiht sich an die andere mit immer der gleichen Aussage: Optimisten leben länger 47 . Dagegen haben Menschen mit einem starken Gefühl von Hilflosigkeit eine höhere Sterberate. Dies gilt insbesondere für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und in geringerem Maße für Krebserkrankungen 48 .
Aber weißt du, was das Beste daran ist? Optimismus unterstützt nicht nur körperliche Gesundheit, er schützt uns nicht nur gegen Depressionen bei Schicksalsschlägen und führt nicht nur zu besseren Arbeitsergebnissen. Das Beste könnte schon sein, dass Optimismus zu viel mehr Lebensfreude und -glück führt. Das aus meiner Sicht jedoch wirklich Beste ist, dass Optimismus gelernt werden kann 49 . Optimismus lässt sich nachweislich erhöhen und die positiven Auswirkungen auf die Gesundheit lassen sich wissenschaftlich belegen 50 .
Verschiedene Arten der Attribution bei Erfolg und Misserfolg 51
Personalisierung | Dauerhaftigkeit (Permanenz) | Geltungsbereich | |
---|---|---|---|
Möglichkeit A | In mir liegt die Ursache | Die Ursache ist dauerhaft | Die Ursache betrifft alle Lebensbereiche |
Möglichkeit B | Die Ursache liegt in der Außenwelt, bei anderen | Die Ursache ist vorübergehend, nur jetzt gerade | Die Ursache betrifft nur einen Bereich |
Attribution am Beispiel von Misserfolg
Personalisierung | Dauerhaftigkeit (Permanenz) | Geltungsbereich | |
---|---|---|---|
Wenn Tina eine Pessimistin ist, dann schreibt sie ihren Misserfolg gemäß Muster A zu | „Ich habe es wieder mal nicht gecheckt, ich kann es einfach nicht“ | „Es wird sich nie etwas ändern“ | „Ich bin einfach dumm, ich kann einfach nichts, nicht nur in Deutsch, sondern generell“ |
Wenn Tina eine Optimistin ist, dann schreibt sie ihren Misserfolg gemäß Muster B zu | „Der Lehrer mag mich einfach nicht, nur ihm gefällt nicht, wie ich schreibe“ oder „Wäre ich nicht die ganze Zeit durch die Klasse nebenan abgelenkt worden, dann wäre es viel besser geworden“ | „Mit der Aufgabenstellung hatte ich dieses eine Mal Pech, das nächste Mal ist alles wieder gut“ | „Ich bin generell eine gute Schülerin, wenngleich Deutsch für mich immer wieder eine Herausforderung sein kann“ |
Bei Erfolg ist es genau umgekehrt und ich mache das jetzt mal im Beispiel schwarz-weiß: Die Optimistin sagt bei Erfolg: „Klar, das liegt an mir, ich habe das erreicht (Personalisierung). Ich bin eben erfolgreich, das ist immer so (Permanenz). Ich bin eben ein Erfolgstyp, in allem was ich anpacke (Geltungsbereich). Hat dagegen die Pessimistin Erfolg, dann verfährt sie nach Muster B: „Ich hatte einfach Glück (Personalisierung), leider ist das nur dieses eine Mal so (Permanenz). Wenn es nur in anderen Bereichen meines Lebens auch einmal so laufen könnte (Geltungsbereich). Das sind die Reinformen einer pessimistischen oder optimistischen Sicht. Du kannst dir das vorstellen wie drei Regler, die mal oben und mal unten stehen. Natürlich gibt es eine Menge Kombinationen. Ich kann sagen, der Lehrer (Personalisierung) mag mich heute (Permanenz) irgendwie nicht, vielleicht ist er einfach schlecht drauf, oder ich kann sagen, der Lehrer mag mich generell (Permanenz) nicht. Ich kann auch sagen, alle Lehrer mögen mich nicht (Geltungsbereich). So gibt es verschiedene Varianten zu den beiden Reinformen A und B.
Wenn du dich an das zweite Kapitel erinnerst, dann weißt du, dass diese Zuschreibungen sehr individuell sind und nach unserer Wahrnehmung (und deren Fehlern) und unseren Bewertungen passieren. Es gibt keine Wahrheit, jeder bewertet in seinem Stil. Jedoch zeigen das Pygmalionexperiment und die selbsterfüllenden Prophezeiungen, dass unsere Zuschreibung unsere zukünftige Welt erschafft. Zudem sind wir Menschen und können unser Denken und Fühlen beobachten und – das ist das Allerbeste – Einfluss nehmen und dieses umwandeln. Genau dadurch ist es möglich, unsere Zuschreibungen zu verändern. Nicht damit wir eine rosarote Brille aufsetzen, sondern damit wir hinterfragen, ob unser eingeschliffenes Muster (du erinnerst dich auch an die „Autobahnen“ im Gehirn und die Wahrnehmungstäuschungen) der Situation angemessen ist.
Wie kann ich optimistischer werden?
Martin Seligman hat eine bewährte Methode entwickelt, um Optimismus aufzubauen. Er nennt sie ABCDE-Methode 52 : Lass uns das auch an einem Beispiel durchspielen. Du willst eine größere Wohnung mieten, warst nun bereits bei der achten Wohnungsbesichtigung. Diesmal waren parallel noch geschätzt 20 weitere Interessenten gleichzeitig vor Ort und eben hast du die Nachricht erhalten, dass sich der Vermieter nicht für dich entschieden hat. Du bist völlig geknickt und denkst dir: „Ich bekomme nie eine Wohnung, das liegt an mir. Ich kann nicht überzeugen, was mache ich nur?“
A wie Ausgesetztheit: Du nimmst bei dir pessimistische Gedanken wahr. In unserem Beispiel: Nach der achten Wohnungsbesichtigung hast du immer noch keinen Erfolg.
B wie Befunde: Du denkst, dass es an dir als Person liegt. Du glaubst, du kannst keinen Vermieter von dir überzeugen.
C wie C(K)onsequenzen: Du fühlst dich frustriert und antriebslos. Warum sollst du dich noch anstrengen, wenn du ohnehin eine Absage bekommst? Niemand will dich, denkst du dir.
Beweiswürdigung: Was sind die echten Fakten? Das ist der achte Versuch. In deinem Bekanntenkreis gibt es bei der angespannten Wohnungssituation Fälle, die mehr als 20-mal abgelehnt wurden, bis es klappte. „Niemand will mich“ stimmt überhaupt nicht. Ich habe Freunde und eine nette Familie, die mich mag. Ich habe schon oft die Rückmeldung bekommen, dass ich sympathisch wirke. Die Fakten sprechen also komplett dagegen.
Alternativen betrachten: Es gibt meist einige Gründe, die zu einem Ergebnis führen können. Die Anzahl der anderen Wohnungssuchenden ist hoch, jedoch kann nur einem zugesagt werden, andere Menschen können ein höheres Einkommen nachweisen, vielleicht hatte ich gerade mit diesen ersten acht Vermietern Pech, weil die Chemie nicht sofort stimmte. Vielleicht sollte ich das nächste Mal nicht im „Schlabber-Look“ hingehen. Es geht nicht darum, die Realität schönzureden. Wenn du jedoch über die Vielzahl möglicher Gründe nachdenkst, dann erhältst du Ansatzpunkte für Verbesserungen (das nächste Mal ein Hemd anziehen) und deine bislang eingeschränkte Sicht weitet sich. Wenn du viele Gründe auf dem Tisch hast, kann es immer noch sein, dass es einfach an deinen mangelnden Fähigkeiten liegt und das ist für immer so. Allerdings wirst du in der deutlichen Mehrzahl der Fälle zu dem Ergebnis kommen, dass es nicht so ist. Du wirst feststellen, dass es nur in dieser Situation (Geltungsbereich), nur gerade zurzeit (Dauerhaftigkeit) so ist oder eben an äußeren Einflüssen (Personalisierung) liegt.
Entkatastrophisieren: Aus einem Thema eine Katastrophe machen, darin sind wir Menschen echt gut. In diesem Beispiel: „Mich mag niemand“. Ich kenne einen guten Verkäufer, der es einem schwierigen Kunden nicht recht machen konnte. Zwei Tage später ging ein Beschwerdebrief ein und dieser war auch noch an den Vorgesetzten der Chefin gerichtet. Seine Chefin kam jedoch erst weitere zwei Tage später aus dem Urlaub. Der Verkäufer konnte bis zum erlösenden Gespräch mit seiner Chefin kaum schlafen, er überlegte, ob er wirklich richtig im Job ist, wie er seine Wohnung abbezahlen sollte, wenn er jetzt gekündigt würde etc. Von außen wirkt das seltsam, jedoch sind wir – wir hatten das schon beim Thema Grübeln gesehen – nicht davor gefeit, uns in etwas zu verrennen. Hilfreich ist es, mit kühlem Kopf zu überlegen, was der worst case (schlimmste Fall), was der best case (beste Fall) und was der wahrscheinlichste Fall ist.
E wie Energiegewinnung: Wenn nun das Thema von allen Seiten beleuchtet ist und du die Sachlage wie ein Polizeibeamter nach Wahrheitsgehalt und Wahrscheinlichkeit analysierst hast, dann entsteht in der Regel neue Energie. Das ist Schritt E. In unserem Beispiel mit der Wohnungssuche verblassen die Apathie und die Resignation. Stattdessen weiß ich, dass bereits die nächste Wohnungsbesichtigung ein Erfolg sein kann. Gleichzeitig ist es bei der aktuellen Marktlage nicht unwahrscheinlich, dass noch einige Versuche vor mir liegen. Aber nur so gewinne ich. Zudem habe ich erkannt, dass es sinnvoll ist, mich besser zu kleiden, und ich werde mit meinem Freund noch weiter daran arbeiten, im Gespräch besser zu überzeugen. Darauf freue ich mich schon und neu sortiert gehe ich das Thema wieder an.
Übung
Nimm dir vor, die ABCDE-Methode auszuprobieren, wenn dich das nächste Mal ein pessimistischer Gedanke länger beschäftigt. Suche nicht danach, aber wenn etwas da ist, dann wende dieses Werkzeug an. Idealerweise machst du es schriftlich, das hilft dir, die Dinge vertiefter zu sortieren.
Optimismus lässt sich lernen. Am Anfang klingt das vielleicht alles noch etwas kompliziert, technisch und aufwendig, doch mit etwas Übung kannst du optimistisches Denken zu deiner Gewohnheit machen und sabotierende Gedanken frühzeitig erkennen und richtigstellen. Diese Methode hat übrigens nichts mit dem sogenannten positiven Denken zu tun. Beim positiven Denken geht es darum, ganz fest an Dinge zu glauben, auch wenn alle Beweise möglicherweise dagegensprechen. Hier geht es jedoch darum, nach Beweisen zu suchen und die Sichtweisen zu reflektieren. Der gleiche Sachverhalt kann pessimistisch oder optimistisch betrachtet werden. Der Optimismus führt jedoch zu einer viel höheren Wahrscheinlichkeit, dass wir aktiv werden und erfolgreich sind. Mit Optimismus können wir nicht nur die eingangs erläuterten Vorteile in unser Leben holen, sondern auch unser Leben besser gestalten.
Die gerade beschriebene Methode hat viel mit Reflektieren zu tun. Es passiert viel im Denken und dadurch entwickelst du mehr Optimismus. Es gibt allerdings noch eine sehr vielversprechende Methode, um Optimismus zu steigern und dich näher an deine wahren Lebensziele zu bringen. Diese Methode hat viel mit Schreiben zu tun, daher werde ich sie direkt im nächsten Kapitel darstellen.
4.3.4 Weg 12: Expressives Schreiben
Schreiben ist ein weiterer Weg zu mehr Lebenszufriedenheit, der auch unsere psychische und physische Gesundheit verbessern kann. Vielleicht hast du ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht. Wenn ich mich in meinem Leben zurückerinnere, habe ich das Schreiben vor allem dann benutzt, wenn es mir nicht gut ging. Damals hatte ich noch keine Ahnung von Psychologie und Wissenschaft, irgendwie habe ich es ausprobiert und festgestellt, dass es die Situation und meine Empfindungen verbessert. Ich erinnere mich beispielsweise als Jugendlicher mit Liebeskummer, wie hilfreich es war, mir alles „von der Seele zu schreiben“. Vielleicht kennst du ähnliche Erfahrungen zum Thema Schreiben. In diesem Kapitel wollen wir uns diese Möglichkeiten und die Ergebnisse der Wissenschaft hierzu näher ansehen.
mein traumatischstes Lebensereignis,
mein bestmögliches Ich in der Zukunft,
zu beiden Themen (jeweils eines für zwei Tage) und
ein nichtemotionales Kontrollthema (detailliertes Aufschreiben, was sie heute noch planen zu tun).
Die Ergebnisse zeigen, dass das Schreiben über „das bestmögliche Ich“ die Lebenszufriedenheit signifikant ansteigen ließ. Nach fünf Monaten wurden die Teilnehmenden noch einmal untersucht. Laura King fand, dass sich im Vergleich zur vierten Gruppe (Schreiben über ein nichtemotionales Kontrollthema) bei den Teilnehmenden der anderen drei Gruppen eine messbare Verbesserung der Gesundheit zeigte 53 . Schreiben kann somit die Gesundheit verbessern und das Wohlbefinden steigern.
Sonja Lyubomirsky wandelte diese Studie etwas ab und ließ die Teilnehmenden entweder zu ihrem Wunsch-Ich oder als Kontrollgruppe zu Details aus ihrem Alltag schreiben. Dies machten die Teilnehmenden einmal im Labor vor Ort, danach sollten sie es so oft und so lange sie wollten über vier Wochen zu Hause fortsetzen. Die Teilnehmenden, die darüber schrieben, wie sich ihr Leben idealerweise entwickelt, zeigten eine signifikante Steigerung in ihrem Wohlbefinden. Übrigens umso mehr, je interessanter und sinnvoller sie die Aufgabe fanden und je engagierter sie die Aufgabe durchführten 54 . Insgesamt lässt sich festhalten, dass es signifikant positive Gefühle und die allgemeine Zufriedenheit puscht, wenn man über sein bestmögliches Ich schreibt 55 . Und noch eins zeigen Untersuchungen: Über sein Wunsch-Ich in der Zukunft zu schreiben steigert deutlich den Optimismus 56 . Hier besteht nun die Verbindung zum vorhergehenden Kapitel. Während die ABCDE-Strategie stärker rational ist, gibt es eine spielerische Schwester dazu, die ich dir nun vorstellen werde und die direkt aus den wissenschaftlichen Studien 57 abgeleitet ist:
Übung: Deine bestmögliche Zukunft entwerfen
Nimm dir 20–30 min Zeit, um folgende Übung schriftlich zu machen:
Gehe in deiner Vorstellung fünf bis acht Jahre in die Zukunft. Stell dir vor, alles hat sich bestmöglich entwickelt. Du hast intensiv und erfolgreich an der Erreichung deiner Lebensziele gearbeitet. Denke und spüre, wie du in der Zukunft lebst, wenn alles genau so verläuft, wie du es dir wünscht. Beschreibe, wie dein Leben aussieht und wie dein Wunsch-Ich ist. Schreibe nun alles auf, was du dir dazu vorstellst.
Wiederhole die Übung regelmäßig, idealerweise sogar mehrmals wöchentlich. Natürlich wird sich vieles wiederholen, aber das Spannende daran ist, dass sich mit der Zeit ein für dich passendes und stimmiges Bild deiner Zukunft herauskristallisiert. Nütze am besten ein Notizbuch, in das du deine Zukunft schreibst.
Diese Übung ist ein wahrer Tausendsassa. Denn sie wirkt gleich in mehrere Richtungen. Sie führt zu positiven Emotionen und Optimismus mit allen weiteren positiven Folgen. Sie führt dich jedoch auch zu viel mehr Klarheit bezüglich deiner Zukunft. Wenn du an die Wege 9 und 10: „Lebensvision“ und „Ziele setzen“ denkst, dann ist dir klar, dass diese Übung wie geschaffen dazu ist, um langfristige Klarheit für dein Leben zu entwickeln. Aus dem ersten Buchteil kennst du die Mechanismen und die Macht der selbsterfüllenden Prophezeiungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich deine Zukunft so entfaltet, wird deutlich größer, weil sich deine Wahrnehmung entsprechend verändern wird und du plötzlich Möglichkeiten wahrnimmst und Ideen hast, die dir ohne diese Übung nicht bewusst werden würden. Außerdem entdeckst du immer mehr, was du alles selbst in der Hand hast. Mit dieser Übung bist zurück am Steuerrad deines Lebens.
Geh ruhig spielerisch an die Aufgabe heran und schreibe auch mal wilde Ideen auf. In fünf bis sieben Jahre kann viel passieren. Achte erstmal nicht so sehr auf das, was dein Verstand sagt, was machbar ist, sondern lass deinen Wünschen und Sehnsüchten freien Lauf. Schreibe auf, was dir einfällt und was sich für dich gut anfühlt. Schau an, was dich berührt und was du dir im innersten Kern für dein Leben und für deine Entwicklung wünschst. Mit der Zeit und mit der regelmäßigen Wiederholung der Übung wird dies alles klarer und klarer.
Ich habe selbst erlebt, wie mächtig diese Übung ist. Dass du dieses Buch in Händen hältst, hat beispielsweise ganz viel mit dieser Übung zu tun. Ich kann dir wirklich empfehlen, diese Übung über einen längeren Zeitraum und regelmäßig auszuprobieren. Du kannst unglaublich viel davon profitieren.
Wir haben uns nun mit dem Schreiben über eine wünschenswerte Zukunft beschäftigt. Am Anfang dieses Kapitels klang schon an, dass das Schreiben über Dinge, die uns belasten, für uns ebenfalls sehr hilfreich sein kann. Du hast in diesem Buch schon festgestellt, dass es zu bestimmten Themen oft einen Forscher gibt, der ganz eng mit einem Thema verbunden ist. Beim Schreiben ist dies der Psychologieprofessor James Pennebaker von der University of Texas in Austin. Er beschäftigte sich unter anderem damit, warum die einen Menschen, die ein Trauma erlebten, daran leiden und krank werden und die anderen nicht. Übrigens entdeckte er, dass es daran liegt, ob die Person davon erzählt, was hilfreich ist, oder sich möglichst nicht damit beschäftigen will. Über diesen Weg kam er auch zu dem Thema Schreiben und zur Forschung über dessen Wirksamkeit. Alles begann mit einem Experiment mit 46 Studierenden. James Peennebaker ließ einen Teil von ihnen zu einem traumatischen Erlebnis in ihrem Leben an vier aufeinanderfolgenden Tagen für 15 Minuten schreiben. Sie sollten je nach Gruppe hierzu die Fakten bzw. ihre Gefühle aufschreiben. Zudem gab es selbstverständlich eine Kontrollgruppe. Die Forscher waren überrascht, was diese Übung mit den jungen Menschen machte, die gesund und jung waren und keine äußerlichen Anzeichen für Probleme erkennen ließen. Viele verließen mit Tränen den Raum, kamen jedoch am nächsten Tag wieder, um weiterzuschreiben. Obwohl sich diese Teilnehmenden direkt nach der Übung schlechter fühlten, zeigten sich in den Wochen und Monaten danach bemerkenswerte Effekte. Den Teilnehmenden ging es besser und sie hatten weniger gesundheitliche Probleme als die Kontrollgruppe aus Studierenden, die über Belangloses (z. B. ihre Wohnzimmereinrichtung) geschrieben hatten 58 . Mittlerweile gibt es eine sehr große Anzahl verschiedener Studien, die die positiven körperlichen und psychischen Auswirkungen des expressiven Schreibens (so der Fachbegriff) nachweist. Es zeigt sich, dass sich die Gesundheit verbessert, die Teilnehmenden weniger ängstlich und depressiv sind und sich subjektiv deutlich wohler fühlen 59 . Selbst Studienleistungen wurden durch expressives Schreiben besser 60 und Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten, fanden durch das Schreiben schneller eine Wiederbeschäftigung 61 . Hättest du das gedacht? So große Auswirkungen haben bereits 10–30 min Schreiben an mehreren Tagen. Inzwischen ist die Anzahl der wissenschaftlichen Untersuchungen dazu im dreistelligen Bereich. Die Wirkung ist klar belegt. Ob dir dieser Weg liegt, kannst nur du entscheiden. Ich kann dir nur empfehlen, es auszuprobieren. Die Faktenlage der Forschung dazu ist eindeutig.
Übung: Expressives Schreiben
Zur Verarbeitung oder Klärung von Themen, die dich stark beschäftigen
Wenn du etwas zu einem Thema schreiben willst, dann nimm dir vier bis fünf Tage dafür vor. Sie müssen nicht zwingend aufeinanderfolgen. Manche wählen z. B. zwei bis drei Termine pro Woche. Plane es jedoch so, dass du nach diesen Tagen das Schreiben zu diesem Thema erstmal ruhen lässt. Es soll durchaus eine Intervention mit einem klaren Beginn und einem klaren Ende sein. Du kannst das Thema dann trotzdem nach ein paar Wochen noch einmal aufgreifen.
Gehe dann entsprechend der folgenden Anleitung 62 vor:
Gehe an einen ruhigen Ort, der für dich angenehm und sicher ist. Nimm dir 20–30 min Zeit, um dich mit deinen tiefsten Gefühlen und Gedanken zu einem Ereignis aus deinem Leben zu beschäftigen, das dich belastet oder aufwühlt. Egal, welches Ereignis du auswählst, wichtig ist, dass du deine Erwartungen loslässt und deine ehrlichen Gefühle und Gedanken erforschst. Schreibe kontinuierlich über die ganze Zeit und am besten ohne Unterbrechung. Lass dich einfach schreiben und kümmere dich nicht um Rechtschreibung, Grammatik oder Stil.
Wichtig für dich zu wissen ist, dass Menschen sich nach dieser Übung traurig fühlen können. Das ist normal und verschwindet in der Regel nach einigen Stunden wieder. Wenn du jedoch bemerkst, dass dich ein Thema extrem aufwühlt, dann höre auf zu schreiben oder wähle vorerst ein anderes Thema.
Schreibe darüber, was passiert ist, schreibe jedoch insbesondere darüber, was du hierzu tief in dir ehrlich fühlst und denkst.
Setze deinen Fokus auf deine Gefühle und deine Gedanken. Es geht nicht darum zu jammern (passive victim), sondern in dir zu erforschen, was das Thema bewirkt.
Schreibe (vielleicht an deinem letzten Schreibtermin) auch über das, was du daraus gelernt hast.
