Der Begriff „Rhetorik“ wird im Alltagsgebrauch oft unscharf und schwammig verwendet, häufig mit einem negativen Beigeschmack und mit der Aura des Verbotenen. Gleichzeitig wissen aber viele Menschen auch um die Bedeutung von souveränem und selbstbewusstem Auftreten, von Sympathie und von der Kraft des besseren Arguments, von Schlagfertigkeit, Charisma und Authentizität. Rhetorik ist etwas, das wir selbst beherrschen wollen und womit wir gleichzeitig nicht unbedingt im Gespräch mit unserem Gegenüber konfrontiert werden wollen. Also: Was ist eigentlich Rhetorik?
Unter Rhetorik verstehen wir in erster Linie „strategische Kommunikation“2. Rhetorik ist eine besondere Form von Kommunikation, nämlich eine, bei der der Kommunikator strategisch, planvoll, kalkulierend und erfolgsorientiert vorgeht. Strategisch zu kommunizieren bedeutet, Botschaften nicht einfach irgendwie zu übermitteln, sondern die Inhalte und Wirkungen auf ein Ziel und auf den zuvor definierten Erfolg auszurichten. Strategische Kommunikation ist also erfolgsorientierte Kommunikation. Dabei bezieht sich der Erfolg unserer Kommunikation immer auf ein Gegenüber, auf einen Adressaten oder auf ein Publikum. Wir wollen unseren Adressaten in besonderer Weise überzeugen, erreichen, beeinflussen und auf ihn einwirken. Da das in der Regel nicht einfach so nebenbei geschieht, entwickeln wir als rhetorisch handelnde Menschen Strategien und Pläne, um unseren Adressaten zu einer Zustimmung zu bewegen. Die zwei wichtigsten Prinzipien der praktischen Rhetorik – und diese Kategorien werden dir in diesem Buch immer wieder begegnen – sind also die Erfolgs- und die Adressatenorientierung deiner Kommunikation.
Rhetorik ist strategische Kommunikation.
Und auch dafür steht Rhetorik: für die Kunst der Überzeugung. Die Rhetorik beschäftigt sich mit Überzeugungsprozessen und mit der Frage, wie Menschen überzeugt werden können. Im Kern steht dabei die Frage, wie es einem strategischen Kommunikator gelingen kann, mittels Techniken und Methoden gezielt die Überzeugung eines Adressaten zu wechseln und zu beeinflussen.3 Dazu setzen wir Mittel ein, die dem Überzeugungsprozess dienen, etwa Storytelling, eine gute Redestruktur, Interaktion und Verbindung mit dem Publikum oder Argumentationstechniken. Die Definition der Rhetorik als Kunst der Überzeugung beinhaltet auch, dass Rhetorik einen kunstvollen und technischen Charakter hat. Eine Kunst ist die Rhetorik, weil wir Techniken, Werkzeuge und Methoden (z. B. Präsentations- oder Gesprächstechniken) anwenden und verfeinern, um immer besser zu werden. Während der Maler mit Pinsel und Farben arbeitet, nutzt der Rhetoriker Methoden und Techniken zur Überzeugung. Und wie ein Künstler seine Techniken verfeinert und verbessert, so können auch wir unsere Rhetorik trainieren, unsere Wahrnehmung schärfen und stetig besser werden. Es gibt nie nur den einen richtigen Weg, das eine Handlungsmuster, sondern eine Vielzahl von Möglichkeiten, die wir miteinander kombinieren können und müssen. Mal gelingt uns eine Ansprache mehr, mal können wir unser Gegenüber leichter überzeugen und ein anderes Mal erreichen wir das Publikum weniger, können es nicht abholen oder den Funken nicht überspringen lassen. Da keine allgemein gültige Vorgabe, kein Schema F und kein festgeschriebenes Dogma existieren, wie wir andere Menschen überzeugen können, sondern jeder rhetorische Effekt adressatenabhängig und situationsgebunden ist, ist die Gestaltung unserem rhetorischen Können, unserer Kreativität, unseren Techniken, unserer Erfahrung und unserer Cleverness überlassen. Die Kunst der Überzeugung will – wie jede andere Kunst – gelernt, geübt und dann im eigenen Stil ganz individuell umgesetzt werden.
Rhetorik ist die Kunst der Überzeugung.
Und noch ein wesentlicher Aspekt der Rhetorik sei an dieser Stelle angeführt: die Fokussierung auf die Wirkung unserer Kommunikation. Als rhetorisch handelnder Mensch bin ich wirkungsorientiert und will bei meinem Adressaten oder Publikum einen besonderen Eindruck, ein Gefühl, eine Reaktion erzeugen. Die Rhetorik ist also auch die Kunst, gezielt Wirkung zu erzeugen. Natürlich wollen wir meistens sympathisch und professionell auftreten. Und jeder Mensch hat ja durch seine Persönlichkeit und sein Auftreten eine Wirkung auf andere Menschen. Doch jede wichtige Situation verdient es, dass wir uns im Vorfeld genau überlegen, wie wir wirken wollen. Mal wollen wir spontan, schlagfertig und humorvoll reagieren, mal in einem kritischen Moment souverän bleiben, mal wollen wir unser Mitgefühl aussprechen und einfühlsam sein, und in einer anderen Situation wollen wir führungsstark auftreten und Menschen begeistern und mitreißen. Nur wenn wir uns im Vorfeld auf der strategischen Ebene klar machen, wie wir wirken wollen, können wir diese Wirkung gezielt ansteuern. Wer sich nie überlegt, wie er wirken möchte, braucht sich nicht zu wundern, wenn er halt irgendwie wirkt.4 Rhetorik ist eine wirkungsorientierte Disziplin, die Techniken zur Verfügung stellt, um bei einem Adressaten eine gezielte Wirkung zu erzeugen.
Um an dieser Stelle ein kurzes Fazit zu ziehen: Was Rhetorik von anderen Formen der Kommunikation unterscheidet und was Rhetorik für uns besonders spannend macht, sind vor allem drei Aspekte:
Rhetorik, die Kunst der Überzeugung, ist im weiteren Sinne auch als gezielte kommunikative Einflussnahme zu verstehen, denn wir wollen unser Publikum, unseren Gesprächspartner, unseren Adressaten ja in unserem Sinne beeinflussen. Aber ist das überhaupt in Ordnung, andere Menschen gezielt zu beeinflussen? Ja, denn der Wunsch der gegenseitigen Einflussnahme liegt in der Natur des Menschen. Von Geburt an wollen wir andere Menschen beeinflussen und ebenso von anderen beeinflusst werden. Kinder schreien, weil die Windel voll ist, sie Hunger haben oder Zuwendung wollen. Eltern trösten, reden gut zu, erzählen Gutenachtgeschichten und wiegen in den Schlaf. Wenn das mal keine gegenseitige kommunikative Einflussnahme ist. Von der Wiege bis zur Bahre ändert sich nichts an dieser Grundeinstellung, dass wir beeinflussen wollen und selbst beeinflussbar sind und durchaus beeinflusst werden wollen.
Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen, und mit jeder kommunikativen Handlung üben wir Einfluss aus. Wir können nicht anders. Insofern kommt menschliches Handeln gar nicht ohne Beeinflussung aus. Ob wir in Verhandlungen einen Preis zu unseren Gunsten erzielen, im Vertrieb unsere Produkte für einen hohen Absatz möglichst gut platzieren oder im Marketing dieselben Produkte besonders begehrenswert darstellen wollen – all dieses Streben gründet auf Einflussnahme, und nichts davon ist per se gut oder schlecht. Ebenso wie jedes andere Werkzeug für Gutes oder Schlechtes benutzt werden kann. Und hier ergibt sich eine sowohl in der Theorie als auch in der Praxis schwer zu definierende Grenze zwischen Rhetorik und Manipulation – zwei Begriffe, die zwar oft dasselbe meinen, aber gänzlich anders konnotiert sind.
Nein. Rhetorik und Manipulation sind nicht dasselbe.
Die Unterscheidung von Rhetorik und Manipulation lässt sich wohl am besten mit zwei Gegensätzen beschreiben:
Manipulation ist die Beeinflussung von Menschen gegen ihren Willen oder zu ihrem Nachteil. Mit Manipulation geht ein Bedürfnis nach Kontrolle sowie ein gewisser Schaden für den Betroffenen einher. Wer manipuliert, hat selten gute Absichten.
Ja, Manipulation ist auch eine Form der gezielten Beeinflussung – wie Rhetorik. Wer Rhetorik zu seinem Vorteil nutzt, schadet damit aber noch lange nicht dem anderen. Und genau in diesem Graubereich liegt der Unterschied. Die Rhetorik liefert uns Erkenntnisse und Werkzeuge, die wir in unserem Sinne und im Sinne unseres Gegenübers einsetzen können. Dabei liegt es an uns, ob wir sie zum Guten oder zum Schlechten einsetzen. Entscheidend ist, dass wir uns – trotz Klarheit und Überzeugungswillen – die Demut gegenüber der freien Entscheidung des anderen bewahren.
AUDIO: Gespräch mit Dietmar Till zu Rhetorik und Manipulation Ist Rhetorik Manipulation? Zu dieser Frage habe ich ein Gespräch mit Prof. Dr. Dietmar Till geführt. Er ist Professor für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen. Das Gespräch kannst du hier als Audio-Datei abrufen. |
Die Ursprünge der Rhetorik liegen im antiken Griechenland um das fünfte Jahrhundert vor Christus. Dort entstand zu jener Zeit die erste Demokratie. Zum ersten Mal war kein Alleinherrscher das Maß aller Dinge. Politische Entscheidungen wurden nicht mehr durch den Willen eines Einzelnen diktiert, sondern es wurde diskutiert, gestritten, debattiert. Ideen und Vorstellungen mussten argumentativ erstritten und erkämpft werden. Plötzlich galt nicht mehr das Recht eines Herrschers, sondern die Kraft des besseren Arguments. Wer etwas erreichen wollte, politische Inhalte umsetzen wollte, der musste nun reden können.
Zudem wurden in den griechischen Stadtstaaten der Antike Besitzansprüche, Wiedergutmachungsforderungen und sonstige Streitigkeiten keinem Alleinherrscher mehr vorgetragen, der nach Lust und Laune entschied, sondern sie landeten vor Gericht – das waren von einfachen Bürgern besetzte Laien- oder Volksgerichte. Dort konnten Kläger wie Angeklagte ihre Seite vortragen und am Schluss wurde in der Gerichtsversammlung demokratisch abgestimmt. Wer also die Anwesenden in der Gerichtsversammlung überzeugen konnte, bekam recht. Somit lohnte es sich für die Bürger, sich genau zu überlegen, was sie vor Gericht wie und in welcher Reihenfolge vortragen wollten. Für den Erfolg vor Gericht war es essenziell, gut reden zu können. Das Schicksal von Familien hing an der Überzeugungskraft vor Gericht.
So kamen die ersten Redelehrer auf, es entstanden Redeschulen und Akademien, in denen Menschen Rhetorik lernen oder sich konkret auf einen anstehenden Gerichtsprozess vorbereiten konnten. Diese Geburtsstunde der Rhetorik zeigt, welche Bedeutung die Rhetorik für uns Menschen hat. Rhetorik will den Erfolg mit kommunikativen Mitteln.
Und diese Bedeutung kommt der Rhetorik heute noch – oder vielmehr wieder – zu. In einer Welt, die keine absoluten Wahrheiten mehr kennt und in der nicht das Recht des Stärkeren mit Waffengewalt durchgesetzt wird, kurz: in einer freien und demokratischen Welt, gilt nur das Prinzip der Zustimmung. Was in diesem Land und in unserer Gesellschaft umgesetzt werden soll, muss die Zustimmung einer Mehrheit finden. Und genau dieses Erzeugen von Zustimmung, genau dieses auf Überzeugung ausgerichtete kommunikative Handeln von freien und gleichen Menschen, ist die wichtigste Aufgabe der Rhetorik in unserer Welt.
