Kapitel 14

Glücks-Tee

An meinen Händen klebte jetzt also Blut. Aber das ließ sich ja ganz leicht abwaschen. Ich fühlte mich trotzdem nicht wohl. Wegen der Tiere und auch wegen Vivi. Dabei hatten wir vor unserem Rückzug fest ausgehandelt: Jeder darf alles. Keiner muss tun, was er nicht will. Keiner muss lassen, worauf er nicht verzichten kann. So lautete die Verabredung für unsere WG auf dem Land eigentlich. Wenn überhaupt müsste Vivi ein schlechtes Gewissen haben: Schließlich war sie noch immer nicht zurück auf unserem Hof und amüsierte sich jetzt schon tagelang auf einer Party. Warum fühlte ich mich also so beschissen? Ratlos stand ich vor dem Waschbecken, starrte auf meine rissigen Handinnenflächen und inspizierte Herzlinie, Kopflinie und Schicksalslinie. Eigentlich glaubte ich nicht an den Hokuspokus und drehte die Handflächen nach außen. Auch ziemlich faltig und schrumpelig, dachte ich mir. Dabei hatten wir doch all unsere Energie in den letzten Monaten in ein vitales Leben und eine gesunde Ernährung investiert. Wer ein Reformhaus, ein Heuhotel oder einen Wellness-Spa-Tempel verlässt, sieht meistens auch verknittert aus, tröstete ich mich und machte mir klar, dass zu einem gesunden Leben auch der Verfall gehört. Gehirn, Gehör und Haut erwischt es eben eines Tages. Ich hatte meine Hände auch noch gründlicher als sonst gewaschen, nachdem ich vom Metzger zurückgekommen war. Meine Haut war ziemlich zerkratzt, was aber keine Spuren von der Schlachtbank, sondern die Folgen meiner Begegnung mit wilden Rosentrieben, abgebrochenen Ästen und anderen natürlichen Feinden hinter unserem Bauernhaus waren. Für die Seele war die Gartenarbeit Balsam. Auch unsere selbst gemachten Tinkturen aus Wildkräutern, die beruhigenden Tees und die Berge von frisch geerntetem Bärlauch. Mein Körper fühlte sich leichter und nicht mehr so verklebt an wie früher mein Magen nach dem Verzehr einer Pizza aus dem Pappkarton um zehn Uhr abends. Wir wohnten jetzt zu weit weg von einem Lieferservice und holten uns höchstens mal eingelegtes Gemüse im Glas bei Brigitte aus der Vorratskammer. Kürbis, Gurke, Tomate statt Gyros-Pita mit Pommes oder einer 12er-Box Chicken-Nuggets süß-sauer. Aber meine Haut sah trotzdem so aus, als würde sie durch die Heilpflanzen, ätherischen Öle und das kalte Wasser im See viel schneller verwelken als in der ach so toxischen Großstadt. Ich spreizte die Hände und inspizierte meine matten Fingernägel. Reste von schwarzer Erde klebten unter den stumpfen Nägeln. Das Nagelbett war auch mit der groben Wurzelbürste nicht sauber zu bekommen. Warum zur Teufelskralle war meine Nagelhaut schon wieder entzündet? Ein paar Tränen kullerten über meine Wangen und landeten im Becken. Ich musste schlucken und dachte noch mal an das viele Blut. Tiere töten fühlte sich auch Tage später noch doof an, so lecker die frischen Würstchen auch waren. Mit kaputten Händen konnte ich mich arrangieren, mit Gewissensbissen wollte ich nicht leben – und beschloss, künftig noch weniger Fleisch zu essen. Ich riss mich von Waschbecken und Selbstzweifeln los und ging auf unseren immer grüner werdenden Hof.