Mache die Übung nicht direkt vor dem Schlafengehen, da du sonst vielleicht zu aufgewühlt bist, um einzuschlafen
Achte darauf, dass du nach der Übung nicht ins Grübeln (siehe Abschn. 4.2.4) verfällst.
Wenn du therapeutische oder medizinische Hilfe benötigst, dann nimm diese in Anspruch. Setze Schreiben nicht als Ersatz dafür ein.
Wir haben gesehen, welche großartige Wirkung das Schreiben hat. Du kannst deine Vision für die Zukunft damit erschaffen und eine optimistische Grundhaltung erreichen, du kannst erlebte Belastungen damit auflösen. Du kannst Schreiben darüber hinaus auch nützen, um Freude und Begeisterung in deinem Leben festzuhalten. Wiederum kannst nur du entscheiden, was dir guttut. Ich kann dir nur empfehlen, Erfahrungen mit diesen lohnenden Übungen zu machen. Sie sind in dieser Form ein in der breiten Öffentlichkeit bislang wenig bekannter und ebenfalls vielversprechender Weg zu mehr Lebensfreude.
4.4 Zwischenmenschlich
4.4.1 Weg 13: Von den guten Dingen erzählen und aktiv-konstruktiv reagieren
Was machst du, wenn Dinge richtig gut laufen oder es dir richtig gut geht? Erzählst du es jemanden? Was machst du umgekehrt, wenn dir ein Freund mitteilt, was für einen Erfolg er hatte oder wie gut es ihm gerade geht? Wie reagierst du?
Mit diesen Fragen wollen wir uns jetzt beschäftigen und vor allem damit, was das mit deinem Glück zu tun hat. Denn auch in diesen alltäglichen Dingen steckt jede Menge Wirksamkeit für deine Lebenszufriedenheit und dein Lebensgefühl.
Forscher untersuchten, was bei Menschen pro Tag das positivste Ereignis war, und dann, ob sie jemandem davon erzählen. Was denkst du, wie oft wird mindestens einer anderen Person die beste Begebenheit des Tages mitgeteilt? Das Ergebnis war, dass dies im Schnitt über alle Menschen an rund 70 % der Tage erfolgt 63 . Doch die Forscher wollten noch mehr wissen. Sie interessierte, ob das Erzählen von einem positiven Erlebnis auch das Glücksgefühl und die Zufriedenheit der erzählenden Person erhöht, d. h. stärker erhöht, als das Ereignis dies ohne Erzählen ohnehin getan hat.
Die Untersuchungen hierzu bringen immer wieder die gleichen Ergebnisse: Menschen, die von ihren positiven Erlebnissen berichten, haben eine positivere Stimmung und eine höhere Lebenszufriedenheit. In der wissenschaftlichen Forschung wird das Erzählen von guten Dingen „Kapitalisierung“ genannt 64 . Macht das positive Erlebnis an sich schon glücklicher und zufriedener, so erhöht oder kapitalisiert das Erzählen diesen Effekt zusätzlich. Der positive Effekt des Kapitalisierens ließ sich auch in verschiedenen Kulturen nachweisen 65 . Je besser die Beziehungsqualität ist, umso stärker ist dieser Effekt.
Die erste Handlungsempfehlung, die wir daraus ableiten können, ist: kapitalisiere! Erzähle von den positiven Dingen und deinen Erfolgen. Erzähle es den Menschen, die sich mit dir freuen.
Du kennst sicher Menschen, die sich gerne mit dir freuen, und auch Menschen, die mit dem Erfolg und Glück der anderen nicht so gut umgehen können, schnell Neidgefühle entwickeln und vielleicht sogar negativ reagieren. Das liegt oft daran, dass diese Menschen ihre eigene Größe, ihre Einzigartigkeit und ihren Wert noch nicht erkennen können. Vermutlich wirst du solchen Menschen instinktiv nicht von deinen großartigen Momenten erzählen. Erzähle es denjenigen, die sich mit dir freuen.
Das führt uns zum zweiten wichtigen Punkt in diesem Kapitel: Wie reagierst du, wenn dir jemand etwas Positives erzählt, und welche Auswirkungen hat diese Reaktion?
aktiv oder passiv (Kategorie Intensität);
konstruktiv oder destruktiv (Kategorie Positivität).
Matrix zum aktiv-konstruktiven Reagieren
Auch wenn ich manche Beispielsätze überspitzt und das Beispiel klischeehaft beschrieben habe, so lässt sich jede Reaktion, die du auf Kapitalisierung erlebst, in eines der vier Felder einordnen. Shelly Gable interessierte nun, welche Auswirkungen jede dieser vier Reaktionsweisen auf Partnerschaften hat. Dabei stellte sich heraus, dass nur eine Variante eine deutlich positive Auswirkung auf Beziehungen hat: das aktiv-konstruktive Reagieren. Shelly Gable konnte zeigen, dass aktiv-konstruktives Reagieren zu hoher Zufriedenheit mit der Partnerschaft und ausgeprägtem Vertrauen und Intimität führt 68 . Je stärker eine der drei anderen Reaktionsmöglichkeiten ausgeprägt war, umso negativer war die Beziehung, nur aktiv-konstruktives Reagieren hängt mit einer positiven Beziehungsqualität zusammen.
In einer anderen Studie von Shelly Gable gab es ein weiteres spannendes Ergebnis. Sie untersuchte, was mehr über eine starke Beziehung aussagt: wie Paare streiten oder wie sie mit den positiven Dingen des Lebens umgehen. Hier zeigte sich, dass die Art und Weise, wie Paare mit den positiven Erlebnissen umgehen, die Qualität und die Stabilität der Beziehung viel besser vorhersagen kann. Das aktiv-konstruktive Reagieren auf die Erzählungen des Partners zu positiven Ereignissen ist auch hier der Schlüssel zu einer höheren Zufriedenheit mit der Beziehung, zu mehr Liebe und mehr Bindung 69 . Vereinfacht können wir sagen: Für Beziehung ist gelungenes gemeinsames Feiern entscheidender als gelungenes Streiten.
Nun haben wir viel über Beziehungen gesprochen. Was bedeutet es nun konkret für dein Glücksgefühl? Macht es für dich einen Unterschied, ob dein Gegenüber aktiv-konstruktiv reagiert oder in einer der drei weiteren Varianten? Auch diesen Aspekt haben die Forscher in einer Untersuchung unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich, dass die positiven Emotionen über einen mitgeteilten Erfolg mehr als doppelt so groß sind, wenn die Person ein aktiv-konstruktives Feedback bekommt, also ihr Gegenüber emotional mitschwingt und sich über das positive Ereignis freut 70 .
Erzähle anderen deine positiven Erlebnisse.
Erzähle deine Erlebnisse nicht Menschen, die sich dadurch herabgesetzt fühlen, sondern denjenigen, die sich mit dir freuen (und damit aktiv-konstruktiv reagieren).
Wenn dir jemand von positiven Dingen berichtet, die er erlebt hat, dann reagiere aktiv-konstruktiv. Dies vertieft eure Beziehung.
Du kennst mich nun ja schon recht gut. Ich würde dir nie raten, dich unauthentisch zu verhalten. In meinen Augen ist es nicht angebracht, eine psychologische Technik manipulativ anzuwenden, denn das führt zu keinen ehrlichen und tiefen Freundschaften und Beziehungen, die beide nähren. Allerdings könnte ich mir gut vorstellen, dass du mit allen Übungen dieses Buches selbst wächst und glücklicher wirst. Wenn du auf diesem Weg bist, erfreut dich auch immer mehr das Glück der anderen. Und genau dann wird es interessant. Dann lohnt es sich einfach, dein Glück mitzuteilen und dich ehrlich zu freuen, wenn es jemand anderem gut geht. Manchmal sind es nur die Gewohnheiten, die uns abhalten. Wir sind in etwas vertieft und unser Partner erzählt uns etwas Tolles: Statt zu reagieren, kümmern wir uns weiter um unsere Aufgabe und sind damit höchstens noch passiv-konstruktiv. Es lohnt sich, deinen Filter auf solche Momente zu programmieren, damit du mit diesen wertvoll umgehen kannst.
Das Beste daran ist, dass dies eine sich selbst verstärkende Aufwärtsspirale für deine Beziehungen in Gang setzt. Die Menschen werden dich mehr mögen und auch du wirst dich mehr mögen und das führt wiederum dazu, dass du noch stärker aktiv-konstruktiv reagieren wirst.
Lass uns all diese Erkenntnisse in konkreten Übungen erlebbar machen:
Reflexionsfragen
Wie reagierst du bislang, wenn dir jemand etwas Positives erzählt, das er erlebt hat?
Reagierst du bei verschiedenen Menschen unterschiedlich?
Hast du eine typische Reaktion, die in einem der vier Felder angesiedelt werden kann?
Frage die Personen, die dir nah sind, wie sie dich diesbezüglich erleben.
Übung 1: Die positiven Dinge erzählen
Diese Übung ist denkbar einfach. Wenn du positive Dinge erlebst, dann erzähle sie Menschen, die sich mit dir freuen.
Habe jedoch keine Erwartung an die Reaktionsweise. Das ist wirklich ein wichtiger Aspekt. Du kannst nur dein Verhalten verändern. Mir fällt dazu das Zitat von Mutter Teresa ein: „Wenn jeder vor seiner Tür kehrt, wird die ganze Welt sauber sein.“ Du siehst durch all diese Unterscheidungen viel klarer, sei also nachsichtig mit deinen Lieben, wenn sie sich nicht so verhalten, wie du es dir wünscht, denn sonst bist du nur enttäuscht. Also gehe ohne Erwartungen an die Übung und sei nachsichtig, denn du hast vermutlich auch nicht immer aktiv-konstruktiv reagiert. Probiere dich einfach mit dieser Übung aus und achte darauf, was passiert.
Übung 2: Positive Dinge feiern
Viele machen dies bereits instinktiv und es ist auch kein Zufall, dass wir zum Feiern guter Dinge in der Regel andere Menschen bei uns haben möchten. Mache dies ganz bewusst. Wenn dir schöne, positive Dinge begegnen, dann verabrede dich mit deinem Partner oder mit Freunden und feiere dein Erlebnis. Es muss nicht immer ein riesiges Fest sein, es kann schon schön sein, gemeinsam zu diesem Anlass einen Kaffee zu trinken.
Übung 3: Sich gegenseitig die positiven Dinge erzählen
Das ist eine schöne Übung, jedoch brauchst du eine Partnerin oder einen Partner, welche diese Übung mitmachen möchten. Verabredet euch täglich zur gleichen Zeit, z. B. nach dem Abendessen, und erzählt euch in ein paar Minuten gegenseitig, was heute das positivste Erlebnis war (es dürfen auch mehrere sein). Da ihr euch sehr mögt, tut dies in der Haltung, dass ihr euch über das Glück des anderen freut und daran Anteil haben möchtet. Reagiert aktiv-konstruktiv und seid dabei authentisch. Es soll nicht aufgesetzt sein, sondern ein kurzes Feiern und Hochlebenlassen des Glücks des anderen. Denkt euch in den anderen ein, warum für ihn dies so ein positiver Aspekt ist und welche Stärken und Haltungen beim anderen dahinterstehen.
Erinnerst du dich noch an das Kapitel über das Jammern und Beschweren? Das ist nun das wunderbare Alternativprogramm!
Übung 4: Nach positiven Schilderungen anderer Ausschau halten und aktiv-konstruktiv reagieren 71
Halte ganz bewusst Ausschau nach Erzählungen von Menschen über positive Dinge, die sie erlebt haben. Wenn dir etwas an diesen Menschen liegt, achte darauf, authentisch und aktiv-konstruktiv zu reagieren, frage also nach, denke dich in den anderen ein, wie es ihm dabei ging, fühle, wie toll das war, und lass den anderen wissen, wie du dich mit ihm freust.
Die Bonusaufgabe dabei kann sein, dass du dir ein Blatt nimmst und darauf drei Spalten anlegst mit den Überschriften „erzähltes Ereignis des anderen“, „meine Reaktion“ und „Reaktion des anderen auf mich“. Trage für mindestens eine Woche jeden Abend deine Erfahrungen mit dieser Übung ein. Das kann dabei helfen, künftig noch besser solche Möglichkeiten zu erkennen.
4.4.2 Exkurs: Weg 14: Positivity ratio (Positivitätsverhältnis) oder wie wir unser Glück in unseren Beziehungen steigern können
Wenn ich in Seminaren vom positivity ratio (dem Verhältnis von positiven und negativen Aspekten in der Kommunikation) berichte, sagen Teilnehmende immer wieder, dass es ihnen wie Schuppen von den Augen fällt, warum ihre Beziehungen so sind, wie sie sind. Zudem fasziniert die Teilnehmenden, wie ein einfaches Konzept für alltägliches Verhalten ihnen neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Die Details zu diesem Thema findest du in den Online-Zusatzmaterialien: Exkurs 12 auf http://extras.springer.com.
4.4.3 Weg 15: Soziale Beziehungen/Freunde
Ein wahrer Freund trägt mehr zu unserem Glück bei als tausend Feinde zu unserem Unglück. (Marie von Ebner-Eschenbach)
Wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen. Alles, was wir können und wissen, resultiert daraus, dass wir andere Menschen um uns hatten und haben 72 . Hast du dies schon einmal von dieser Seite gesehen? Wir könnten nicht sprechen, nicht schreiben und wenn am Anfang unseres Lebens keine Menschen gewesen wären, würden wir nicht einmal leben. Soziale Beziehungen geben uns jedoch noch weit mehr als Wissen und Fähigkeiten. Sie sind eine Quelle für Glück. Dazu zählt natürlich das vielleicht intensivste und stärkste positive Gefühl: die Liebe. Dazu zählen jedoch auch viele weitere positive Gefühle und viele positive Auswirkungen. Freundschaften, soziale Beziehungen und Partnerschaften haben auf unser Lebensglück und unsere Lebenszufriedenheit einen wichtigen Einfluss und deshalb beschäftigen wir uns in diesem 15. Weg damit. In der Theorie des Wohlbefindens von Martin Seligman stellen soziale Beziehungen auch einen der fünf grundlegenden Faktoren dar 73 . Überlege einmal kurz, was deine glücklichsten Momente in deinem Leben waren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind dies Situationen mit anderen Menschen.
Bei einer amerikanischen Befragung von 1 515 Erwachsenen, die älter als 50 Jahre waren, stellte sich heraus, dass Freundschaft der wichtigste Faktor für das Glück der Befragten war 74 . Vielleicht ist es deshalb nicht verwunderlich, dass Bronnie Ware in ihrem Bestseller beschreibt, dass eines der fünf Dinge, die sterbende Menschen an ihrem Leben am meisten bereuen, der Umstand ist, sich nicht ausreichend um die Aufrechterhaltung ihrer Freundschaften gekümmert zu haben 75 .
Diese große Bedeutung sozialer Beziehungen ist tief in unserer Evolution verankert. Unsere Urvorfahren, die sich in Gemeinschaften zusammengetan haben, hatten eine viel größere Chance zu überleben und sich fortzupflanzen. In einer Gemeinschaft war es viel leichter, Nahrung zu jagen, sich gegen gemeinsame Feinde zu verteidigen und schwierige Zeiten zu überstehen. Diese Gene tragen wir heute in uns und deshalb gibt es dieses tiefe Bedürfnis nach Zugehörigkeit 76 . Genau aus diesem Grund sind uns auch Freundschaften wichtig. Freundschaften sind dabei nicht auf den Menschen beschränkt, sie lassen sich auch bei vielen Tierarten beobachten. Beispielsweise untersuchten Forscher Pferde, Delfine, Hyänen, Elefanten, Paviane und Schimpansen. Deren Freundschaften dauern über lange Zeit an. Je nach Spezies gibt es Freundschaften zwischen weiblichen oder männlichen Tieren oder auch Freundschaften zwischen den Geschlechtern. Männlichen Tieren helfen Freundschaften, sich besser fortzupflanzen. Dies zeigt sich insbesondere bei Delfinen, Pavianen und Schimpansen. Die Forscher stellten zudem fest, dass Freundschaften zwischen weiblichen Tieren zu geringerem Stress, weniger Sterblichkeit der Jungtiere und einem längeren Leben führen 77 .
Doch wie ist es bei uns Menschen? Was hat die Wissenschaft hierzu herausgefunden? Zu diesem Themenbereich gibt es eine große Zahl an Studien. Sie zeigen zusammengefasst, dass je glücklicher eine Person ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Partner, einen großen Freundeskreis und ein großes Netz an Unterstützerinnen und Unterstützern hat. Sehr glückliche Menschen haben einen sehr erfüllenden und reichen sozialen Umgang. Beispielsweise zeigte sich in einer Studie von Martin Seligman, dass die glücklichsten 10 % der untersuchten Personen die meisten sozialen Beziehungen haben und in der Regel in einer Partnerschaft leben 78 . Glückliche Menschen sind mit ihren sozialen Aktivitäten, mit ihrem Partner und mit ihrem Familienleben zufriedener und sie werden mehr von Kollegen, Vorgesetzten und Freunden unterstützt 79 . Wenn die Forscher den Effekt der Persönlichkeit herausrechnen, zeigt sich immer noch deutlich, dass sich Freundschaften positiv auf das Glücksniveau auswirken. Dabei ist nicht die Anzahl der Freundinnen und Freunde relevant, sondern die Qualität der Freundschaft. Besonders wichtig ist hierbei, dass die Menschen sich durch die Freundschaft bestätigt fühlen und Gemeinschaft und gegenseitige Begleitung erleben 80 .
Umgekehrt führen Einsamkeit und sozialer Ausschluss zu weniger Sinnempfinden im Leben und dadurch auch zu weniger Lebenszufriedenheit 81 .
Doch was bedingt was? Ziehen glücklichere Menschen mehr unterstützende Freunde in ihr Leben oder werden Menschen glücklicher, wenn sie Freundschaften und gute soziale Beziehungen haben? Was meinst du, was bedingt was? Sonja Lyubomirsky und viele andere Kollegen kamen nach vielen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass dieser Zusammenhang in beide Richtungen wirkt 82 . Ich finde dieses Ergebnis deshalb so interessant, weil dadurch eine Aufwärtsspirale beschrieben wird: Wenn du deine sozialen Beziehungen und deine Freundschaften pflegst, dann macht dich dies mit hoher Wahrscheinlichkeit glücklicher und dies wirkt wiederum auf deine Beziehungen zurück. Das setzt die Aufwärtsspirale in Gang. Genauso könntest du mit den anderen hier beschriebenen Methoden deine Glücksgefühle steigern und dadurch wiederum deine sozialen Beziehungen positiv beeinflussen. Egal, an welcher Stelle du ansetzt, du kannst die Aufwärtsspirale in Gang bringen.
Wir haben in diesem Buch oft über die hedonistische Anpassung gesprochen (siehe Abschn. 2.7). Das Interessante ist, dass soziale Beziehungen dem Gewöhnungseffekt viel weniger unterliegen als beispielsweise materielle Güter 83 . Wenn du dieses Jahr eine neue gute Freundschaft aufbaust, dann hat das dauerhafte Auswirkungen auf dein Lebensglück und du musst nicht Jahr für Jahr deinen Freund gegen einen „noch besseren“ austauschen, damit du dich an der Freundschaft erfreust 84 . Soziale Beziehungen sind im Gegensatz zu materiellen Dingen lebendig, sie haben ihre Höhen und Tiefen und vielleicht gerade deswegen sind sie ein lohnender und dauerhafter Weg zu mehr Lebensglück und -zufriedenheit.
Soziale Beziehungen haben jedoch nicht nur Einfluss auf unsere Lebensfreude, sie beeinflussen auch unsere Gesundheit. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Menschen mit guten Beziehungen zu Freunden, Familienmitgliedern und zur Gemeinschaft weniger Gesundheitsprobleme, ein längeres Leben und ein größeres Wohlbefinden haben. Gute Beziehungen helfen die negativen Effekte von Stress zu neutralisieren 85 . Bei Senioren zeigte sich beispielsweise, dass beim Verlust des Lebenspartners diejenigen, die einen Freund an ihrer Seite haben, weniger depressiv und weniger krank werden und insgesamt von einer besseren Gesundheit berichten 86 . Auch bei Untersuchungen an Kindern zeigte sich, dass die Anwesenheit der besten Freundin oder des besten Freundes dazu führt, dass nach einer negativen Erfahrung der Selbstwert stabil bleibt und nicht absinkt und gleichzeitig das Stresshormon Cortisol signifikant weniger ausgeschüttet wird 87 . Diese medizinischen Messungen passen zu unserer Lebenserfahrung, dass wir besser mit schwierigen Dingen umgehen können, wenn wir eine emotionale und freundschaftliche Unterstützung erfahren.
Forscher haben drei Gemeinschaften untersucht, in denen Menschen außergewöhnlich alt werden: die Bewohner Sardiniens, die Mitglieder der Sekte der Siebten-Tags-Adventisten in Kalifornien und die Bewohner der Insel Okinawa. Sie fanden fünf Gemeinsamkeiten 88 und dabei standen die folgenden zwei ganz oben: die bedeutende Rolle der Familie und die aktiven Sozialbeziehungen 89 .
Übrigens sind verheiratete Menschen glücklicher als alle anderen (ledig, verwitwet, geschieden). Ein stabiler Befund über 17 Nationen zeigt, dass sich 40 % der verheirateten Erwachsenen als sehr glücklich einschätzen, während dies bei allen nichtverheirateten Menschen nur auf 23 % zutrifft 90 . Du erkennst an den Zahlen, dass es auch viele Menschen gibt, die ohne Heirat sehr glücklich sind und gleichzeitig Heirat nicht jeden zwingend sehr glücklich macht – eine Beobachtung, die du sicher mit Beispielen belegen könntest. Im Durchschnitt betrachtet gibt es jedoch einen messbaren Effekt der Ehe auf das Glücksniveau. Allerdings ist die Qualität der Beziehung hierfür entscheidend 91 .
Verheiratete haben übrigens am wenigsten Depressionen. Gleichzeitig ist eine der stärksten Ursachen für ungesunden Stress, den wir im Leben haben können, das Zerbrechen einer wichtigen und zentralen menschlichen Beziehung 92 .