Damit ist die Rhetorik das mit Abstand wichtigste Machtinstrument unter Gleichen.5
Mehr als 2000 Jahre später stehen wir heute – nicht nur im Business – unter einem enormen Kommunikationsdruck. Vor allem Führungskräfte müssen extrem viel kommunizieren. Über 90 Prozent des Tages verbringt eine Führungskraft nur mit Kommunikation. Telefonieren, E-Mails beantworten, SMS oder WhatsApp-Nachrichten schreiben, einen Tweet absetzen, das LinkedIn-Profil aktuell halten, ein Kritikgespräch mit einem Mitarbeiter führen, dem Vorstand die Quartalszahlen präsentieren, eine Ansprache halten, Mitarbeiter motivieren, sich mit anderen Abteilungen koordinieren oder mit Kollegen absprechen – Führung ist ein reiner Kommunikationsjob. Diese Aufgaben willst du als Führungskraft nicht nur abarbeiten, sondern auch gut und erfolgreich meistern. Rhetorik hilft bei all diesen Aufgaben, indem sie Techniken und Methoden für die tägliche Kommunikation bereitstellt. Mit rhetorischen Vorgehensweisen lassen sich passende Strategien für schwierige Kommunikationssituationen entwickeln und komplexe Überzeugungsprozesse planen. Die Rhetorik bietet einen ganzen Koffer voller Werkzeuge an, um klar und verbindlich zu führen und zu kommunizieren.
AUDIO: Gespräch mit Dietmar Till zur Geschichte der Rhetorik 2500 Jahre Rhetorik-Geschichte – darüber spreche ich im Audio-Podcast mit dem Rhetorik-Professor Dietmar Till. Er ist ein ausgewiesener Experte für die Theorie und die Geschichte der Rhetorik. Das Gespräch kannst du hier über den QR-Code abrufen. |
Beantworte bitte für dich selbst die Frage: Wie wichtig ist dir der Erfolg deiner beruflichen (oder privaten) Kommunikation auf einer Skala von eins bis zehn? Also wie wichtig ist es für dich, dass du mit deiner Kommunikation erfolgreich bist?
Liegt dein Wert bei einer Fünf oder Sechs, brauchst du dieses Buch. Du solltest es lesen und umsetzen. Denn du brauchst Rhetorik in deinem Alltag, um erfolgreich zu sein. Liegt dieser Wert bei einer Sieben oder höher, solltest du nicht nur mit diesem Buch arbeiten, sondern deine Rhetorik sehr viel intensiver weiterentwickeln. Wenn Rhetorik in deinem Alltag eine so entscheidende Bedeutung hat, solltest du jetzt anfangen und am besten nicht mehr aufhören, laufend an deinem Auftreten, deiner Kommunikation und deiner Überzeugungskraft zu arbeiten.
Du bezweifelst, dass Rhetorik für dich der entscheidende Erfolgsturbo sein kann? In der Rhetorik-Akademie Tübingen und in meiner Agentur plus X beraten, trainieren und coachen mein Team und ich viele Menschen mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen. Im Vorfeld oder zu Beginn unserer Seminare und Coachings fragen wir die Teilnehmenden, was sie sich von dieser intensiven Arbeit an ihrer Rhetorik versprechen, was ihre Ziele sind und wann sich diese Investition für sie gelohnt hätte.
BEISPIEL. Letztes Jahr kam einer meiner Teilnehmenden zum ersten Seminar und sagte, er wolle Pressesprecher bei Porsche werden. Das sei sein erklärtes Ziel. „Das sind ganz schön hohe Erwartungen“, dachte ich. Doch ich habe größten Respekt vor Menschen, die sich hohe Ziele setzen und diese kontinuierlich verfolgen. Nachdem wir ein paar Wochen zusammen gearbeitet hatten und er seine Bewerbung verschickt hatte, wurde er tatsächlich zu einem Bewerbungsgespräch bei Porsche eingeladen. Für mich wäre allein schon das ein Erfolg gewesen, aber natürlich gab er sich damit nicht zufrieden. Er nutzte das Modul zu Gesprächsführung, um das Bewerbungsgespräch aus allen Perspektiven zu beleuchten und sich so intensiv darauf vorzubereiten. Er kam auf die Idee, verschiedene kleine Gags einzubauen, um das Bewerbungsgespräch einerseits aufzulockern und um andererseits aus der Masse der Bewerber herauszustechen. Inzwischen ist er Pressesprecher. Bei Porsche. Er hat zwar nicht genau die Stelle bekommen, auf die er es ursprünglich abgesehen hatte, aber eine sehr vergleichbare und herausfordernde Stelle, die ihn bis heute sehr glücklich macht.
Eine andere Kundin, mit der ich seit mehreren Jahren zusammenarbeite, ist eine renommierte Professorin und Ärztin. Ihr Ziel war es, ärztliche Direktorin einer großen Klinik zu werden. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, wie unglaublich kompliziert, nervenaufreibend und ressourcenintensiv Bewerbungsverfahren auf solche Stellen sind. Besetzungsverfahren für den Posten einer ärztlichen Direktorin laufen auf den allerhöchsten Ebenen: Mehrere bis zu 20-köpfige Gremien sind an der Entscheidung beteiligt, darunter Kommunalpolitiker, Vertreter aus Ministerien, Rektoren, Ärztinnen und Professoren. Es werden Headhunter eingeschaltet, es kommt zu mehreren Vorstellungsrunden vor verschiedenen Gremien. Die Vita meiner Kundin, ihre Referenzen und Kompetenzen wurden mehrfach geprüft und sie musste sich auf jedes dieser Gespräche einzeln und ausführlich vorbereiten. Und natürlich ist nicht nur die inhaltliche, sondern auch die rhetorische Vorbereitung auf ein solches Verfahren enorm intensiv und aufwendig. Deutschlandweit besetzen nur eine Handvoll Frauen eine solche Position. Meine Kundin konnte nach anderthalbjähriger Zusammenarbeit und einer fast ebenso langen Bewerbungsphase eine Stelle in einem großen Klinikum antreten und wurde Vorgesetzte mehrerer Tausend Mitarbeitender. Das Rhetorik-Training und das intensive Coaching halfen ihr, die Gespräche und Situationen vor hochbesetzten Gremien vorzubereiten, sie konnte ihre Stärken hervorheben, sich ihre Trümpfe zurechtlegen und möglichen Gegenargumenten vorab den Wind aus den Segeln nehmen. Schon vor unserer gemeinsamen Arbeit galt sie in Fachkreisen als Geheimtipp. Die intensive Arbeit an ihrer Rhetorik machte für sie aber den entscheidenden Unterschied.
All das zeigt: Es gibt keine geheime Abkürzung, keine Zauberformel und kein Schema F, um dein Gegenüber für dich zu gewinnen, die Situation zu klären, die Herausforderung zu meistern. Vielmehr braucht es das richtige Mindset, die richtigen Denkmuster und die richtigen Techniken, um erfolgreich zu sein. Rhetorik ist kein Hexenwerk. Rhetorik ist die Kunst, zu überzeugen und gezielt Wirkung zu erzeugen. Rhetorik ist strategische und erfolgsorientierte Kommunikation und kann für dein Leben und deine Karriere den entscheidenden Unterschied ausmachen.
Rhetorik ist pure Persönlichkeitsentwicklung.
Rhetorik ist eine Persönlichkeitsschule. Denn sie verlangt von uns, dass wir uns mit unserer Persönlichkeit, mit unseren Stärken und Schwächen auseinandersetzen und an uns arbeiten. Wer auf eine Bühne geht, muss bereit sein, sich zu zeigen, im Mittelpunkt zu stehen, die Komfortzone zu verlassen und mit Kritik und Feedback umzugehen. Denn wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten.
Hast du erst mal begonnen, dich in Rhetorik zu üben und deine Skills fortlaufend zu erweitern, wird der Erfolg zu dir kommen. Denn du bist dann in der Lage, Menschen für eine Sache zu motivieren, sie zu begeistern, sie nach vorne zu bringen, ihnen ihre Angst zu nehmen und wieder Mut zu machen. Du wirst auf Menschen in dem Wissen zu- und eingehen können, wie du ihnen begegnen musst und wie du deine Interessen voranbringen kannst. Solche Fähigkeiten sehen Vorgesetzte gerne, das sehen Kunden gerne, ebenso deine Geschäftspartner und mögliche Investoren.
Rhetorik verschafft dir auch mehr Klarheit und Struktur. Denn du musst dich mit deiner Persönlichkeit, mit deinen Zielen und deiner Wirkung beschäftigen. Außerdem wirst du lernen, strategisch zu denken und zu kommunizieren. Allein, wenn du dir vorab die Frage stellst, was das Ziel bei einer Präsentation oder einem Gespräch ist und wie du es erreichen kannst, wird das deine Vorbereitung und Umsetzung deutlich verbessern. Denn viele Menschen machen sich dazu gar keine Gedanken. Rhetorisches Denken und Handeln beschränkt sich irgendwann nicht mehr nur auf die Planung des nächsten Redebeitrags, sondern beeinflusst automatisch auch andere Bereiche deines Lebens. Du gehst strategischer vor, setzt selbstbewusster und gezielter deine Mittel ein und siehst klarer, was dich und dein Leben weiterbringt. Daher verschafft dir die Beschäftigung mit deiner Sprache und deiner Wirkung auch Klarheit über dich selbst und über deine Ziele. Das führt im Ergebnis dazu, dass du tiefere Beziehungen mit anderen Menschen führst, denn Rhetorik verleiht dir Tiefgang und stärkt deine Authentizität. Und letztendlich sind die meisten von uns auf der Suche nach genau solchen Menschen, die selbstbewusst, authentisch und überzeugungsstark durchs Leben gehen.
Was ist Rhetorik?: https://www.learningsnacks.de/share/315741/4222571c9bfbd7602fcb2b75eeb93654d36b4d9f |
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Wer intensiv an sich und seiner Rhetorik arbeiten will, kommt nicht umhin, mit einem professionellen Trainer oder Coach zusammenzuarbeiten. Denn wie im Sport vollbringt man auch in der Rhetorik erst durch intensives Training und den richtigen Coach wirkliche Spitzenleistung. „Charisma“, „Auftritt“ und „Rhetorik“ sind gute Stichworte für eine Vielzahl von Trainern und Coaches. Es tummeln sich Tausende Rhetorik- und Kommunikationstrainer auf digitalen Plattformen, an Hochschulen und in Unternehmen. Von selbsternannt über zertifiziert bis renommiert ist alles dabei. Wie trennst du da die Spreu vom Weizen? Ein entscheidender Unterschied ist, ob der Trainer dir etwas antrainieren will oder ob er dich entwickeln möchte.
Schlechte Rhetoriktrainer wollen dich in etwas verwandeln, was du nicht bist, sie verformen dich und deine Sprache, trainieren dir deine Natürlichkeit ab und machen dich zur Pappfigur, bis du keine Authentizität und kein Bewusstsein für dich selbst mehr besitzt.
