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Frau Wolf steuerte den Wagen bis hinüber zur einspurigen Hampden Bridge, die mit ihren Sandsteintürmchen, Zinnen und Flügelmauern und einer Breite von kaum fünf Metern aussah wie frisch aus einer Playmobilschachtel geholt und von einem peniblen Sechsjährigen in die Flusslandschaft gestellt. Frau Wolf parkte den Wagen mit einigem Schwung neben einer Parkverbotstafel. Die Straße war vollkommen leer, und wenn hier jemand von Amtswegen vorbeikommen sollte, dann würde es gewiss jener Senior Constable sein, der vielleicht noch immer ein wenig betört war von dieser tragischen Erzählung über einen ultramarinblauen Vogel.

»Gut, was haben wir«, fragte Frau Wolf, während sie sich abschnallte, die Innenbeleuchtung andrehte und ihren Körper ein wenig nach links schob, um ihren Beifahrer besser sehen zu können.

Dieser kramte soeben den kleinen Zettel aus seiner Hosentasche und entfaltete ihn in der Art, wie man einen Origami-Drachen zurück in normales Papier verwandelt.[1]

»Das hier habe ich gefunden«, sagte Cheng und erklärte, woher diese eine vollgekritzelte Seite stammte. Er betonte, dass es nicht die englischsprachige Ausgabe sei, sondern die deutsche, während alle anderen Bücher, soweit er das habe überblicken können, englische Titel trugen.

»Wäre das Buch nicht die gleiche Ausgabe gewesen«, sagte er, »die Sie im Flugzeug gelesen haben, mit diesem knallgelben Buchrücken und der grünlichen Schrift, der Titel wäre mir gar nicht aufgefallen.«

Frau Wolf betrachtete das Stück Papier und gab Cheng darin recht, dass es sich hier wohl um eine Karte handle, auf der die Wohnhöhle eines zwischenzeitlich zehnjährigen Wombats namens Toby eingezeichnet sei. Wer auch immer für das »ewige Kind Edward« stehe, dem dieses Buchexemplar gewidmet worden war.

»Im Grunde ist das nichts Besonderes«, meinte Frau Wolf, »Autoren signieren Bücher. Und manche zeichnen halt noch was dazu, obgleich eher selten ganze Schatzkarten. Aber dass Sie dieses Blatt ausgerechnet in dieser Bibliothek entdeckt haben, ist schon ein starkes Stück. Vor allem, wenn man sich die Datierung ansieht.«

»Die Datierung?«

»Ja, hier unten«, sagte Frau Wolf und tippte mit ihrem Finger auf das Papier.

Cheng hatte die Zahlen übersehen, weil sie am unteren Rand der Seite, dort, wo eine Ansammlung aus wild rotierenden Spiralen etwas ungeschickt einen Ausläufer des Waldes darstellen sollte, hineingeschrieben worden waren. Undeutlich, aber doch.

Das Datum verwies auf einen Tag vor zwei Wochen, als Oliver Roschek eben erst im Kangaroo Valley angekommen war und hatte feststellen müssen, dass Suzy’s Table bereits vermietet war. Warum auch immer er das nicht schon vorher gewusst hatte.

Wie aber war dann ein Buch mit dieser Widmung, dieser Zeichnung und diesem Datum in die Bibliothek dieses von vier Deutschen bewohnten und möglicherweise von Thomas Doris entworfenen Ferienhauses gekommen? Die vier hatten nicht gerade den Eindruck gemacht, sonderlich an Wombats interessiert zu sein.

»Nun gut, wir haben nicht direkt nach einem Oliver Roschek gefragt«, sagte Frau Wolf.

»Ich glaube, das ist auch gut so«, meinte ihr Assistent. »Die vier sind nicht koscher.«

»Gewiss nicht«, sagte Frau Wolf und holte die kleine Leica aus ihrer Handtasche, die wie alle Damenhandtaschen das Mysterium barg, viel mehr Sachen aufnehmen zu können, als logischerweise hineinpassten.