Macht nun eine Hochzeit glücklicher und wie geht es mit dem Glück nach der Hochzeit weiter? Dazu wurden repräsentative Daten aus Deutschland mit 1 582 Personen ausgewertet, die zum ersten Mal geheiratet haben. Was, glaubst du, war das Ergebnis? Die Forscher fanden eine interessante Entwicklung: Verglichen mit dem Ausgangsniveau A steigt das Glückslevel schon etwas an, wenn Paare vor der Hochzeit zusammenziehen. Bezeichnen wir dieses Niveau als B. Im Jahr der Hochzeit und dem darauffolgenden Jahr gibt es dann einen richtigen Glücksboost auf das Niveau C. Die Forscher bezeichnen dies auch als „Honeymoon-Effekt“, der rund zwei Jahre andauert. Dieser Boost von B auf C ist rund dreimal so stark wie der Effekt von A nach B. Paare, die vor der Hochzeit nicht zusammenleben, steigen direkt von A auf das Top-Niveau von C. Allerdings – und das ist die weniger romantische Nachricht – sinkt das Niveau im zweiten Jahr nach der Hochzeit wieder auf das Niveau B ab. Insgesamt bleibt es jedoch durch die Hochzeit höher als der Ausgangszustand. Trennungen und Scheidungen führen hingegen dazu, dass das Niveau zeitweise unter A fällt 93 .
Auch diese Ergebnisse sind wissenschaftlich klar belegt, allerdings bilden sie wiederum die durchschnittliche Entwicklung ab. Manche Menschen können das Glücks- und Zufriedenheitsniveau nach der Hochzeit in eine lange glückliche Beziehung überführen. Vielleicht hat dies mit der erstmal wenig romantischen Aussage von glücklichen Menschen zu tun, dass nach der Hochzeit die Arbeit (die Beziehungsarbeit) beginnt oder, besser formuliert, dass „Lieben“ ein Tätigkeitswort ist 94 . Gemeint ist damit, dass wir uns aktiv um unsere Beziehung kümmern sollten. Denn viele Menschen denken, dass Liebe einfach kommt und geht und wir ein Spielball dieser Launen sind. Dabei können wir sehr viel selbst in die Hand nehmen, wenn uns bewusst ist, dass wir nicht nur unser Leben gestalten können, sondern auch unsere Beziehung. Die Medien und die Filmindustrie zeigen uns dabei leider nicht ein realistisches Bild. Wenn du dich an gute wie schlechte Liebesfilme erinnerst, dann geht es dabei in der Regel darum, wie der Held und die Heldin sich suchen, umeinander kämpfen und dann nach vielen Schwierigkeiten endlich zusammenkommen. Wenn alles wunderbar ist, dann endet der Film und die Botschaft ist: „Jetzt ist alles gut, sie sind für alle Ewigkeit glücklich vereint und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sich noch heute.“ Das sind wunderbare Bilder für einen Liebesfilm, jedoch suggeriert uns dies, dass es danach keine Schwierigkeiten gibt und dass der Such- und Findungsprozess im Vordergrund steht und nicht die erfolgreiche Gestaltung der späteren Beziehung 95 . Wenn wir ganz ehrlich sind, dann sind die meisten von uns nicht gut auf Beziehungen vorbereitet und wir stolpern so hinein und machen mit Versuch und Irrtum unsere ersten Erfahrungen. Wenn du dich stärker mit Beziehungsarbeit beschäftigen möchtest, ist das Buch „Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe“ von John Gottman 96 sehr zu empfehlen. Erste Tipps daraus findest Du am Ende dieses Kapitels.
Ist Glück ansteckend?
Wenn wir uns die Forschung zu Glück und sozialen Beziehungen ansehen, dann gibt es noch einen faszinierenden Befund: Glück ist ansteckend 97 . Davon möchte ich dir unbedingt erzählen, weil es dazu eine unglaubliche Studie gibt: die Framingham-Herz-Studie 98 . Ziel der Studie ist es, die Ursachen und Risiken für Herzkrankheiten zu erforschen. Um dies systematisch zu tun, wählten die Forscher die Kleinstadt Framingham in der Nähe von Boston aus und begannen 1948 5 209 Personen nach allen möglichen Aspekten zu untersuchen. Später wurden dann auch die Kinder dieser Personen in die Studie aufgenommen und mittlerweile läuft die Studie in der dritten Generation und hat viele wichtige Fakten für die Herzgesundheit hervorgebracht, jedoch auch einen weiteren bemerkenswerten Befund, nach dem die Forscher gar nicht gesucht hatten, und das kam so: Die Wissenschaftler gingen sehr gründlich vor und untersuchten nicht nur Rauchen, Ernährung, Gewicht und Ähnliches, sondern auch die sozialen Beziehungen. Jeder Mensch hat eine Reihe näherer Beziehungen in seinem Umfeld und der Vorteil der Untersuchung war es, dass die Forscher ein paar der Beziehungspersonen ebenso detailliert kannten, weil sie ebenfalls zum untersuchten Personenkreis gehörten. Insgesamt erfassten die Forscher über 53 000 engere Beziehungen, von denen die untersuchten Personen berichteten. Als die Forscher die Beziehungen der Personen, die Verbindungen unter ihnen und deren Glücksniveau darstellten, machten sie eine spannende Entdeckung: Es gab „Nester“ mit glücklichen Menschen. Du kannst dir jede Person als eine Kugel vorstellen, die Verbindungen zu anderen hat. Je nach Glücksniveau gibt es verschiedene Farben. Wenn du dir so ein Geflecht vorstellst, dann zeigt sich, dass die Farben, also beispielsweise die glücklichen Personen, nicht gleichmäßig verteilt sind. Stattdessen bilden sie immer wieder Grüppchen. Jetzt könnten wir vermuten, dass sich eben die glücklichen und die weniger glücklichen Personen nach dem Motto „Gleich und gleich gesellt sich gern“ zusammentun. Das kann durchaus sein. Die Forscher wollten jedoch diesem Thema noch mehr auf den Grund gehen und untersuchten diesen faszinierenden Befund über zwei Jahrzehnte seit 1983. Bei einem so langen Untersuchungszeitraum können die Wissenschaftler Veränderungen im Netzwerk nachvollziehen. Was passiert, wenn ein Mensch beispielsweise in einen anderen Stadtteil zieht, in dem sein neues Umfeld glücklich ist, und sich nun enge Beziehungen mit diesen Menschen ergeben? Oder was passiert mit dem umgebenden Beziehungsgeflecht, wenn ein unglücklicher Mensch über die Zeit richtig glücklich wird? Die Ergebnisse zeigen und das finde ich extrem spannend, dass Glück tatsächlich ansteckend ist und ein Mensch mit größerer Wahrscheinlichkeit glücklicher wird, wenn er unter glücklichen Menschen lebt. Der Effekt geht sogar über drei Beziehungen: Wenn Klaus der Ausgangspunkt ist und glücklich wird, dann kann sich Peter bei Klaus „anstecken“. Lisa ist wiederum mit Peter befreundet und „infiziert“ sich und der Effekt ist noch bis zu Anna, der Freundin von Lisa, messbar, die glücklicher wird. Das Glück „springt“ über drei Beziehungen und dazu müssen sich Klaus und Anna gar nicht kennen. Das kennen wir sonst nur von Infektionskrankheiten. Das ist schon interessant, oder? Die Untersuchung ergab auch, dass dieser Effekt vor allem dann besteht, wenn die Personen räumlich innerhalb einer Meile (ca. 1,6 km) zusammenleben. Es scheint so zu sein, dass der persönliche Kontakt dabei eine große Rolle spielt. Außerdem zeigte sich, dass der Ansteckungseffekt über die drei Beziehungen abnimmt. Bei Kontakten am Arbeitsplatz konnte der Effekt übrigens nicht nachgewiesen werden. Vielleicht spielt hier im untersuchten Zeitraum zu viel bewusste Distanz eine Rolle, sodass keine „Ansteckung“ erfolgt. Wenn du dir noch einmal das soziale Geflecht vorstellst, dann waren auch die Personen, die sich zentraler im Geflecht befanden und zu vielen Kontakt hatten, glücklicher als die Personen an den Rändern mit weniger Kontakten. Auch dieser Befund stützt die Ergebnisse, dass glücklichere Menschen mehr soziale Kontakte haben. Bei allen diesen Ergebnissen zeigen sich anhand der wissenschaftlichen Untersuchung messbare Effekte. Allerdings bedeutet dies immer nur eine Wahrscheinlichkeit, das ist mir wichtig zu ergänzen. Was im Durchschnitt stimmt, muss im Einzelfall überhaupt nicht richtig sein. Ein Mensch am Rande des Netzwerks mit ganz wenigen Kontakt kann sehr glücklich sein, genauso wie ein unglücklicher Mensch inmitten glücklicher Menschen immun bleiben kann. Deshalb ist es mir so wichtig, dass du in dich hineinspürst und selbst die Wahl triffst, was für dich der richtige Weg ist.
Wenn wir diese Ergebnisse jedoch zusammennehmen, dann zeigt sich, dass wir alle nicht isoliert leben, sondern Teil eines großen sozialen Geflechts sind und dass die Gesundheit und das Wohlergehen einer Person Auswirkungen auf ihr benachbartes Beziehungsgeflecht haben. Übrigens gibt es die Ansteckung im sozialen Beziehungsgeflecht nicht nur beim Glück. Wenn deine Freunde rauchen, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch du rauchst 99 . Wenn dein Lebenspartner aufhört zu rauchen, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass du rauchst, um 67 %. Wenn ein Freund oder ein Kollege aufhört zu rauchen, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit noch um ein Drittel. In dem untersuchten Zeitraum zwischen 1971 und 2003 sank generell die Anzahl der Raucher. Es zeigte sich jedoch, dass dies nicht gleichmäßig war, sondern über die Zeit wiederum Gruppen mit dem Rauchen aufhörten. Du kannst dir das auch bildlich wieder mit Kugeln unterschiedlicher Farbe vorstellen. Wenn die Forscher das Rauchverhalten über mehrere Jahre verglichen, dann zeigte sich, dass ganze Gruppen von Rauchern dann Nichtraucher waren. Auch hier hatte sich das benachbarte Beziehungsgeflecht gegenseitig beeinflusst 100 . Für Übergewicht gibt es vergleichbare Befunde. Wenn dein Freund übergewichtig wird, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für dich an, ebenfalls Gewicht zuzunehmen 101 . Selbst bei der Untersuchung von zwölf- bis 14-jährigen Jugendlichen zeigte sich, dass übergewichtige Heranwachsende zweieinhalbmal wahrscheinlicher mit Übergewichtigen als mit Normalgewichtigen befreundet sind 102 .
Ich finde diese Untersuchungsergebnisse sehr faszinierend. In unserer Gesellschaft denken viele Menschen in den Kategorien „ich“ und „die anderen“ und beide Kategorien scheinen völlig unabhängig zu sein. Diese Ergebnisse zeigen jedoch deutlich, dass wir alle in ein soziales Beziehungsgeflecht eingebettet sind, das uns beeinflusst und durch das wir andere beeinflussen.
Was können wir daraus für unseren Lebensalltag lernen?
Wir haben nun viele verschiedenen Untersuchungsergebnisse zum Thema soziale Beziehungen angeschaut und gesehen, dass dieser Aspekt eine große Bedeutung für Glück und Zufriedenheit in unserem Leben haben kann. Doch was kannst du nun daraus ableiten? Was kannst du dir für deinen Alltag daraus mitnehmen? Ich möchte dir gerne meine Gedanken dazu zur Verfügung stellen und du kannst entscheiden, was du davon für deinen Alltag übernimmst.
Die richtigen Freunde haben
Als ich mich mit dem Einfluss des sozialen Netzwerks und den Erkenntnissen, wie jeder von uns von seinem Umfeld beeinflusst wird, beschäftigt habe, ist mir ein Rat meines Vaters eingefallen. Er sagte zu mir: „Sei dir bewusst, wen du dir als Freund aussuchst.“ Im Licht der Forschungsergebnisse ist das ein wirklich richtiger Rat: Achte darauf, mit wem du dich befreundest und mit wem du deine Zeit verbringst. Du hast, wenn du beispielsweise die Übungen aus Weg 9 (Lebensvision) und Weg 10 (Ziele) gemacht hast, eine klare Vorstellung davon, wie dein Leben sein soll. Reflektiere ganz bewusst, wie dein Umfeld dazu passt, denn es wird dich beeinflussen.
Reflexionsfragen
Wenn ich mir vergegenwärtige, wie mein Leben sein soll, wie passt dazu mein Freundes- und Bekanntenkreis, fördern diese Menschen mich oder behindern sie mich?
Wer freut sich, wenn ich erfolgreich meinen Weg gehe, und unterstützt mich dabei emotional?
Wer ist destruktiv und nimmt mir die Freude an meinen Zielen?
Berate dich mit deinem Freund in allem, aber zuvor berate dich über ihn selbst. (Seneca)
Dies bedeutet nicht, dass du von heute auf morgen Freundschaften beenden sollst. Es geht mir darum, dass du für dich reflektierst, was für dich stimmig ist und was vielleicht auch nicht. Du bist am Steuer deines Lebens, du kannst entscheiden, wie oft du wen triffst, was du unternimmst, über was du sprichst und welche Kontakte dir guttun.
Energiebringer und Energievampire
Es kann sein, dass ein Freund von dir gerade jetzt Unterstützung braucht, um wieder einen guten Weg für sich zu finden. In so einem Fall ist es sicherlich sehr sinnvoll, die Unterstützung zu geben, auch wenn es dich Energie kostet. Allerdings gibt es auch Menschen, die dir Energie rauben oder dich unbewusst in deiner Entwicklung behindern, weil sie dich runterziehen. Wenn Menschen nicht mehr zu dir passen, dann solltest du tatsächlich überlegen, ob nicht weniger oder kein Kontakt mehr zu diesen Menschen besser ist.
Reflexionsfrage
Wie geht es mir, wenn ich mich von bestimmten Menschen verabschiede? Bin ich voller Energie oder fühle ich mich runtergezogen?
Meine Erfahrung ist, dass jeder Mensch ein gutes Gefühl dafür hat, ob eine Beziehung stimmig und förderlich ist. Es kann auch zu einer guten Freundschaft gehören, dass du viel Energie investierst, weil es einem Freund nicht gut geht oder du eine ehrliche und sehr kritische Rückmeldung bekommst. Das kann sehr wichtig sein.
Du kannst jedoch sicher gut fühlen, ob es für dein Leben gut und stimmig ist oder ob dir die andere Person (unbewusst und ohne böse Absicht) nur Energie entzieht, dich vielleicht ausnützt und dich kleinhalten möchte. Wenn du aufmerksam bist, dann spürst du, ob die andere Person dich unterstützt oder ob sie für dich wichtige Herzensangelegenheiten kleinredet und damit sabotiert, weil sie noch nicht die Größe spürt, die möglich ist. Wenn du das feststellst, dann ist es besser, den Kontakt zu reduzieren oder zu beenden.
Investiere Zeit in deine Freundschaften.
Es kann sein, dass du beim Lesen dieses Kapitels zu der Erkenntnis kommst, dass du keinen wirklichen Freund oder wirkliche Freundin hast. Es gibt durchaus viele Menschen, denen es so geht. Dazu gibt es jedoch eine gute Nachricht: Das ist veränderbar und es ist nicht die Anzahl der guten Freunde entscheidend, sondern die Qualität 103 . Ich möchte dir von mir dazu erzählen. Als ich vor vielen Jahren sehr viel gearbeitet habe und viel Zeit auf Dienstreisen war, lösten sich über die Zeit auch die Freundschaften. Manche zogen zudem in eine andere Stadt und ich investierte meine Zeit in meinen Job und meine kleine Familie und nicht mehr in Freundschaften. Ich machte dann irgendwann den „Live Check-up“ (siehe Abschn. 4.1.3) und erkannte schmerzlich, dass sich mein Leben in eine Richtung entwickelt hatte, die ich so nicht wollte. In meinem Fall war der erste Schritt, diese Tatsache anzunehmen, und der zweite Schritt die Vereinbarung mit mir, Freundschaften aufzubauen und dafür Zeit zu investieren. Das dauerte, jedoch ist kein Zustand unveränderbar und der entscheidende Aspekt dabei ist, den Fokus neu zu finden. Wenn ich Freundschaften aufbauen möchte, dann ist es sinnvoller, mit netten Menschen ein Bier trinken zu gehen, als noch an einer wichtigen Präsentation zu arbeiten. Wenn dir Freunde wichtig sind, dann investiere Zeit und richte den Fokus auf Freundschaften. Sie werden sich entwickeln, denn du kennst aus dem Anfang des Buches den Wahrnehmungskreislauf und die selbsterfüllende Prophezeiung. Das, was wir suchen, werden wir meist auch finden.
Die zweite Art in Kontakt zu sein
Es gibt eine interessante Unterscheidung 104 zwischen zwei Arten in Kontakt zu sein. Bei der ersten Art sind wir mit anderen in Kontakt, weil wir etwas regeln müssen, weil wir etwas von dem anderen möchten oder weil wir von uns einen bestimmten Eindruck erwecken wollen. Diese Art ist uns sehr geläufig und alltäglich. Bei der zweiten Art in Kontakt zu sein reden wir über das, was uns wirklich wichtig ist, über unsere Gefühle und über unser Bild von uns selbst und den anderen. Es ist eine Art in Kontakt zu sein, die uns vor allem mit guten Freunden, unserem Partner und Verwandten verbindet. Es ist der Fall, wenn wir unsere Masken ablegen und jeder so sein darf, wie er ist. Wenn wir fühlen, dass jeder von uns einfach nur Mensch ist mit allen seinen Themen und wir alle gleich sind. Wenn wir – um im Bild der Astronauten zu bleiben – spüren, dass wir aus dem gleichen Sternenstaub sind. Ein Ziel könnte es sein, dass wir diese zweite Art des Kontaktes mehr pflegen können.
Freundschaft ist Freundschaft und kein Geschäft
Es gibt Menschen, die sehen Beziehungen wie ein Bankkonto. Wenn sie jemandem beim Umzug helfen, dann notieren sie sich das wie auf einem imaginären Kontoauszug. Wenn sie dann etwas brauchen, fordern sie die Unterstützung ein. So funktioniert keine gute Freundschaft, sondern eine Geschäftsbeziehung. Freundschaft sollte davon getragen sein, dass Unterstützung gegeben wird, weil der Freund wichtig ist und wir die Unterstützung gerne geben wollen, und nicht, weil wir uns erhoffen, dafür etwas zu bekommen. Natürlich ist auch eine Beziehung, in der jemand durch den anderen nur ausgenutzt wird, keine Freundschaft. Auch hier kann unser Gefühl diese drei Arten „Geschäftsbeziehung“, Freundschaft und „ausnützende Beziehung“ viel besser unterscheiden als es fixe Kriterien können.
Reflexionsfragen
Kenne ich Beziehungen, die echte Freundschaften sind, die „Geschäftsbeziehungen“ sind und auch welche, bei der einer vom anderen ausgenutzt wird?
Was sind meine Erfahrungen damit?
Kann ich in Freundschaften geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten?
Wie muss die Freundschaft sein, damit sich dies für mich stimmig anfühlt?
Gute Freundschaft versteht, dass es dem anderen zuallererst gut gehen soll, bevor er gibt
Stell dir vor, du ziehst um und hättest gerne dazu Hilfe von deinem Freund. Dieser ist aktuell völlig überlastet und benötigt das Wochenende dringend, um sich zu erholen. Das ist auch nicht vorgeschoben, sondern du weißt, wie es ihm gerade geht. Angenommen, du hast auch andere Helfer, hättest du Verständnis, dass er dir nicht hilft? Gute Freundschaft sollte Verständnis haben, weil sie in erster Linie möchte, dass es dem anderen gut geht.
Gute Freundschaft liebt das Glück des anderen
Gute Freunde freuen sich, wenn es dem anderen gut geht. Das ist eine spannende Verbindung der Studien, die wir in den letzten Kapiteln kennengelernt haben. Das Glück vermehrt sich bei deinem Freund, wenn er kapitalisieren kann, d. h. dir von seinem Glück erzählt. Dies umso mehr, je mehr du dich mit ihm ehrlich freust und dadurch aktiv-konstruktiv reagierst (siehe Abschn. 4.4.1). Wenn du jetzt die Erkenntnisse der Framingham-Herz-Studie mitberücksichtigst, dann sind wir in ein soziales Netzwerk eingebettet und je besser es den Menschen um uns geht, umso mehr stecken wir uns an diesem Glück an. Dadurch verschwimmt plötzlich die Grenze von ich und du, weil wir im gleichen Netzwerk sind. Ich kann mich selbstlos für das Glück meines Freundes freuen, einfach weil es ihm gut geht, ich könnte mich egoistisch für ihn freuen, weil sein Glück wieder auf mich zurückstrahlt. Am Ende ist das gar nicht mehr relevant. Vielleicht ist dies das tiefere Geheimnis, warum sich glückliche Menschen über das Glück und den Erfolg anderer so sehr mitfreuen. Nochmal anders gedacht helfen wir unserem Umfeld, wenn wir uns im ersten Schritt um unser Wohlbefinden kümmern. Ein ungewöhnlicher, jedoch im Kontext der Forschungsergebnisse interessanter Gedanke.
Lacht, weint und feiert miteinander
Freundschaften leben auch davon, miteinander Emotionen zu teilen. Deshalb lache, weine und feiere mit deinen Freunden und verbringe vor allem Zeit mit ihnen.
Freundschaft soll dem anderen Zeit für sich und sein Leben lassen
Vielleicht kennst du die Erfahrung, dass Freunde an dir „kletten“, ständig anrufen oder vorbeikommen. Jeder hat hier sein eigenes Maß, das angenehm ist und sich richtig anfühlt. Die einen brauchen mehr Zeit für sich alleine, andere finden es schön, wenn sie viel Zeit mit anderen verbringen. Werde dir bewusst, was das richtige Maß für dich ist, und achte darauf, was das richtige Maß deiner Freunde ist. Ein offener Umgang damit hilft, Konflikte zu vermeiden.
Aus allen diesen Ergebnissen und den Empfehlungen der Positiven Psychologie habe ich dir allgemeine Tipps und spezielle Tipps für Freundschaften und deine Partnerschaft im Folgenden zusammengestellt:
Allgemeine Tipps für deine Beziehungen
Aus den letzten drei Kapiteln können wir folgende allgemeine Tipps zusammenfassen:
Erzähle den richtigen Menschen von deinen Erfolgen und den guten Dingen, die dir widerfahren sind (Kapitalisieren).
Reagiere aktiv-konstruktiv auf die Erfolge anderer Menschen.
Feiere gemeinsam Erfolge.
Achte auf das positivity ratio in eurer Beziehung.
Wenn du im Kontakt mit deinen Lieben bist, dann sei zu 100 % bei ihnen mit vollem Interesse und der vollen Aufmerksamkeit.