Gute Rhetoriktrainer arbeiten dagegen mit dem, was da ist: Sie verleihen dir und deiner Persönlichkeit mehr Tiefe, bauen deine natürlich vorhandenen Stärken aus, lassen dich echt wirken und sorgen dafür, dass du mit deinem Auftritt zur Marke wirst. Insofern kannst du bereits nach einer Probestunde – wenn es die denn überhaupt braucht – erkennen, wie der entsprechende Rhetoriktrainer arbeitet und ob er oder sie dir bei der Erreichung deiner Ziele wirklich eine Hilfe ist. Will er dich in eine bestimmte Form pressen wie die Plattenindustrie ihre Popstars? Oder beschäftigt sie sich ausführlicher mit dir, um herauszufinden, was dich ausmacht und wo dein Potenzial brach- und deine Stärken versteckt liegen?
Vermutlich hast du nun einen Eindruck davon, welche Bedeutung Rhetorik für dich und deine Entwicklung haben kann und wie die Arbeit an deiner Rhetorik dein berufliches und privates Leben verändern kann. Wie du dich konkret in der Praxis optimal in Szene setzt, wie du kompetenter und überzeugungsstärker auftreten kannst, erfährst du in diesem Kapitel.
Ein kompetenter und überzeugender Auftritt beginnt nicht auf der Bühne, sondern mit der richtigen Vorbereitung. Denn wenn du dein Gegenüber überzeugen willst, solltest du deine Rede nicht nur inhaltlich vorbereiten, sondern auch rhetorisch.
Was heißt das genau? Um das herauszufinden, sollten wir uns mit einer Studie beschäftigen, deren Ergebnisse zwar sehr oft falsch verstanden wurden, die für unser Anliegen jedoch eine große Aussagekraft hat: das Mehrabian-Experiment. Albert Mehrabian fand 1967 heraus, dass die Art, wie wir Worte und Sätze aussprechen, ebenso wie das Gesicht, das wir dazu machen, wesentlich beeinflussen, wie die Aussage beim Adressaten ankommt. Anhand seiner Ergebnisse stellte er die 55-38-7-Regel auf, die besagt, dass wir uns bei der Bewertung einer Aussage zu 55 Prozent von der Interpretation von Gesicht und Körper leiten lassen, zu 38 Prozent von der Stimme und nur zu 7 Prozent vom eigentlichen Inhalt. Mit anderen Worten: Die Wirkung einer Aussage auf einen Adressaten wird zu 93 Prozent von Stimme und Körper beeinflusst und nur zu 7 Prozent durch den eigentlichen Inhalt. Mehrabians Ergebnisse wurden im Laufe der Zeit häufig missgedeutet, sodass bei vielen, die sich nur flüchtig mit dem Thema beschäftigten, der Eindruck entstand, die 55-38-7-Regel gelte pauschal für die gesamte zwischenmenschliche Kommunikation. Zudem wird aus der Studie häufig die falsche Schlussfolgerung gezogen, der Inhalt einer Aussage sei völlig unwichtig, denn er habe ja schließlich keinen Einfluss auf die Wirkung beim Adressaten. Tatsächlich ließ aber Mehrabian die Probanden Ein-Wort-Sätze wie „Schön!“ oder „Geh!“ vortragen und von einer anderen Gruppe Probanden die Wirkung der Sätze bewerten. Er untersuchte dabei, wovon sich Menschen bei Widersprüchen zwischen Inhalt und Ausdruck mehr leiten lassen. Denn derselbe Inhalt („Schön!“) wirkt völlig unterschiedlich, wenn man ihn mit einem Lächeln, laut und melodisch und mit freundlichen Blickkontakt sagt oder abgewandt, gepresst und mit gerunzelter Stirn. Er stellte fest, dass Körper und Stimme für die Bewertung einer Aussage viel wichtiger sind als bis dahin angenommen. Denn wenn Inhalt und Auftritt nicht stimmig sind, orientieren wir Menschen uns automatisch und unbewusst viel stärker am Auftritt.
Eine Aussage steht damit niemals für sich allein, sondern ist stets in den situativen Kontext der Äußerung eingebunden. Auch wenn Mehrabians Experiment zu Recht in der Fragestellung und Durchführung – und erst recht in der Interpretation der Ergebnisse – umstritten ist, so können wir doch vor allem eines daraus lernen: Eine rein inhaltliche Botschaft braucht zur Entfaltung ihrer Wirkung die Kongruenz von Köper, Stimme und Inhalt.
Wir sehen: Unser Körper und unsere Stimme sind ganz zentrale Faktoren für den Erfolg unserer Kommunikation. Erst die Kongruenz, also die Übereinstimmung von Körper, Stimme und Inhalt, erzeugt Authentizität. Mit einer Dissonanz im Auftreten kann Kommunikation nicht mehr erfolgreich verlaufen. Für erfolgreiche Kommunikation ist es also notwendig, ein Thema oder ein Argument nicht nur rein sachlich vorzutragen, sondern es dem situativen Kontext anzupassen und Stimme und Körpersprache bewusst und gezielt einzusetzen.
Dabei ist das oberste Kriterium, Körper, Stimme und Inhalt authentisch in Einklang zu bringen.
Unser Körper ist in der situativen Kommunikation der zentrale Wirkungsfaktor. Nervosität und Unruhe, aber auch Souveränität und Ausstrahlung werden vor allem durch den Köper transportiert. Deshalb sollten wir unseren Körper bewusst und gezielt in Szene setzen und alles tun, damit er den Inhalt bestmöglich transportiert. Dafür können wir eine Reihe von Faktoren beachten:
Sprichst du von zu weit hinten, wirkst du klein, wenig präsent und auf der Flucht. Wenn du zu weit weg bist vom Publikum, baust du Distanz auf und musst erst die Leere zwischen dem Publikum und dir überbrücken. Es ist dann schwieriger, das Publikum zu erreichen – der Funke der Begeisterung springt einfach nicht über, du wirkst auf dein Publikum wie mit dem Rücken zur Wand oder als ob du dich zurücknehmen würdest. Das schränkt deine Wirkungskraft ein. Das ist natürlich ein Schutzmechanismus, denn mit mehr Distanz zum Publikum fühlst du dich sicherer und wohler. Das andere Extrem, sich zu weit vorne, zu nah am Publikum zu positionieren, erzielt auch nicht die gewünschte Wirkung. Denn dann dringst du in die Komfortzone deines Publikums ein und wirkst leicht zu dominant, aufdringlich und einschüchternd. Der perfekte Ort, um vor Publikum zu stehen, ist deshalb die Mitte.
Positioniere dich mittig und in angemessener Distanz zum Publikum, um mehr Raum einnehmen zu können. Außerdem ist es wichtig, dass du alle sehen kannst und dich ebenfalls alle sehen können. Dein Ziel ist die maximale Aufmerksamkeit deines Publikums. Raum einzunehmen, sich groß zu machen, potenziert unsere Chance, unser Publikum von uns und unserer Sache zu überzeugen. Wir wirken dann schlichtweg größer, präsenter, kraftvoller und durchsetzungsstärker. Wenn ein Tisch oder ein Redepult im Raum steht, kannst du dich bewusst daneben stellen, anstatt dich dahinter zu verstecken. Denn hinter einem Tisch fühlst du dich vielleicht sicherer. Es geht aber nicht darum, wie du dich fühlst, sondern wie du wirkst. Und du wirkst souveräner, wenn du keinen „Schutzwall“ zwischen dir und dem Publikum brauchst.
Unsere korporale Präsenz, also die Wirkung unseres Körpers im Raum und in der Interaktion mit anderen Menschen, hat enormen Einfluss auf die verschiedensten kommunikativen Lebensbereiche. So hat auch unsere Körpergröße Einfluss auf unsere Karrierechancen – größere Menschen wirken durchsetzungsfähiger, sie können leichter die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wirken mächtiger. Deutschlandweit und über alle Bevölkerungsschichten hinweg sind ca. 6 Prozent der Menschen über 1,90 Meter groß. In den Vorständen von DAX-Unternehmen sind dagegen fast 60 Prozent der Manager 1,90 Meter groß oder größer.6 Das muss man nicht gut finden. Es ist aber so. Und sicherlich haben diese Personen ihren Erfolg nicht ihrer Körpergröße zu verdanken, jedoch scheint es zumindest einen Zusammenhang zu geben zwischen der Körpergröße und der wahrgenommenen Kompetenz und der Wirkung auf andere Menschen.
Das alles soll verdeutlichen, wie wichtig es beim Reden ist, Raum einzunehmen. Größe setzt sich durch. Die einflussreichsten Könige wohnen in den größten Schlössern und einflussreiche Manager in großen Anwesen. Und ist es nicht so, dass besonders wichtige Menschen besonders große Autos fahren müssen? Größe als Wirkungsprinzip zeigt sich an verschiedenen Stellen. Bezogen auf das Reden sind die korporale Präsenz und der Raum, den wir einnehmen, ein Faktor, den wir bei der Performance zu beachten haben. Ebenso lässt sich statistisch nachweisen, dass größere Menschen mehr verdienen – und zwar unabhängig vom Geschlecht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat nachgewiesen, dass ein Zentimeter Körpergröße bei Männern 0,6 Prozent mehr Bruttogehalt ausmacht.7
Große Menschen haben es offensichtlich leichter. Die gute Nachricht ist: Präsenz schlägt Größe. Auch kleine Menschen können durch ihr Auftreten und ihre Ausstrahlung vermeintliche Nachteile kompensieren. Auch kleine Menschen können mit den richtigen Techniken eine unglaubliche Wirkung und Ausstrahlung haben.
BEISPIEL. Eine sehr gute Freundin von mir ist gerade mal 1,50 Meter groß. Sie war schon immer sehr klein und litt in ihrer Jugend lange unter dem Gefühl, leicht übersehen zu werden. Wenn du sie aber heute vor Publikum sprechen siehst, spürst du sofort die enorme Präsenz dieser Person. Sie hat eine unglaubliche Ausstrahlung und eine Kraft in Stimme und Körper, dass sich so mancher schlaksige, große Mann von ihr eine Scheibe abschneiden kann. Sie hat gelernt, ihre geringe Körpergröße mit Charisma, Präsenz und Ausdrucksstärke auszugleichen. Und sie steht in diesem Punkt großen Menschen in nichts nach. Übrigens: Diese Freundin hat einen sehr verantwortungsvollen Führungsjob in der Verwaltung. Ihr tägliches Geschäft ist es, vor Gremien und vor Gruppen zu sprechen und schwierige Themen zustimmungsfähig zu präsentieren. Ihre geringe Körpergröße ist für ihren beruflichen Erfolg kein Thema mehr, weil sie die Gesetzmäßigkeiten der korporalen Präsenz und die Wirkungsmechanismen der Rhetorik verstanden hat und gezielt anwenden kann.
Stell dir vor, du würdest einem Idol deiner Kindheit begegnen. Oder du triffst eine Boxlegende wie Wladimir Klitschko oder Muhammad Ali zu ihren besten Zeiten – welche Wirkung hätten diese Menschen auf dich, wenn du ihnen direkt gegenüberstündest? Stell dir vor, du würdest Angela Merkel, Tina Turner oder Michelle Obama begegnen, welchen Eindruck würden sie auf dich machen? Sie würden auf jeden Fall präsent, mächtig, ruhig und souverän wirken. Keine der genannten Personen würde sich klein machen, sich in die Ecke stellen oder sich in Diskussionen komplett zurücknehmen. Sie alle nehmen Raum ein – im tatsächlichen und im übertragenen Sinne.
Der Redner muss, um präsent und überzeugend zu wirken, möglichst viel Raum einnehmen.
Für einen selbstsicheren Auftritt solltest du mit deiner Stimme und deinem Körper den Raum ausfüllen, ohne aber dabei zu dominant zu wirken. Das gilt auf der Bühne vor Publikum genau wie im Gespräch. Allein, indem wir im Sitzen die Hände locker auf dem Tisch ablegen statt unter der Tischkante auf dem Schoß, indem wir uns lässig anlehnen oder die Hände hinter dem Kopf verschränken, nehmen wir Raum ein und senden dem Gegenüber eine Botschaft – obwohl wir noch gar nichts gesagt haben.