»Sehen Sie«, sagte sie und reichte Cheng die Kamera, und zwar mit der Rückseite nach vorne, sodass er den kleinen 3-Zoll-Monitor sah und darauf jenes Foto, das eben nicht nur den hellgrauen, rissigen Stamm einer Magellan-Südbuche hinter einer Glaswand zeigte, sondern in der Spiegelung sehr deutlich das Gesicht Alexander Jensens und nicht ganz so deutlich das von Tilda Büchner, die Cheng erkannte, auch wenn er jetzt nicht ihre Romy-Schneider-Stimme vernahm.

»Ich werde das noch bearbeiten und den Schärfepunkt festlegen«, sagte sie, »und dann das Ganze an einen Freund vom deutschen BND schicken.«

»Sie haben einen Freund beim BND ?«, fragte Cheng erstaunt.

»Das ist eine lange Geschichte«, blieb sie vage, »und hat eigentlich nichts mit Geheimdienstarbeit zu tun, aber er ist mir noch einen Gefallen schuldig. Und der könnte darin bestehen, uns zu sagen, wer der Mann auf dem Foto wirklich ist. Beziehungsweise, ob wirklich bloß ein unschuldiger Lottogewinner.«

»Sowenig ein Lottogewinn und Unschuld zusammenpassen«, sagte Cheng, der ja nichts von Zufällen hielt. »Aber möglicherweise kommt dabei nicht mehr heraus als die unschuldige Schuld von vier Leuten, die nicht wissen, was sie mit ihrem vielen Geld anfangen sollen.«

»Gerade sagten Sie noch, die seien nicht ganz koscher.«

Anstatt darauf zu antworten, meinte Cheng, wie es wäre, sich den Ort anzusehen, den Roschek auf dem Plan mit einem Kreuz und einem T markiert hatte.

»Ja, aber nicht gleich. Wer weiß, ob unsere deutschen Freunde nicht noch ein wenig herumspazieren«, sagte Frau Wolf und schlug vor, einstweilen in der kleinen Ortschaft etwas essen zu gehen. So ein Nachmittagssteak reiche ihr nun mal nicht. Dabei wirkte sie nicht fresssüchtig. Aber es war eben eine lukullische Lust an ihr.

Darum suchte man nun nach einem Restaurant in KV  – wie die Einheimischen ihren Ort der Einfachheit halber nannten – und kehrte schließlich in einem an der Moss Vale Road gelegenen Lokal ein. Dessen von abstrakten Hobbymalereien geschmückte Einrichtung besaß ein wenig den Charme eines gehobenen Altersheimes, und tatsächlich saßen dort fast nur betagte Leute. Allerdings handelte es sich um ein thailändisches Lokal und zwar, wie Frau Wolf bald feststellte, um eins der besten, in dem sie je gegessen hatte.

»Hier am Arsch der Welt«, wie sie sagte. Aber auch anfügte: »Mein Gott, auf einer runden Welt ist eigentlich jeder Ort der Arsch, wenn er gerade auf der Nachtseite liegt.«

Sie konnte das Wort »Arsch« so aussprechen, dass es gut und richtig und nobel klang. Außerdem schien es, als würden selbst Leute aus Sydney nur hierherkommen – an diesen Ort »tucked away in the countryside« –, um in diesem Thailokal zu essen.

»Das ist die beste Ente meines Lebens«, meinte sie, während man da auf der Veranda saß, weil drinnen im klimatisierten Inneren eine große Reisegruppe von Leuten zwischen achtzig und hundert Jahren sämtliche Plätze besetzt hatte und ziemlich laut irgendeinen Geburtstag feierte.

Frau Wolf sagte: »Vor allem die Soße ist ein Traum.«

Roast Duck with Jing Jo Sauce , offensichtlich eine Eigenkreation des Lokalbetreibers.

Cheng hatte sich Reis mit Gemüse bestellt, aber nur, damit etwas auf seiner Seite des Tisches stand und nicht allein der Cocktail, der in der Speisekarte unter der mysteriösen Überschrift Beaming with Health Herbal Tisanes angeboten wurde.