Draußen war es schon wieder richtig sonnig, und ich wollte das schöne Wetter nutzen, um herauszufinden, ob unsere selbst gezogenen Pflanzen gut durch die Nacht gekommen waren, oder ob die Rehe sie schon verspeist hatten. Sah alles in Ordnung aus im Beet; Kürbis, Radieschen und Sauerampfer waren noch da und entwickelten sich mit der ersten Wärme richtig gut. Im Gewächshaus war es kurz nach zehn schon ziemlich warm, und unsere kleinen Salatpflanzen hingen etwas schlapp in der Ecke. Tatsächlich hatte ich gestern vergessen zu gießen. Schon wieder überkamen mich wegen Vivi Gewissensbisse. Ich tauchte unsere Gießkanne in die eiskalte Regentonne. Meine Handoberfläche prickelte wie Holgers ganzer Körper nach dem Bad im See. Wenn ich jetzt regelmäßig gießen würde, würden vielleicht auch meine Hände ewig jung bleiben, redete ich mir ein und verteilte vorsichtig das Wasser rund um die kleinen Pflänzchen. Auch die Kerze hatte ich vergessen anzuzünden. Das Gärtnern verlangte mir alles ab. Einmal nicht aufgepasst, schon war die ganze Arbeit futsch, die wir seit dem Eintüten und Beschriften auf der Saatbörse investiert hatten. Nach der Aussaat war es wichtig, die Tontöpfe mit der Anzuchterde auf den Fensterbänken ausreichend feucht zu halten und später darauf zu achten, dass wir die Keime mit der Gießkanne nicht gleich wieder wegspülten. Doch gerade auf den letzten Metern brauchte man noch mal besonders viel Fingerspitzengefühl. Im Hochbeet beispielsweise hatten wir unsere eckigen Mangold-Samen »Bright Lights« im exakt gleichen Abstand zueinander in die Erde gebracht. So hatten wir es auf der Samenbörse erklärt bekommen, damit sich die Pflanzen später nicht gegenseitig das Licht und die Nährstoffe wegnehmen würden. Die kleinen Blätter keimten aber nicht da, wo wir die Samen eingesetzt hatten, sondern ganz woanders, und ich musste vorsichtig die zarten Wurzeln mit den Fingern aus der Erde pulen und genauso vorsichtig wieder an einer anderen Stelle im Boden einsetzen und leicht andrücken. Am Stängel konnte ich schon die unterschiedlichen Farben erkennen: Gelb, Rot, Grün. Ich ging mit den Pflanzen anfangs so hilflos um wie mit meinem ersten Neffen. Tatsächlich spürte ich beim Andrücken in der feuchten Erde ein Knacksen. Gibt es so etwas wie einen Bänderriss bei einer kleinen Mangold-Pflanze? Spätestens morgen wüsste ich, ob die Pflanze ihre Wurzelverletzung auskurieren konnte, oder ob ich ihr aus Versehen das Genick gebrochen hatte. Während ich den Abstand der Pflanzen kontrollierte, streckte plötzlich ein Regenwurm seinen Kopf aus der Erde. Ich ging zunächst angewidert einen Schritt zurück und beobachtete, wie zwanzig Zentimeter Wurm aus der Erde schlüpften und an einer anderen Stelle wie beim Synchronspringen wieder kopfüber in der Erde eintauchten. Zwar hatte uns die Dorfbevölkerung kollektiv den Nutzen von Regenwürmern eingebläut und uns mehrfach versichert, dass die Tiere bei der Gartenarbeit auf unserer Seite waren. Ich gewöhnte mich trotzdem nicht daran.

Etwas größer waren unsere sechs Peperoni-Pflanzen im Gewächshaus. Hier hatte sich bereits die erste Blüte gebildet, die sogenannte Königsblüte. Ich hatte Brigitte ganz aufgeregt von der Entwicklung berichtet: Es gäbe da eine weiße, so kleine Knospe, dass ich mir nicht ganz sicher war, ob das eine Blüte oder etwas anderes, potenziell Schädliches sei. Die erste Blüte nämlich muss angeblich rausgebrochen werden, damit die Pflanze besser wächst und die ganze Energie nicht allein in die erste Frucht geht. Wenn sie entfernt ist, können sich neue Blüten angeblich viel besser bilden. Diese Theorie hatten wir auf der Saatgutmesse beim Fachsimpeln aufgeschnappt.

»Bringt gar nix, außer einer Chilischote weniger am Strauch«, hatte Horsti widersprochen. Er war schon etwas älter, trug ein kariertes Holzfällerhemd und hatte sich sein rot-graues Haar zu einem Zopf geflochten. Nach seinem glaubwürdigen Einwand blinzelte er uns an und schob ein Tütchen »Hanoi Red« über den Tapeziertisch. Der Samen kam ursprünglich aus Vietnam, würde sich aber auch im norddeutschen Gewächshaus wohlfühlen, garantierte uns der Samen-Experte. Sehr ertragreich sei die Sorte, egal ob wir da nun eine Blüte entfernen würden oder nicht. Wir nahmen das Angebot an und verabredeten einen internen Chili-Wettbewerb. Vivis Pflanze würde mit abgeknipster Blüte ins Rennen gehen, meine Pflanze dagegen mit der berühmten Königsblüte und ohne fremdes Eingreifen. Am Ende würde derjenige die Challenge gewinnen, der mehr Peperoni in seinem Körbchen hatte. Bis zum Herbst mussten wir mit der Ernte noch warten, aber schon die Entwicklung vom ersten Tag war so spannend wie ein Krimi am Vorabend. »Du bist aber groß geworden, meine kleine Chili«, lobte ich die Königsblütenträgerpflanze. Ins Rennen schickten wir noch zwei weitere Sorten: »Prairie Fire« – rot, fruchtig und ziemlich scharf (genauer gesagt Schärfegrad 9, laut Horsti). Etwas milder und laut Saatguttüte sehr bunt mit roten, violetten, orangfarbenen und gelben Früchten war die Sorte »Luzi Luzi«, die es nach Horstis Aussage aber immerhin auch auf Schärfegrad 6 brachte.