Tipps für Freundschaften
Leidenschaften transparent machen
Wenn du von den Dingen erzählst, die dir Spaß machen, ob das nun Kochen, Fußball oder Improvisationstheater ist, dann ermöglichst du, dass Gleichgesinnte sich mit dir zusammentun.
Loslassen, wer nicht hilfreich ist
Menschen verändern sich über die Zeit und so verändern sich auch die Freundschaften. Wenn du Freunde hast, die dich runterziehen, die dich Energie kosten, die negativ sind und die deinen Zielen negativ oder gleichgültig gegenüberstehen, dann ist es sinnvoll, diese Freundschaft zu überdenken. Gemeint sind damit nicht konstruktiv-kritische Freunde, die hilfreich sind, um neue Perspektiven einzunehmen, sondern Menschen, die dir die Tatkraft rauben und dich nur bremsen. In solchen Fällen ist es oft besser, getrennte Wege zu gehen und die gewonnene Zeit mit Menschen zu verbringen, die dich beflügeln und dir Energie geben.
Den inneren Kreis pflegen
Der innere Kreis bezeichnet deine wichtigsten und engsten Freunde. Das kann einer oder können auch fünf sein. Es sind die Menschen, mit denen es einfach phantastisch ist, Zeit zu verbringen. Obwohl die gemeinsame Zeit zu den qualitativ schönsten Zeiten für uns zählt, sehen wir diese Freunde oft nicht allzu häufig. Wenn es dir so geht, dann ändere es. Schreibe auf einen Zettel die Namen deines engen Kreises (allein das ist schon eine gute Übung) und vereinbare die nächsten Termine, zu denen ihr euch trefft.
Wunschtreffen
Auch außerhalb deines aktuellen Freundes- und Bekanntenkreises gibt es zahlreiche hilfreiche Menschen, die du vielleicht gerne näher kennenlernen möchtest. Das kann beispielsweise der neue Nachbar sein, der erst kürzlich hergezogen ist und den du vom Sehen her kennst. Schreibe dir eine Wunschliste und versuche auch zu ergänzen, warum du gerne den Kontakt zu dieser Person vertiefen möchtest.
Sich der Wunschperson zeigen
Du wirst weiterhin zufällig Menschen treffen und kennenlernen. Wenn du jedoch mit deinen Wunschpersonen mehr Zeit verbringen möchtest, dann muss einer die Initiative ergreifen. Überlege, wie du dies anstellen kannst, und trau dich. Das hilft, neue Menschen in dein Leben zu ziehen.
Stärken zu nutzen, um anderen zu helfen
Jeder von uns hat Stärken und kann damit anderen etwas anbieten, das dem anderen schwerfällt. Für dich ist dies leicht und macht meist auch noch Spaß. Achte deshalb auch darauf, wie du mit deinen Stärken andere unterstützen kannst.
Tipps für deine Partnerschaft
Bringe deine Partnerlandkarte, also das Bild, das du von deinem Partner hast, auf den neuesten Stand: Es ist sehr wichtig, deinem Partner tatsächlich Interesse entgegenzubringen, seine Hobbies, seine Vorlieben und Abneigungen zu kennen und wenn möglich zu teilen.
Pflegt Zuneigung und Bewunderung füreinander: Diese Zuneigung und Bewunderung sollte dabei auch ausgedrückt werden.
Wendet euch einander zu und nicht voneinander ab: Wenn der Partner sich dir zuwendet, dann solltest du ihm die volle Aufmerksamkeit schenken.
Lass dich von deinem Partner beeinflussen: Frage ihn nach seinem Rat und richte dich danach.
Löse lösbare Probleme: Höre in den anderen hinein, versetze dich in die Situation deines Partners und führe ein konstruktives Gespräch zur Lösung der täglichen Probleme. Signalisiere beim Streiten immer wieder Versöhnung und Entspannung. Stress im Beruf, Schwiegereltern, Geld, Sex, Hausarbeit und ein neues Baby, das sind die häufigsten Bereiche, in denen eheliche Konflikte entstehen. Wenn du dich darauf einstellst, kannst du verhindern, dass es zu einer Eskalation kommt.
Schafft einen gemeinsamen Sinn: Schafft ein Gefühl der Gemeinsamkeit.
Nehmt euch Zeit füreinander: Ihr solltet jede Woche mindestens ein gemeinsames sehr positives (glücklich machendes) Erlebnis haben.
Nutze die Gunst der Stunde: Nutze jede Gelegenheit, dich mit deinem Partner gemeinsam zu freuen.
Öffne dich: Erzähle von deinen innersten Empfindungen und Ängsten – auch wenn das ein Risiko darstellt.
4.4.4 Weg 16: Hilfsbereitschaft
Wahres Glück besteht darin, andere glücklich zu machen. (Indisches Sprichwort)
In diesem 16. Weg zu mehr Glück und Zufriedenheit geht es um Hilfsbereitschaft. Dabei geht es nicht um die ethische Sicht und auch nicht um das meist freudige Empfinden desjenigen, der Hilfe bekommen hat. Stattdessen möchte ich mit dir der Frage nachgehen, ob wir, wenn wir uns hilfsbereit verhalten, glücklicher werden. Das ist doch eine interessante Perspektive. Ist Geben vielleicht nicht nur seliger als nehmen, sondern macht es obendrein noch glücklicher? Tatsächlich gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die deutlich zeigen, dass glücklichere Menschen mehr für andere tun und sich in gemeinnützigen Organisationen engagieren, generell hilfsbereiter sind und von sich sagen, dass sie einen Beitrag für die Gesellschaft leisten möchten 107 . Bei Untersuchungen hat sich zudem gezeigt, dass ehrenamtliche Arbeit zu einer Erhöhung des Glücksempfindens, des Gefühls der Selbstwirksamkeit, der Selbstbestimmtheit und des Selbstwertgefühls führt. Außerdem verringert es depressive Symptome 108 .
Doch können wir wirklich sagen, dass Hilfsbereitschaft glücklicher macht, oder ist es so, dass glückliche Menschen eher bereit sind, anderen zu helfen?
Um das herauszufinden, machen Wissenschaftler Experimente. Eines von Sonja Lyubomirsky dauerte sechs Wochen. Die Teilnehmenden der Untersuchung wurden von ihr per Zufall in drei Gruppen eingeteilt. Die Anweisung an die erste Gruppe war, pro Woche fünf gute Taten zu vollbringen. Die Taten konnten groß oder klein sein, es brauchte sich nicht um die gleiche Person zu handeln, der geholfen wurde, und die Empfänger konnten die gute Tat bewusst wahrnehmen oder vielleicht gar nicht bemerken. Das konnte alles Mögliche sein: einem Freund bei einer Arbeit helfen, einen älteren Verwandten besuchen, Blut spenden oder Geld in die abgelaufene Parkuhr eines Fremden werfen. Jeden Sonntagabend verfassten die Teilnehmenden einen „Gute-Taten-Bericht“.
Für die zweite Gruppe war alles gleich. Der einzige Unterschied war, dass sie alle fünf Taten pro Woche an einem einzigen Tag vollbringen sollten.
Die dritte Gruppe war die Kontrollgruppe. Bei diesen Teilnehmenden wurde nur das Glücksniveau zu Beginn der Studie und nach den sechs Wochen gemessen. Sie hatten keine weiteren Anweisungen.
Was denkst du, was war das Ergebnis? Dies war durchaus überraschend. Die Teilnehmenden, die alle fünf Taten an einem Tag vollbrachten (Gruppe 2) waren nach den sechs Wochen signifikant glücklicher. Hilfsbereitschaft macht somit tatsächlich glücklicher. Allerdings zeigte sich kein nennenswerter Effekt bei der Gruppe 1. Die Forscher vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass wir ohnehin in unserem Leben gute Taten vollbringen. Wenn dann noch eine weitere aus dem Experiment dazukommt, ist dies nicht sehr spürbar. Wenn dagegen fünf gute Taten an einem Tag bewusst zusammenkommen, dann wird dies der Person sehr deutlich bewusst 109 .
In einer anderen Studie untersuchte Sonja Lyubomirksky, wie wichtig Abwechslung bei den guten Taten ist. Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, entweder jede Woche verschiedene gute Taten zu vollbringen oder sie mussten Woche für Woche immer die gleichen guten Taten ausführen. Diese Studie lief über zehn Wochen. Auch hier zeigte sich, dass Hilfsbereitschaft ursächlich zu einem höheren Glücksempfinden beiträgt, jedoch nur, wenn sich die guten Taten abwechselten. Denn bei der Gruppe, die über die zehn Wochen immer wieder die gleichen guten Taten vollbrachten, zeigten sich ab Mitte der Studie sinkende Werte und nach zehn Wochen waren sie zurück bei ihrem Ausgangszustand ihres Glücksempfindens 110 .
Hieraus lassen sich wichtige Schlussfolgerungen ableiten. Hilfsbereitschaft kann tatsächlich ursächlich glücklicher machen und ist deshalb ein weiterer Weg zu mehr Glück 111 . Jedoch ist das „Wie“ entscheidend. Es scheint wichtig, dass die guten Taten als solche bewusst wahrgenommen werden. Analog zur hedonistischen Anpassung können offensichtlich auch gute Taten, wenn sie dauerhaft sind, zur Routine und Gewöhnung und für das Glücklichsein wirkungslos werden.
Ich möchte dir noch von einer weiteren Untersuchung kurz berichten, die Hilfsbereitschaft über einen Zeitraum von drei Jahren untersuchte. Fünf Frauen 112 , die selbst an Multipler Sklerose (MS) erkrankt waren, lernten Techniken wie aktives und mitfühlendes Zuhören und unterstützten damit andere MS-Patientinnen und -Patienten. Die Veränderungen durch diese freiwillige und helfende Arbeit waren für die Frauen dramatisch. Sie hatten einen Zuwachs an Lebenszufriedenheit, der um ein Vielfaches höher war als bei den betreuten Patienten. Sie gaben zudem an, dass ihre Aufmerksamkeit nicht mehr nur auf ihren eigenen Problemen lag. Sie seien offener und toleranter geworden und ihr Selbstwertgefühl und Optimismus seien deutlich gestiegen. Auch wenn dies keine repräsentative Aussage zulässt, so ist doch erstaunlich, was für starke Auswirkungen Hilfsbereitschaft hat und dass in der Untersuchung die positiven Auswirkungen über die Zeit weiter anstiegen.
Martin Seligman erzählte einmal von einer hitzigen Debatte seiner Studierenden. Was macht glücklicher: selbst Spaß zu haben oder anderen zu helfen? Den Studierenden gab er dann die Hausaufgabe, zum einen etwas zu machen, das Spaß macht (z. B. ein Eis essen, einen Film schauen), und etwas, das anderen hilft (z. B. dem Neffen bei den Mathehausaufgaben helfen). Die Studierenden erlebten, dass die guten Gefühle, nachdem sie jemandem geholfen hatten, viel länger anhielten als bei den spaßigen Dingen 113 .
Die kanadische Psychologieprofessorin Elizabeth Dunn machte zu diesem Thema folgendes Experiment: Sie unterteilte die Teilnehmenden einer Studie per Zufall in zwei Gruppen. Bei allen Teilnehmenden wurde das Glückslevel erhoben und dann bekamen alle einen Umschlag mit entweder fünf Dollar oder 20 Dollar und der Aufgabe, das Geld bis um 17 Uhr auszugeben. Die eine Gruppe hatte den Auftrag, das Geld für eigene Zwecke zu nutzen. Die andere Gruppe wurde gebeten, mit dem Geld etwas für andere zu tun (z. B. es spenden oder jemandem ein kleines Geschenk kaufen). Abends wurde dann erneut das Glückslevel erhoben. Dabei zeigten die Daten, dass die Teilnehmenden, die das Geld für andere einsetzten, signifikant glücklicher waren als vor der Studie. Bei denjenigen, die das Geld für sich eingesetzt hatten, gab es keine Steigerung des Glückslevels. Zudem stellte sich heraus, dass die Höhe des Betrages dabei unbedeutend war. Wie verkehrt wir oft mit unseren Annahmen über Glück liegen, zeigte Elizabeth Dunn bei einer Befragung anderer Personen, denn die überwiegende Mehrheit dieser Befragten gab an, dass es glücklicher mache, Geld für sich einzusetzen als für andere, und dass ein größerer Betrag dabei wirksamer sei als ein kleinerer. Auch bei einer repräsentativen Studie an Amerikanern zeigten sich die gleichen Ergebnisse. Die Höhe des Einkommens war für das Glückniveau nicht relevant. Wenn die Forscher die Ausgaben der Befragten jedoch in persönliche Ausgaben und soziale Ausgaben (Geschenke für andere, Spenden) unterteilten, dann zeigte sich, dass höhere soziale Ausgaben mit dem Glücksniveau signifikant zusammenhängen 114 .
Auch aus Deutschland gibt es dazu Untersuchung mit repräsentativen Daten, die zwischen 1990 und 2008 erhoben wurden. Die Wissenschaftler befragten die Teilnehmenden, wie wichtig ihnen jede der folgenden drei Zielkategorien ist: Erfolgsziele (beruflicher Erfolg, Geld haben, um Dinge zu kaufen), Familienziele (gute Beziehung zum Partner und zu den Kindern) und gemeinnützige Ziele (anderen helfen, involviert sein in soziale und politische Aktivitäten). Wer in seinem Leben die letzte Kategorie priorisiert und wem somit das Glück seiner Mitmenschen wichtig ist, hat eine hohe Lebenszufriedenheit. Die Priorität bei seiner Familie zu setzen hat ebenfalls einen positiven, jedoch nicht mehr ganz so starken Einfluss. Wer hingegen seine Priorität nur bei den Erfolgszielen sieht, ist am Ende weniger zufrieden und glücklich 115 .
Doch warum werden wir glücklicher, wenn wir anderen Menschen helfen? Die Wissenschaftler forschen noch an diesem Thema und diskutieren verschiedene Aspekte. Personen, die helfen, fühlen sich mit den Menschen, die Hilfe bekommen, stärker verbunden, was unser Grundbedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit nährt. Sie fühlen sich dankbarer und privilegierter, weil sie geben können. Ihr Leben wird dadurch sinn- und wertvoller und sie erleben Selbstwirksamkeit. Selbstvertrauen und Optimismus steigen genauso wie das Gefühl, etwas Sinnvolles und Nützliches im Leben zu machen. Vielleicht verringert Geben auch Schuldgefühle und Unbehagen, weil es uns so gut geht und anderen nicht. Außerdem wird diskutiert, dass durch das Helfen eigene Probleme und Grübeleien in den Hintergrund treten 116 . Forscher fanden zudem heraus, dass dann, wenn wir anderen helfen, im Gehirn unser Belohnungszentrum aktiviert wird. Das bedeutet, unser Gehirn ist genau dort aktiv, wo es sonst Aktivitäten zeigt, wenn wir etwas gewinnen oder uns etwas Gutes getan wird 117 . Vermutlich ist dies auch die Ursache dafür, warum wir uns dabei so gut fühlen. Ich finde es sehr bemerkenswert, dass unser Gehirn wenn wir geben genauso aktiviert ist als wenn wir gerade beschenkt würden.
Bei mir wirkt sich Hilfsbereitschaft immer dann richtig positiv auf mein Glücksempfinden und meine Zufriedenheit aus, wenn ich aus freien Stücken und ohne eine Gegenleistung zu erwarten etwas für jemand anderen tue und glaube, dass es für den anderen hilfreich ist. Übrigens noch ein Satz zu Gegenleistungen erwarten. Wie wir im letzten Abschnitt bei Freundschaften (siehe Abschn. 4.4.3) bereits gesehen haben, gibt es Menschen, die tun etwas für andere, führen jedoch imaginär ein Art Bankkonto und notieren sich hier ihre guten Taten, um ggf. bei Bedarf eine Gegenleistung einzufordern. Dies ist auch kein gutes Modell für Hilfsbereitschaft, weil es mehr einer Geschäftsbeziehung ähnelt und nicht so viel mit dem Helfen für den anderen zu tun hat.
Eine wie ich finde schöne Einstellung hat hier mein Bruder. Er sagt, er helfe gerne anderen Menschen und erwarte dafür keine Gegenleistung. Vielleicht sei es aber so, dass derjenige, der jetzt Hilfe erhalten habe, wieder jemand anderem helfe. So gehe es weiter und vielleicht erhalte dann irgendwann mein Bruder wieder von jemanden Hilfe, der auch keine Gegenleistung dafür erwarte.
So etwas Ähnliches hatte ich schon einmal erfahren. Gemeinsam mit einem Freund reisten wir per Anhalter als Jugendliche durch Frankreich. Als uns ein Ehepaar mitnahm und wir ins Gespräch kamen, erzählte uns der Mann, dass seine Tochter in einem ähnlichen Alter wie wir und auch gerade im Urlaub verreist sei. Er dachte sich, er helfe uns und nehme uns mit, weil vielleicht gerade irgendwo anders auf der Welt jemand anderer seiner Tochter helfe. Das fand ich einen grandiosen Gedanken, der sich bei mir eingebrannt hat.
Wenn dir Hilfsbereitschaft liegt, dann kann folgende Praxisübung für dich interessant sein:
Übung: Mehr Hilfsbereitschaft im Alltag zeigen
Nimm dir innerhalb der nächsten vier Wochen einen Tag pro Woche vor, der dein „Gute-Taten-Tag“ ist. Überlege dir schon im Vorfeld, welche guten Taten du an diesem Tag gerne vollbringen würdest, und sei an dem Tag ganz aufgeschlossen für weitere Möglichkeiten. Die Dinge können klein oder groß sein und der Empfänger kann sich mit leuchtenden Augen bei dir bedanken oder vielleicht gar nicht wissen, dass du ihm geholfen hast. Mache dabei Dinge, von denen du denkst, dass sie dem anderen helfen, und erwarte keine Gegenleistung. Erwarte nicht einmal ein Dankeschön, sondern gib einfach, weil du geben willst.
Bedenke auch, dass du deine Taten abwechselst. Abwechslung ist wie das Salz in der Suppe. Schreibe am jeweiligen „Gute-Taten-Abend“ für dich auf, welche guten Taten du an dem Tag vollbracht hast, und sei dankbar, dass du geben kannst. Achte darauf, wie es dir in den nächsten Wochen geht.
Weitere Möglichkeiten
Achte auch auf das, was in deinem Alltag passiert. Ich sah beispielsweise gestern Nachmittag im Supermarkt ein ca. 10-jähriges Mädchen. Sie stand am Kühlregal auf Zehenspitzen beim Versuch, sich eine Packung Lachs aus dem obersten Regal zu angeln. Von den Eltern war nichts zu sehen. Obwohl sie alles versuchte, gelang es ihr nicht, eine Packung richtig zu greifen. Ich fragte sie dann, ob ich helfen könne. Obwohl das so eine winzige Kleinigkeit war, hatte ich danach ein richtig gutes Gefühl. Vielleicht kennst du ähnliche Situationen. In so einem kurzen Ereignis wird die ganze Theorie plötzlich erlebbar. Das Leben bietet so viele Möglichkeiten etwas für andere zu tun und manchmal ist es für dich kinderleicht. Halte nach diesen Dingen bewusst Ausschau und hilf gerne, wenn du helfen möchtest.
Zudem kannst du dir überlegen, ob ein ehrenamtliches Engagement für dich etwas ist. Wenn du dies für dich passend findest, wähle etwas aus, bei dem du deine Stärken einsetzen kannst und das dir Freude macht. Dies kann durchaus ein weiterer aktiver Weg zu mehr Glück und – wie die Untersuchungen gezeigt haben – vielen weiteren positiven Lebensaspekten sein.
Zwei Dinge sind mir noch wichtig. Es ist natürlich fabelhaft, warmherzig, großzügig und vor allem ethisch sehr hochstehend, wenn wir anderen Menschen helfen. Ich habe jedoch die ethischen Überlegungen bewusst hier weggelassen, weil es für dich nichts Neues wäre und weil es mir darum geht, dass du frei entscheidest, wann du helfen möchtest. Denn dann entsteht dieses Paradox: Du hilfst jemandem aus freier Entscheidung und ohne eine Gegenleistung zu erwarten und danach geht es nicht nur dem Empfänger, sondern auch dir viel besser.
Zweitens möchte ich denjenigen, die sich ohnehin schon schwertun nein zu sagen und sich viel zu viel aufbürden, noch einen wichtigen Hinweis geben: Wenn du dich zu diesen Menschen zählst, dann rufe dir noch einmal die Überlegungen des Kapitels „Liebst du dich?“ (siehe Abschn. 3.12) in Erinnerung. Wenn es dir gut gehen soll, ist es wichtig, zuerst auf deine Belange zu achten und darauf, dass es dir gut geht. Wenn das der Fall ist, dann sei gerne sehr hilfsbereit. Wenn du dagegen selber bereits überlastet bist, dann bürde dir nicht noch ein weiteres Thema auf. Auch hier gilt es die Balance zu halten. Du kannst es kurz zusammenfassen: Wenn du geben kannst, dann gib reichlich und gern. Wenn du dich schon jetzt aufopferst oder über die Maßen belastet fühlst, dann brauchst du Hilfe und solltest sie auch annehmen.
4.5 Leib und Seele
4.5.1 Weg 17: Sport
Alles Leben ist Bewegung, Bewegung ist Leben. (Leonardo da Vinci)
Wie geht es dir mit Sport? Menschen sind hier sehr unterschiedlich. Die einen lieben es, Sport zu machen, die anderen lieben es, keinen Sport machen zu müssen. Die Letzteren haben dann zeitweise ein schlechtes Gewissen, weil sie grundsätzlich wissen, dass Sport gesundheitsförderlich ist. Wenn du zu dieser Gruppe gehörst, dann denkst du dir jetzt vielleicht, in einem Buch, in dem es um Strategien für ein gutes und gelingendes Leben geht, kommt auch noch dieses Thema daher. Die gute Nachricht ist, am Ende dieses Kapitels findest du zwei Hinweise, die dir helfen, Spaß am Sport zu entdecken und bei der Umsetzung zu bleiben, und zum zweiten: Du bestimmst, was du dir aus dem Buffet nimmst, und so ist das in Ordnung.
Zuvor will ich dir jedoch von einer bahnbrechenden Erkenntnis bezüglich der Wirkung von Sport auf die Psyche erzählen. Auch das ist schier unglaublich, jedoch wissenschaftlich gut belegt: Regelmäßiger Sport wirkt langfristig bei moderater Depression besser als Antidepressiva.