Und wirklich strahlte der Drink in Rosa und Violett, und oben auf dem Gebirge von Eiswürfeln thronten ein paar ovale Früchte, bei denen es sich, wenn Cheng das richtig verstanden hatte, um Sibirische Blaubeeren handelte, die auch wegen ihrer Antioxidantien sehr geschätzt waren. Allerdings ging es Cheng eher um den australischen Dry Gin, der in diesem Cocktail steckte, den aber pur zu servieren ihm verweigert worden war.

Im Reis und dem Gemüse stocherte Cheng nur ein wenig herum, wie diese Kinder, die einen Essvorgang simulieren und dabei eine Umschichtung vornehmen. Den Eindruck einer Reduktion. Aber der Cocktail war okay und die Beeren durchaus nahrhaft.

Zwischen dem Hauptgang und der Nachspeise – Frau Wolf bestellte einen Zitronen-Baiser-Kuchen, Cheng einen kleinen Mokka – bearbeitete Frau Wolf mithilfe einer Post-Fokus-Funktion den Schärfepunkt des Fotos, auf dem zwei der vier Personen aus Suzy’s Table zu sehen waren, übertrug das Foto auf ihr Smartphone und schickte es an ihren Freund vom BND . Und zusätzlich dazu eine Sprachnachricht in Slowakisch, genauer gesagt, in einem speziellen ostslowakischen Dialekt.

»Es ist nicht, was Sie denken«, sagte Frau Wolf.

»Was denke ich denn?«, fragte Cheng und setzte den Rest seiner Eiswürfel in eine drehende, klingende Bewegung.

»Der Mann ist keine Jugendliebe von mir. Das ist es also nicht, was er mir schuldig ist. Aber er stammt aus der gleichen Region, nahe der ungarischen Grenze, und das ist dann wirklich am Arsch der Welt, wenn hinter einem nur noch der Nordosten von Ungarn ist.«

»Und worum haben Sie ihn gebeten?«

»Na, dass er für mich herausfinden soll, wer der Mann auf dem Foto ist, der behauptet, Alexander Jensen zu heißen. Und wenn möglich, ob er auch etwas über die anderen Personen weiß.«

»Hoffen wir«, sagte Cheng, »dass die vier nicht auch so einen Draht haben und auf die Idee kommen, sich nach den österreichischen Mitgliedern der Pritzker-Preis-Jury zu erkundigen.«

»Wie kamen Sie eigentlich auf den Namen dieses Architekten, Thomas Doris?«, fragte Frau Wolf, die also noch immer nicht sagen wollte, wieso ihr ein BND -Mann etwas schuldig war, das über die Schuld hinausging, aus dem gleichen ostslowakischen Kaff zu stammen.

Cheng erzählte, wie er auf Doris gekommen war.

Dann wurden der Mokka und die Nachspeise serviert, ein Traum in Gelb, Weiß und der leichten Bräunung einer abgeflämmten Baisermasse obenauf, eine Bräunung gleich einem Erröten. Also ein Erbräunen.

 

Es war bereits nach Mitternacht, als das Lokal schloss und Frau Wolf und Cheng es als die letzten Gäste verließen. Sie standen auf einer Straße, die man sich menschenleerer und auch verkehrsärmer gar nicht vorstellen konnte. Nur ein Känguru sprang über den Asphalt und hatte das Glück, dass Frau Wolf noch nicht losgefahren war.

Man fuhr also wieder zurück über die Hampden Bridge und bog dann in die lang gezogene Bendeela Road ab. Frau Wolf stoppte den Wagen, noch bevor es nach links in die Straße zu Suzy’s Table ging. Sie hielt es für besser, nicht so nahe heranzufahren und den Rest des Weges zu Fuß zu gehen.