Die Blätter wirkten für mich als Garten-Einsteigerin noch blass und konnten etwas »Futter« vertragen. Ich krümelte also von unserer eigenen Kompost-Erde einen kleinen Haufen um die Stängel. Nächste Woche würde dann bereits der Brennnesselsud dazukommen. Zum Abschluss meiner Inspektion bekamen alle Pflanzen Regenwasser aus der Tonne. Selbstbewusst zog ich weiter durch den Garten und kontrollierte neugierig jeden Winkel, den wir umgegraben und bepflanzt hatten. Mal zupfte ich etwas von unserem Koriander und steckte mir die frischen Blätter in den Mund, die so intensiv im Geschmack waren, als würde ich mit Mundwasser gurgeln. Auch der russische Estragon machte Fortschritte. Vorsichtig nahm ich einen frischen Trieb weg und war überrascht, wie stark die Blätter nach Anis schmeckten. Fast wie Lakritz.

Beim Unkrautzupfen war ich etwas zurückhaltender, weil ich nicht unabsichtlich Gemüse- oder Kräuterpflanzen aus dem Boden reißen wollte. Wir hatten ja zur Orientierung überall selbst gemalte Schilder in den Boden gesteckt. Trotzdem war es für mich unmöglich, die Blätter einer jungen Radieschen-Pflanze von einem wild wuchernden Ackersenf zu unterscheiden. Die Oberfläche beider Pflanzen war genauso rau und behaart wie meine Beine und Arme nach ein paar Tagen Gartenarbeit. Immerhin erkannte ich die sogenannte Gundermann-Pflanze mit ihren kleinen lila Blüten inzwischen genauso gut wie die Wildbienen in unserem Garten. Für uns war es ein Unkraut, das sich wahnsinnig schnell ausbreitete, und ich riss es deshalb überall raus, auch wenn Brigitte von der »unheimlichen Kraft« dieser Pflanze schwärmte. Angeblich sei sie bei eitrigen Entzündungen als Mundwasser sehr hilfreich. Seitdem ist sie auf jeden Fall von Vivi und mir als »Odol-Blume« verschrien. Während ich durch harmloses und im Grunde hübsches Unkraut streifte, dachte ich an Vivis letzte Videoproduktion, für die ich in Holgers Angelanzug lindahohe Brennnesseln zu ernten hatte.

Vivi stand währenddessen beziehungsweise kurz darauf mitten auf der Wiese, umringt von sehr viel – harmlosem und hübschem – Unkraut. In ihrem Fall Löwenzahn, Schöllkraut (das sind diese kleinen gelben Unkrautblumen) und Gänseblümchen.

Sie drückte auf Aufnahme und legte los.

»Hallo, meine Lieben – ich bin’s wieder, eure Vivi. Diesmal geht es um den besten Biodünger ever, der auch noch kostenlos ist. Brennnesseljauche.« Kostenlos ja, schmerzfrei zu haben, leider nein. Aber sollen Brennnessel-Verbrennungen nicht auch gut gegen Rheuma sein? Das werde ich in einigen Jahren erfahren.

»Vielleicht«, fuhr Vivi sinnierend fort, »gibt es ja einige unter euch, die sagen, kenne ich, das stinkt entsetzlich. Das stimmt, aber ich habe einen Trick für euch, damit die Jauche nicht mehr so übel riecht und den ich in diesem Video mit euch teile.

Zunächst: Wenn ihr Schiss habt, euch zu verbrennen, zieht euch ein langärmeliges Oberteil an und – ganz wichtig – Gartenhandschuhe. So haben Brennnessel-Pikser keine Chance. Außerdem benötigt ihr eine Gartenschere. Jetzt einfach die Brennnesseln abschneiden und grob zerkleinern. Ich habe mir hier einen Eimer bereitgestellt, in dem die abgeschnittenen Brennnesseln schon liegen.« Tja, Kunststück, sie hatte ja auch jemand anderen in die Ernte geschickt. Vivi war wirklich die Fernsehköchin unter den Garten-Influencerinnen; bei ihr war alles – wie von Zauberhand – immer schon vorbereitet. »Beim Behälter solltet ihr darauf achten, dass er aus Plastik, Holz oder Ton ist. Bitte kein Metallgefäß benutzen, denn das könnte mit der Jauche reagieren«, zeigte sie auf eine hübsche Ansammlung von Gefäßen, die ihr Brigitte ausgeliehen hatte.

