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Der Vierte Kreuzzug

Eine Tragödie, eine Katastrophe, ein mörderisches Unterfangen, das nur der Befriedigung von Geldgier diente – der Vierte Kreuzzug hat viele Bezeichnungen erhalten. Gleichwie, dieser Kreuzzug ist als ein besonders negatives Beispiel für christliche Machtansprüche in die Geschichte eingegangen.

Der Reihe nach: Im August 1198 rief der damalige Papst Innozenz III. zum Vierten Kreuzzug auf. Ziel war es auch diesmal, Jerusalem von den Moslems zurückzuerobern. In den kommenden Jahren wurde das Heer nach und nach zusammengestellt. Unter den Kreuzrittern waren viele Adlige, darunter Hugo St. Pol und Bonifatius von Montferrat, der zum Anführer gewählt wurde.

Von vornherein war man sich einig, den Seeweg ins Heilige Land zu nehmen. Die Wahl fiel nach langwierigen Verhandlungen schließlich auf die Hafenstadt Venedig als Ausgangspunkt der Seereise. Der greise Doge Enrico Dandolo (er war bereits 90 Jahre alt und blind) handelte 85.000 Silbermark als Bezahlung für 200 Schiffe aus, die die Kreuzritter befördern sollten. Am 29. Juni 1202 hätte die Flotte in See stechen sollen. Doch dazu kam es nicht. Die Kreuzritter konnten nur etwa die Hälfte des vereinbarten Betrags bezahlen. Bis heute ist nicht genau geklärt, was den finanziellen Engpass auslöste.

Dandolo machte den Rittern schließlich ein ungewöhnliches Angebot: Wenn die Kreuzritter die Stadt Zara – die Handelsstadt machte Venedig starke Konkurrenz beim Handel mit östlichen und südlichen Ländern – zerstörten, würde er den Rittern die Schiffe kostenlos zur Verfügung stellen. Die Kreuzritter willigten ein und machten damit aus dem religiösen Feldzug einen Wirtschaftskrieg im Sinne Venedigs. Papst Innozenz protestierte heftig, denn schließlich richtete sich der Angriff der christlichen Ritter gegen eine christliche Stadt.

Nach zweiwöchiger Belagerung nahmen die Kreuzritter Zara im November 1202 ein. Die Beute wurde mit den enormen Schulden der Kreuzfahrer verrechnet. Der Papst schloss alle Ritter, die sich an der Eroberung beteiligt hatten, aus der Kirche aus.

Scheinbar waren damit die letzten Hemmungen der Kreuzritter beseitigt – denn es kam noch schlimmer. Dandolo überredete die Ritter zu einem weiteren Angriff, und wiederum war eine christliche Stadt das Ziel der Attacke: die blühende Handelsstadt Konstantinopel.

Hintergrund: Konstantinopel wurde von Kaiser Isaak II. Angelos und dessen Sohn Alexios III. regiert. Beide waren Venedigs Feinde. Kaiser Isaaks zweiter Sohn Alexios IV. jedoch war ein Freund der Venezianer. Deshalb hatte sein Vater ihn verstoßen. Alexios IV. war nach Italien geflohen und brannte darauf, Vater und Bruder vom Thron zu stürzen. Diese Rachepläne nutzte Dandolo aus. Seine Überlegung: Wenn Alexios IV. erst einmal der Herrscher von Konstantinopel war, konnte er den jungen Mann kontrollieren. Außerdem hoffte Dandolo auf Beute, wenn Konstantinopel angegriffen würde.

Alexios IV. versprach den Kreuzrittern 200.000 Silbermark, die Versorgung des Kreuzfahrerheers für ein Jahr sowie eine Armee von 10.000 Mann als Unterstützung bei der Rückeroberung Jerusalems – wenn sie Konstantinopel eroberten. Montferrat und St. Pol waren einverstanden.

Am 12. April 1204 wurde Konstantinopel gestürmt. Die Kreuzritter ermordeten die Bevölkerung und raubten alle Schätze. Die meisten Wertgegenstände gelangten nach Venedig. Konstantinopel, einst die reichste Stadt der christlichen Welt, konnte sich von dem Überfall nie mehr richtig erholen und fiel im Jahr 1453 an die Osmanen.

Alexios IV. konnte seine Versprechungen gegenüber den Kreuzrittern nicht einhalten und das Heer löste sich auf, ohne jemals ins Heilige Land vorgerückt zu sein.

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