Es war übrigens so, dass Frau Wolf, auch wenn sie ihre sportive Schlankheit schon einige Zeit hinter sich gelassen hatte und aus beinahe religiösen Gründen die Benutzung eines Fahrrads verweigerte beziehungsweise so gut wie immer Kostüme oder Kleider trug und sicher keine Sportsachen und Turnschuhe, man sie trotzdem als fit bezeichnen konnte. Sie besaß den Schritt einer im Wandern geübten, konditionsstarken Person. Und sie beherrschte eine Kampftechnik namens Wing Chun, wobei ihre ganze Liebe der ersten Form dieses Kung-Fu-Stils, dem Siu Nim Tao galt, was so viel wie Die kleine Idee bedeutet. Diese kleine Idee übte sie jeden Morgen, noch bevor sie sich ihrer Frisur widmete, die ihr genau genommen das Wichtigste an sich selbst war. Wobei sie die kleine Idee manchmal sehr weich ausführte, dann wieder ungemein hart. Diese acht kurzen Übungen – bei denen es vor allem auf den Fluss der Bewegungen der Handgelenke ankam – waren wie eine Skizze für Frau Wolfs kommenden Tag. Dank derer sie die Zukunft in die Luft zeichnete.

 

Klar, jetzt war Nacht, und sie und Cheng – der sich nicht erinnern konnte, je für chinesische Kampftechniken geschwärmt zu haben, auch wenn er sich, wie in allem, nicht mehr hundertprozentig sicher war – bewegten sich wieder hinüber zu dem Gelände von Suzy’s Table. Wenn man so will durch Suzy’s Forest .

Sie waren mit zwei kleinen Taschenlampen ausgerüstet und marschierten vorbei an dem kreisrunden Parkplatz, wo noch immer die beiden Geländewagen standen, die im Halbdunkel der mondbeschienenen Nacht nicht unbedingt freundlicher aussahen als am Tage.

Von dort führte ein schmaler Pfad in Richtung des Nachbargrundstückes, ein großes Bed and Breakfast mit einem Pool, ein Gebäude, das gewiss für keinen Architekturpreis infrage kam. Doch noch bevor sie dieses Grundstück erreichten, bogen sie nach rechts ab, durchquerten ein Stück des Waldes, der so dicht war, dass das Mondlicht gleich einer Truppe verzweifelter Fallschirmjäger in den Kronen und im Geäst hängen blieb.

Das Licht kehrte zurück, als sie das kleine Wiesenstück erreichten, das in Roscheks Lageplan ja tatsächlich ein wenig grün eingefärbt war. Ein an manchen Stellen deutlich abgegrastes Wiesenstück, an dessen Ende es erneut in den Wald und leicht bergauf ging. In etwa die Stelle, die Roschek mit einem Kreuz und dem Buchstaben T sowie den genauen Koordinaten gekennzeichnet hatte.

Frau Wolf, die mit ihrem Smartphone sehr viel besser umzugehen verstand als Cheng, überprüfte die eigenen Standortkoordinaten, woraus sich dann eine klare Linie hinüber zu den Koordinaten des Wombatbaus ergab.

Vor dem man nun zu stehen kam.

Spektakulär war er nicht. Der Eingang zu einer Erdhöhle halt. Das Spektakuläre ergab sich erst aus dem Inneren, einem System aus Gängen mit einer tief gelegenen Schlafkammer, die sich schon mal eignete, einen Busch- oder Waldbrand zu überstehen.

Aber klar, Eingang und Tunnels entsprachen der Wombatgröße und nicht der Menschengröße. Cheng kniete sich nieder und leuchtete mit seiner Taschenlampe in den Bau hinein. Da war allerdings nicht viel mehr zu erkennen als die aufgegrabene Erde und Teile des Wurzelwerks der Bäume, die ein Stück in den Gang hineinragten.

Zugleich aber bemerkte Cheng eine Bewegung. Eine Bewegung hinter sich. Einen Blick auf sich, ohne dass diesmal irgendein Muster in seinen Rücken gebrannt worden wäre.

Cheng wandte sich um und erkannte im Dunkel die kompakte, rundliche Gestalt eines Wombats. Dieser gab ein Geräusch von sich, welches aber allein dem Zermalmen irgendwelcher Gräser in seinem Maul zu verdanken war. Und nicht etwa einer Drohgebärde, weil da ein einarmiger Mann vor seiner Höhle kniete und neben diesem wiederum eine Frau, die ihre Taschenlampe auf ihn, den Wombat, gerichtet hielt.