»Wenn der Eimer voll ist, könnt ihr die Pflanzen noch ein wenig zerkleinern. Danach gießt ihr einfach Wasser über die zerstückelten Brennnesseln. Am besten benutzt ihr dafür Regenwasser – kostet nichts, is made by nature und mögen die Pflanzen am liebsten. Das Ganze mit einem Stock umrühren und zum Schluss lose mit einem Deckel abdecken. Die Jauche solltet ihr täglich ein- bis zweimal umrühren, damit sie sich gut durchmischt.« Auch diese Aufgabe hatte ich übernommen, was im Video selbstverständlich nicht zu sehen war. Immerhin stank das Ganze weniger übel als befürchtet, denn der Trick, den Vivi mit ihrer Gemeinde geteilt hatte, schien zu funktionieren: »Und jetzt kommen wir zum Stinken. Nach etwa zwei bis drei Tagen fängt das Gemisch wirklich unangenehm an zu riechen. Mein ultimativer Anti-Stink-Trick: Gebt einfach etwas Steinmehl dazu, und ihr werdet merken, dass eure Brühe kaum riecht. Nach etwa zwei Wochen ist die Bio-Jauche fertig. Das erkennt ihr daran, dass keine Blasen mehr aufsteigen. Die Jauche durch ein Tuch abgießen! Dafür könnt ihr zum Beispiel einen Juteeinkaufssack benutzen, den ihr über einen zweiten Eimer zieht, sodass am Ende die Flüssigkeit von dem Grünzeug getrennt wird. Das hat den Vorteil, dass ihr das Grünzeug auch benutzen könnt. Dazu kommen wir gleich. Die Jauche müsst ihr noch mit Wasser verdünnen, weil sie ansonsten zu stark konzentriert ist: Auf zehn Teile Wasser gebt ihr einen Teil Jauche. Gut umrühren – dann kommt das Ganze in eine Gießkanne, und ihr könnt damit eure Pflanzen gießen. Einmal die Woche solltet ihr eure Pflanzen mit der Jauche düngen. Dann freuen sie sich.« Das konnte ich so bestätigen. Die Sache würde sich lohnen!

Und bei der Jauche war es nicht geblieben. Die festen Bestandteile der Jauche, also das übrig gebliebene Grünzeug würden wir als Kompost oder Mulch im Gemüsebeet einsetzen. »So kommt nichts weg und wird sinnvoll genutzt«, hatte Vivi ihre grüne Show beendet. Ich war extrem froh, dass Vivi sich beim Grünzeug für diese Nutzung entschieden hatte. Irgendwann standen mal Brennnesselchips im Raum (so real wie metaphorisch), die sie aber offenbar lieber in einem der kommenden Filme verbriet.1

Ich war ein bisschen unsicher, inwieweit es Vivi wirklich schon zur Gartenexpertin gebracht hatte oder ob sie vor ihren Videos nicht doch das Internet oder das Wissen unserer Nachbarin anzapfte.

Ich jedenfalls war ohne meine persönliche Park-Rangerin Brigitte an meiner Seite meist noch immer auf meine Pflanzen-App angewiesen, um die korrekten Namen für das Grünzeug herauszufinden. Der Schachtelhalm sah beispielsweise erst sehr hübsch aus, bis ich feststellen musste, wie schnell er sich im Beet breitmachte und wie hartnäckig seine Wurzeln in der Erde steckten. Rauke, Petersilie und Schnittlauch konnte ich inzwischen schon ohne Handykamera voneinander unterscheiden. Außerdem kannte ich die Bärlauch-Stellen. Wir verzichteten grundsätzlich auf Pestizide, wuschen nach der Ernte aber trotzdem immer alles gründlich mit Leitungswasser ab. Vivi hatte mir neulich einen Artikel über den Fuchsbandwurm vorgelesen, der im Magen eines Menschen angeblich gefährlicher war als eine Überdosis Pflanzenschutzmittel. Ich blendete die Gefahr aus, schüttelte die Blätter und damit hoffentlich auch die Eier des Bandwurmes ab und steckte alles in den Mixer. Mit der Hand streute ich noch Nüsse, Pistazien und die Reste einer alten harten Käseecke dazu. Brigitte hatte mich in ihrer Küche inspiriert, immer wieder mit den Händen in verschiedene Gläser zu greifen, ohne etwas abzuwiegen, und am Ende grobes Salz, Pfeffer und Olivenöl dazuzugeben. Jetzt musste ich nur noch zwei Minuten den Knopf auf höchste Stufe am Mixer festhalten, damit alles gut durchgemischt wurde. Ich war überrascht, wie giftgrün die sämige Masse leuchtete. Ich schmeckte mein Pesto mit dem Finger ab und nahm mir danach gleich noch einen Löffel, so lecker war meine Kreation »Holsteiner Frühling«.

