Unterstützung bei Behinderung

Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Ein solcher Ausweis hat Vorteile, aber auch einige Nachteile.

image Ihr Diabetes ist eine Krankheit und keine Behinderung im eigentlichen Sinne. Aber diese Krankheit kann Sie daran hindern, zu leben wie ein Mensch, der keinen Diabetes hat.

Für jede Erkrankung sieht der Gesetzgeber einen Grad der Behinderung (GdB) vor. Der GdB wird auf einer Skala von 0 bis 100 ausgedrückt. Ab einem GdB von 50 gilt eine Person als schwerbehindert, bei einem GdB bis 40 als behindert.

Diabetes und Schwerbehinderung

Nach dem Sozialgesetzbuch (§ 2 SGB IX) gelten Menschen als behindert, wenn „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“.

Diabetes Typ 2 zählt zu den chronischen Erkrankungen, wenn Ihre Erkrankung länger als 6 Monate besteht. Allerdings ist es schwer, einen GdB von 50 zu erhalten. Dafür müssen Sie bei Ihrem zuständigen Amt für Versorgung sehr detailliert Ihre Beeinträchtigungen im Alltag nachweisen. Am besten Sie erstellen sich dafür eine Tabelle, die über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten geht. Hier sollten Sie – unter Angabe der Uhrzeit – genau eintragen, wie sehr Ihr Diabetes ein normales Leben behindert. Ständiges Blutzuckermessen in der Nacht oder mehrmalige Insulinspritzen am Tag sprechen zum Beispiel für einen höheren Grad der Behinderung.

Ein Gutachter muss den Unterschied zu einer Person ohne Diabetes nachvollziehen können. Nur dann haben Sie Anspruch auf einen Nachteilsausgleich in Form von steuerlichen Freibeträgen oder arbeitsrechtlichen Aspekten.

Als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin mit einem GdB von 50 (Schwerbehinderung) haben Sie folgende Nachteilsausgleiche:

imageZusätzlich zu Ihrem eigentlichen Urlaub bekommen Sie jährlich 5 Tage Sonderurlaub bei einer 5-Tage-Arbeitswoche (bei einer 4-Tage-Woche 4 Tage Sonderurlaub usw.).

imageSie können vorzeitig in Altersrente gehen.

imageErhöhter Kündigungsschutz, da die Integrationsbehörde ihre Zustimmung vorher geben muss.

imageKeine Mehrarbeit: Voraussetzung ist, Sie haben einen Freistellungsantrag laut § 207 SGB IX beim Arbeitgeber schriftlich eingereicht.

imageSie haben einen erhöhten Steuerfreibetrag.

Erhalten Sie nur einen GdB von 30 bis 40, stehen Ihnen keine beruflichen Nachteilsausgleiche zu. Sie können allerdings laut § 2 Abs. 2 SGB IX bei Ihrem zuständigen Arbeitsamt einen sogenannten Gleichstellungsantrag auf einen GdB von 50 stellen. Dieser Antrag zählt dann für Ihre Tätigkeit. Wechseln Sie Ihren Beruf, müssen Sie einen neuen Antrag stellen.

Wird der Antrag positiv beschieden, haben Sie einen erhöhten Kündigungsschutz, jedoch keinen Anspruch auf Sonderurlaub, vorzeitige Altersrente oder einen höheren Steuerfreibetrag. Der Status der Gleichstellung geht auch bei einem neuen Arbeitgeber nicht verloren, sofern sich Ihre Tätigkeitsmerkmale nicht ändern.

Der bürokratische Weg zum Grad der Behinderung

Den Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung stellen Sie beim Amt für Versorgung und Soziales in Ihrem Landkreis. Sie finden den Antrag nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX/ Schwerbehindertenrecht) auf der Internetseite Ihres jeweiligen Versorgungsamtes. In dem Antrag tragen Sie alles rund um Ihre Erkrankungen sowie alle behandelnden Ärzte ein. Das Amt fordert dann ein ärztliches Gutachten von Ihren behandelnden Ärzten an.

Als Anhang des Antrages sollten Sie eine detaillierte Aufstellung Ihrer Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben mit einreichen (siehe auch unten). Das zuständige Amt stellt per Bescheid Ihren Grad der Behinderung fest.

Sollte der Antrag abgelehnt werden, können Sie dagegen einen Widerspruch einlegen. Ihr Widerspruch wird dann abermals geprüft. Ist der Widerspruchsbescheid erneut negativ, steht Ihnen der Gerichtsweg offen: die Klage vor dem Sozialgericht.

Was bedeutet „Einschränkungen der Teilhabe am Leben“?

Diabetes ist eine Erkrankung, die Sie daran hindern kann, so zu sein, wie jemand, der keinen Diabetes hat. Sie müssen möglicherweise Maßnahmen ergreifen, die für Sie Einschränkungen darstellen können (wie beispielsweise Blutzucker messen in der Nacht oder Insulin spritzen). Hier spricht man dann von Einschränkungen der „Teilhabe am Leben“.

Es reicht hierfür aber nicht aus, wenn Sie mehrfach täglich oder wöchentlich zum Bestimmen Ihres Urinzuckers auf Toilette gehen. Auch der Extraaufwand vor, während und nach körperlicher Betätigung oder das Schätzen der Kohlenhydratmenge und anschließende Insulindosisbestimmung stellen für die Gutachter keine gravierenden Einschränkungen der Teilhabe am Leben dar.