Dieser kurzbeinige Kerl entsprach nun so gänzlich einem Kindchenschema: mit seinen Knopfaugen und seinen Öhrchen, seiner fellbewachsenen »knuffigen« Rundlichkeit und dem Eindruck vollkommener Schuldlosigkeit. Man hätte ihn für die Blaupause eines Stoff- und Kuscheltiers halten können. Gut dreißig Kilogramm Kuscheltier. Also zumindest kein Kuscheltier, das man als Trophäe beim Schießstand im Vergnügungspark erhielt.[2]

 

»Okay, das ist also Toby!«, sagte Cheng, der sich erhoben hatte.

Er und Frau Wolf näherten sich dem Tier, das sich aber in keiner Weise stören ließ. In der Tat war eine gelbe Kennzeichnung auf dem hinteren Teil seiner linken Flanke zu sehen. Signatur war allerdings ein großes Wort für diese kleine Schmiererei auf dem Fell.

Cheng bückte sich zu dem Wombat, der jetzt wieder den Kopf hob und einen Laut von sich gab, der etwas von einer Warnung hatte. Dabei blickten die Knopfaugen nicht direkt zu Cheng, sondern praktisch neben ihn, wo eigentlich nichts war. Denn Frau Wolf stand auf der anderen Seite.

Cheng seufzte. Und sagte mit einer bemüht sanften Stimme: »Toby.«

Die Nennung seines Namens schien den Wombat zu beruhigen, auch wenn er vielleicht für einen kurzen Moment einen Hund neben den Füßen des einarmigen Mannes wahrgenommen hatte. Einen Hund, den er jedoch mit seinem sehr feinen Geruchssinn nicht hatte bestätigen können. Da war nichts zu riechen gewesen.

Es war jetzt Frau Wolf, die sich ebenfalls zu Toby hinunterkniete, der erneut begonnen hatte, über die Fläche zu grasen, seine geteilte Oberlippe einsetzend, dank derer er seine Schneidezähne ganz nahe an den Boden heranbrachte und sich die geliebten jungen Triebe einverleiben konnte. Frau Wolf strich ihm vorsichtig über das Fell, was ihm immerhin ein Geräusch moderaten Wohlempfindens entlockte. Er hob den Kopf, neigte ihn aber gleich wieder und setzte das Abnagen der Grasfläche fort, beißend und malmend. Währenddessen glitt Frau Wolfs Hand über seinen Rücken und seitlich hinab zu jener Stelle, wo die gelbe Markierung aufgemalt war.

»Halten Sie mir bitte mal das Licht hin«, bat sie Cheng.

Denn sie benötigte jetzt beide Hände. Mit der einen hielt sie den Wombat davon ab, sich weiter zu bewegen – er war extrem geduldig, so, als sei er es gewohnt, für Disneynature zu arbeiten –, mit der anderen berührte sie sacht den Farbfleck. Indem sie das Fell an dieser Stelle etwas gerade strich, besser gesagt, es in seine natürliche Ordnung zurückholte, geriet auch die Bemalung in ihre originale Gestalt. Und nahm nun doch etwas von einer Signatur an.

»Ach, würden die Leute nur ordentlicher schreiben«, klagte Frau Wolf. Und meinte: »Also wenn Sie mich fragen, Roschek soll das nicht heißen. Und Toby eigentlich auch nicht.«

»Ja, aber Andrew , nicht wahr?«, meinte Cheng, der ebenfalls ganz nahe herangetreten war und hoffte, dass sein unsichtbarer Hund sich im Hintergrund hielt und den Wombat nicht erschreckte.

»Stimmt, Andrew könnte es heißen«, sagte Frau Wolf, die mit zwei Fingern etwas tiefer in das Fell griff, da sie zuvor beim »Zurechtstreichen« der Signatur etwas gespürt hatte. Etwas, das tiefer im Fell verborgen lag. Und da war tatsächlich etwas. Sie zog ein kleines, flaches Objekt hervor, das in den Haaren des Wombats befestigt war. Ein metallener Gegenstand, nur wenige Zentimeter lang und schmal wie ein Knäckebrot. Versehen mit einer goldenen Beschichtung, die im gelbbraunen Wombatfell schwer auszumachen war, wenn man nicht speziell danach suchte.