Mein grüner Daumen entwickelte sich ordentlich, die eigene Ernte hatte aber auch ihren Preis. Meine Unterarme und Finger hatten heute besonders viele rote Punkte und juckten zusätzlich zu allen anderen Abnutzungserscheinungen, weil ich mich trotz meiner dicken Handschuhe an den Brennnesseln verbrannt hatte. Im Gegensatz zu unserem Mangold wuchs das Unkraut zehnmal so schnell und vor allem auch sehr hoch. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, dass wir Brennnesselsamen aus der Saatbörse ersteigert hatten. Aber vielleicht hatte Brigitte sie heimlich in unseren Garten gestreut, damit sich Schmetterlinge in den Blättern verstecken und vom Nektar der Blüten zehren konnten. Zweimal die Woche machten wir uns einen Brennnessel-Shot, weil die Blätter mehr Eisen enthielten als ein Rindersteak, so die Behauptung von Vivi, die sie in einem der zahlreichen Superfood-Blogs aufgeschnappt hatte. Ich war offen dafür, auch mal ohne Beweise aus dem Labor etwas auszuprobieren. Ein Brennnessel-Smoothie kostet viel Überwindung. Den ersten Schluck bekam ich kaum runter. Außerdem kratzte mein Hals unerträglich, und abends bekam ich auch noch Durchfall. Vivi schraubte noch etwas an den Zutaten und der Dosis, und ich bildete mir in den nächsten Wochen tatsächlich einen positiven Effekt ein, weshalb ich mich mittlerweile auch gerne an dem Morgenritual beteiligte und mich bei meinem Gartenrundgang jetzt auch für das Unkraut verantwortlich fühlte. Wir brauchten die frischen Brennnesseln nämlich, genau wie Vivi es in ihrem Video angekündigt hatte, auch als Turbo-Dünger und hatten sie in einem Eimer mit Wasser übergossen. Eine Woche lang stand die Brühe schon hinter unserem Haus und wurde täglich von einem von uns umgerührt. Heute war ich also mal wieder dran und merkte dabei, wie bestialisch die Brühe stank. Sollten wir tatsächlich den Biodünger auch mal gegen Schädlinge wie Mehltau einsetzen, wie es uns Brigitte empfohlen hatte, dann würde ich definitiv jedes Blatt und jedes Gemüse noch ausgiebiger abwaschen als beim Verdacht auf einen Fuchsbandwurm. Machte das Steinmehl etwa nicht seinen Job, oder hatte Vivi es nicht in die Brühe getan? Ich versuchte, beim Umrühren nicht zu atmen, hatte meinen Rücken zum Hohlkreuz durchgedrückt und die Arme ausgestreckt, um den Abstand zu dem übel riechenden Eimer zu vergrößern, während ich vorsichtig umrührte. Mit der anderen Hand musste ich aufpassen, dass der Eimer mit dem toxischen Gemisch nicht umkippte. Wir sollten laut Brigitte drei Mal nach links und fünf Mal nach rechts rühren. Keine Ahnung, ob das Rudolf Steiner so in seine anthroposophischen Bücher geschrieben hatte. Wir hielten uns jedenfalls akribisch daran.

Zeit für den allerletzten Auftrag von Brigitte. Auf der Party hatte sie mich darum gebeten, etwas Rinde von jungen Weidenästen an der Grundstücksgrenze abzuziehen und daraus ein Anti-Kater-Mittel aufzusetzen, das wirkungsvoller als Aspirin Effect sei, von dem sie aber womöglich keinen ausreichend großen Vorrat mehr in ihrem Teefundus hatte. Ich suchte also in ihrem Schuppen den Hausschlüssel, den sie in einer alten Keksdose versteckt hatte. Holger durften wir das Geheimnis des Ersatzschlüssels nicht verraten. Uns schien sie aber zu vertrauen. Alle Dosen waren mit Malerkrepp beklebt. Mit einem Kugelschreiber hatte sie die unterschiedlichen Teesorten von Salbei bis Pfefferminze beschriftet. Ich nahm eine Dose mit der Aufschrift »Wiesen-Viagra« in die Hand und schaute neugierig hinein. Statt Blätter oder getrocknetem Gras lagen darin kleine getrocknete Samen, die aussahen wie Mohn. Nur der Dosenboden war noch bedeckt. Offenbar gab es zahlreiche Abnehmer. Oder die letzte Ernte war einfach schlecht. Kurz überlegte ich, meinen Finger etwas zu befeuchten und ein paar Samen zu probieren, stellte dann aber doch alles wieder ordnungsgemäß auf das Regal zurück. In dem Moment fiel eine andere Büchse laut scheppernd auf den Terrazzoboden, und lauter kleine Metallkugeln rollten durch die Küche. Ich sammelte sie alle wieder ein und entdeckte den Schriftzug 9 mm Luger S&B auf der polierten Patrone. Das waren keine Kugeln, sondern Munition. Vorsichtig legte ich die 30 Schuss zurück in die Dose, damit sie nicht explodierten. Ich hatte von Waffen keine Ahnung und auch noch nie eine Knarre oder ein Magazin angefasst. Ich nahm die Patrone und hielt sie mit der Spitze zwischen meine Augenbrauen. Das wäre also ein tödlicher Schuss, wenn sie die richtige Geschwindigkeit hätte. Irgendwie fühlte sich die Vorstellung unheimlich an. Ich steckte eine der Patronen für meine Recherche in die Hosentasche und stellte alle anderen wieder zurück auf das Regal. Die Patronendose war mit dem Aufkleber »lahme Ente« beschriftet; vermutlich Schrot für die nächste Jagd, dachte ich mir. Allerdings war Brigitte doch Vegetarierin, der es sogar schwerfiel, einen Schneider zu töten, wenn er abends durch das Wohnzimmer flog. Ich mag kein Ungeziefer und mache Stechmücken mit meinen Pantoffeln oder einer Zeitung sofort platt, bevor die Viecher nachts mein warmes Blut absaugen oder eine Spinne mir in die Nase kriechen könnte. Brigitte dagegen holte ein Glas und eine Pappe, fing den Schneider vorsichtig ein und achtete penibel darauf, ihm kein Bein auszureißen. Dann ging sie vor die Tür und setzte das Tier aus. Gut fürs Karma, mit einer Ausnahme. Bei Schnecken mutierte sie zu einer Heckenschützin und vernichtete die schleimigen Tiere brutal mit einer Gartenschere. Mit einem Jagdgewehr konnte ich sie mir aber beim besten Willen nicht vorstellen. Im Einsatz gegen Schnecken käme sie damit ja auch nicht weit.