Gruppe1: Diese Patienten machten dreimal die Woche unter Anleitung Sport. Der Aufwärmphase (10 Minuten) folgte die eigentliche sportliche Betätigung von einer halben Stunde, die entweder aus Joggen, schnellem Laufen oder der Bewegung auf dem Fahrradergometer bestand. Ziel war ein moderates bzw. mittleres Herz-Kreislauf-Training 118 . Am Ende schloss sich noch eine fünfminütige Cool-down-Phase an.
Gruppe 2 wurde klassisch mit Antidepressiva behandelt.
Gruppe 3 erhielt beide Behandlungen der Gruppe 1 und 2.
Nach den vier Monaten zeigte sich, dass rund zwei Drittel der Patienten nicht mehr an depressiven Symptomen litt. Dabei gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Die alleinige Behandlung mit Sport war genauso wirksam wie die Behandlung mit Antidepressiva. Einen Unterschied gab es jedoch: Mit Antidepressiva stellte sich die Besserung schneller ein als mit Sport 119 . Doch wie stabil waren die Ergebnisse? Praktiker wissen, dass ein großes Problem bei Depressionen die Rückfallraten darstellen. Die Forscher untersuchten die Patienten ein weiteres halbes Jahr später (also 10 Monate nach Beginn der Studie). Dabei fanden sie noch interessantere Ergebnisse: Von der Sportgruppe (Gruppe 1) waren fast 90 % genesen, 8 % erlitten einen Rückfall. Bei der dritten Gruppe (kombiniert) erlitten dagegen 31 % einen Rückfall und bei der zweiten Gruppe (Antidepressiva) waren es sogar 38 %. Dementsprechend war die Zahl der genesenen Patienten deutlich geringer als 90 %. Bei der Gruppe 2 waren es etwas über 50 % und bei der Gruppe 3 etwas über 60 % 120 . Hättest du das gedacht? Sport wirkt etwas langsamer als Antidepressiva, ist jedoch langfristig dem Medikament überlegen, weil die Rückfallquote deutlich geringer ist 121 . In der Folge gab es eine Vielzahl weiterer Untersuchungen. Wertet man diese Untersuchungen zusammen aus, zeigt sich wissenschaftlich stichhaltig, dass Sport eine wichtige Behandlungsform bei Depression ist 122 . Psychopharmaka können dennoch ausgesprochen wichtig sein, um insbesondere schwere psychische Erkrankungen zu behandeln. Mir kommt es hier auf den Sport an und darauf, dir zu zeigen, welche Möglichkeiten und welcher verborgene Nutzen im Sport stecken.
Ich habe Sport deshalb als wichtigen Weg zu mehr Lebensglück aufgenommen, weil Sport nicht nur vor depressiven Stimmungen schützt, sondern auch sehr positive Wirkungen auf deine gesamte Stimmungslage hat 123 und dir hilft, mit Stress und belastenden Lebensumständen gut zurecht zu kommen. In vielen Untersuchungen zeigt sich, dass Menschen, die Sport treiben, weniger ängstlich sind und mehr Selbstvertrauen haben 124 . Sport wirkt zudem positiv auf das Gehirn. Es fördert das Wachstum und sogar die Neubildung von Neuronen und verbessert die geistigen Fähigkeiten 125 . Daneben gibt es eine riesige Zahl an Studien, die die Vorteile von Sport für unsere körperliche Gesundheit belegen. Alleine damit könnten wir sicher ein Buch füllen. An Fakten, die insbesondere für Ausdauersport sprechen, mangelt es nicht. Trotzdem tun sich viele von uns damit schwer. Wenn du gerne Sport machst, dann kannst du dich rundum bestätigt fühlen. Wenn du gerne mehr machen würdest, dann möchte ich dir folgende Überlegungen zur Verfügung stellen, die dir helfen können, sportlich aktiver zu werden und die Freude daran zu entdecken. Mir hätten diese Aspekte sehr geholfen, wenn ich sie schon vor Jahren hätte lesen können.
Weißt du, warum so viele Neujahrsvorsätze scheitern? Das liegt daran, dass wir uns etwas fest vornehmen (z. B. dreimal die Woche ins Fitnessstudio, keine Süßigkeiten mehr essen, nicht mehr rauchen). Was jedoch in der Regel völlig fehlt, ist ein Ziel, für das wir uns begeistern. Ich meine damit nicht das vage Ziel „mehr für die Gesundheit tun“ oder „abnehmen“, sondern ein klares Bild, was wir erreichen möchten. Das könnte zum Beispiel das Ziel sein, dass wir unseren Körper leicht und mit einer guten Körperspannung erleben, dass wir uns auf die Bikini-Figur freuen oder darauf, nach einer schnell hochgelaufenen Treppe zu merken, wow, ich bin kaum außer Atem, mein Körper bekommt das locker hin. Lass dich von deinen Zielen ziehen, statt dich mit deinem Willen zu etwas zu zwingen. Spürst du den Unterschied? Das ist wie beim Selbstkontrollmodus 126 , den wir oben (siehe Abschn. 3.17) kennengelernt haben. Es kostet uns Kraft, wenn unser Wille unseren Körper „überstimmen“ muss. Es gibt sogar die anschauliche Vorstellung, dass wir jeden Tag eine gewisse Menge an Willen in unserem Willensgefäß haben. Irgendwann ist dieser dann aufgebraucht. Dann bleiben wir auf der Couch oder können uns bei der leckeren Schokolade oder der Zigarette nicht mehr zurückhalten. Es geht daher darum, ein anziehendes Ziel zu haben. Mal dir dein Ziel häufig in Gedanken aus, dann wirst du viel leichter die Wege dazu finden. Das hat noch einen riesigen Vorteil: Wenn dein ursprünglicher Plan dreimal die Woche ins Fitnessstudio zu gehen nicht funktioniert, weil du beispielsweise auf einer Geschäftsreise bist, dann wirst du viel leichter Alternativwege finden (Sportsachen mitnehmen), als wenn du geistig am Ziel „Fitnessstudio“ hängst und Mitte Januar sagst „ich bekomme das einfach beruflich nicht hin.“ Lass dich also von deinen Zielen ziehen. Das gilt natürlich nicht nur für Sport, sondern für das ganze Leben.
Außerdem kann folgende Unterscheidung für dich hilfreich sein, die mir erst vor ein paar Jahren wirklich bewusst wurde und die ich persönlich sehr hilfreich finde. Es ist die Unterscheidung zwischen mir und meinem Körper. Natürlich sind wir auf den ersten Blick eins, versuche dennoch einmal zwischen dir und deinem physischen Körper zu unterscheiden. Er ist völlig abhängig von dir. In der Regel führt er treu aus, was du von ihm erwartest, andererseits ist er völlig auf dich angewiesen. Du versorgst ihn mit Nahrung, du pflegst ihn und du sorgst mehr oder weniger gut für ihn. Andererseits ist dein Ich frei und kann sich für oder gegen etwas entscheiden. Dein folgsamer und abhängiger Körper ist jedoch extrem wichtig für dich, denn du kannst dich in der Welt nur mit seiner Unterstützung völlig frei bewegen und so vieles erleben. Kannst du diese gedankliche Unterscheidung nachvollziehen?
Daraus leitet sich für mich ab, dass ich meinem Körper sehr dankbar bin. Andererseits führt dies zu einer Verantwortung für meinen Körper. Durch meinen freien Willen kann ich entscheiden, was ich für meinen Körper tue, was ich ihm an Nahrung gebe und inwieweit ich seinem Bedürfnis nachkomme, sich zu bewegen. Unser Körper ist über Jahrtausende der Evolution darauf ausgelegt, sich zu bewegen. Die Natur hat uns nicht für die Couch gemacht. Wenn ich joggen gehe, kann ich fühlen, wie gut es meinem Körper tut, wenn er in seinem Element ist und sich seiner Natur gemäß bewegen darf.
Daraus folgt übrigens noch eine weitere wichtige Unterscheidung: die zwischen Fordern und Quälen. Wenn meine Tagesform passt, dann spüre ich, wie gut es sich für den Körper anfühlt, gefordert zu werden. Das ist natürlich anstrengend, jedoch auch ein gutes Gefühl, diese Leistungskraft zu spüren. Dabei entstehen Spaß und sicher auch jede Menge Endorphine. Wenn ich dagegen nur durch meinen Willen meinen Körper überfordere, dann ist das Quälerei und die macht weder Spaß, noch will sie wiederholt werden. Das war früher mein Fehler: Ich habe mir vorgenommen, Sport zu machen, bin dann völlig übermotiviert und viel zu schnell los, um dann frustriert zu merken, dass es so nicht geht und mir keinen Spaß macht. Mir persönlich hat erst eine Pulsuhr geholfen, im mittleren Herzfrequenzbereich aktiv zu sein und den Spaß am Laufen zu entdecken. Obwohl ich mich nie für einen Läufer gehalten habe, war ich irgendwann stolz, dass ich einen Halbmarathon mitgelaufen bin.
Anbei findest du noch ein paar Gedanken, um Bewegung so anzugehen, dass du davon profitierst und Freude hast:
Übung: Genieße Sport
Mache dreimal wöchentlich einen Ausdauersport für jeweils idealerweise 30 min oder auch mehr. Wenn du nach langer Pause beginnst, kannst du auch mit 15–20 min beginnen. Im Zweifel lass dir von deinem Arzt grünes Licht geben und fang vor allem langsam an.
Finde deine passende Sportart. Such dir einen Sport, der dir vermutlich Spaß macht. Laufen ist für die meisten das Einfachste, weil es nahezu überall möglich ist. Vielleicht liebst du jedoch Schwimmen, Tanzen, Rudern, Radfahren, Nordic Walking, Skaten oder etwas anderes.
Finde deinen Weg. Wenn du Sport gerne in der Gemeinschaft machst, dann such dir eine Gruppe in der Nähe. Wenn dich Wettkampf reizt, dann melde dich dazu an. Wenn du alleine Sport machst, dann setz dir am besten drei feste Termine in der Woche. Plan diese fix ein. Das hilft bei der Umsetzung.
Finde dein Ziel und lass dich von deinem Ziel ziehen. Freu dich, wenn du Sport machst, dass du dein Ziel damit verfolgst. Hör auf deinen Körper. Mach den Sport so, dass es dir und deinem Körper Spaß macht. Es darf Anstrengung sein, jedoch keine Quälerei. Es ist viel besser, dich nur moderat zu bewegen als gar nicht. Ich kann beispielsweise meinen inneren Schweinehund gut überzeugen, wenn ich mir vornehme, nur eine langsame überschaubare Runde zu laufen. Das ist dann völlig in Ordnung. Die Regelmäßigkeit macht es und beim nächsten Mal ist die Tagesform wieder besser.
Hör auf dich und deinen Körper und mach Sport in einer Form, dass du Spaß dabei hast.
Die meisten von uns bewegen sich sicher eher zu wenig als zu viel. Du kennst vielleicht das immer populärer werdende Motto, 10 000 Schritte pro Tag zu gehen (übrigens ein Motto, nach dem in den 60er-Jahren ein Schrittzähler in Japan benannt wurde). Solche Geräte, speziell die modernen, haben schon viele Menschen motiviert, sich mehr zu bewegen. Zumindest solltest du deutlich über 5 000 Schritte täglich kommen, denn alles darunter gilt als bewegungsarm und auf Dauer gesundheitlich deutlich nachteilig 127 . Noch eine kleine letzte Idee, die du vielleicht schon oft gelesen oder gehört hast: Baue Bewegung einfach in deinen Alltag ein. Mach es dir beispielsweise zur Gewohnheit die Treppe zu nehmen. Oben angekommen, kannst du dir immer gedanklich auf die Schulter klopfen: Das war wieder ein kleiner Sieg für dich! Oder steig auf dem Heimweg eine Station früher aus dem Bus aus und lauf die Reststrecke. Lass dein Handy dabei in der Tasche und sei bewusst bei dir und dem Weg nach Hause. Atme tief ein und aus. Wetten, dass du ganz anders nach Hause kommst?
4.5.2 Weg 18: Fließe mit dem Lebensrhythmus und tu das, was dir Energie gibt
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass alles Lebendige bestimmten Rhythmen folgt? Diese zeigen sich auf ganz verschiedenen Ebenen. Unser Herz schlägt zum Beispiel in einem Rhythmus. Es ist immer die Abwechslung zwischen Zusammenziehen, um das Blut in den Körper zu pumpen, und Erschlaffen, wodurch sich das Herz wieder füllt. Danach folgt der nächste Schlag. Dann haben wir das Aus- und Einatmen. Du kennst den Tag-und-Nacht-Rhythmus: Anspannung und Tätigkeit auf der einen und Erholung und Schlaf auf der anderen Seite. Viele weitere biologische Prozesse folgen dem Tagesrhythmus, beispielsweise die Körpertemperatur. Der Zyklus der Frau folgt einem monatlichen Rhythmus. Selbst außerhalb unseres Körpers gibt es in der Natur jede Mengen Rhythmen: die Jahreszeiten und Ebbe und Flut beispielsweise im Großen oder Schallwellen und Licht im Kleinen, denn alles, was regelmäßige Schwingungen hat, hat auch einen Rhythmus. Allem ist ein Prinzip gleich: der Wechsel zwischen zwei Polen und die Balance dazwischen. Wenn ein Herz sich nur noch zusammenzieht und nicht mehr erschlafft, dann ist uns sofort klar, das ist ein Notfall. Übertragen auf unser Leben bedeutet dies, nach starker Anstrengung kommt Entspannung, nach intensiver Arbeit eine Pause. Obwohl das logisch und natürlich klingt, gibt es in vielen Unternehmen unausgesprochen die Haltung: Am besten ist der, der durchgängig arbeitet, besonders fleißig der, der auch die Mittagspause ausfallen lässt, und ganz vorbildlich derjenige, der auch noch spät abends und früh morgens E-Mails schreibt.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Forschungen des schwedischen Psychologieprofessors Anders Ericsson, der heute an der Florida State University forscht. Er baute auf der Forschung von Nathaniel Kleitman auf, der in den 50er-Jahren entdeckte, dass auch unser Schlaf einem Rhythmus folgt, der in ungefähr 90–100 min zwischen Tiefschlafphasen und leichteren REM-Schlaf-Phasen 128 schwankt. Später zeigte er auf, dass diese Phasen auch im Wachzustand vorhanden sind, d. h. unsere Wachheit untertags durchläuft ebenfalls diese Phasen von sehr wach und leistungsfähig zu müde, um danach wieder anzusteigen. Ein Durchlauf braucht auch am Tag ungefähr 90 min 129 .
Anders Ericsson untersuchte nun Top-Leister aus unterschiedlichen Bereichen. Mit dabei waren Athleten, Musiker, Schauspieler und Schachspieler beider Geschlechter. Er fand bei diesen Top-Performern ein sehr ähnliches Muster. Sie übten ohne Störungen von außen über längstens 90 min. Danach machten sie immer eine Pause. In der Regel begannen sie morgens mit der ersten Einheit und machten drei Durchgänge, d. h. ihr Training war nach ca. viereinhalb Stunden beendet. Trotz dieser überschaubaren Zeit bringen sie Höchstleistungen. Wer seine Produktivität maximieren will, dem empfiehlt Anders Ericsson, alle 90 min eine Pause einzulegen und dann immer wieder seine Energiespeicher aufzufüllen und sich nur soweit zu verausgaben, dass du dich innerhalb eines Tages, spätestens aber innerhalb einer Woche erholen kannst, um wieder voll fit zu sein. Der Autor Tony Schwartz hatte davon gehört und es selbst ausprobiert. Früher hatte er an seinen Büchern zehn Stunden am Tag gearbeitet und benötigte ein Jahr für ein Buch. Mit dieser Technik arbeitet er nun viereinhalb Stunden pro Tag an seinen Büchern und schreibt zwei Bücher in sechs Monaten 130 .
Pausen und Entspannung haben einen deutlichen Effekt auf die Produktivität. In einer anderen Studie wurde untersucht, wie sich ausreichender Schlaf auf die Leistungen von Basketballspielern auswirkt. Die Spieler mussten für fünf bis sieben Wochen möglichst lang schlafen, in jedem Fall jedoch mindestens zehn Stunden pro Tag im Bett bleiben. Danach wurden ihre Leistungen gemessen und mit ihren Werten vor dieser Phase verglichen. Es zeigten sich dramatische Verbesserungen. Die Spieler waren im Sprint deutlich schneller, die Wurfgenauigkeit steigerte sich um 9 % und Energie, Vitalität und Stimmung hatten sich deutlich verbessert 131 .
Produktiver, erfolgreicher und glücklicher ist nicht derjenige, der immer mit Vollgas unterwegs ist, sondern derjenige, der bewusst die Balance hält, entspannt und auch seine Erreichbarkeit abschaltet. Wir kennen dies von anderen und vielleicht auch von uns selbst: Wenn sie überarbeitet, unausgeschlafen oder gestresst sind, können sie unausstehlich sein. Die Balance zu halten ist daher ein weiterer wichtiger Weg zu einem glücklicheren und zufriedeneren Leben. Mit den folgenden Fragen kannst du für dich prüfen, wo du die Balance gut hältst und in welchen Bereichen du Verbesserungspotenzial hast.
Reflexionsfragen
Schlafe ich genug? Wie lange ist meine Schlafdauer, wenn ich bereits eine Woche im Urlaub bin und keine Termine anstehen? Das ist eine gute Abschätzung, welche Schlafdauer deinem Körper guttut.
Bin ich den ganzen Tag über ausgeschlafen und wach oder brauche ich Koffein bzw. Zucker, um leistungsfähig zu sein?
Wie ist meine Balance zwischen Stress und Anstrengung einerseits und Entspannung andererseits? Stress ist kein Problem, wenn darauf eine Phase der Entspannung folgt.
Wie gehe ich mit meinen elektronischen Geräten um? Bin ich immer erreichbar und störbar? In welchen Zeiten kann mein Körper sicher sein, nicht gestört zu werden?
Wie viele bewusste Pausen mache ich am Tag?
Wie ist mein Wochenrhythmus? Wie wechseln sich Tage mit viel Anstrengung und Tage ab, die der Erholung dienen?
Wie ist mein Jahresrhythmus? In welchen Abständen mache ich Urlaub? Pflege ich im Urlaub den Gegenpol oder arbeite ich nur an einem anderen Ort weiter?
Wieviel Zeit verbringe ich mit und für andere? Wieviel Zeit verbringe ich ganz bewusst nur mit mir und für mich?
Wobei gebe ich Energie und wobei bekomme ich Energie? Ist meine Energiebilanz ausgewogen?
Was in deinem Leben Balance bedeutet, kannst nur du für dich entscheiden. Ich empfehle dir jedoch mutig ranzugehen. Musst du wirklich abends geschäftlich noch erreichbar sein? Brauchst du wirklich dein Handy auf dem Nachttisch? Gibt dir das abendliche Fernsehprogramm wirklich Energie? Ist es wirklich hilfreich, schon vor dem Aufstehen E-Mails zu checken? Vieles ist Gewohnheit, über die wir überhaupt nicht mehr nachdenken. Dazu zählt übrigens auch die Ernährung. Ich spüre oft nach einem Essen in meinen Körper, wie es ihm damit geht. Das ist für mich ein guter Gradmesser, ob die Tafel Schokolade gut für mich war. Ich empfehle dir sehr, schau dir deine Gewohnheiten an.
Ob wir voller Energie sind oder schlapp, hat einen großen Einfluss darauf, wie es uns insgesamt geht. Und nochmal, gehe mutig heran. Ich sage das aus eigener Erfahrung. Hättest du mich in den ersten Jahren als Manager gefragt, wäre ich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass ich erreichbar sein muss. Das galt nicht nur für abends, sondern auch für den Urlaub, und dass ich schnell antworte war selbstverständlich, schon aus Vorbildfunktion. Damals war mir nicht bewusst, dass dahinter meine unbewussten Antreiber aktiv waren: Ich wollte wichtig sein und ich wollte gut dastehen. Mir war das nur nicht bewusst. Insofern lass dir aus meiner Erfahrung sagen, es finden sich immer Wege, damit du die Balance leben kannst zwischen voller Leistung und einem völlig ungestörten Akkuauffüllen. Es ist wie das Ein- und das Ausatmen: Nur zusammen ist es gesund. Manche Teilnehmende meiner Seminare sagen zuerst, ich kann doch gut abschalten, auch wenn vielleicht noch jemand anruft oder ich später noch die E-Mails checke. Wenn sie beides jedoch richtig trennen, dann machen sie die Erfahrung, dass es einen großen Unterschied macht und die Erholung qualitativ weitaus besser wird. Dies gilt analog auch für diejenigen, die abends im Urlaub ihre geschäftlichen E-Mails lesen. Mache alles ganz: Wenn du arbeitest, dann arbeite voller Energie, wenn du bei deiner Familie bist, dann sei ganz da, wenn du mit Freunden sprichst, dann sei ganz in dem Gespräch, und wenn du dich erholst, dann tue das auch ganz. Mit dieser Strategie gewinnst du am Ende in allen Bereichen und bist leistungsstärker, als wenn alles vermengt ist. Das ist die Paradoxie dabei: Wer alles gleichzeitig macht, schafft weniger.
Übung
Was sind deine Haupterkenntnisse aus den obigen Reflexionsfragen?
Wo in deinem Leben kannst du noch mehr Balance herstellen? Sei mutig in deinen Überlegungen.
Nimm dir erstmal nur ein einziges Thema. Was möchtest du gerne tun, um mehr Balance zu erreichen?
Überlege dir sehr genau, was dazu notwendig ist. Nimm dir genau dies vor. Stell dir deinen Vorteil vor. Wenn es einen Termin dazu gibt, trag ihn dir in den Terminkalender ein. Stell dir vor, wie gut dir dies tut.
Setz dies um und lass es zur Gewohnheit werden!
4.5.3 Exkurs: Weg 19: Spiritualität/Religion
Forscher haben auch untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen Glück und Spiritualität und Religiosität gibt. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse findest du in den Online-Zusatzinformationen unter: Exkurs 13 auf http://extras.springer.com.
4.5.4 Exkurs: Weg 20: Meditation
Bei der Meditation geht es nicht um den Versuch, irgendwo hinzugelangen. Es geht darum, dass wir uns selbst erlauben, genau dort zu sein, wo wir sind, und genau so zu sein, wie wir sind, und desgleichen der Welt zu erlauben, genau so zu sein, wie sie in diesem Augenblick ist. (Jon Kabat-Zinn)
Meditation kann unser Lebensgefühl und unser Lebensglück steigern. Interessante wissenschaftliche Ergebnisse und eine Einsteigerübung zum Ausprobieren findest du in den Online-Zusatzmaterialien unter: Exkurs 14 auf http://extras.springer.com.