Finde deine Ruhehaltung. In dieser Nullstellung ist dein ganzer Körper aufgeräumt.
Mit einem mittigen Stand positionierst du dich also am besten. Wichtig ist es jetzt, auch die richtige Körperhaltung einzunehmen. Dazu brauchst du eine Ruhehaltung, eine Art Nullstellung. Eine Körperhaltung also, in der der ganze Körper aufgeräumt ist. Am besten eignet sich da die folgende:
Die „Nullstellung“
Du stellst dich aufrecht hin, die Füße stehen gleichmäßig belastet und etwa hüftbreit fest auf dem Boden. Dein Kopf ist gerade, deine Schultern sind entspannt. Deine Arme und Hände hängen locker am Körper herunter. Du wippst nicht, du schaukelst nicht, du spielst nicht an Hosentaschen, Hemdenknöpfen oder am Gürtel herum. Du stehst ruhig und entspannt da. Zur Unterstützung kannst du dir vorstellen, wie dein Kopf oben in der Mitte an einem dünnen Faden befestigt ist, der dich sanft nach oben zieht, während du die Hände einfach hängen lässt. In dieser Nullstellung, deiner Ruhehaltung, bist du präsent, aufmerksam und in Verbindung mit deinem Publikum. Dabei lächelst du und hast eine freundliche, entspannte Mimik. Das Gute an dieser Haltung ist: Sie ist vollkommen neutral. Dein Gegenüber kann nichts hineininterpretieren. Wenn du dich hinstellst und die Arme hinter dem Rücken versteckst, wirkt es schnell so, als hättest du etwas zu verbergen. Wenn du die Arme vor dem Körper verschränkst, kann die Haltung als ablehnend oder distanziert empfunden werden – auch, wenn du es gar nicht so meinst. Deshalb brauchst du eine neutrale Haltung, die deine Wirkung nicht in eine bestimmte Richtung lenkt.
Diese Ruhehaltung solltest du im Vortrag immer wieder einnehmen und nach sinnvollen Abschnitten in diese Ruhehaltung zurückkehren. Denn wenn du im Vortrag immer in Bewegung bist, kommen auch deine Zuhörenden nicht zur Ruhe. Deshalb lohnt es sich, diese Haltung zu verinnerlichen und sie sowohl am Anfang und am Ende als auch während des Vortrages einzunehmen, wenn du etwa in Pausen gerade nicht sprichst oder nach Sinneinheiten einen Abschnitt markieren möchtest.
Dasselbe Prinzip gilt auch im Sitzen. Auch hier solltest du eine aufrechte und entspannte Ruhehaltung finden, die du beim Sprechen verlassen und in Pausen bewusst wieder einnehmen kannst. Falls du dir jetzt denkst: „Das muss sich doch total komisch anfühlen, die Arme einfach hängen zu lassen und so dazustehen“, kann ich dir nur recht geben. Ja, am Anfang fühlt sich diese Ruhehaltung unnatürlich und ungewohnt an. Die Wirkung ist aber eine andere: Du wirkst ruhig, gelassen, souverän und entspannt. Am besten übst du die Haltung daher öfter, damit du dich daran gewöhnst und dich nicht im Vortrag vom irritierenden Gefühl am Anfang verunsichern lässt.
ÜBUNG. Da sich die Ruhehaltung für viele Menschen sehr ungewohnt anfühlt, solltest du diese Haltung zu Hause einige Male einnehmen, um dich nach und nach daran zu gewöhnen. Stell dich dazu vor den Spiegel und nimm die oben beschriebene Ruhehaltung ein. Bleib einige Zeit so stehen und beobachte, wie die entspannte Nullstellung wirkt – auf dich und auf einen möglichen Betrachter. Wenn du dich mit dieser Ruhehaltung wohl fühlst, wird es dir auch auf der Bühne leichter fallen, sie an den entsprechenden Stellen einzunehmen.
Zu allen Bewegungen des Körpers – den Bewegungen auf der Bühne, Bewegungen unserer Arme und der Hände – lässt sich generell sagen, dass wir als Redner und Rednerinnen zu langsamen Bewegungen tendieren sollten. Diese wirken kraftvoller, zentrierter und selbstbewusster. Sie veranschaulichen, dass wir in uns ruhen, uns Zeit nehmen und uns deswegen diese Langsamkeit leisten können. Dabei sollten die Bewegungen dennoch kraftvoll und energiegeladen ausgeführt werden und nicht schlapp wirken. Gerade bei Unternehmern und Führungskräften, die es gewohnt sind, von einem Termin zum nächsten zu hetzen, wirkt diese kleine Regel Wunder.
In der Rhetorik, der Soziologie und der Theaterwissenschaft spricht man bei diesen erhabenen Bewegungen vom Hochstatus. Im Tiefstatus befinden wir uns dagegen, wenn wir hektisch sind, kleine, unkoordinierte Bewegungen machen, ständig mit dem Kopf hin und her wackeln, auf die Uhr oder aus dem Fenster schauen. Ähnliches gilt, wenn wir ständig an irgendetwas herumspielen müssen. Das erweckt den Eindruck, wir würden nicht zuhören, wir wären unkonzentriert und auf jeden Fall nicht bei der Sache. Oder unser Gegenüber denkt, wir wären nicht richtig vorbereitet oder von unserem Anliegen selbst nicht überzeugt.
Hast du die Bühne betreten und eine mittige Position in deiner Ruhehaltung eingenommen, baust du zunächst Verbindung mit deinem Publikum auf. Dazu nimmst du Blickkontakt auf und zählst innerlich bis drei, bevor du zu sprechen beginnst. Nun, während des Vortrags, kannst du beim Sprechen durch gezielte Gestik das Gesagte unterstreichen und so deine Wirkung weiter steigern.
Deine Gestik sollte zwischen Schultern und Gürtellinie eingesetzt werden – alles über den Schultern wirkt zu groß und alles unter dem Gürtel wirkt zu kleinteilig und unsicher. Vor dem Körper kannst du deine Gestik richtig in Szene setzen. Vermeide es, die Hände hinter dem Körper zu verschränken. Mach dazu große und langsame Gesten, die eher vom Körper weg als zum Körper hin führen. Zu bevorzugen sind asymmetrische Gesten, denn symmetrische Gesten – also Gesten, die du wie ein Dirigent mit beiden Händen symmetrisch ausführst – wirken oft steif, wenig dynamisch und einstudiert. Zeig beim Gestikulieren deine Handflächen und öffne deine Hände, ohne die Finger zu sehr zu spreizen.
Im Laufe der Zeit solltest du dir fünf bis sechs Standardgesten aneignen. Die sollen nicht perfekt einstudiert sein, denn das wirkt am Ende nur künstlich. Wenn du aber weißt, wie bestimmte Gesten wirken, gibt dir das die nötige Sicherheit, diese auch spontan einzusetzen. Trau dich, beim Sprechen neue Gesten zu verwenden und zu variieren. Zum Üben eignet es sich auch mal, eine Videoanalyse durchzuführen oder mit einem Coach daran zu feilen.
Die Verbindung zum Publikum sowie unsere allgemeine Präsenz können wir noch steigern, wenn wir Blickkontakt halten. Unsere Aufmerksamkeit gehört dann ganz dem Gesprächspartner oder dem Publikum. Von Deutschlehrer-Tipps, wie beispielsweise, dass man sich bei Nervosität einen Punkt am Ende des Raumes suchen sollte, um den Blickkontakt mit dem Publikum zu vermeiden, halte ich überhaupt nichts. Denn nichts ist wichtiger als eine echte Verbindung zum Adressaten. Blickkontakt zu halten bedeutet aber nicht, monoton und anhaltend in die Augen zu starren. Denn nicht der dauernde Blickkontakt ist entscheidend, sondern die atmosphärische Verbundenheit, die dadurch entstehen soll.
Zu einem sympathischen und souveränen Auftritt gehört ein Lächeln. Gerade ein Lächeln sorgt für Sympathie und Verbindung. Aber warum lächeln trotzdem so viele Menschen in wichtigen Situationen nicht? Sie sind konzentriert und im Kopf. Wer unter Druck oder unter Stress steht, dem fällt ein Lächeln schwer. Die Mimik ist aber enorm wichtig, wenn wir einen positiven Eindruck auf unser Gegenüber machen wollen. Gerade in entscheidenden Situationen ist es also wichtig, sich in die richtige Stimmung und das richtige Mindset zu bringen, um im Bauch zu sein und mit einer entspannten Mimik und einem echten Lächeln auf dem Gesicht auftreten zu können.
Eine zugewandte Haltung, eine gute Verbindung, Blickkontakt und ein echtes Lächeln sind die wichtigsten Dinge, die du auf der Bühne oder im Gespräch beachten kannst.
Grundsätzlich solltest du dich dem Anlass und den Adressaten entsprechend kleiden. Die Regel hierzu gilt:
Komm immer ein bisschen besser gekleidet als dein Publikum.
Die Betonung liegt auf „ein bisschen“ besser. Wie überall gilt das Prinzip der Angemessenheit. Die Wahl der richtigen Garderobe mag nervenaufreibend sein und stellt auch mich als Rhetoriktrainer immer wieder vor Herausforderungen. Denn schließlich will auch ich mich meinen Adressaten, also meinen Kunden und Teilnehmenden, kleidungstechnisch anpassen.
Am liebsten trainiere ich mit Jeans, Polohemd und Sneakers. Ich mag es gerne in einer guten Mischung aus besonders und bequem. Wenn ich zum Rhetoriktraining in der Führungsetage bei KPMG nach Frankfurt oder Berlin fahre, dann gilt für den Dresscode nicht nur Anzug, Hemd, Krawatte und rahmengenähte Schuhe, sondern auch, dass von den Socken bis zur Aktentasche alles farblich passt. Abweichungen von den doch sehr strengen Konventionen der Branche – und wenn es nur die bunten Socken sind, die unter der Anzughose hervorblitzen – werden sofort bemerkt. Dann ist ganz schnell klar: Der gehört hier nicht her. Und damit indirekt auch: Der hat keine Ahnung. Wieso sollten wir ihm glauben, was er erzählt?
Ich muss die Spielregeln meiner Adressaten kennen, sonst bin ich schneller draußen, als ich reingekommen bin. Am nächsten Tag fahre ich dann zu einem Wahlkampf-Coaching mit einer grünen Bürgermeister-Kandidatin und deren Kreisverband. Der Dresscode ist leger, aber nicht zu leger. Die meisten kommen in Alltagskleidung. Da würde ich mit Hemd, Einreiher und rahmengenähten Schuhen völlig overdressed erscheinen und eher wie ein Paradiesvogel wirken. Auch hier wäre sofort klar, dass ich aus einer ganz anderen Welt komme.
Immer „ein bisschen“ besser gekleidet zu sein als der Anlass und als die Adressaten zeigt, dass du hier eine besondere Aufgabe hast und dass du dir deiner Rolle bewusst bist. Im Bewerbungsgespräch willst du den Job haben, bei der Keynote willst du die Aufmerksamkeit des Publikums auf ein bestimmtes Thema lenken, bei Preisverhandlungen willst du dich durchsetzen und deine Ziele erreichen. Mit der richtigen Garderobe allein hast du noch niemanden überzeugt, noch keine Verhandlung gewonnen und noch keine brillante Rede gehalten – aber mit der falschen Garderobe wirst du weder akzeptiert noch wirst du das Wohlwollen und das Interesse deiner Adressaten gewinnen und vermutlich auch keine Sympathie und Zustimmung erzeugen. Achte also darauf, stets angemessen und immer ein bisschen besser gekleidet zu sein, als der Anlass und deine Adressaten es vorgeben.