Die einzigen gefährlichen Waffen von Vivi und mir waren Axt, Beil, ein paar Messer, (meine Hausschuhe und alte Zeitungen). Wie Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer hackten wir damit Holz, machten entweder Feuerholz oder entfernten ein paar Äste im Garten, so wie wir es in den YouTube Tutorials für Obstbaumschnitt oder bei Holger gesehen hatten. Dabei lernten wir sehr schnell. Je schärfer unsere Klingen am Stiel oder unter dem Rasenmäher waren, umso besser das Ergebnis. Unser Kirschbaum wäre beinahe verblutet, weil Vivi den Ast mit dem stumpfen Beil nur zertrümmert und dabei seine Rinde abgeschält hatte, statt mit einem gezielten Schlag das Holz sauber zu entfernen. Wie immer war Holger unser Experte fürs Werkzeug. Er hatte einen alten Schleifstein vom Schmied mit einem Elektromotor so umgebaut, dass er die schwere Scheibe nicht mehr von Hand kurbeln, sondern per Knopfdruck in Bewegung setzen konnte.

Ohne Brigittes allerletzten Auftrag schon erledigt zu haben, klopfte ich bei ihm am Schuppen, aber keiner war da. Deshalb öffnete ich vorsichtig die Tür und machte alles genau so, wie ich es bei ihm beobachtet hatte. Zunächst setzte ich mir eine Schutzbrille auf, dann ließ ich etwas Wasser über den Stein laufen und reinigte mit einer Drahtbürste die verrostete Klinge. Ich hatte Spaß daran, selbst etwas zu reparieren, und drückte die Klinge vorsichtig an den Stein. Wie bei Holger flogen zunächst ein paar Funken weg. Ich drückte das Beil etwas fester an den Schleifstein, dabei rutschte es weg und fiel auf meinen Fuß. Zum Glück war es noch stumpf, und so spürte ich nur einen dumpfen Schmerz in meinen Gummischuhen, den ich wegatmete, das Beil aufhob, um dann einen neuen Versuch zu wagen. Jetzt hielt ich es richtig fest. Das Geräusch beim Schleifen war sehr schrill, es roch nach Eisen und irgendwie auch scharf. Beide Seiten glänzten, und ich machte jetzt ganz vorsichtig die Bewegung nach, die ich bei Holger beobachtet hatte. Nach einigen Runden fasste ich ohne Handschuh auf die Klinge. Messerscharf. Jetzt konnte ich zurück in unseren Garten und suchte mir ein paar schöne Äste aus, die aus dem dicken Stamm der Weide ausgeschlagen hatten. Klack. Ein Schlag mit meinem scharfen Beil, und der ganze Ast knickte ab und fiel mir ins Gesicht. Die Äste waren dünn und noch ganz frisch, ich sammelte sie ein und legte sie auf unseren Hackklotz. Die jungen Weiden rochen intensiv und verloren an der abgetrennten Stelle schnell etwas Flüssigkeit.

In genau diesen Tropfen befindet sich Salicin. Die Substanz wird in der Heilkunde gegen Kopfschmerzen eingesetzt. Chemiker haben aus der Verbindung die sogenannte Acetylsalicylsäure für die Pharmaindustrie entwickelt. Ich war nicht besonders gut im Chemieunterricht, die Abkürzung ASS kannte ich aber von der Verpackung der Kopfschmerztabletten und aus der Werbung. Ich war gespannt und schnitzte mit meinem Taschenmesser, wie von Brigitte beschrieben, die Rinde in ein Glas, danach schnitt ich die Stücke mit einer Schere klein und legte sie zum Trocknen aus, damit sie ihre Dose mit Anti-Kater-Tee wieder auffüllen konnte. Ich war so neugierig, dass ich Wasser aufsetzte und mir einen frischen Tee mit Weidenrinde kochte. Spannend. Ob er auch hilft, wenn man keine Kopfschmerzen hat?