4.5.5 Weg 21: Finde dein Ikigai
Meine Schwester lebt bereits seit vielen Jahren in Japan. Dort gibt es ein Wort, von dem ich dir unbedingt erzählen muss, weil es so perfekt hierher passt und weil es kein identisches Wort im Deutschen gibt. Dieses Wort heißt Ikigai (das spricht man auch genauso aus). Es bedeutet im heutigen Japan etwas frei übersetzt, „wofür es sich zu leben lohnt“. Das wirklich Entscheidende dabei ist, dass Ikigai dir Energie gibt. Ikigai ist veränderbar. Heute kann völlig anderes dein Ikigai sein als noch vor 10 Jahren. Ikigai wird in der Gegenwart erlebt und es ist das, was dich nährt und was dir die Ressourcen gibt, auch schwierige Phasen zu meistern. Ikigai kann vieles sein: Es kann in den Begrifflichkeiten, die du bereits kennst, die Freude am Genuss (siehe Weg 5) sein, es kann Flow (siehe Weg 7) sein, es kann auch anstrengend sein. Eltern, deren Kinder nachts nicht durchschlafen und die erschöpft sind, sagen dennoch mit einem Lächeln, meine Kinder sind mein Ikigai 132 . Ikigai ist absolut individuell. Das ist übrigens für mich ein spannender Aspekt. Die westlichen Kulturen betonen die Individualität viel mehr als die japanische Kultur. Dennoch meint die japanische Sprache beim Wort Ikigai, dass es jeder nur für sich selbst finden kann und dies hochgradig individuell ist. Wenn wir es zusammenfassen, dann bezeichnet Ikigai das, was auf einer höheren Ebene Freude bereitet (auch wenn es im Moment anstrengend oder sogar belastend sein kann), was uns Lebensenergie gibt und sich für uns ganz individuell stimmig anfühlt.
Eine Unterscheidung aus meiner Sicht möchte ich hier noch einbringen. Ich nenne sie den Unterschied zwischen meinem oberflächlichen Ich und meinem tiefen Ich. Die Wünsche dieser beiden „Ichs“ können sich unterscheiden. Mein oberflächliches Ich mag sich vielleicht vor dem Fernseher berieseln lassen und mein tiefes Ich liebt es stattdessen ein inspirierendes Buch zu lesen. Oder stell dir vor, dass du mit guten Freunden zusammen bist. Was fühlt sich besser an: Wenn ihr Poker spielt und du richtig viel Geld dabei auf Kosten deiner Freunde gewinnst oder wenn ihr einen gemeinsamen Abend habt, der von tiefer Verbundenheit geprägt ist? Das oberflächliche Ich möchte gewinnen und der Beste sein, das tiefe Ich möchte ausgleichen und verbunden sein. Kannst du den Unterschied spüren? Auch dies ist sehr individuell. Wenn ich nun gleich diese einfache und sehr wirkungsvolle Übung beschreibe, dann bitte ich dich, auf diese Unterscheidung zu achten. Fühle, was dein tiefes Ich nährt und was deinen großen Akku auflädt und nicht nur einen kurzen Lichtbogen erzeugt.
Übung: Deinem Ikigai auf der Spur
Gehe jeden Abend kurz in dich und frage dich: Was war heute mein Ikigai? Nimm dir ein kleines Heft oder ein Büchlein und schreibe es auf. Spüre nach, wie dies dein tiefes Ich nährt und Energie aufbaut.
Du kannst diese Übung zusammen mit der Dankbarkeitsübung (Weg 1) oder auch abwechselnd machen. Das Ziel dieser wunderbaren Übung besteht darin, dass du dir immer bewusster wirst, was deine Energiequellen sind. Du wirst immer mehr feststellen, was es ist, das perfekt zu deinem Leben passt, was deine tiefen Sehnsüchte erfüllt, deine wahre Passion ist.
Es kann sein, dass du zuerst überhaupt nichts Passendes entdeckst. Das ist genauso in Ordnung. Vielleicht war in diesem Tag nichts, was zu deinem Ikigai passt, oder du hast deine Empfangsantennen noch nicht auf die Wahrnehmung von Ikigai eingestellt.
Wenn du diese Übung länger machst, wirst du immer mehr verstehen, was dir in deinem Leben eine tiefe Befriedigung gibt, was sich für dich stimmig und wohlig anfühlt. Überlege dann nach und nach, wie du dein Leben immer mehr auf dein Ikigai ausrichten kannst.
4.6 Weg 22: Sinn
Es geht nicht darum, das Leben zu fragen, welchen Sinn es uns gibt, denn es ist umgekehrt: Wir können erkennen, dass das Leben uns fragt, welchen Sinn wir ihm geben. 133 Oder um es kürzer zu fassen:
Der Sinn des Lebens ist es, dem Leben Sinn zu geben. (Paul Wong)
Während wir im letzten Abschnitt zu Ikigai den Fokus auf einzelne Lebensbereiche gelegt haben, die uns Sinn und Energie geben, öffnen wir den Fokus nun ganz weit und betrachten unser ganzes Leben. Damit sind wir in diesem Buch beim letzten Weg zu mehr Lebensfreude und Lebensglück angekommen. Es ist der Schlusspunkt und auch das Ausrufezeichen: Sinn! Lebenssinn zu finden ist ebenfalls ein entscheidender Weg. Menschen, die Sinn in ihrem Leben fühlen, die wissen, wofür es sich lohnt, jeden Morgen aufzustehen, sind klarer, sind fokussierter, sind überzeugter, glücklicher und vor allem zufriedener. Auch deshalb zählt Martin Seligman Sinn zu einer der fünf Hauptkomponenten (neben positiven Gefühlen, Flow, Beziehungen und Erfolg/Selbstwirksamkeit) in seiner Theorie des Wohlbefindens 134 . Du weißt, für mich zählt die Frage „Was will ich mit meinem Leben machen?“ zu den zentralen Fragen überhaupt und ganz eng damit verknüpft ist die Frage: „Welchen Sinn soll mein Leben haben?“ Sinn ist der Dreh- und Angelpunkt, nach dem sich alle anderen Dinge ausrichten können. Wenn du dich mit deiner Lebensvision, deinen Werten, mit dem Setzen von Zielen, expressivem Schreiben oder mit deinem Ikigai beschäftigt hast, dann warst du schon in enger Beziehung mit deinem Lebenssinn.
Die Frage nach dem Sinn lässt sich nur individuell beantworten
Es gibt unglaublich viele verschiedene Antworten darauf, was Sinn für jeden Einzelnen sein kann: Kinder, Ziele verfolgen, die zu einem passen und erreichbar sind, Kreativität in den Künsten, eine Firma aufbauen, mildtätige Aufgaben, im Einklang mit seiner Religion oder spirituellen Sichtweise leben oder pure Freude am Leben haben. Das ist nur eine sehr kleine Auswahl. Die Frage nach dem Sinn deines Lebens kannst jedoch nur du beantworten. Ich persönlich hätte mir in jungen Jahren sehr gewünscht, von außen die richtige Antwort zu bekommen. Das wäre einfach gewesen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass es zwar viele Menschen gibt, die bereitstehen, um dir zu sagen, was du mit deinem Leben sinnvollerweise anfangen sollst, jedoch bedeutet das nicht, dass das auch in deinem Sinn ist. Ich konnte meinen Sinn tatsächlich nur in mir finden. Hier kam mein Herz ins Spiel: Was sind meine Sehnsüchte? Was fühlt sich für mich rund und richtig an? Alle großen Weisheitslehrer kommen verkürzt gesagt zu dem Schluss: Die Antwort liegt in dir. So ist es auch bei der Sinnfrage. Deshalb kann und will ich dir nicht sagen, was dein Sinn ist. Du findest allerdings im weiteren Verlauf dieses Kapitels gute Übungen, die dich dabei unterstützen werden, für dich mehr Klarheit zu gewinnen. Vielleicht bist du dir bereits völlig klar darüber, was dein Lebenssinn ist. Dann kannst du die Übungen nutzen, um deine Sichtweise zu verfeinern oder zu bestätigen.
Zum Sinn des Lebens dürfen auch Freude, Leichtigkeit und Vergnügen gehören
Wenn Menschen anfangen über den Sinn ihres Lebens nachzudenken, dann werden oft große und herausfordernde Aufgaben genannt. Diese sind zutiefst sinnvoll, es kann jedoch passieren, dass sich die gefundenen Themen schwer und anstrengend anfühlen. Was Menschen dabei aus dem Blick verlieren können, ist der Umstand, dass ein sinnvolles Leben gleichzeitig auch Freude, Leichtigkeit und Spaß beinhalten darf.
Denn erst wenn Freude dazukommt, wird ein sinnvolles Leben zu einem idealen Leben. Ohne Freude bleibt es ein aufopferndes Leben. Die Freude ist der entscheidende Faktor. Wenn du dir zum Sinn deines Lebens Gedanken machst, dann schaue daher auch immer auf den Aspekt der Freude. Auch hier kann es Ausnahmen geben. Für manche Menschen ist ein aufopferndes Leben die beste Wahl, weil sie beispielsweise trotz aller Repressalien für ihre Meinung einstehen und damit helfen, ein Machtsystem zum Positiven zu verändern. Auch hier gilt, dass nur du allein bestimmst, was sich für dich richtig anfühlt.
Ich möchte dir hier nur die Perspektiven aufzeigen. Du kennst das gut aus dem ersten Teil des Buches: Was dein Filter aus deiner Wahrnehmung durchlässt, aus dem kannst du auch etwas machen. Allein das Stellen der Frage, wie Sinn und Freude sich für dich verknüpfen lassen, kann in deiner Wahrnehmung neue Ideen und Möglichkeiten für mehr Lebensfreude erzeugen. Die idealste Kombination ist natürlich, dass das, was deinem Leben Sinn gibt, dir auch noch viel Spaß macht.
In diesem Zusammenhang ist mir noch ein weiterer Aspekt wichtig: Das Leben braucht nicht zu 100 % aus sinnvollen Tätigkeiten zu bestehen. Zu wissen, wofür du lebst, und das zu verfolgen, was dir bedeutsam ist, das ist großartig. Es bedeutet jedoch nicht, dass du ausschließlich Dinge tun sollst, die diese Aspekte betreffen. Zum einen gibt es vielfältige Tätigkeiten in unserem Leben wie beispielsweise die Wohnung putzen, die vielleicht nicht direkt mit deinem Lebenssinn zusammenhängen und trotzdem dazugehören. Zum anderen macht für mich ein gelingendes Leben auch aus, dass es leicht, bunt, genussvoll und vielfältig sein darf. Wenn du an die zwölf Zutaten für ein gelingendes Leben am Anfang des Buches denkst, dann ist Sinn sicher ein ganz wichtiger Baustein. Meine Haltung dazu ist, dass es gleichzeitig auch andere Aspekte geben darf, die nicht sinnvoll sind. Für mich ist beispielsweise das Schreiben dieses Buches zutiefst sinnvoll, weil ich damit einen Beitrag leisten kann, damit viele Menschen Möglichkeiten an die Hand bekommen, ein besseres und für sie erfüllteres Leben zu leben. Ich investiere deshalb mit Freude und Energie viel Zeit und Passion in dieses Werk. Gleichzeitig ist es für mich genauso in Ordnung, mich faul in die Sonne zu legen, ein großartiges Essen zu genießen, Fußball zu schauen, in einen Freizeitpark zu gehen oder auch mal Zeit einfach so zu verdaddeln. Das ist auch Multitomie, Gegensätzliches zuzulassen und „permission to be human“, einfach Mensch sein und „fünfe gerade sein lassen“ zu können. Letztlich gibt genau das mir wieder neue Energie und neuen Elan, die wichtigen und sinnvollen Dinge voller Kraft und Freude anzugehen. Ich liebe das kraftvolle, bunte, vielfältige und volle Leben und für mich gehört einfach alles dazu. Das Entscheidende ist, dass die Mischung für dich passt und dass es statt verkrampft besser leichter und spielerisch wird.
Das ist mein Weg. Wie gesagt, für dich ist entscheidend, was sich für dich richtig anfühlt. Vielleicht hilft dir dieser Aspekt jedoch, die optimale Mischung für dich zu finden.
Seinen eigenen Lebenssinn zu finden ist ein langer Prozess und die gefundenen Antworten verändern sich im Laufe des Lebens
In Untersuchungen zeigt sich, dass Menschen sehr mit ihrem Leben zufrieden sind, wenn sie nach aktiver Suche den Sinn für sich gefunden haben. Dagegen sind jene Menschen weniger zufrieden, die aktiv suchen, jedoch noch kein für sich passendes Ergebnis gefunden haben 136 . Aus meiner Sicht liegt das daran, dass viele Menschen nicht wissen, dass die eigene Sinnfindung ein langer, manchmal jahre- und jahrzehntelanger Prozess sein kann und sich im Laufe der Zeit die Antworten verändern können. Such also nach deinem Sinn, aber ohne die Erwartung, in kürzester Zeit dein umfassendes Bild zu haben. Es muss auch nicht gleich darum gehen, die Welt zu retten. Vielleicht besteht der Sinn unter anderem schon darin, eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein. Wenn ich mich an die Zeit meines Studiums erinnere, dann war damals mein Sinn schlichtweg das Ziel, möglichst viel zu lernen und die Prüfungen gut hinzubekommen. Ich stimme Rolf Dobelli zu, dass manchmal die erreichbaren Ziele einen besseren Beitrag zu unserem Leben bieten als zu hohe Hürden 137 . Auch hier geht für mich im Sinne der Multitomie beides: große Träume und Visionen zu verfolgen und nicht den Anspruch zu haben, dass sie sofort erreichbar sind, und gleichzeitig „kleine“ Ziele und Vorhaben unmittelbar zu erreichen. Meine Empfehlung an dich ist: Sei gelassen, wenn sich bei dir nicht gleich das glasklare Bild zu deinem Lebenssinn einstellt. Das ist völlig normal. Dieses Bild braucht Zeit und immer wieder ein Überdenken und je nach Lebensphase gibt es auch veränderte Antworten. Außerdem gelingt es Menschen immer besser, je älter sie werden 138 . Sei bereits mit kleinen Zielen zufrieden, die deinem Leben Richtung geben, und träume gleichzeitig deine großen Träume. Wenn die Zeit reif ist, wird sich dies in ein neues Bild einweben und je kontinuierlicher du dich mit der Frage beschäftigst, umso eher findest du auch deine Antworten.
Welche Forschungsergebnisse gibt es zum „Sinn des Lebens“?
Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die bedeutsame und für sie sinnvolle Aufgaben oder Projekte verfolgen, über mehr Wohlbefinden berichten und glücklicher sind 139 . Beispielsweise zeigte eine Untersuchung mit 257 Filialleitern, dass je höher der Sinn und die Identifikation mit der Aufgabe sind, umso höher sind auch die Lebenszufriedenheit und das Selbstwertgefühl und umso seltener sind psychische Störungen 140 .
Wie wir Arbeit sehen können 142
Arbeit wird gesehen als … | Innerer Antrieb | Arbeit ist … | Erwartungen | Freut sich auf … |
---|---|---|---|---|
Arbeit | Geld bekommen | lästige Pflicht/ ein Muss | Keine | Wochenende und Urlaub |
Karriere | Geld und sozialer Aufstieg | Wettrennen | Ansehen und Macht | weiteren Aufstieg |
Berufung | Das zu tun, was man ohnehin tun will, weil es sinnvoll und wesensgemäß ist | Aufgabe/ Berufung/ Leidenschaft/ Ehre | Bessere Welt/ Befriedigung | noch mehr Arbeit |
Du kannst Arbeit als Job sehen, um Geld zu haben, die Miete zu bezahlen. Wenn du im Lotto gewinnst, würdest du als allererstes aufhören, diesen Job zu machen. Oder du kannst Arbeit als Karriere ansehen. Es geht dir darum, Wichtigkeit, Bedeutung und Macht zu erhalten. Deine Arbeit kann auch deine Berufung sein. Wenn du im Lotto gewinnen würdest, dann würdest du diese Arbeit – vielleicht verändert – aber dennoch weiterführen, weil es dir nicht so sehr um das Geld geht, sondern weil dich die Aufgabe innerlich erfüllt. In welchen Bereich ordnest du dich ein?
Übrigens ist die Berufung nicht speziellen Berufsgruppen wie Ärzten, Priestern, Richtern oder Wissenschaftlern vorbehalten. Amy Wrzesniewski konnte zeigen, dass jeder Beruf auch als Berufung gesehen werden kann 143 . Beispielsweise untersuchte sie Reinigungskräfte in einem Krankenhaus und fand dabei im Wesentlichen zwei große Gruppen: Die einen putzten um Geld zu verdienen und taten einfach das, was ihnen gesagt wurde. Die zweite Gruppe sah eine Berufung in ihrer Arbeit. Diese Menschen sahen sich dafür verantwortlich, ihren Beitrag zu leisten, damit die Patienten wieder gesund wurden. Sie achteten darauf, wie es den Patienten ging, wenn sie ihre Zimmer sauber machten, und versuchten sie aufzumuntern, auch zwischenmenschlich für sie da zu sein und sie zu unterstützen 144 . Es wird dich nicht überraschen, dass Menschen, die ihre Berufung leben, weniger häufig krankheitsbedingt bei der Arbeit fehlen. Es gibt noch eine gute Nachricht: Jeder kann seine Berufung finden. Dies wird als Job Crafting (engl. to craft = gestalten) bezeichnet. Es gelingt, indem in den folgenden drei Bereichen Veränderungen vorgenommen werden können: Änderung der Aufgaben, Änderung der Beziehungen im Arbeitsleben und Änderung der inneren Einstellung 145 .
Nicht nur für das Berufsleben ist Sinn von großer Bedeutung. Der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl hat eine eigene Therapieform, die sogenannte Logotherapie 146 gegründet, die das Thema Lebenssinn in den Mittelpunkt rückt. Er hat als Gefangener unter grausamsten Umständen mehrere Konzentrationslager überlebt und seine Erfahrungen in dem bemerkenswerten Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“ 147 zusammengefasst. Ich möchte dir deshalb hier kurz davon berichten, weil er eine für mich sehr markante Aussage trifft. Er sagt, wir Menschen haben den freien Willen, unsere innere Haltung und Einstellung frei zu wählen. Du erinnerst dich an das ABC-Modell und unsere inneren Bewertungen (siehe Abschn. 3.13). Aus seinen grauenvollen Erfahrungen als KZ-Gefangener kommt Viktor Frankl zu dem Schluss, dass uns wirklich alles genommen werden kann, nicht jedoch diese innere Freiheit zu unserer inneren Haltung und Einstellung und zu dem, in dem wir Sinn erkennen.
Hast du für dich eine Vorstellung, was du als deinen Sinn des Lebens siehst? Die folgenden Übungen, können dir helfen, ein klareres Bild zu entwickeln oder dein bestehendes Bild zu verfeinern. Sieh auch dieses Thema spielerisch. Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Es gibt nur „das fühlt sich für mich richtig an“ und „das passt nicht zu mir“.
Übung 1: Die 85-Jahre-Frage
Stell dir vor, du bist 85 Jahre alt. Es ist ein angenehmer friedlicher Sommernachmittag, du sitzt auf einer Veranda im Schatten, es ist nicht zu heiß und nicht zu kalt, es geht ein schwacher, angenehmer warmer Wind und du denkst über dein Leben nach. Du bist damit sehr zufrieden, es gab Höhen und Tiefen und alles in allem sagst du dir: „Ja, mein Leben war sinnvoll!“ Du hast ein Lächeln auf den Lippen. Kannst du dir das vorstellen? Schreibe jetzt auf, wie dein Leben verlaufen ist, damit du nun mit 85 Jahren sagen kannst, es war sinnvoll.
Mach diese Übung ruhig über mehrere Tage oder gar mehrere Wochen immer wieder und schreibe das auf, was dir einfällt, auch wenn es sich wiederholt. Was kristallisiert sich heraus? Was gibt dir Sinn? Was bedeutet dies für dein weiteres Leben? Auf was wärst du an deinem 85. Geburtstag richtig stolz und würdest es lieben zu feiern? Wie kannst du das nun von heute aus angehen?
Übung 2: Das vergeudete Leben
Jetzt schauen wir uns das Ganze aus der anderen Richtung an. Vielen macht diese Übung richtig Spaß, weil sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen können, denn hierbei muss nichts perfekt sein, sondern es geht gerade darum, das aufzuschreiben, was nicht sinnvoll ist. Die Aufgabe lautet:
Schreibe auf, wie du dein Leben vergeuden kannst. Was solltest du tun, damit du ein möglichst sinnloses Leben hast? Du kannst deiner Fantasie freie Bahn lassen. Schreibe auf, was für dich dazugehört, damit es nicht sinnvoll ist.
Die Bonusaufgabe lautet: Schreibe auf, was du tunlichst vermeiden solltest, damit auch wirklich ein vergeudetes Leben daraus wird.
Im zweiten Schritt schau dir deine Aufzeichnungen an. Wenn all die aufgeschriebenen Dinge keinen Sinn für dein Leben ergeben, was könnte der andere Pol sein, was könnte das Gegenteil dazu sein? Was ergibt für dich Sinn? Die Ergebnisse der Bonusfrage zeigen dir einen möglichen Weg dorthin.
Übung 3: Für junge Leute schreiben
Stell dir vor, du wirst von einer Schule in deiner Nachbarschaft gebeten, einen Aufsatz darüber zu schreiben, was du den jungen Menschen empfiehlst, um ein tolles und sinnvolles Leben zu führen. Du hast keine Ahnung, wie sie gerade auf dich kamen. Die Direktorin sagte nur, du wurdest ihr empfohlen. Sie bat dich wirklich herzlich, deine Gedanken aufzuschreiben, denn es sei wichtig, dass die jungen Menschen wichtige Impulse von Menschen mit mehr Lebenserfahrung erhalten. Denk nicht darüber nach, warum es ausgerechnet du bist, der bzw. die den Aufsatz schreibt. Die Direktorin hat Vertrauen in deine Meinung.
Schreibe diesen Aufsatz, schreibe alles auf, was du aus deiner Lebenserfahrung diesen jungen Menschen mitgeben kannst, und schreibe vor allem auf, was ein Leben für diese jungen Menschen sinnvoll werden lässt.
Wenn dein Aufsatz fertig ist, schaue ihn dir mit Abstand an. Was sagt er dir, was sagt er darüber, welchen Sinn du für dein Leben hast? Wenn du Kinder hast, teile deine Gedanken mit ihnen. Dies kann ein wunderbarer Dialog werden.