VIDEO: Wie du dich optimal in Szene setzt I – Deine Körpersprache Auf den Punkt gebracht: In diesem Video erfährst du das Wichtigste zur optimalen Körpersprache bei Vorträgen und Präsentationen. |
Die Überlegungen, die wir beim Körper begonnen haben, setzen sich bei unserer Stimme fort. Auch hier spielt es eine Rolle, wie viel Raum wir einnehmen und wie wir unser Publikum an unseren Vortrag fesseln.
Das geschieht vor allem über die Lautstärke und die Sprechdynamik. Wem die Stimme schon mal weggeblieben ist, wer heiser war oder wer partout ein bestimmtes Wort nicht richtig aussprechen konnte, weiß, wie es ist, wenn unsere Sprache nicht unserem Willen folgt. Wer regelmäßig vor anderen spricht, tut daher gut daran, seine Stimme zu trainieren, um einen solchen Ausfall oder negative Folgen für die Stimme zu verhindern. Ein paar Stunden bei einem Stimm- und Sprechtrainer können da wahre Wunder bewirken – erst recht, wenn du einen Sprechberuf ausübst.
Im Folgenden beschäftigen wir uns damit,
Wie du im Verlauf des Buches noch sehen wirst, ist es wichtig, deine Kommunikation der Situation und dem Adressaten anzupassen. Das beginnt bereits bei der Lautstärke. Natürlich sollten wir nicht schreien. Aber die meisten Menschen sprechen vor Publikum und im Gespräch schlichtweg zu leise. Wenn wir unsere Stimmlautstärke als Skala betrachten, so liegt die normale Gesprächslautstärke bei 50 Prozent, Flüstern bei 20 und Schreien bei 90 Prozent. Die Vortragslautstärke sollte dann immer zwischen 70 und 80 Prozent liegen. Dann wirken wir präsent und überzeugend und nehmen auch mit der Stimme Raum ein.
Für viele Menschen ist es ungewohnt, so laut vorzutragen. Da hilft nur Übung und Training. Auch wenn dir deine Stimme dann zu laut vorkommt, wirst du merken, dass du die Aufmerksamkeit viel leichter halten kannst als mit einer zu leisen Stimme. Das heißt aber auch, du benötigst mehr Kraft für das Sprechen. Da lohnt es sich, langsam zu sprechen. Einerseits versteht das Publikum dich dann besser, andererseits kannst du deinen Stimmeinsatz besser kontrollieren und die Spannung halten. Außerdem nimmst du dir dann mehr Zeit für das, was du sagen willst, und damit auch mehr Raum.
Steht eine wichtige Rede an, solltest du kurz vorher darauf verzichten, zu rauchen oder dich zu räuspern, ebenso wie am Abend vorher zu tief ins Glas zu schauen. Alle drei Dinge belasten deine Stimmbänder und stehen deiner Performance im Weg.
Neben der Lautstärke und dem Tempo spielen auch die Betonung und Dynamik für unsere Vortragsweise eine wichtige Rolle. Wer die gesamte Zeit ausschließlich in einer Tonlage monoton seinen Standpunkt vorträgt, verliert seine Zuhörenden. Das nennt man dann „aktive Zuhörer-Sterbehilfe“ .
Mit einer gewissen Dynamik können wir das Zuhörerlebnis aktiv beeinflussen und ebenso wie mit dem Blickkontakt eine Verbindung aufbauen und halten. Dabei ist es wichtig, entsprechend der Struktur und des Inhalts mit der Intensität, der Lautstärke, der Geschwindigkeit und der Betonung zu spielen und diese zu variieren. Besonders wichtige Passagen und Kernsätze durch sprachliche Mittel hervorzuheben ist eine hervorragende Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit und Merkleistung des Publikums zu lenken.
Darüber hinaus sollten wir uns daran gewöhnen, in Sinneinheiten – sprich: in Bogensätzen – zu sprechen. Das bedeutet für unsere Betonung, mit der Stimme am Ende des Satzes oder der Sinneinheit nach unten zu gehen. Viele Menschen tendieren dazu, am Ende eines Satzes mit der Stimme nach oben zu gehen. Dieser sogenannte hohe Stimmschluss sorgt dafür, dass man uns nicht richtig ernst nehmen kann. Denn mit der Stimme am Ende eines Satzes nach oben zu gehen, das kennen wir vor allem von Fragen. Wenn wir das nun auch bei normalen Aussagesätzen tun, wirkt es, als würden wir uns fortlaufend infrage stellen oder uns selbst nicht sicher sein. Mit der Stimme am Ende einer Aussage nach oben zu gehen, ist daher ein sogenannter Weichmacher – es lässt uns weich, niedlich, unsicher und verletzlich wirken und ist wenig dafür geeignet, Vertrauen aufzubauen oder Authentizität und Kompetenz auszustrahlen. „Weichmacher“ werden sie deshalb genannt, weil sie dem Gesagten die Kraft nehmen und die Aussage aufweichen.
VIDEO: Wie du dich optimal in Szene setzt II – Deine Stimme auf der Bühne Dieses Video fasst das Wichtigste zum optimalen Einsatz deiner Stimme bei Reden vor Publikum kompakt für dich zusammen. |
Was kannst du tun, um sofort überzeugender zu wirken? In der Rhetorik beginnt alles mit dem richtigen Mindset und mit der richtigen Strategie. Mindset und Strategie gehören eng zusammen. Denn eine Strategie führt zu mehr Klarheit. Und Klarheit im Kopf führt zu Klarheit in der Sprache. Wenn du weißt, was du erreichen willst, wirst du alles auf deinen Erfolg ausrichten. Dieses Mindset ist die erste und wichtigste Voraussetzung für rhetorischen Erfolg.
Die drei Wirkungsturbos, die ich dir in diesem Kapitel vorstellen möchte, sind Logos, Ethos und Pathos. Wie du erkennst, sind das keine neuzeitlichen Begriffe, sondern sie gehen auf den antiken Philosophen Aristoteles zurück. Er prägte die Rhetorik nachhaltig und schuf mit diesen drei Begriffen ein System, das bis heute hervorragend als Wahrnehmungsmodell für Überzeugungsprozesse geeignet ist.
Wir gehen oft fälschlicherweise davon aus, dass Fakten und Argumente ausreichen, um unser Gegenüber oder ein Publikum zu überzeugen. Aristoteles erkannte bereits in der Antike, dass das nicht genügt und dass neben den Argumenten oder dem Inhalt einer Rede (Logos) noch zwei weitere Faktoren entscheidend sind: nämlich der Redner (Ethos) und das Publikum und dessen Emotionen (Pathos). Der Redner müsse, so Aristoteles, glaubwürdig und charakterfest auftreten. Das Publikum werde mehr über Emotionen, Assoziationen und Beziehungen erreicht als über rein rationale Zahlen, Daten und Fakten. Das sind zentrale Erkenntnisse, die sich in ihrer Grundform bis heute nicht verändert haben.
Betrachten wir genauer, wie wir diese drei Konzepte nutzen können.
Logos, Ethos und Pathos sind die drei Wirkungsturbos der Rhetorik.
Der erste Wirkungsturbo setzt beim Thema unseres Vortrags an – bei unserem Anliegen. Beginnen wir also beim Redegegenstand: Wie bereiten wir unser Thema und unsere Argumente so auf, dass unsere Botschaften klar werden und dass wir unser Publikum erreichen und überzeugen?
Stellen wir uns dazu einige Fragen zur Vorbereitung:
Logos ist die Wirkungskomponente des Redegegenstandes.
Mit „Logos“ bezeichnen wir alles, was wir tun, um unser Thema zum Glänzen zu bringen und unser Anliegen stark zu machen. Dazu gehören vor allem
Im Folgenden zeige ich dir die wichtigsten Prinzipien, die du in Bezug auf Logos und auf deinen Redegegenstand zu beachten hast.
Natürlich sollst du auch scharfe Meinungen und deutliche Positionen vertreten. Um dein Publikum auch davon zu überzeugen, solltest du – wo immer möglich – begründen und belegen. Das Gehirn liebt es, wenn Dinge nachvollziehbar und schlüssig sind, und es verträgt keine Inkongruenzen und Wissenslücken. Gerade in den Zeiten von Fake News reicht es nicht aus, nur zu behaupten. Du solltest Sichtweisen immer nachvollziehbar darlegen, Meinungen begründen und Fakten belegen. Dafür sammeln wir Begründungen, Belege, Zahlen, Daten und Fakten, um unsere Behauptung zu untermauern. Dabei kann es sich um Statistiken und Studien oder auch um alltägliche Beobachtungen handeln. Wichtig ist, dem Adressaten eine ganzheitliche Botschaft zu übermitteln, die keine Lücken lässt.
Signal-Worte wie „denn“ oder „weil“ zeigen dem Gehirn: Was er sagt, ist schlüssig und logisch, hier geht es mit rechten Dingen zu.
BEISPIEL. Untermauere zum Beispiel die Aussage „Das können wir uns nicht leisten“ mit einem klaren Beleg über die aktuelle finanzielle Situation. „… denn dieses Budget ist schon vollständig für ein anderes Projekt vorgesehen.“
Begründe die Aussage „Das wird nicht zum Erfolg führen“ etwa mit Erfahrungen aus der Vergangenheit: „Wir hatten diesen Fall schon öfter, und diese Vorgehensweise hat meistens sogar den gegenteiligen Effekt erzielt, als wir erhofft hatten.“
Und bekräftige dein „letztes Angebot“ mit objektiven Kriterien, die keine weiteren Spielräume zulassen: „Weiter kann ich Ihnen im Preis nicht entgegenkommen, weil wir sonst ein Minusgeschäft und Verlust machen würden.“
Mit einer aussagekräftigen Begründung verleihst du deiner Aussage noch mehr Kraft und machst sie nachvollziehbar und schlüssig.
Ein häufiges Problem im Umgang mit Zahlen, Daten und Fakten besteht darin, dass unser Publikum sie nicht verarbeiten und die richtigen Schlüsse daraus ableiten kann, wenn wir sie nicht einordnen. Deswegen dürfen wir Zahlen nicht einfach nur nennen, sondern sollten sie in Beziehung oder ins Verhältnis zu greifbaren Größen setzen, sie gewichten und einander gegenüberstellen.
Unser Gehirn ist so veranlagt, dass es stets mit Vergleichen und Verhältnissen arbeitet. Das können wir nutzen, um unserem Publikum die relevanten Zahlen, Daten und Fakten näherzubringen.
BEISPIEL. Wenn ich als vielbeschäftigter Rhetoriktrainer als Beleg für meine Qualität anbringe, dass ich im letzten Jahr 150 Trainingstage hatte, so weiß der Laie zwar, dass ein Jahr 365 Tage hat, aber nicht, ob die Anzahl der Trainingstage nun viel oder wenig ist. Erst die Einordnung „Das ist fast das Doppelte des Vorjahres“ oder „Das ist ein Spitzenwert in der Branche“ macht 150 Trainingstage im Jahr zu einer großen Zahl.
Du solltest also, wann immer du Zahlen, Daten oder Fakten als Belege in deinen Vortrag einbringst, diese einordnen und gewichten, damit sie beim Publikum auch die erwünschte Wirkung erzielen.
Struktur schafft Ordnung, Klarheit und Orientierung. Ein gut strukturierter Vortrag hilft den Zuhörenden, die Inhalte bestmöglich zu verarbeiten, und auch du als Redner profitierst von einer guten Struktur. Das gilt nicht nur für Vorträge und Präsentationen. Auch von einer gut strukturierten Mail, Mailbox-Ansage oder Sprachnachricht profitieren der Sender und der Empfänger.