Der rechteckige Körper besaß an einem Ende eine ovale Öffnung, die gedacht war, sie an einem Schlüsselbund zu befestigen, während sie im vorliegenden Fall mit einigen der festen Wombathaare verknotet worden war.

»Also das ist jetzt wirklich mal ein gutes Versteck für einen USB -Stick«, sagte Frau Wolf, die versuchte, den kleinen, superflachen Datenspeicher aus dem Fell des Wombats zu lösen. Während das Tier, auch ohne eingebremst zu werden, still stand und die jungen Triebe an Ort und Stelle aus dem Boden zog. Nur hin und wieder sah Toby auf und schaute zur Seite, als wolle er sich versichern, dass der Hund des Einarmigen nicht wieder näher kam (dabei kann man sagen, dass der Hund in seinem Leben vollkommen desinteressiert an anderen Tieren gewesen war, selbst an anderen Hunden, und vollkommen desinteressiert an etwas, was man allgemein »das Jagen« nennt. Und warum sollte sich ausgerechnet im Tod daran etwas geändert haben?).

Es war nicht leicht, den Knoten der Haare zu lösen, in die der USB -Stick eingefädelt worden war, weshalb Frau Wolf aus der Tiefe ihrer Handtasche eine Nagelschere zog und mit einem vorsichtigen Schnitt den Datenspeicher von Tobys Fell abtrennte.

Sie hielt das kleine, flache Objekt zwischen den Fingern in die Höhe, das im Licht der Taschenlampe vielsagend funkelte, und meinte: »Also, entweder stammt das von jener Person, die Andrew heißt, oder es ist eine weitere Widmung von unserem Herrn Roschek.«

»Vor allem«, sagte Cheng, »wäre es schön, wenn wir mehr darauf finden als die Wanderrouten dieses Wombats.«

»Kaum«, sagte Frau Wolf und meinte, dafür würde sich eher ein GPS -Tracker oder ein Implantat anbieten, aber kein Speicherstick. Ein Stick, den sie nun in ein Seitenfach ihrer Handtasche gleiten ließ.

»Ich denke, wir haben, was wir brauchen«, erklärte Frau Cheng.[3]

»Stimmt, den Wombat können wir hierlassen«, antwortete ihr Sekretär.

Aber beide drängte es, sich irgendwie von diesem Tier zu verabschieden, das so hilfreich einen Datenspeicher beherbergt hatte und wohl in vielerlei Hinsicht das war, was man einen Schlüssel nennt.

»Tschau, Toby«, sagte Frau Wolf.

Cheng, der ein wenig origineller sein wollte, wünschte Toby noch weitere zehn Jahre, was bei einem in Freiheit lebenden Wombat dann ein ziemlich hohes Alter ergeben würde. So viel hatte Cheng bereits nachgelesen.

Was auch immer Toby von alledem verstand, er sah kurz zu den beiden hoch. Und bei aller süßen Knopfaugigkeit lag etwas Durchtriebenes in seinem Blick. Aber auch eine gewisse Erleichterung, dass der Hund jetzt wieder verschwinden würde. Ob der nun roch oder nicht.

 

Cheng und Frau Wolf marschierten zurück. Durch das Blätterwerk des Waldes hindurch sahen sie die Lichter von Suzy’s Table aufblitzen. Möglicherweise hatten sie auf Höhe der geparkten Geländewagen einen Bewegungsmelder ausgelöst, oder dort drüben im Haus wurde spät noch Tischtennis gespielt. Jedenfalls beeilten sie sich, zu ihrem Wagen zurückzukommen.

Frau Wolf lockte das Auto, den Motor anlassend, aus seiner Müdigkeit heraus und fuhr los. Als hätte sich die Fahrweise der Detektivin herumgesprochen, querte kein Mensch und auch kein Känguru oder sonst ein Tier die gut zwölf Kilometer, die es brauchte, um zurück zum Hotel zu gelangen.