Übung 4: Über den Lebenssinn meditieren
Diese Übung bietet einen anderen Zugang. Suche dir einen ruhigen Platz, an dem du die nächsten 20 min ungestört bist. Setz oder leg dich hin und entspanne. Atme einige Male langsam und entspannt tief ein und aus. Fühl deinen Körper, fühl, wie du im Hier und Jetzt bist. Wenn du ruhig bist, dann frage dich: „Was ist mein Lebenssinn? Wozu lebe ich?“ Bemerke dann, was für Gedanken kommen. Wichtig ist, dass alles da sein darf. Beurteile die Gedanken nicht, sondern sieh dir deine Gedanken wie ein wissbegieriges, interessiertes Kind an. Nimm sie einfach wahr und lass sie dann wieder gehen. Du wirst dabei immer wieder mit deinen Gedanken abdriften, das ist völlig normal und gehört auch dazu. Sobald du es bemerkst, kehre zu den Fragen „Was ist mein Lebenssinn? Wozu lebe ich?“ zurück. Bedanke dich am Ende bei dir dafür, dass du dir die Zeit für dich genommen hast, und für die Informationen, die sich gezeigt haben.
Wiederhole diese Übung über mehrere Wochen immer wieder. Beobachte, welches Bild sich dir zeigt und was du daraus für dich ableiten kannst. Schreib nach jeder Übung deine Erfahrungen auf.
Übung 5: Der analytische Zugang
Manchen Menschen liegt dieser Zugang: Zeichne auf einem Blatt zwei Spalten mit den Überschriften „sinnvoll“ und „sinnlos“ und ordne Tätigkeiten, die dir einfallen, den Spalten zu. Wenn dir nichts mehr einfällt, suche nach dem Muster hinter den Tätigkeiten. Was definierst du für dich als sinnvoll im Leben? Was davon macht dir zudem noch Freude?
Übung 6: Expressives Schreiben
Expressives Schreiben (siehe Abschn. 4.3.4) eignet sich ebenfalls sehr gut dazu, um für dich deinen Lebenssinn zu entwickeln. Gehe einfach so vor, wie in Abschn. 4.3.4 beschrieben, und schreibe ausführlich dazu, was Lebenssinn für dich bedeutet. Das ähnelt Übung 3. Beim Expressiven Schreiben formulierst du jedoch nur für dich und du versuchst kontinuierlich zu schreiben, auch wenn sich Dinge wiederholen oder du innerlich Widersprüche abwiegst.
Übung 7: Die Bonusübung
Dies ist die schwierigste Übung, die du dann machen solltest, wenn du schon eine gute Orientierung hast, was für dich Sinn im Leben bedeutet. Sie ist sehr einfach. Ergänze den folgenden Satz: „Mein Leben ist sinnvoll, wenn …“
Ist das, was ich tue, sinnvoll und für mich bedeutsam (Sinn)?
Macht mir das, was ich tue, Freude (Spaß)?
Kann ich meine Stärken einsetzen (Stärken)?
Bin ich wirksam? Kann ich etwas voranbringen? Bin ich der aktive Teil, der etwas bewegt (Selbstwirksamkeit)?
Durch die weiteren Zutaten zu einem gelingenden Leben könnte auch dieses Modell noch ergänzt werden. Ich denke jedoch, wenn du diese vier Aspekte (ich nenne sie die vier großen „S“) für deine Tätigkeit positiv beantworten kannst, dann hast du eine hervorragende Grundlage, um durch deine Aufgabe Glück und Zufriedenheit zu erfahren.
Lass uns nach dem letzten Glücksweg noch einmal insgesamt auf das Leben blicken: Martin Seligman beschreibt die unterschiedlichen Leben, die wir führen können, wie folgt: Wenn du viele positive Emotionen hast, dann ist das ein angenehmes Leben. Wenn du deine Stärken einsetzt und oft im Flow bist, dann ist das ein gutes Leben. Wenn du deine Stärken zusätzlich in den Dienst von etwas stellst, das größer ist als du, dann ist es schließlich ein sinnvolles Leben. Wer alle drei Ebenen in sein Leben integriert, der führt ein erfülltes Leben, lustvoll, gehaltvoll und sinnvoll.
Ich gehe noch einen Schritt weiter: Wer aus den „Glücks“-Zutaten (siehe Abschn. 1.3) die richtige Mischung für sich erstellt und auf den verschiedenen Ebenen die für ihn richtig Dosis in sein Leben nimmt, der führt schließlich ein gelingendes Leben.
Wenn dieses Buch dazu beiträgt, dass du ein gelingendes Leben hast, dass du mehr Energie, Freude, Glück und Zufriedenheit spürst, dass du voll lebst und dein Leben für dich voller Freude in die Hand nimmst, dann wäre wiederum ich sehr glücklich. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es unserer Welt sehr gut tun wird, wenn immer mehr Menschen immer stärker so leben.
4.7 Was dir hilft, die neuen Erkenntnisse in dein Leben zu integrieren
Du wirst dein Leben niemals verändern, solange du nicht etwas veränderst, was du täglich tust. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in deiner täglichen Routine. (John C. Maxwell)
Hab ein klares, lebendiges und positives Bild deines Zielzustands. Wenn du beispielsweise sportlicher sein willst, dann stell dir deinen Körper vor, wie du voller Elan die Treppen hochlaufen kannst und wie sich dein Körper generell gut anfühlt, statt dir vorzunehmen dreimal die Woche Sport zu machen. Wenn du stärker Satisficer statt Maximizer sein willst, dann stell dir vor, wie entlastend sich das für dich anfühlt und wie zufrieden du mit dieser Haltung bist.
Stell dir lebendig vor, wie du sein wirst, wenn du die für dich wichtigen Haltungen und Glückswege in dein Leben integriert hast. Ein sehr wirkungsvolles Vorgehen ist, dass du dir detailliert aufschreibst, wie du dann sein wirst. Das hilft sehr, dies zu verankern. Wenn du dich außerdem regelmäßig fragst, wie würde sich jetzt mein „Ziel-Ich“ verhalten, dann wirst du viel davon noch schneller leben. Dabei geht es auch um die kleinen Dinge: Wie werde ich stehen, laufen, mich bewegen? Wie werde ich mit Menschen in Kontakt treten? Hab eine möglichst lebendige und klare Vorstellung davon und steh, geh und agiere dann so.
Setz die Dinge um, die sich für dich richtig und gut anfühlen, die dich anziehen und die du magst, statt dich zu etwas zu zwingen.
Nutz Techniken, die dich einmal am Tag daran erinnern, was du dir besonders vorgenommen hast. Was kannst du beispielsweise tun, wenn du dich darin üben möchtest, active agent zu sein? Manche Menschen lassen sich per Handy oder Kalender mehrmals am Tag an ihr Vorhaben erinnern. Dann reflektieren sie kurz, wie war es in der letzten Stunde, was war gut und was kann ich noch besser machen? Andere haben einen kleinen Stein in der Hosentasche, der sie an ihren Vorsatz erinnert. Andere nutzen wiederum den Gang zur Toilette als natürliche Pause, um sich das Vorhaben neu in Erinnerung zu rufen. Egal, was du machst, alles ist gut, wenn es dir hilft, deine neuen Verhaltensweisen und Haltungen im Alltag zu etablieren.
Konzentriere dich idealerweise auf einen oder wenige Punkte und wenn du diese integriert hast, nimm die nächsten Themen dazu.
Wenn du Menschen um dich hast, die dich gerne unterstützen, dann erzähle ihnen von deinen Vorhaben und von den Ergebnissen. Das hilft auch, die Umsetzung schneller zu verankern.
Du kannst dieses Buch auch als Arbeitsbuch und Nachlesebuch nutzen und immer wieder Themen auffrischen oder dich für dein Vorhaben motivieren.
Als erstes mache ich einen „Body-Scan“ 149 . Dabei gehe ich meinen Körper wie mit einem Scanner Schritt für Schritt beginnend bei den Füßen und dann nach und nach bis zum Kopf durch und spüre: Wo fühlt er sich gut und normal an? Wo bin ich vielleicht verspannt? Das dauert eine Minute. Mir hilft dies dabei, meinen Körper auch während des Tages viel deutlicher wahrzunehmen, um z. B. darauf zu achten, welches Essen meinem Körper guttut und was sich weniger gut anfühlt.
Dann frage ich mich, wie fit ich jetzt gerade geistig bin. Bin ich hellwach, bin ich noch müde und schläfrig?
Als Nächstes frage ich mich schließlich, wie ich mich jetzt fühle. Voller Energie, voller Freude, traurig? Nach kurzer Zeit habe ich dann ein gutes Bewusstsein dafür, wie es mir auf den verschiedenen Ebenen gerade geht.
Dann denke ich an den bevorstehenden Tag. Das ist der etwas „philosophische“ Teil.
Ich stelle mir diesen Tag sinnbildlich wie ein weißes Blatt Papier vor. Noch ist es ganz leer und bis heute Abend werde ich diesen Tag darauf geschrieben haben. Am Ende meines Lebens wird mein Leben das Buch mit all diesen Blättern sein. Ich bin active agent und so wie ich heute in diesen Tag gehe, so wird er auch werden. Wenn ich bestimmte Verhaltensaspekte bei mir fördern will, dann nehme ich mir vor, genau diese den heutigen Tag über zu leben und besonders darauf zu achten.
Mein zweiter Gedanke dabei ist, dass ich die Vergangenheit nicht mehr verändern kann und auf die Zukunft nur einen mittelbaren Einfluss habe. Das Einzige, was ich verändern kann, ist die Gegenwart. Diese kann ich voll leben und darauf freue ich mich: mein Leben in der Gegenwart zu gestalten und dadurch diesen vor mir liegenden Tag entsprechend zu erschaffen.
Als Letztes fühle ich Dankbarkeit und Freude. Dankbarkeit, dass mir der vor mir liegende Tag so viele Möglichkeiten geben wird, um zu wachsen, um mich weiterzuentwickeln, um anderen zu helfen und um mich zu freuen 150 .
Freude empfinde ich, dass ich diesen Tag leben darf. Dass ich die Möglichkeit habe, voll zu leben, ohne Beschränkungen, ohne Grauschleier und voller Energie. Ich spüre richtig Lust, diesen Tag zu starten und zu erleben, mit allem Schönen und vielleicht nicht so Schönen, das in ihm steckt. Alles gehört dazu.
Ich habe mir für jedes Kalenderjahr meine TOP 5 definiert, also jene Themen, die ich in diesem Jahr besonders in den Vordergrund stellen möchte. Diese schaue ich mir als Nächstes an und prüfe, wie der anstehende Tag im Einklang mit meinen TOP 5 steht oder gelebt werden kann.
Insgesamt nehme ich mir hierfür 5–10 min. Für mich macht es einen großen Unterschied, ob ich meinen Tag in dieser Form beginne oder unbewusst einfach starte.
Am Abend nehme ich mir dann noch einmal ein paar Minuten Zeit, spüre ebenfalls in mich hinein und frage mich, wie war mein Tag, war er so, wie ich es wollte? Was habe ich heute gelernt? Konnte ich jemandem etwas beitragen? Was ist mein Resümee des Tages? Für was bin ich dankbar? Die Dinge, für die ich dankbar bin, schreibe ich mir auf (siehe Abschn. 4.1.1). Habe ich heute mein Ikigai erlebt? Was hat mir Energie gegeben? Wenn mich etwas gedanklich noch stark beschäftigen sollte, dann gehe ich dem nach. Mein Ziel ist es, versöhnt mit dem Tag ins Bett zu gehen.
Vielleicht kannst du dir die ein oder andere Anregung aus dem herausnehmen, was für mich gut funktioniert. Bei all dem gilt „permission to be human“, nichts muss perfekt sein und das Leben darf sich gleichzeitig voll, bunt und kraftvoll anfühlen!
Anmerkungen
- 1.
Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus.
- 2.
Emmons, R. A., und Shelton, C. M. (2002): Gratitude and the science of positive psychology. In: C. R. Snyder und S. J. Lopez (Hrsg.), Handbook of positive psychology (S. 459–471). Oxford: Oxford University Press.
- 3.
Emmons, R. A. & McCullough, M. E. (2003). Counting blessings versus burdens: An experimental investigation of gratitude and subjective well-being in daily life. Journal of Personality and Social Psychology, 84, 377–389.
- 4.
Seligman, M. E. P., Steen, T. A., Park, N., & Peterson, C. (2005). Positive Psychology Progress. Empirical Validation of Interventions. American Psychologist, 60(5), 410–421
- 5.
Emmons, R. A., & Mishra, A. (2012). Why gratitude enhances well-being: What we know, what we need to know (248–262). In Sheldon, K., Kashdan, T., & Steger, M.F. (Hrsg.) Designing the future of positive psychology: Taking stock and moving forward. New York: Oxford University Press.
- 6.
McCullough, M. E., Emmons, R. A., & Tsang, J. (2002). The grateful disposition: A conceptual and empirical topography. Journal of Personality and Social Psychology, 82(1), 112–127.
- 7.
Haas, O. (2015). Corporate Happiness als Führungssystem: Glückliche Menschen leisten gerne mehr. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
- 8.
Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus. S. 100ff
- 9.
Ebd.
- 10.
Daniela Blickhan (2015) berichtet in ihrem Buch „Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis“ davon, dass deutsche Seminarteilnehmer auf den Vorschlag, einen Dankbarkeitsbesuch durchzuführen, meist zurückhaltend bis ablehnend reagieren, weil ihnen die Übung zu „amerikanisch“ ist. In der Originalversion wird tatsächlich auch empfohlen, den Brief zu laminieren. Wenn der Besucher sich sonst nie so verhält, kann das Vorgehen auch Misstrauen und Irritationen auslösen oder im schlimmsten Fall könnte sich, wenn der Besuchte die Übung kennt, dieser benutzt fühlen, um des anderen Wohlbefindens zu steigern.
- 11.
genauer gesagt Marisa Lascher, eine Studentin von Prof. Seligman.
- 12.
Detailschilderungen zu dem Dankbarkeitsabend findest du unter Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 13.
Zur Definition von Vergebung gibt es in der Wissenschaft noch unterschiedliche Sichtweisen: Everett Worthington unterscheidet beispielsweise zwischen „decisional forgiveness“, bei der sich die Motivation verändert, und „emotional forgiveness“, bei der bisherige negative Emotionen, z. B. Hass, durch positive Emotionen, z. B. Empathie, Verständnis, Zuneigung, ersetzt werden (mehr dazu findest du unter Worthington, E. L., & Scherer, M. (2004). Forgiveness is an emotion-focused coping strategy that can reduce health risks and promote health resilience: Theory, review, and hypotheses. Psychology & Health, 19(3), 385–405).
Robert Enright definiert Vergebung als Prozess, in dem negative Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen durch positive ersetzt werden (weiterführende Literatur hierzu findest du unter: Enright, R.D., & Coyle, C.T. (1998). Researching the process model of forgiveness with psychological interventions. Worthington, E. L. (Hrsg.), Dimensions of forgiveness (139–161). Radnor: Templeton Foundation Press, und auch unter: Enright, R.D., & Fitzgibbons, R.P. (2000). Helping clients forgive: An empirical guide for resolving anger and restoring hope. Washington, DC: American Psychological Association).
Michael McCullough wiederum sieht Vergebung als Neuausrichtung der negativen Motivation hin zu einer bzgl. des Übeltäters versöhnlicheren Motivation (siehe u. a. McCullough, M.E., Fincham, F.D., & Tsang, J.A. (2003). Forgiveness, forbearance, and time: The temporal unfolding of transgression-related interpersonal motivations. Journal of Personality & Social Psychology, 84(3), 540–557.)
- 14.
Große Teile dieses Kapitels zu Genuss und Flow (insbesondere die Wege 5 und 7) gehen auf die Ausführungen von Martin Seligmann zurück: Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 15.
Bryant, F. B., & Veroff, J. (2017). Savoring: A new model of positive experience. Abingdon: Routledge.
- 16.
Lambie, J. A., & Marcel, A. J. (2002). Consciousness and the varieties of emotion experience: a theoretical framework. Psychological review, 109(2), 219–259.
- 17.
Chögyam Trungpa verwendet den Begriff „panoramahafte Bewußtheit“ im Buch: Trungpa, C. (1978). Jenseits von Hoffnung und Furcht. Gespräche über Abhidharma. Wien: Octopus.
- 18.
Seligman, M. E. (2002). Positive psychology, positive prevention, and positive therapy. Handbook of positive psychology, 2(2002), 3–12.
- 19.
Beispielsweise gehen Konzepte wie „peak experience“ von Abraham Maslow, „schöpferischen Leidenschaft“ von Kurt Hahn oder „Polarisation der Aufmerksamkeit“ von Maria Montessori in eine ähnliche Richtung. Mit dem Begriff Flow wird jedoch zuallererst immer Mihály Csíkszentmihályi in Verbindung gebracht. Er hat dieses Konzept maßgeblich erforscht und beschrieben.
- 20.
Ein humoriger Merksatz, um sich die Aussprache des Namens Mihály Csíkszentmihályi besser zu merken, lautet: “Me high? Cheeks send me high!”
- 21.
Nakamura, J., & Csikszentmihályi, M. (2009). The concept of flow. In Snyder, C. R., & Lopez, S. J. (Hrsg.). Oxford handbook of positive psychology. Oxford: Oxford University Press. 89–105.
- 22.
Csíkszentmihályi, M. (2017). Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 25
- 23.
Ebd.
- 24.
Becker-Carus, C. & Wendt, M. (2017). Allgemeine Psychologie. Eine Einführung. Berlin: Springer.
- 25.
Csíkszentmihályi, M. (2017). Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 103
- 26.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 27.
Lavie, N. (1995). Perceptual load as a necessary condition for selective attention. Journal of Experimental Psychology: Human perception and performance, 21(3), 451–468.
- 28.
Killingsworth, M. A., & Gilbert, D. T. (2010). A wandering mind is an unhappy mind. Science, 330(6006), 932–932.
- 29.
Wilson, G. (2010). The “informania” study. www.drglennwilson.com/Infomania_experiment_for_HP.doc; abgerufen am 22.02.2018. Die Daten sind nicht repräsentativ und nicht belastbar im Vergleich zu allen anderen hier aufgeführten wissenschaftlichen Studien. Ich habe diese hier erwähnt, weil die Untersuchungsergebnisse ein starkes Medienecho nach sich zogen.
- 30.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 31.
Es ist eine sehr spannende Frage, warum wir Menschen viel schneller bereit sind, uns einem Vergnügen oder eben dem Fernsehen und anderen „leichten“ Themen zuzuwenden, statt die Voraussetzungen für Flow zu schaffen. Martin Seligman nennt in seinem Buch „Der Glücks-Faktor“ insgesamt sechs Gründe hierzu: a) Flowhandlungen enthalten meist Verpflichtungen, b) sie können zu Misserfolgen führen, c) Können, Anstrengung und Disziplin ist erforderlich, d) oft bringen sie Veränderungen mit sich, e) sie können Angst erzeugen und f) sie gehen zu Lasten anderer Chancen.
- 32.
Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus.
- 33.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 34.
Seligman, M. E. P. (2014). Flourish: Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
- 35.
Emmons, R. A. (2003). Personal goals, life meaning, and virtue: Wellsprings of a positive life. In C. L. M. Keyes & J. Haidt (Hrsg.), Flourishing: Positive psychology and the life well-lived (pp. 105–128). Washington, DC: American Psychological Association.
- 36.
Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis. Paderborn: Jungfermann-Verlag.
- 37.
In einer berührenden, nachdenklichen und unterhaltsam lesbaren Form geht John Strelecky in seinem Buch „Das Café am Rande der Welt: Eine Erzählung über den Sinn des Lebens“ dieser Frage nach.
- 38.
Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis. Paderborn: Jungfermann-Verlag.
- 39.
Kasser, T., & Ryan, R. M. (1996). Further Examining the American Dream: Differential Correlates of Intrinsic and Extrinsic Goals. Personality and Social Psychology Bulletin, 22(3), 280–287; Ryan, R. M., Chirkov, V. I., Little, T. D., Sheldon, K. M., Timoshina, E., & Deci, E. L. (1999). The American dream in Russia: Extrinsic aspirations and well-being in two cultures. Personality and social psychology bulletin, 25(12), 1509–1524.
- 40.
Sheldon, K. M. (2002). The self-concordance model of healthy goal striving: When personal goals correctly represent the person. In E. L. Deci & R. M. Ryan (Hrsg.), Handbook of self-determination research (pp. 65–86). Rochester: University of Rochester Press.
- 41.
Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis. Paderborn: Jungfermann-Verlag.
- 42.
Sheldon, K. M., & Lyubomirsky, S. (2006). Achieving sustainable gains in happiness: Change your actions, not your circumstances. Journal of Happiness Studies, 7(1), 55–86.
- 43.
Pham, L. B., & Taylor, S. E. (1999). From thought to action: Effects of process-versus outcome-based mental simulations on performance. Personality and Social Psychology Bulletin, 25(2), 250–260.
- 44.
Maruta, T., Colligan, R. C., Malinchoc, M., & Offord, K. P. (2000). Optimists vs. pessimists: Survival rate among medical patients over a 30-year period. In: Mayo Clinic Proceedings, 75(2), 140–143.
- 45.
Kubzansky, L. D., Sparrow, D., Vokonas, P., & Kawachi, I. (2001). Is the glass half empty or half full? A prospective study of optimism and coronary heart disease in the normative aging study. Psychosomatic medicine, 63(6), 910–916.
- 46.
Seligman, M. E. P. (2014). Flourish: Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
- 47.
Giltay, E. J., Geleijnse, J. M., Zitman, F. G., Hoekstra, T., & Schouten, E. G. (2004). Dispositional Optimism and All-Cause and Cardiovascular Mortality in a Prospective Cohort of Elderly Dutch Men and Women. Archives of general psychiatry, 61(11), 1126–1135. Siehe auch die Untersuchung von 97 253 Frauen: Tindle, H. A., Chang, Y. F., Kuller, L. H., Manson, J. E., Robinson, J. G., Rosal, M. C., Siegle, G. J. & Matthews, K. A. (2009). Optimism, cynical hostility, and incident coronary heart disease and mortality in the Women’s Health Initiative. Circulation, 120(8), 656–662.
- 48.
Surtees, P. G., Wainwright, N. W., Luben, R., Khaw, K. T., & Day, N. E. (2006). Mastery, sense of coherence, and mortality: evidence of independent associations from the EPIC-Norfolk Prospective Cohort Study. Health Psychology, 25(1), 102–110.
- 49.