Inhalte zu strukturieren bedeutet nicht, unsere Argumente einfach nur zu sortieren, sondern einen Schwerpunkt zu setzen oder eine Priorisierung festzulegen. Für welche Reihenfolge und Gewichtung wir uns entscheiden, hängt dabei sowohl vom Redegegenstand als auch von den Adressaten und dem Setting ab.
BEISPIEL. In meinem Team achte ich zum Beispiel sehr darauf, dass kurze Briefings oder Absprachen strukturiert, klar und präzise formuliert werden. Wenn eine Mitarbeiterin ein Anliegen hat und etwas von mir wissen möchte, wird sie nicht fragen: „Kann das Angebot raus?“ Denn in diesem Moment bin ich mit einer ganz anderen Sache beschäftigt und weiß erst mal gar nicht, worum es geht. Meine Mitarbeiterin wird vielmehr sagen: „Lorenz, es geht um das Angebot für das Firmentraining bei XY. Du hattest mich gebeten, die wichtigsten Punkte noch mal zu überarbeiten. Das habe ich nun getan. Möchtest du das Angebot noch mal sehen, bevor ich es versende, oder kann ich es direkt abschicken?“
Bemerkst du den Unterschied? Die erste Frage steht im luftleeren Raum. Die zweite Frage ist strukturiert, klar und präzise und enthält in wenigen Sätzen alle Informationen, die der Empfänger braucht, um sich zurechtzufinden und eine Entscheidung zu treffen.
Wir alle kennen Redner, die nicht zum Punkt kommen, die sich in langen Schachtelsätzen verlieren und unklar in ihren Aussagen sind. Das KiK-Prinzip, also das Prinzip, in Kernbotschaften zu kommunizieren, verfügt über zwei Ebenen: Die eine Ebene dient der Vereinfachung und Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge. Dazu gehören das Herunterbrechen auf verständliche Formulierungen, die Begrenzung von Fachbegriffen und Fremdwörtern auf ein verträgliches Maß, und im Idealfall bedeutet es auch, die Sprache der Adressaten zu sprechen. Die andere Ebene erfüllt den Zweck, nicht mehr zu sagen als nötig.
Ich gebe Menschen, die komplizierte Themen vermitteln müssen, immer gern den Tipp: „Sag es so, dass es auch ein siebenjähriges Kind verstehen würde.“ Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es auch ein Kind begreifen muss, verzichten viele Menschen plötzlich auf Fremdwörter, lange Schachtelsätze oder Fachbegriffe. Und auch Erwachsene sind dankbar, wenn man es ihnen so einfach wie möglich macht.
Mein zweiter Tipp: „Bring’s auf den Punkt! Je kürzer, desto verständlicher.“ Die Kunst besteht also darin, nur das Notwendige zu sagen und trotzdem verstanden zu werden. Damit geht einher, eine Auswahl zu treffen und nur die relevanten Aspekte anzusprechen, sich nur auf die wirkungsvollsten Argumente zu reduzieren. Dann bleibt beim Adressaten auch genau das hängen, was wir möchten. Überfrachten wir ihn mit Informationen, erinnert er sich am Ende an gar nichts mehr.
Komplexe Inhalte einfach und anschaulich darzustellen gelingt hervorragend mit Bildern. Visualisierungen jeder Art bereichern einen Vortrag. Bilder übermitteln vielschichtigere Informationen, als es ein einzelner Satz oder ein Wort jemals könnte. Darüber hinaus eignen sie sich als Eyecatcher für den Einstieg, also um die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt zu lenken, ebenso wie zur Verdeutlichung oder Veranschaulichung abstrakter Themen. Daher: Wann immer es sich anbietet, baue Fotos, Schaubilder, Grafiken oder Diagramme in deinen Vortrag ein.
Solltest du in einer Diskussion oder einem Gespräch stecken und es ist nicht möglich, kurzerhand ein passendes Bild aus dem Ärmel zu schütteln, kannst du jederzeit auf sprachliche Bilder zurückgreifen, um dein Anliegen vielfältiger darzustellen. Bilder im Vortrag erzeugen Bilder im Kopf. Achte bei der Aufbereitung deines Themas auch immer auf die richtige Visualisierung und Bildsprache.
Hast du dich schon einmal gefragt, wie du auf andere Menschen wirkst? Wir alle haben schon für den einen oder anderen Kommentar fragende Blicke oder kritische Gesichter geerntet und uns zwangsläufig gefragt, wie unser Kommentar gerade wohl angekommen ist. Wurden wir falsch verstanden? Kam die Pointe nicht gut an?
Die Wirkung hängt vom Redner ab. Es macht einen Unterschied, wer etwas sagt. Derselbe Inhalt wirkt von zwei Personen vorgetragen unterschiedlich glaubwürdig. Ist der Redner sympathisch, nahbar, hat er Ahnung, ist er gar als Experte bekannt, passt der Inhalt zu seinem Image, wirkt er authentisch? Dann glauben wir ihm, gehen auf ihn und sein Anliegen ein, lassen uns überzeugen. Umgekehrt lassen wir uns kaum bis gar nicht von einer Person erreichen, die uns unsympathisch ist. Viele riskieren lieber, falschzuliegen, als dem Gegner recht zu geben.
BEISPIEL. Stell dir vor, du sollst einen Streit schlichten zwischen einem Mann in Polizeiuniform und einem Mann in den Klamotten einer Haftanstalt. Beide behaupten, im Recht zu sein. Wem wirst du eher glauben? Sehr wahrscheinlich dem Mann in Polizeiuniform, denn dieser hat deutlich mehr Glaubwürdigkeit als der in Häftlingskleidung.
Das zeigt uns: Wir können unseren Adressaten allein mit unserem Auftreten darin beeinflussen, was er über uns denkt. Wir können ein bestimmtes Image, eine bestimmte Vorstellung von uns aufbauen, indem wir zum Beispiel gezielt Informationen über uns preisgeben, Dinge hervorheben und andere weglassen.
Ethos ist die Wirkung des Redners und seiner Persönlichkeit. In wichtigen Situationen solltest du dir immer bewusst sein, wie du wirken willst.
Wenn wir von unserer Wirkung als Redner sprechen, sprechen wir von unserem Ethos. Nehmen wir an, du trittst eine Stelle in einem neuen Unternehmen an. Deine neuen Kolleginnen und Kollegen wissen noch nicht viel über dich, sie konnten sich noch kein Bild von dir machen. Dein Ethos ist folglich noch ein unbeschriebenes Blatt. Was tust du also, um dein Ethos aufzubauen? Du gehst möglichst gezielt vor, gibst Informationen über dich preis, stellst dich in deiner Abteilung vor, indem du aktiv auf die Kollegen und Kolleginnen zugehst, sprichst mit Sekretären, vernetzt dich. Letztendlich werden alle über dich reden, weil du der oder die Neue bist, und du kannst die Art, wie über dich gedacht und gesprochen wird – und damit dein Ethos – selbst beeinflussen.
BEISPIELE. Ein von mir sehr geschätzter Abgeordneter aus Baden-Württemberg kam, frisch gewählt, mit bunten Fahrradklamotten zu seinem ersten Arbeitstag in den Landtag in die Fraktionssitzung. Die Kolleginnen und Kollegen staunten nicht schlecht. Damit setzte er ein Statement und bis heute erinnert man sich noch mit einem Schmunzeln daran. Da trifft es sich gut, dass derselbe Abgeordnete ein ausgewiesener Verkehrs- und vor allem Fahrrad-Experte ist und weit über die Fraktionsgrenzen hinweg einen Ruf als Rad-Verkehrsexperte genießt.
Wenn ich Klienten gegenüber erwähne, dass ich gelernter Hotelfachmann bin und in einem Fünf-Sterne-Hotel gelernt und gearbeitet habe, erzeugt das bei ihnen einen „handfesten“ Eindruck. Sie denken: „Der Brockmann, der hat nicht nur studiert, sondern auch eine Ausbildung im Dienstleistungssektor gemacht, der ist stressresistent, der packt Sachen an, der kann auch auf schwierige Kunden eingehen, der ist service- und kundenorientiert.“ Dann kommt noch der Indikator der fünf Sterne hinzu, der wie ein Gütesiegel meiner Arbeit wirkt. Das alles sind Gedanken und Vorstellungen, die bei meinen Kunden ablaufen, die ihr Bild von mir beeinflussen. Ich erzeuge einen Wiedererkennungswert, ein Image, das der Klient mit mir verbindet.
Dieses Prinzip kannst du für dich nutzen, indem du dir genau überlegst, wie andere über dich denken und reden sollen und mit welchen Informationen und Aktionen du diesen Eindruck erzeugen willst.
Wenn du aktiv an deinem Image und an deinem Ethos arbeiten willst, kannst du auf dieses äußerst mächtige Tool zurückgreifen: die Arbeit mit Ersatzindikatoren. Ersatzindikatoren sind Hinweise und Indizien für deine Kompetenz.
Die eigene Kompetenz und das eigene Können kannst du nur durch deine eigentliche Arbeit unter Beweis stellen. Das ist häufig ein Problem, denn bevor du nicht mit deinem Gegenüber zusammengearbeitet hast, kann er nicht einschätzen, ob du das wirklich kannst, was du behauptest. Es ist wie bei jeder Dienstleistung: Du weißt erst, wie gut sie ist, wenn sie erbracht wurde. Ein Auto kannst du dagegen Probe fahren, bevor du es kaufst. Eine Jacke aus dem Onlineshop kannst du erst anprobieren und dann entscheiden, ob du sie zurückschickst oder ob du sie kaufst. Diese Optionen hast du nicht, wenn du dein Auto reparieren oder eine Jacke nach Maß schneidern lässt. Ob ein Mitarbeiter gut ist, stellt sich erst heraus, wenn er eingestellt wurde. Ob die Malerin saubere Arbeit leistet, weißt du erst, wenn es schon Geld kostet.
Da wir uns aber generell bereits ein Bild von einem Redner oder einer Rednerin machen, wenn er oder sie die Bühne betritt, und nicht erst, wenn er mit seinem Vortrag fertig ist, nutzen wir automatisch Ersatzindikatoren, um den Redner und seine Kompetenz einschätzen zu können. Da dein Gegenüber nicht weiß, was du kannst, kann er lediglich Annahmen über dich machen. Deswegen musst du ihm eine Art Beweis deiner Kompetenz liefern, damit er sich auf deine Worte einlassen kann. Jetzt kommen die Ersatzindikatoren ins Spiel: Über diese Indikatoren bewertet dein Gegenüber deine Kompetenz. Bist du pünktlich zum Termin, wirkst du zuverlässiger, als wenn du zu spät kommst. Kommst du umgekehrt viel zu früh zum Termin und rutschst während der Wartezeit auf deinem Sitz hin und her, wirkst du nervös und aufgeregt. Da fragt man sich schon, ob du der Aufgabe gewachsen bist. Allein durch diesen kleinen Indikator, die Uhr richtig lesen zu können und deine Fahrtzeit inklusive möglicher Hindernisse planen zu können, verschaffst du dir einen guten ersten Eindruck oder eben nicht.