Ich mochte diese Tage, an denen ich ganz allein war. Am liebsten ging ich einfach eine Stunde durch die Felder spazieren. Gerade jetzt, wo am Horizont ab und zu das schwarze Meer zu sehen war, im Kontrast zu den gelben Rapsfeldern. Wenn ich niemanden treffen wollte, machte ich mich auf den Weg in den Wald. In genau dieser Stimmung war ich heute und musste dafür mein Fahrrad holen. Auf dem Weg in den Schuppen kam ich an unserem Kräuterbeet vorbei, knipste ein paar vertrocknete Blätter Zitronenmelisse ab, die ich in der Hand zerrieb. Tatsächlich rochen meine Finger wie eine Zitrusfrucht. Genauso machte ich es mit einem Zweig Thymian. Warum musste ich bei dem Aroma schon wieder an einen Lammbraten denken? Und an ein großes griechisches Fest? Es war Zeit für die nächste Stufe meiner Meditation.


Ich setzte mich auf mein Rennrad und fuhr fünf Kilometer bis zu meiner Lieblingsstelle am Waldrand. Der asphaltierte Feldweg ging in einen Schotterweg über, der für meine dünnen Felgen zu holprig war. Deshalb schloss ich mein Fahrrad direkt neben der Schranke an einem Verbotsschild an. Die Bäume sahen alle aus, als würden sie schon über 100 Jahre hier stehen und atmen. Die ersten Meter schaute ich, ob vielleicht ein Wolf hinterm Baumstamm auf mich wartete. Gefährlich sahen zwar eigentlich nur die umgeknickten Bäume vom letzten Sturm aus, aber ich hielt mich trotzdem auf dem Waldweg und ging nicht in das Gestrüpp. Je tiefer ich in den Wald lief, umso dunkler und kühler wurde es, und es roch nach frisch geschlagenen Tannen. Die Waldarbeiter hatten die Stämme sorgfältig neben dem Weg gestapelt. Die toten Bäume bluteten noch, das Harz lief tränengleich aus der Rinde. Ich schnupperte an den dicken Stämmen und auch am Harz. Auf dem Boden lagen viele Sägespäne, die Maschinen mussten gewaltig gewesen sein, alles war aufgerissen, und ich sackte in den Furchen manchmal mit meinen Stiefeln ein. Neben meinen Fußabdrücken konnte ich die Spuren einiger Waldbewohner erkennen. Hund, Katze, Maus? Ich machte sicherheitshalber ein Foto von den Spuren und wollte es später Holger zeigen, der inzwischen überzeugt davon war, dass hier zwei Wölfe lebten. Ein bisschen konnte ich die Tiere verstehen. Der Waldboden neben dem Weg war weich und gab nach wie eine Turnmatte. Ich zog meine Schuhe aus und ging ein Stück auf dem Moos entlang. Barfuß fühlte es sich an wie Watte. Ein Eichhörnchen kletterte einen dicken Stamm hoch, um die anderen Tiere vor mir zu warnen.

»A-Hörnchen an B-Hörnchen: Die Fernsehkillerin ist wieder da. Passt auf euch auf!«

Die Szenerie war perfekt für einen neuen Disney-Film. Bambi und der Wolf und Linda. Überall wuchs Farn aus dem Nadelboden, durchsetzt von ganz viel Klee. Kniend suchte ich nach dem großen Glück, fand es aber nicht, obwohl ich sehr genau guckte. Weil ich mich unbeobachtet fühlte, überlegte ich kurz, einen Baum zu umarmen, um glücklich und über 100 Jahre alt zu werden. Ich hatte aber mein graues Lieblings-Sweatshirt an und keinen Bock, drei Tage lang mit Waschnüssen vergeblich zu versuchen, die Harzflecken aus meinem Pulli herauszuwaschen. Egal, was ich auch unternahm in der Natur, am Ende musste ich doch wieder an Chrissi denken. Ich wollte auf keinen Fall so alt werden, wenn ich den Rest meines Lebens alles vergessen würde. Der Gedanke an ein Gespräch, das wir kürzlich geführt hatten, machte mich traurig.

Mama: »Ich habe keine Lust mehr zu leben. Werde bloß nicht so alt. Das ist furchtbar. Man ist zu nichts zu gebrauchen.«

Ich: »Ja, das ist wohl wahr. Aber es geht doch auch nicht darum, nützlich zu sein.«

Mama: »Was habe ich denn gemacht, dass er mich nicht will?«

Ich: »Wer, Gott?«

Mama: »Ja. Ich habe doch nichts getan.«

Anstelle eines klebrigen Baumes würde ich jetzt sehr gerne einen lieben Menschen umarmen.