Checkliste

Grad der Behinderung

Welche Einstufungen sind möglich?

imageGdB 0: Sie haben Diabetes Typ 2, benötigen aber kein Diabetesmedikament. Falls doch, dann bekommen Sie keines, das eine Unterzuckerung auslösen kann. Ihre Lebensführung ist somit nicht beeinträchtigt.

imageGdB 20: Sie werden mit Diabetestabletten behandelt, welche Unterzuckerungen auslösen können (zum Beispiel Sulfonylharnstoffe). Es kann zu Einschnitten in Ihrer Lebensführung kommen mit der Folge einer Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben.

imageGdB 30–40: Ihre Diabetestherapie kann Unterzuckerungen auslösen, insbesondere durch Insulin. Sie müssen mindestens einmal täglich eine Blutzuckerselbstkontrolle durchführen. Außerdem kommt es zu weiteren Einschnitten in Ihrer Lebensführung. Sie sind zum Beispiel durch nächtliches Blutzuckermessen stärker beeinträchtigt.

imageGdB 50: Sie haben eine Insulintherapie, bei der Sie täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen. Sie passen Ihre Insulindosis selbstständig an, abhängig von Ihrem aktuellen Blutzuckerwert, den zu verzehrenden Kohlenhydraten und der bevorstehenden körperlichen Betätigung. Zudem haben Sie gravierende Einschnitte in Ihrer Lebensführung.

Folgende Einschränkungen der Teilhabe am Leben können sich bei einem Diabetes auf die Höhe des Grads der Behinderung auswirken:

imageregelmäßige nächtliche Blutzuckerbestimmungen, die einen erholsamen Schlaf nachhaltig beeinträchtigen

imageeine Nadelphobie

imagebesonderes Schmerzempfinden beim Blutzuckermessen und/oder Insulinspritzen

imageEinschränkungen im Tagesablauf oder der Berufsausübung

imageBelastungen durch vermehrte Unterzuckerungen oder deren Folgen wie Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, Aggressionen oder Gereiztheit während einer Unterzuckerung

imageStörung Ihres Sexuallebens durch Angst vor Unterzuckerungen

imageVermeiden von Aktivitäten aus Angst vor einer Unterzuckerung

Vermutlich dokumentieren Sie Ihre Zuckerwerte, Insulinmengen und Kohlenhydrate in einem Diabetestagebuch, das Sie beim nächsten Arzttermin vorlegen. Diese Unterlagen können aber auch für Ihren Antrag auf einen GdB nützlich sein.

Auf die Form der Dokumentation kommt es dabei nicht an. Ein Tagebuch in Papierform ist genauso gültig wie die Aufzeichnung in einem Smartphone bzw. im Blutzuckermessgerät oder einer entsprechenden App. Die Ausleseprotokolle sollten Sie dem Antrag auf Grad der Behinderung beifügen.

So errechnet sich die Höhe des Grads der Behinderung, wenn Sie mehrere Erkrankungen haben:

imagehöchster GdB-Wert + (1/2 x zweitgrößter GdB-Wert) + (1/3 x drittgrößter GdB-Wert) + usw.

imageBeispiel: Prothese im Kniegelenk (beidseits) GdB 50, Diabetes Typ 2 GdB 40, Rheuma 30. Der GdB beträgt 50 + 20 + 10 = GdB 80.

Wie Sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen können, erfahren Sie auf der folgenden Webseite: https://www.einfachteilhaben.de/DE/AS/Ratgeber/01_Schwerbehindertenausweis/Schwerbehindertenausweis_node.html:

Ab einem GdB von 50 wird Ihnen ein Schwerbeschädigtenausweis ausgestellt. Sollten neben Ihrem Diabetes Typ 2 noch andere Erkrankungen, wie beispielsweise eine Sehbehinderung, zu einem GdB geführt haben, finden Sie auf diesem Ausweis sogenannte Merkzeichen.

image Ausweis mit großer Wirkung. Erst ab einem GdB von 50 zählen Sie als schwerbehindert und bekommen einen Lichtbildausweis. Ein geringerer Grad stellt nur einen steuerlichen Vorteil dar. Einen beruflichen Anspruch auf zusätzliche Leistungen haben Sie damit nicht.

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Unterstützung nutzen

Mit einem Diabetes können Sie einen Schwerbehindertenstatus bekommen und Hilfe, die Sie brauchen, in Anspruch nehmen.

Merkzeichen auf dem Schwerbeschädigtenausweis:

imageG: Gehbehindert (Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt).

imageB: Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen.

imageaG: Außergewöhnliche Gehbehinderung.

imageH: Hilflos.

imageHS: Hochgradige Sehbehinderung.

imageBl: Blind.

imageGI: Gehörlos.

imageTBI: Taubblindheit.

imageRF: Der Ausweisinhaber erfüllt die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht und ggf. für den Sozialtarif für Verbindungen im T-Net.

Die Technologie bzw. Digitalisierung macht auch vor Diabetes nicht halt. Messsysteme, die vor Unterzuckerungen warnen und kontinuierlich den Verlauf Ihres Zuckers aufzeichnen, gewinnen immer mehr an Bedeutung (siehe S. 55). Auch das Errechnen der Insulinmenge durch Handy-Apps kann das Leben mit Diabetes einfacher machen. Umso schwieriger wird es für Antragsteller, den GdB von 50 zu erreichen. Aber wenigstens ein positiv genehmigter Gleichstellungsantrag sichert Ihnen einen besseren Kündigungsschutz.

Schwerbehindertenstatus – Pro und Kontra

Für Arbeitnehmerinnen kann der Schwerbehindertenstatus Vorteile und Erleichterung im Alltag bringen: Sie profitieren von dem erhöhten steuerlichen Freibetrag bei der Einkommenssteuererklärung, dem verbesserten Kündigungsschutz, dem zusätzlichen Urlaub und einem früheren Renteneintrittsalter.

Auf der anderen Seite kann es schwierig werden, bestimmte Versicherungen wie Unfall-, Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen abzuschließen. Mehr dazu lesen Sie ab S. 156.