Weitere Ersatzindikatoren sind Referenzen, Kundenmeinungen und Weiterempfehlungen, Zertifikate, Zeugnisse, Urkunden, Fotos mit Promis und so weiter. Aber auch deine Kleidung, deine Wortwahl, dein Verhalten und deine Bewegungen sind Indikatoren, aus denen dein Gegenüber blitzschnell ein Urteil über dich trifft. Das bestätigen andere Bereiche unseres Lebens zur Genüge, denn wie oft orientieren wir uns an Rezensionen von Google, Trustpilot oder anderen Plattformen, um uns für oder gegen den Kauf zu entscheiden? Ständig. Nun, was dort gilt, gilt auch in der Rhetorik. Es geht aber noch viel weiter: Im Prinzip kann alles ein Ersatzindikator sein, mit dem du einer fremden Person deine Kompetenz veranschaulichen und verdeutlichen kannst. Suche also gezielt nach möglichen Ersatzindikatoren für deine Qualität und setze sie bewusst in Szene. Manchmal sieht man hier den Wald vor lauter Bäumen nicht. Frag doch mal deine Kunden, Freunde oder einen Berater, woran man deine Qualität ablesen kann und was du noch gezielter hervorheben kannst.
Zur Arbeit am eigenen Ethos ein Beispiel aus meinen Wahlkämpfen:
BEISPIELE. Ein von mir betreuter OB-Kandidat war zuvor Ingenieur und Wissenschaftler. Er hatte ein sehr anspruchsvolles Studium hinter sich und hatte in einem ebenso anspruchsvollen Job gearbeitet. Man konnte also annehmen, dass er ein sehr intelligenter und gebildeter Mann sein müsse. Das qualifizierte ihn aber bei Weitem noch nicht für das Amt des Oberbürgermeisters. Seine Geschichte passte noch nicht zu seinem Ziel. Also berieten wir, wie wir eine in sich schlüssige Geschichte erzählen könnten, um sein Ethos als hervorragend geeigneter OB-Kandidat aufzubauen. Wir beleuchteten seine Eigenschaften und Kompetenzen, die er aus seinem bisherigen Beruf mitbrachte: eine klare, verständliche Kommunikation, planvolles, gezieltes Vorgehen, die Fähigkeit, unter Berücksichtigung vieler Variablen fundierte Entscheidungen treffen zu können, die Faszination für das Unbekannte, Begeisterung für komplexe Sachverhalte, die Fähigkeit, Visionen zu entwickeln und akribisch an deren Umsetzung zu arbeiten. Wir verheimlichten seinen beruflichen Werdegang als Wissenschaftler also nicht, wir rückten ihn vielmehr ins rechte Licht und verbanden die positiven Eigenschaften und die Faszination des Berufes mit den Anforderungen an einen Oberbürgermeister. Wir optimierten seine Texte, Reden und Mitteilungen, damit sie klar, logisch und stringent wirkten, um die klare und verständliche Kommunikation zu unterstreichen. Gleichzeitig beugten wir ungünstigen Vorurteilen vor, die sein Ethos beschädigt hätten – zum Beispiel dem Klischee des verkopften Wissenschaftlers, der sich nicht verständlich ausdrücken kann und lieber im Labor als unter Menschen ist. Also zeigten wir, dass er auf Leute zugehen und eingehen kann, dass er nahbar und authentisch ist, dass er eine Vision vermitteln und Menschen begeistern kann. Ein weiterer Punkt war, dass unser Kandidat keine Verwaltungserfahrung vorweisen konnte. Nun war es an uns, zu erklären, dass Forschungsprojekte zwar keine Stadt sind, aber ebenfalls langjährig geplant und finanziert werden müssen, dass verschiedene Gremien und Organisationen miteinander kooperieren müssen, dass es bürokratische Hürden zu überwinden gilt und dass Mitarbeitende motiviert werden müssen, wenn es dann doch mal anders läuft als erwartet. Und auf einmal klingen diese Aufgaben auch wie die eines Oberbürgermeisters, oder?
In einem anderen Wahlkampf, ebenfalls um den Posten des Oberbürgermeisters, half ich einem umstrittenen Kandidaten bei seiner Wiederwahl. Eine wichtige Aufgabe war es, sein Ethos wieder positiv aufzubauen. Dabei gingen wir so vor, dass wir uns vor allem die Kritikpunkte an ihm vornahmen und sie in einem anderen Licht darstellten. So konnten wir zum Beispiel den Charakterzug, dass er manche Dinge zu genau nahm und oft rechthaberisch wirkte, als typisch schwäbische Eigenart vermitteln und so positiv aufladen. Wir konnten zeigen, dass er in die Region, in die Stadt und letztlich auch in das Amt gehört. Wir versuchten auch hier nicht, so zu tun, als ob das vorherrschende Image nicht richtig sei, sondern wir deuteten es vielmehr um und lösten so ein Identifikations- und Wir-Gefühl aus.
Bei jeder Ethoskonstruktion gilt: Die wichtigste Richtgröße ist immer der Adressat. Mit ihm steht und fällt der Erfolg jeder rhetorischen Handlung. Er ist Dreh- und Angelpunkt jeder Strategie. Es ist mehr als eine Frage des Settings. Das heißt, es kommt auf mehr an als nur den Rahmen der Rede, der Präsentation oder Keynote. Du kannst im gleichen Raum, unter den absolut selben Bedingungen die gleiche Rede halten, und trotzdem kann sich die Wirkung und Resonanz bei unterschiedlichen Publika oder Adressaten radikal unterscheiden.
So gehe ich auch in meinen Coachings vor:
BEISPIEL. Wir erarbeiten immer die konkrete Situation und bleiben nie pauschal. Bei der Begleitung der Klinikdirektorin hätten wir auch davon ausgehen können, dass eine einzige Vorbereitung für alle Termine ausreicht. Aber genau dann hätten wir das Wichtigste vergessen: die konkreten Adressaten in der jeweils konkreten Bewerbung. Stattdessen schauten wir uns immer im Detail an, wer in den jeweiligen Gremien saß, und überlegten uns, wie wir diese Personen von ihrer Eignung überzeugen könnten, welche spezifischen Widerstände sie wohl zu erwarten hätte und wie sie argumentativ und situativ vorgehen würde.
Beim Unterpunkt zur Kleidung bin ich bereits auf die verschiedenen Kundengruppen eingegangen, in denen ich mich bewege. Dabei stelle ich mich auf jede neue Situation speziell ein. Und da verwundert es auch nicht, dass meine Selbstvorstellung zum Beginn einer Zusammenarbeit bei unterschiedlichen Kunden gänzlich unterschiedlich klingt. Dabei nutze ich auch unterschiedliche Ersatzindikatoren.
BEISPIEL. Dem Kreisvorstand einer Partei erzähle ich, mit welchen Politikern aus den eigenen Reihen ich schon gearbeitet habe, dass ich mich seit fünfzehn Jahren mit Wahlkämpfen beschäftige, welche Wahlen ich schon gewonnen und verloren habe und welche Bücher ich zum Thema Wahlkampf geschrieben habe. Für diese Referenzen interessiert sich in den Wolkenkratzern der Wirtschaftskanzleien in Frankfurt und Berlin niemand. Dort kommt es darauf an, was ich studiert habe, dass ich Lehraufträge an renommierten Hochschulen und Universitäten habe, dass ich die von Professor Dietmar Till mitgegründete Rhetorik-Akademie Tübingen leite und dass ich Herausgeber und Autor mehrerer Bücher bin. Folglich stelle ich dort völlig andere Kompetenzen von mir in den Vordergrund.
Ich stelle mich bei verschiedenen Adressaten in einem anderen Licht dar, um gezielt meine gewünschte Wirkung zu erzeugen. Dabei verheimliche und verschwiege ich nichts. Ich verbiege mich auch nicht oder bin unauthentisch. Im Gegenteil. Ich beleuchte nur andere Tatsachen von mir und meiner Arbeit. Erinnern wir uns: Rhetorik ist die Kunst, gezielt Wirkung zu erzeugen. Trotzdem bleibe ich immer dieselbe Person.
Die Einstellung auf meine Adressaten geht so weit, dass ich eine andere Sprache spreche, Begriffe anders verwende und mich möglichst elegant in die Sprachwelt meiner Adressaten begebe. Mit Rechtsanwälten telefoniere ich nicht, sondern wir verabreden einen Call. Mit der Führungskraft einer Werbeagentur treffe ich mich nicht zum Mittagessen, sondern zum Lunch. Bei den Grünen gehe ich wiederum nicht zum Parteitag, sondern zur LDK – zur Landesdelegiertenkonferenz. Und mit einem Klienten aus der Verwaltung habe ich eine Rücksprache und kein Meeting. Jede Gruppe von Menschen hat eine eigene Sprache, eigene Begriffe und eigene Kommunikationsmuster. Allein diese wenigen Vokabeln heben hervor, wie verschieden unser Sprachgebrauch sein kann – und wie schnell du als Eindringling entlarvt wirst, wenn du nicht die Sprache der Adressaten sprichst. Ebenso gut könnte es sich um verschiedene Floskeln, Abkürzungen oder um einen anderen Ton der Unterhaltung handeln. Es dürfte niemanden verwundern, dass im Rathaus ein anderer Ton herrscht als unter den Mitarbeitenden der Müllentsorgung. Dabei geht es nicht um Qualität oder um besser oder schlechter, vornehmer oder rauer. Der Sprachgebrauch ist schlichtweg ein anderer, und darauf solltest du dich einstellen. Mach dir bewusst, welchen Umgangston deine Adressaten pflegen, welche Sprache sie sprechen, und passe dich ihnen an. Es wird so viel leichter fallen, sie zu erreichen, weil du auf einer Ebene mit ihnen kommunizierst.
ÜBUNG. Übe deine Selbstpräsentation. Wer viel mit anderen Menschen zu tun hat, kommt häufig in die Situation, sich selbst vorstellen zu müssen – zum Beispiel in Besprechungen, Meetings oder bei Netzwerkveranstaltungen. Diese kurze Selbstvorstellung ist häufig der erste und prägende Eindruck, den andere Menschen von uns bekommen. Nun ist es aber zum einen so, dass sich die meisten Menschen keine Gedanken darüber machen, wie sie sich vorstellen. Zum anderen sprechen wir in der Regel gerne über unsere Arbeit oder unser Produkt, ungerne aber über uns selbst. Deshalb solltest du deine Selbstvorstellung üben, nicht nur, aber besonders vor wichtigen Situationen. Dabei ist es wichtig, die Dinge in den Vordergrund zu stellen, die für deine Adressaten interessant und relevant sind. Zudem solltest du dabei sympathisch wirken. Um deine Selbstvorstellung zu üben, sprich mit einem wohlwollenden Freund oder Berater darüber. Mit der Zeit wirst du mehrere Varianten deiner Selbstvorstellung parat haben, die du dann je nach Situation individuell anpassen kannst.
Mit Pathos bezeichnen wir die „schweren“ Gefühle, die wir bei unserem Publikum oder bei unserem Gegenüber auslösen wollen. Pathos beschreibt die Wirkungskomponente der Emotionen, der emotionalen Bewegung. Immer, wenn wir bei unserem Publikum Begeisterung, Liebe, Wut, Angst, Hass, Leidenschaft, aber auch Zuwendung, Vertrauen, Mitgefühl oder emotionale Zustimmung erzeugen wollen, müssen wir die Gesetzmäßigkeiten des Pathos befolgen. Wenn unser Ziel darin besteht, unser Publikum zu überzeugen, werden Logos und Ethos allein nicht ausreichen. Wir können unsere Inhalte noch so gut aufbereiten, doch nur auf der rationalen Ebene werden wir unser Publikum nicht gewinnen. Ebenso wenig wird allein die Glaubwürdigkeit des Redners ausreichen.
Mit Pathos willst du Gefühle beim Publikum auslösen. Du solltest immer versuchen, deine Zuhörenden nicht nur rational, sondern auch emotional zu erreichen.