Vielleicht würde mir ein Rezept von Brigitte helfen. Ich suchte mir an einem der herabhängenden Äste einen Zweig mit Fichtennadeln. An der Spitze waren die Triebe hellgrün. Vorsichtig trennte ich sie mit meinem Taschenmesser vom Zweig ab und steckte sie in meinen Becher, goss heißes Wasser aus der Thermoskanne über die Triebe und ließ das Ganze fünf Minuten ziehen. Ich starrte in den Wald, ohne einen Schluck getrunken zu haben, und hatte plötzlich eine wundervolle Begegnung.

Vielleicht 100 Meter entfernt von mir fiel Sonne auf eine kleine Lichtung, und ich sah, wie dort ein Hirsch mit riesigem Geweih im Gehölz stand. Er schaute kurz rüber, wunderte sich wahrscheinlich über meinen Tee und schaute wieder weg, als wäre nichts gewesen. Jetzt kamen immer mehr Tiere dazu und tranken Wasser aus den Pfützen. Ein Reh hatte ein weißes Fell, wie ich es wirklich nur aus Zeichentrickfilmen kannte. Vorsichtig richtete ich mich auf und streckte meinen Arm aus. Im Zeitlupentempo fokussierte ich die Linse meines Handys auf das surreale Motiv. Die Tiere waren aber zu weit weg. Immer noch ohne Schuhe ging ich ganz langsam auf die Gruppe zu und versuchte dabei, auf keinen Ast zu treten. Etwas weiter entfernt krachte es – vermutlich ein Schuss –, und alle Tiere rannten weg, ohne dass ich auch nur ein Bild hätte machen können. Wie gerne hätte ich das Vivi gezeigt! Obwohl sie die treibende Kraft hinter der ganzen Landpartie war, kommt sie selten mit in den Wald, weil sie Angst vor Zecken, Borreliose und anderen Krankheiten, die einem das Gehirn lahmlegen können, hat. Selbst schuld, dachte ich mir. Dabei war eine ausschweifende Party sicher nicht weniger hirnschädigend als ein Zeckenbiss. Oder? Für mich jedenfalls war der Wald der perfekte Ort zum Auftanken und um meine Gedanken zu ordnen, die mal wieder zwischen Mutti, Vivi und dem bösen Wolf kreisten. Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und nahm endlich einen Schluck Tee aus der Tasse. Es waren deutlich mehr als nur fünf Minuten vergangen – Leben am Limit. Das Wasser schmeckte mild und hatte durch die Fichtennadeln eine süße und gleichzeitig auch saure Note bekommen. Ich bildete mir sofort ein, die ätherischen Öle hätten schon nach dem ersten Schluck meine Frühjahrsmüdigkeit vertrieben. Ich spazierte also mit neuer Energie noch eine halbe Stunde durch das Gehölz und entdeckte neben Sauerklee noch Buschwindröschen, Waldmeister und Sternmieren mit weißen Blüten, die tatsächlich wie Sterne wirkten. Und dann entdeckte ich neben einem Hochsitz auch noch ein parkendes Auto. Es war die S-Klasse von Heiko, deren Kofferraum offen stand. Ich versteckte mich hinter dem dicken Stamm einer Buche und sah zwei Männer, die zusammen einen Sack in das Auto hievten. Beide waren verkleidet wie Bundeswehrsoldaten. Heiko erkannte ich erst, als er seinen Hut abnahm. Das Auto kam in meine Richtung, ich legte mich flach auf den Boden und atmete ruhig. Sie fuhren langsam den Berg hoch, weil der Boden auch hier tief durchfurcht war. Trotzdem blieben sie plötzlich stecken und mussten wieder aussteigen. Ich hörte Heikos panische Stimme von ganz Nahem.

»Und nun? Wohin damit?«

»Schießen, Schaufeln, Schweigen!«

»Aber vielleicht hat das Scheißviech einen GPS-Tracker, und gleich kommt ein Polizeihubschrauber, und es gibt ’ne wilde Verfolgungsjagd …«

»Entspann dich und gib noch mal vorsichtig Gas!«

»Waidmannsdank!«

Ich verstand nicht wirklich, wovon die beiden da sprachen. Auch die andere Stimme erkannte ich nicht. Sie gab schließlich das Kommando, die schweren Türen des Mercedes zu schließen und den Motor laut aufheulen zu lassen. Das Auto kam noch etwas näher, bremste ab und fuhr dann ziemlich schnell an mir vorbei. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich hinter dem Baum erkannt hatten. Erst als ich nichts mehr hörte, richtete ich mich auf, klopfte das Laub und die Äste von meinem Pulli und meiner Hose und ging zurück zu meinem Rad. Auch ohne vierblättriges Kleeblatt hatte ich das Gefühl, noch einmal Glück gehabt zu haben. Niemand hatte mich entdeckt oder erschossen, und auch die Zecken hatten mich in Ruhe gelassen. Kurz vor der Schranke hatte ich wieder zwei Balken Empfang auf dem Handy. Ich hatte vier Anrufe in Abwesenheit von Chrissi.