Seligman, M. E. P. (2011). Learned optimism: How to change your mind and your life. New York: Vintage.
- 50.
Buchanan, G. M., Gardenswartz, C. A. R. & Seligman, M. E. P. (1999). Physical health following a cognitive–behavioral intervention. Prevention & Treatment, 2(1), No Pagination Specified Article 10a.
- 51.
Seligman, M. E. P. (1991). Pessimisten küßt man nicht: Optimismus kann man lernen. München: Droemer Knaur.
- 52.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.; Seligman, M. E. P. (1991). Pessimisten küßt man nicht: Optimismus kann man lernen. München: Droemer Knaur.
- 53.
King, L. A. (2001). The health benefits of writing about life goals. Personality and Social Psychology Bulletin, 27(7), 798–807.
- 54.
Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus.
- 55.
Layous, K., Nelson, S. K., & Lyubomirsky, S. (2013). What is the optimal way to deliver a positive activity intervention? The case of writing about one’s best possible selves. Journal of Happiness Studies, 14(2), 635–654.
- 56.
Peters, M. L., Flink, I. K., Boersma, K., & Linton, S. J. (2010). Manipulating optimism: Can imagining a best possible self be used to increase positive future expectancies? The Journal of Positive Psychology, 5(3), 204–211.
- 57.
Die hier vorliegende Formulierung ist eine Kombination aus den Originalanleitungen in den Studien von King, L. A. (2001), S. 801 und von Lyubomirsky, S. (2013), S. 113f und wurde von mir zusätzlich durch Erfahrungen von meinen Seminarteilnehmern und mir optimiert.
- 58.
Pennebaker, J. W., & Beall, S. K. (1986). Confronting a traumatic event: toward an understanding of inhibition and disease. Journal of abnormal psychology, 95(3), 274–281.
- 59.
Schubert, C. (Hrsg.). (2015). Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer Verlag.
- 60.
Pennebaker, J. W., & Francis, M. E. (1996). Cognitive, emotional, and language processes in disclosure. Cognition & Emotion, 10(6), 601–626.
- 61.
Spera, S. P., Buhrfeind, E. D. & Pennebaker, J. W. (1994). Expressive writing and coping with job loss. Academy of Management Journal, 37, 722–733, siehe auch allgemein: Soper, B., & Bergen, C. W. (2001). Employment counseling and life stressors: Coping through expressive writing. Journal of Employment Counseling, 38(3), 150–160.
- 62.
Diese Anleitung ist adaptiert aus: Pennebaker, J. W., & Smyth, J. M. (2016). Opening up by writing it down: How expressive writing improves health and eases emotional pain. New York: The Guilford Press.
- 63.
Gable, S. L., Reis, H. T., Impett, E. A., & Asher, E. R. (2004). What do you do when things go right? The intrapersonal and interpersonal benefits of sharing positive events. Journal of personality and social psychology, 87(2), 228–245.
- 64.
Langston, C. A. (1994). Capitalizing on and coping with daily-life events: Expressive responses to positive events. Journal of Personality and Social Psychology, 67(6), 1112–1125.
- 65.
Demir, M., Doğan, A., & Procsal, A. D. (2013). I am so happy ‘cause my friend is happy for me: Capitalization, friendship, and happiness among US and Turkish college students. The Journal of social psychology, 153(2), 250–255.
- 66.
Dieses Modell geht zurück auf Rusbult, C. E., Zembrodt, I. M., & Gunn, L. K. (1982). Exit, voice, loyalty, and neglect: Responses to dissatisfaction in romantic involvements. Journal of Personality and Social Psychology, 43(6), 1230–1242. Caryl Rusbult et al. adaptierten dieses von Hirschman, A. O. (1970). Exit, voice, and loyalty: Responses to decline in firms, organizations, and states. Cambridge: Harvard University Press.
- 67.
Die Matrix ist in Anlehnung an folgende Quellen erstellt: Haas, O. (2015). Corporate Happiness als Führungssystem: Glückliche Menschen leisten gerne mehr. Berlin: Erich Schmidt Verlag.; Seligman, M. E. P. (2014). Flourish: Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
- 68.
Gable, S. L., Reis, H. T., Impett, E. A., & Asher, E. R. (2004). What do you do when things go right? The intrapersonal and interpersonal benefits of sharing positive events. Journal of personality and social psychology, 87(2), 228–245.
- 69.
Gable, S. L., Gonzaga, G. C., & Strachman, A. (2006). Will you be there for me when things go right? Supportive responses to positive event disclosures. Journal of personality and social psychology, 91(5), 904–917.
- 70.
Lambert, N. M., Gwinn, A. M., Baumeister, R. F., Strachman, A., Washburn, I. J., Gable, S. L., & Fincham, F. D. (2013). A boost of positive affect: The perks of sharing positive experiences. Journal of Social and Personal Relationships, 30(1), 24–43.
- 71.
Diese Übung ist angelehnt an: Seligman, M. E. P. (2014). Flourish: Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
- 72.
Prof. Dr. Gerald Hüther in: Reuß. W. (Leitung). (1. Februar 2018). alpha-Forum [Fernsehübertragung]. München: ARD-alpha.
- 73.
Seligman, M. E. P. (2014). Flourish: Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
- 74.
Kaufman, L. & Quigley, M. (2015). How friendship make you happier, healthier. https://www.huffingtonpost.com/mary-quigley/friendships-make-your-hap_b_8238262.html, abgerufen am 05.02.2018
- 75.
Ware, B. (2015). 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen. Einsichten, die Ihr Leben verändern werden. München: Goldman.
- 76.
Baumeister, R. F., & Leary, M. R. (1995). The need to belong: desire for interpersonal attachments as a fundamental human motivation. Psychological bulletin, 117(3), 497–529.
- 77.
Seyfarth, R. M., & Cheney, D. L. (2012). The evolutionary origins of friendship. Annual review of psychology, 63, 153–177.
- 78.
Diener, E., & Seligman, M. E. P. (2002). Very happy people. Psychological science, 13(1), 81–84.
- 79.
Siehe Myers, D. G. (2000). The funds, friends, and faith of happy people. American psychologist, 55(1), 56–67; Lyubomirsky, S., King, L., & Diener, E. (2005). The benefits of frequent positive affect: Does happiness lead to success? Psychological Bulletin, 131 (6), 803–855.
- 80.
Demır, M., & Weitekamp, L. A. (2007). I am so happy ’cause today I found my friend: Friendship and personality as predictors of happiness. Journal of Happiness Studies, 8(2), 181–211.
- 81.
Stillman, T. F., Baumeister, R. F., Lambert, N. M., Crescioni, A. W., DeWall, C. N., & Fincham, F. D. (2009). Alone and without purpose: Life loses meaning following social exclusion. Journal of experimental social psychology, 45(4), 686–694.
- 82.
Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus.
- 83.
Ebd.
- 84.
Layard, R. (2005). Die glückliche Gesellschaft. Kurswechsel für Politik und Wirtschaft. Frankfurt: Campus.
- 85.
Siehe Tomoff, M. (2017). Positive Psychologie. Erfolgsgarant oder Schönmalerei? Heidelberg: Springer.; Carlisle, M., Uchino, B. N., Sanbonmatsu, D. M., Smith, T. W., Cribbet, M. R., Birmingham, W., Light, K. & Vaughn, A. A. (2012). Subliminal activation of social ties moderates cardiovascular reactivity during acute stress. Health Psychology, 31(2), 217–225.; House, J. S., Landis, K. R., & Umberson, D. (1988). Social relationships and health. Science, 241(4865), 540–545.; Cohen, S. (2004). Social relationships and health. American psychologist, 59(8), 676–684.; Kaplan, R. M., & Toshima, M. T. (1990). The functional effects of social relationships on chronic illnesses and disability. In B. R. Sarason, I. G. Sarason, & G. R. Pierce (Hrsg.), Wiley series on personality processes. Social support: An interactional view (pp. 427–453). Oxford: John Wiley.
- 86.
Bookwala, J., Marshall, K. I., & Manning, S. W. (2014). Who needs a friend? Marital status transitions and physical health outcomes in later life. Health Psychology, 33(6), 505–515.
- 87.
Adams, R. E., Santo, J. B., & Bukowski, W. M. (2011). The presence of a best friend buffers the effects of negative experiences. Developmental psychology, 47(6), 1786–1791.
- 88.
Die anderen drei Faktoren waren, dass sie nicht rauchen, körperlich aktiv sind und dass Obst und Gemüse einen großen Bestandteil ihrer Ernährung darstellen.
- 89.
Buettner, D. (2005). New wrinkles on aging. National Geographic, S. 2–27. zitiert nach Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus.
- 90.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 91.
Gove, W. R., Hughes, M., & Style, C. B. (1983). Does marriage have positive effects on the psychological well-being of the individual?. Journal of health and social behavior, 24(2), 122–131.
- 92.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 93.
Zimmermann, A. C., & Easterlin, R. A. (2006). Happily ever after? Cohabitation, marriage, divorce, and happiness in Germany. Population and Development Review, 32(3), 511–528.
- 94.
Martens, J. (2014). Glück in Psychologie, Philosophie und im Alltag. Stuttgart: Kohlhammer.
- 95.
Haas, O. (2015). Corporate Happiness als Führungssystem: Glückliche Menschen leisten gerne mehr. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
- 96.
Gottman, J. M. (2012). Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Berlin: Ullstein.
- 97.
Dieser Satz stammt aus: Beck, H. & Prinz, A. (2017). Glück. Was im Leben wirklich zählt. Köln: Eichborn. Teile dieses Kapitel sind im Aufbau von diesem Buch übernommen.
- 98.
Fowler, J. H., & Christakis, N. A. (2008). Dynamic spread of happiness in a large social network: Longitudinal analysis over 20 years in the Framingham Heart Study. BMJ (British Medical Journal), 337, a2338.
- 99.
Alexander, C., Piazza, M., Mekos, D., & Valente, T. (2001). Peers, schools, and adolescent cigarette smoking. Journal of adolescent health, 29(1), 22–30.
- 100.
Christakis, N. A., & Fowler, J. H. (2008). The collective dynamics of smoking in a large social network. New England journal of medicine, 358(21), 2249–2258.
- 101.
Christakis, N. A., & Fowler, J. H. (2007). The spread of obesity in a large social network over 32 years. New England journal of medicine, 357(4), 370–379.
- 102.
Valente, T. W., Fujimoto, K., Chou, C. P., & Spruijt-Metz, D. (2009). Adolescent affiliations and adiposity: a social network analysis of friendships and obesity. Journal of Adolescent Health, 45(2), 202–204.
- 103.
Demır, M., & Weitekamp, L. A. (2007). I am so happy ’cause today I found my friend: Friendship and personality as predictors of happiness. Journal of Happiness Studies, 8(2), 181–211.
- 104.
Brockert, S. (2002). Verführung zum Glück: Anleitung für ein Leben, das sich zu leben lohnt. München: mvg Verlag.
- 105.
Tomoff, M. (2017). Positive Psychologie. Erfolgsgarant oder Schönmalerei? Heidelberg: Springer. S. 54 ff.
- 106.
Zitiert nach Martens, J. (2014). Glück in Psychologie, Philosophie und im Alltag. Stuttgart: Kohlhammer. S. 118. Die ersten sechs Empfehlungen hat Jens-Uwe Martens übernommen aus dem lesenswerten Buch: Gottman, J. M. (2012). Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Berlin: Ullstein.
- 107.
Lyubomirsky, S., King, L., & Diener, E. (2005). The benefits of frequent positive affect: Does happiness lead to success? Psychological Bulletin, 131 (6), 803–855.
- 108.
Piliavin, J. A. (2003). Doing well by doing good: Benefits for the benefactor. In: Keyes, C. L. M. & Haidt, J. (Hrsg.), Flourishing: Positive psychology and the life well-lived, S. 227–247. Washington: American Psychological Association; Hills, P., Argyle, M., & Reeves, R. (2000). Individual differences in leisure satisfactions: An investigation of four theories of leisure motivation. Personality and Individual Differences, 28(4), 763–779.
- 109.
Lyubomirsky, S., Sheldon, K. M., & Schkade, D. (2005). Pursuing happiness: The architecture of sustainable change. Review of general psychology, 9(2), 111–131; Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main: Campus. Der weitere Aufbau dieses Kapitels folgt den Ausführungen von Lyubomirsky (2013).
- 110.
Lyubomirsky (2013).
- 111.
Gleichzeitig spricht viel dafür, dass es auch den umgekehrten Weg gibt: Glückliche Menschen sind eher bereit, anderen Menschen zu helfen und sich großzügig zu zeigen.
- 112.
Bei dieser geringen Anzahl ist diese Studie im Vergleich zu allen anderen aufgeführten Studien nicht repräsentativ.
- 113.
Seligman, M. E. P. (2002). Der Glücks-Faktor. Warum Optimisten länger leben. Köln: Bastei Lübbe.
- 114.
Dunn, E. W., Aknin, L. B., & Norton, M. I. (2008). Spending money on others promotes happiness. Science, 319(5870), 1687–1688.
- 115.
Headey, B., Muffels, R., & Wagner, G. G. (2010). Long-running German panel survey shows that personal and economic choices, not just genes, matter for happiness. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(42), 17922–17926.
- 116.
Williamson, G. M., & Clark, M. S. (1989). Providing help and desired relationship type as determinants of changes in moods and self-evaluations. Journal of personality and social psychology, 56(5), 722–734.; Lyubomirsky, S. (2013). Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Frankfurt am Main.
- 117.
Moll, J., Krueger, F., Zahn, R., Pardini, M., de Oliveira-Souza, R., & Grafman, J. (2006). Human fronto–mesolimbic networks guide decisions about charitable donation. Proceedings of the National Academy of Sciences, 103(42), 15623–15628.; Harbaugh, W. T., Mayr, U., & Burghart, D. R. (2007). Neural responses to taxation and voluntary giving reveal motives for charitable donations. Science, 316(5831), 1622–1625.
- 118.
Die Herzfrequenz sollte im Bereich zwischen 70 % und 85 % der maximalen Herzfrequenz liegen.
- 119.
Blumenthal, J. A., Babyak, M. A., Moore, K. A., Craighead, W. E., Herman, S., Khatri, P., Waugh, R., Napolitano, M. A., Forman, L. M., Appelbaum, M., Doraiswamy, P. M. & Krishnan, K. R. (1999). Effects of exercise training on older patients with major depression. Archives of internal medicine, 159(19), 2349–2356.
- 120.
Bei jeder Gruppe gab es noch eine dritte Kategorie „teilweise genesen“, die allerdings vergleichsweise klein und für alle drei Gruppen nahezu identisch war.
- 121.
Babyak, M., Blumenthal, J. A., Herman, S., Khatri, P., Doraiswamy, M., Moore, K., Craighead, W. E., Baldewicz, T. T., & Krishnan, K. R. (2000). Exercise treatment for major depression: Maintenance of therapeutic benefit at 10 months. Psychosomatic Medicine, 62(5), 633–638.
- 122.
Schuch, F. B., Vancampfort, D., Richards, J., Rosenbaum, S., Ward, P. B., & Stubbs, B. (2016). Exercise as a treatment for depression: a meta-analysis adjusting for publication bias. Journal of psychiatric research, 77, 42–51 und auch Kvam, S., Kleppe, C. L., Nordhus, I. H., & Hovland, A. (2016). Exercise as a treatment for depression: A meta-analysis. Journal of affective disorders, 202, 67–86.
- 123.
Fox, K. R. (1999). The influence of physical activity on mental well-being. Public health nutrition, 2(3a), 411–418.
- 124.
Scully, D., Kremer, J., Meade, M. M., Graham, R., & Dudgeon, K. (1998). Physical exercise and psychological well being: a critical review. British journal of sports medicine, 32(2), 111–120.
- 125.
Tomporowski, P. D., Davis, C. L., Miller, P. H., & Naglieri, J. A. (2008). Exercise and children’s intelligence, cognition, and academic achievement. Educational psychology review, 20(2), 111–131.; Kempermann, G., Kuhn, H. G., & Gage, F. H. (1997). More hippocampal neurons in adult mice living in an enriched environment. Nature, 386(6624), 493–495.
- 126.
Kuhl, J. (2010). Lehrbuch der Persönlichkeitspsychologie: Motivation, Emotion und Selbststeuerung. Göttingen: Hogrefe.
- 127.
Tudor-Locke, C., & Bassett, D. R. (2004). How many steps/day are enough?. Sports medicine, 34(1), 1–8.; Tudor-Locke, C., Hatano, Y., Pangrazi, R. P., & Kang, M. (2008). Revisiting “how many steps are enough?”. Medicine & Science in Sports & Exercise, 40(7), S 537–S543.
- 128.
REM steht hierbei für Rapid Eye Movement (dt.: schnelle Augenbewegungen), weil in diesen leichteren Schlafphasen der Schläfer die Augen hinter den verschlossenen Lidern schnell hin und her bewegt. Die allermeisten Träume treten in den REM-Phasen auf, viel seltener träumen Menschen während der Tiefschlafphasen.
- 129.
Kleitman, N. (1982). Basic rest-activity cycle—22 years later. Sleep, 5(4), 311–317.
- 130.
Schwartz, T. (2013). Relax! You’ll Be More Productive, http://www.nytimes.com/2013/02/10/opinion/sunday/relax-youll-be-more-productive.html?_r=1 abgerufen am 11.12.2017
- 131.
Mah, C. D., Mah, K. E., Kezirian, E. J., & Dement, W. C. (2011). The effects of sleep extension on the athletic performance of collegiate basketball players. Sleep, 34(7), 943–950.
- 132.
Ich habe hier bewusst die derzeitige Bedeutung des Wortes Ikigai in Japan beschrieben. Im Westen wurde dieses Prinzip noch erweitert um den Aspekt, dass man von Ikigai auch leben können muss. Das ist jedoch in der Wortbedeutung in Japan nicht enthalten.
- 133.
Ich habe diese Formulierungen in Anlehnung an Viktor Frankls Gedanken gewählt.
- 134.
Seligman, M. E. P. (2014). Flourish: Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens. München: Kösel.
- 135.
Die Abbildung ist eine deutliche Modifikation der ursprünglichen Abbildung aus Blickhan, D. (2015). Positive Psychologie. Ein Handbuch für die Praxis. Paderborn: Jungfermann-Verlag. Diese basiert wiederum auf Wong, P. T. P. (2010). Meaning therapy: An integrative and positive existential psychotherapy. Journal of Contemporary Psychotherapy, 40(2), 85–93. In der ursprünglichen Abbildung zeigt die X-Achse das Kontinuum von Misserfolg zu Erfolg und die Y-Achse das Kontinuum von Leere bis Erfüllung. Daraus ergeben sich die vier Quadranten: das ideale Leben, das oberflächliche Leben, das verschwendete Leben und das aufopfernde Leben.
- 136.
Steger, M. F., Oishi, S., & Kesebir, S. (2011). Is a life without meaning satisfying? The moderating role of the search for meaning in satisfaction with life judgments. The Journal of Positive Psychology, 6(3), 173–180.
- 137.
Dobelli, R. ((2017). Die Kunst des guten Lebens. 52 überraschende Wege zum Glück. München: Piper.
- 138.
Reker, G. T., Peacock, E. J., & Wong, P. T. (1987). Meaning and purpose in life and well-being: A life-span perspective. Journal of Gerontology, 42(1), 44–49.
- 139.
Emmons, R. A. (1986). Personal strivings: An approach to personality and subjective well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 51(5), 1058–1068.; Palys, T. S., & Little, B. R. (1983). Perceived life satisfaction and the organization of personal project systems. Journal of Personality and Social Psychology, 44(6), 1221–1230.; Ruehlman, L. S., & Wolchik, S. A. (1988). Personal goals and interpersonal support and hindrance as factors in psychological distress and well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 55(2), 293–301.
- 140.
Wiener, Y., Muczyk, J. P., & Gable, M. (1987). Relationships between work commitments and experience of personal well-being. Psychological Reports, 60(2), 459–466.
- 141.
Wrzesniewski, A., McCauley, C., Rozin, P., & Schwartz, B. (1997). Jobs, careers, and callings: People’s relations to their work. Journal of research in personality, 31(1), 21–33.
- 142.
Diese Abbildung wurde in großen Teilen zitiert nach Haas, O. (2015). Corporate Happiness als Führungssystem: Glückliche Menschen leisten gerne mehr. Berlin: Erich Schmidt Verlag. und Diener, E. & Biswas-Diener, R. (2008). Happiness at Work: It Pays To Be Happy. In E. Diener & R. Biswas-Diener (Hrsg.). Happiness: Unlocking the Mysteries of Psychological Wealth. Oxford: Blackwell Publishing. 68–87.
- 143.
https://www.youtube.com/watch?v=b4FvmIR5xa4, abgerufen am 24.01.2018
- 144.
https://www.youtube.com/watch?v=C_igfnctYjA, abgerufen am 24.01.2018
- 145.
Wrzesniewski, A., LoBuglio, N., Dutton, J. E., & Berg, J. M. (2013). Job crafting and cultivating positive meaning and identity in work. In A. B. Bakker (Hrsg.), Advances in positive organizational psychology: Vol. 1. Advances in positive organizational psychology (pp. 281–302). Bingley: Emerald Group Publishing..
- 146.
Die Logotherapie wird auch Existenzanalyse genannt und oft neben der Psychoanalyse von Sigmund Freud und Alfred Adlers Individualpsychologie als „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet.
- 147.
Frankl, V. E. (2015). … trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. München: Kösel.
- 148.
Dies ist eine Weiterentwicklung der Gedanken von Ben-Shahar, T. (2007). Happier: Learn the secrets to daily joy and lasting fulfillment. New York: McGraw-Hill Companies.
- 149.
Ich benutzte den Begriff in Anlehnung an Jon Kabat-Zinn, der eine analoge Vorgehensweise auch in sein Stressbewältigungsprogramm (MBSR – Mindfulness-Based Stress Reduction) aufgenommen hat.
- 150.
Das bedeutet nicht, dass alles rosarot und weichgespült ist. Vielleicht passieren negative Dinge. Diese gehören jedoch auch zum Leben und ich kann mich darin üben, mit ihnen umzugehen. Vielleicht ist es auch notwendig, dass ich jemandem etwas sage, was für ihn erstmal keine guten Gefühle auslöst, aber am Ende sehr wichtig für ihn oder weitere Menschen ist. Gleichzeitig kann mir so etwas auch widerfahren. Ich sehe das als Geschenk, über mich nachzudenken, zu reflektieren und zu wachsen. Aber in dem Moment fühlt sich z. B. Kritik natürlich nicht gut an.