Wie wir im Zusammenhang mit Körper und Stimme schon festgestellt haben, macht der reine Inhalt nur einen Teil der Wirkung aus. Den größeren Teil nehmen unsere Körperhaltung, unsere Stimme, unsere Einstellungen und Werte, unsere Gefühlslage und unsere Beziehung zum Gegenüber ein. Alles, was wir dabei denken und fühlen, welche Vorstellungen und Bilder dabei in uns aktiviert werden, fließt in diese Ebene des Pathos mit ein und beeinflusst am stärksten, wie unsere Adressaten die Botschaft aufnehmen.
Der Mensch ist ein emotionales und soziales Wesen – Empathie und Sympathie spielen in unserem täglichen Leben eine große Rolle. Wir versetzen uns in andere Menschen hinein, nehmen Anteil an ihrem Schicksal oder grenzen uns bewusst von ihnen ab, weil wir Standpunkte ablehnen. Wenn wir also unsere Adressaten auch auf dieser Ebene erreichen wollen, müssen wir ihre Gefühlswelt ansprechen. Wir müssen uns um Pathos bemühen – egal, ob wir empören, zu Tränen rühren oder für einen Standpunkt werben wollen –, denn mit Pathos erreichen wir den Bauch und das Herz unseres Publikums.
Versuch mal, dich an eine wirklich gute Rede zu erinnern, die du mal gehört hast. Was war der Inhalt? Vermutlich wirst du dich noch an eine, vielleicht zwei Kernbotschaften erinnern können, an mehr aber auch nicht. Aber das Gefühl, das du nach der Rede hattest – sei es inspiriert, begeistert, motiviert oder empört –, das ist dir bis heute deutlich in Erinnerung geblieben, oder?
Zugegeben: In Deutschland haben wir ein mittelgroßes Problem mit dem Pathos. Vergleichen wir beispielsweise Wahlkämpfe in den USA, in Frankreich oder Polen mit Wahlkämpfen in Deutschland, so fällt auf, dass Wahlkämpfe bei uns sehr viel weniger emotional geführt werden. Wir wollen keine laute Musik, keine Fahnen, keine großen Inszenierungen. Wir wollen kein Pathos im Wahlkampf – und wenn, dann nur ganz dezent und kaum merklich. Nehmen wir nur mal zwei sehr erfolgreiche Politiker der letzten Jahre: Angela Merkel und Olaf Scholz – beide sind keine pathetischen Redner. Beide sind an Nüchternheit kaum zu überbieten. Das spricht auch für die Präferenzen der Deutschen. Nach dem Nationalsozialismus und der Zeit der großen Propaganda wollen wir keine wehenden Fahnen, keine Hymnen und keinen überzogenen Populismus in der Politik. Und diese Nüchternheit zieht sich auch durch andere Ebenen des sozialen Lebens. Auch und gerade in der Wissenschaft, an Universitäten, in Vorlesungen, in Kongressen und auf Symposien ist man es gewohnt, rein sachlich und nüchtern zu präsentieren. Das Ergebnis sind dann häufig langatmige, staubtrockene und wenig mitreißende Vorträge.
Das muss nicht so sein. Viele Wissenschaftler vergessen schlichtweg das Pathos, wenn sie ihre neuesten Erkenntnisse vorstellen, und beschränken sich ausschließlich auf die Vermittlung des Logos. In meinen Coachings treffe ich häufig auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die beruflich weiterkommen wollen und in der Mitte ihres Berufslebens feststellen, dass sie mit ein paar wenigen Maßnahmen, mit der einen oder anderen kleinen Story, dem einen oder anderen aussagekräftigen Bild, Pathos in einen Vortrag bringen und damit enorme Wirkung erzeugen können. Deshalb wirkt der Inhalt nicht weniger, sondern besser. Mit dem Pathos in der Rede ist es wie mit dem Salz in der Suppe: Das Essen schmeckt fad, wenn es fehlt. Es ist aber auch ungenießbar, wenn man zu viel davon verwendet. Beim Pathos kommt es auf die Dosis an. Kein Pathos in der Rede würde bedeuten, das Publikum zu verlieren oder nur die Ratio, nicht aber die Herzen zu erreichen. Bei zu viel Pathos fühlen sich die Zuhörenden unwohl und gehen in die Abwehrhaltung.
Zwei erprobte Möglichkeiten, Pathos zu erzeugen, sind Bilder und gut platzierte Storys.
Raucher wissen, wovon ich spreche: Jahrelang standen die Warnhinweise in reiner Textform auf Zigarettenschachteln: „Rauchen kann tödlich sein“, oder „Rauchen schadet Ihrem ungeborenen Kind“. Der Effekt: überschaubar. Dann kamen die Schockbilder dazu. Nun steht dort nicht nur „Rauchen schädigt Ihre Lunge“, jetzt sehen wir die vom Chirurgen geöffnete Raucherlunge. Und dass Rauchen das Kind schädigt, belegt ein Bild mit weinenden Eltern vor einem kleinen Kindersarg. Du kannst dir sicherlich denken, was hier Logos und was hier Pathos ist. Die rein sachliche Information wirkt erheblich weniger als das Bild. Der Effekt der Bilder ist in Zahlen messbar. Seit Jahren sinkt die Zahl der Raucher rapide. Und ich unterstelle mal, dass Raucher auch vorher schon die Risiken des Rauchens kannten. Wenn die Schachtel Zigaretten aber auf dem Küchentisch liegt und die kleine Tochter den Vater auf die Bilder auf der Schachtel anspricht, könnte ich mir eine entsprechende Wirkung vorstellen. Der Vater überlegt es sich jetzt vielleicht ernsthafter, mit dem Rauchen aufzuhören.
Bilder erzeugen eine enorme Wirkung auf unser Gehirn und sind daher auch ein sehr mächtiges Mittel, um Pathos zu erzeugen.
Geschichten, Storys und kurze Anekdoten sind der wohl eleganteste und wirkungsvollste Weg, um Pathos in den Vortrag zu bringen. Dabei verpacken wir Thesen, Argumente oder Sachverhalte in Geschichten und nutzen sprachliche Bilder, Metaphern und Vorstellungen, um ein Thema zu veranschaulichen. Auf diese Weise können wir Gefühle ganz bewusst hervorrufen.
BEISPIEL. Ein Bürgermeister-Kandidat, den ich vor einigen Jahren im Wahlkampf begleitet habe, hinterließ bei einer offiziellen Kandidatenrede einen bleibenden Eindruck, indem er auf Pathos durch Storytelling setzte. Er hielt im Wahlkampf eine sehr emotionale Rede und erzählte darin von seinem Vater, der selbst Bürgermeister einer kleinen Gemeinde gewesen war und im Dienst beinahe tödlich verunglückt wäre. Er wurde bei einem Feuerwehrfest von einem Wasserstrahl eines plötzlich geplatzten Wasserschlauchs mit hohem Druck in den Rücken getroffen und schwer verletzt. Das zog jahrelange Reha-Maßnahmen nach sich und er konnte nicht ins Amt zurückkehren. Mein Kandidat berichtete von der feierlichen Verabschiedung seines Vaters aus dem Amt, mit Standing Ovations, Blumen, Tränen und zahlreichen bewegenden Reden. Diese Geschichte seines Vaters nutzte er, um zu zeigen, dass auch er bereit ist, viel Verantwortung auf seine Schultern zu laden. Er beschrieb die Leidenschaft für das Amt, die ihm in die Wiege gelegt wurde. Er beschrieb, wie sehr ihn das Schicksal und die Haltung seines Vaters geprägt hatten und dass das alles in ihm den Wunsch gestärkt habe, selbst Verantwortung für eine Kommune zu übernehmen. Seine Rede führte im ersten Teil kaum Fakten auf, baute dafür hervorragend sein Ethos auf und bediente das Pathos. Nach der Geschichte folgte ein eher sachlicher Redeteil, der seine Stärken und seinen Plan für die Kommune beleuchtete. Gerade aus dieser Verbindung einer emotionalen Geschichte, die klare Botschaften transportierte, und einem Logos-orientierten Teil, der Argumente und Inhalte vermittelte, wurde in diesem Beispiel eine hervorragende und sehr überzeugende Rede.
Wer sein Publikum überzeugen und begeistern will, tut gut daran, die Rede mit Storys und Geschichten anzureichern, um nicht nur rational, sondern auch emotional verstanden zu werden.
Eine überzeugende Rede sollte alle drei Wirkungsfaktoren, alle drei Erfolgsturbos beinhalten. Ethos, Pathos und Logos sind drei Ebenen, auf denen Überzeugung stattfindet. Und am stärksten wirken wir, wenn wir alle drei Ebenen ansprechen, alle drei Komponenten berücksichtigen. Dann wird aus der Glaubwürdigkeit des Redners, einer gut aufbereiteten Botschaft und dem emotionalen Zugang zum Publikum eine stimmige – und vermutlich erfolgreiche – Gesamtleistung. Logos, Ethos und Pathos sind zusammen unschlagbar.
Die drei Wirkungsfaktoren gehören untrennbar zueinander, wenn es darum geht, eine überzeugende und wirkungsstarke Rede zu halten. Eine starke und kraftvolle Rede, ein überzeugendes Gespräch, ein erfolgreicher Pitch – immer wirkst du am besten, wenn sich deine Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit als Redner, die Kraft deiner Argumente und die erzeugten Gefühle harmonisch ergänzen. Dabei müssen nicht alle drei gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Eine Rede darf auch ein Übergewicht an einem der drei Wirkungsfaktoren haben. Eine gute Rede darf auch mal Ethos-zentriert sein, etwa bei einer Bewerbungsrede im Wahlkampf, darf auch mal Logos-zentriert sein, etwa bei wissenschaftlichen Vorträgen, und darf auch mal Pathos-lastig sein, etwa bei einer Fest- oder Trauerrede. Wenn aber nur einer der Wirkungsfaktoren fokussiert wird, kann sich beim Publikum eine Abwehrhaltung entwickeln. Politische Reden wie die von Trump, die nur auf Pathos abzielen und mit großem Brimborium, Musik und Fahnen versucht, die Abwesenheit von Logos zu vertuschen, löst schnell Unbehagen und Abwehr aus. Alle drei Komponenten müssen also zusammenkommen und aufeinander abgestimmt werden. Alle drei müssen in sich schlüssig funktionieren. Mach dich selbst zur Marke, vermittle Zahlen, Daten und Fakten und erreiche deine Adressaten mit Gefühlen. Dann kannst du nur gewinnen.
DOKUMENT: Wie setzt du Logos, Ethos und Pathos in deinen Vorträgen um? Hier kommst du in die Umsetzung: Was ist dein persönliches Learning aus diesem Kapitel? |
In diesem ersten Kapitel haben wir die Grundlagen erarbeitet, um tiefer in die Rhetorik einzusteigen. Dir wird im Verlauf dieses Kapitels klar geworden sein, wie wichtig Rhetorik als Kunst der Überzeugung und als strategische Kommunikation für deine tägliche Arbeit ist. Dabei haben wir auch erarbeitet, wie du deinen Körper und deine Stimme in Vorträgen und Gesprächen optimal in Szene setzt und wie du mit den drei Wirkungsturbos Logos, Ethos und Pathos deine Überzeugungskraft steigern kannst. Im folgenden Kapitel beschäftigen wir uns mit der Frage, wie du Reden, Vorträge und Präsentationen optimal vorbereitest und wie du die Bühne für dich nutzt.
Wirkungsturbos: https://www.learningsnacks.de/share/315399/20cffed290c31b118926d97a6daed017735f4820 |
Teste dein Wissen: Wirkungsturbos für deinen Auftritt Bevor es weitergeht, habe ich noch einen weiteren Learning Snack für dich, mit dem du dein Wissen über die drei Wirkungsturbos testen kannst. |