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Dreimal Hurra für Ägypten: Ra, Ra, Ra!

In diesem Kapitel

arrow Die ägyptischen Gottheiten

arrow Die Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben der Ägypter

arrow Die Geheimnisse der Mumien und andere ägyptologische Kuriosa mit Unterhaltungswert

Die ägyptische Zivilisation gibt es schon seit sehr langer Zeit. Die ältesten alt-ägyptischen Dynastien entstanden vor etwa 5000 Jahren, also lange vor dem Aufstieg der griechischen Zivilisation. Die Ägypter erschufen eine hoch entwickelte Kultur, ein ausgeklügeltes Schriftsystem, einen komplizierten Götterhimmel sowie sehr bemerkenswerte Beerdigungszeremonien.

Ägypten bestand genau genommen aus zwei Teilen, Oberägypten und Unterägypten. Unterägypten lag im Norden des Landes und umfasste Memphis, das Nildelta und die großen Pyramiden. Oberägypten war dagegen viel größer und reichte bis hinunter zum Gebiet des heutigen Sudan. In diesem Teil des Landes befanden sich auch die Stadt Luxor und das Tal der Könige.

Der Nil

Der Nil war Ägyptens markantestes geografisches Merkmal. Die gesamte ägyptische Kultur war in einem sehr schmalen Korridor entlang des Flusslaufes angesiedelt. Östlich und westlich des Nils war nichts als unfruchtbare Wüste. Nur in einem schmalen Streifen rechts und links des Ufers konnten die Menschen Ackerbau und Viehzucht betreiben. Jedes Jahr um die gleiche Zeit schwoll der Strom an und überflutete die Felder. Wenn er sich wieder zurückzog, hinterließ er jedes Mal fruchtbaren Schlamm, der für reiche Ernten sorgte und so die Grundlage für die Blüte der Kultur überhaupt erst schuf. Ohne den Nil gäbe es nicht das Ägypten, dessen Kultur wir noch heute bestaunen.

Der ewig währende Kreislauf von Zerstörung und Fruchtbarkeit (von Überschwemmungen und anschließender Bewirtschaftung der Felder) wurde zur Grundlage der ägyptischen Religion. Die Schöpfung war ein andauernder Kreislauf der Erneuerung, der sich jeden Tag wiederholte. Die Aufgabe der Ägypter war es, den Göttern dabei zu helfen und böse Dämonen zu vertreiben, die den Segen spendenden Kreislauf unterbrechen wollten.

Eine wichtige Anmerkung: Die Experten auf dem Gebiet der altägyptischen Kultur, die sogenannten Ägyptologen, besitzen kein wirklich gesichertes Wissen darüber, was während einzelner Epochen in Altägypten wirklich geschah. Auch wenn Ausgrabungen viele Kunst- und Alltagsgegenstände und hieroglyphische Schriften zutage gefördert haben, so kann doch niemand wirklich sagen, was sie alle genau bedeuten. Es gibt nach wie vor sehr viele Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ägyptologen. Falls Sie letztgültige »Fakten« suchen, so müssen wir Sie leider enttäuschen. Aber wie Sie ja inzwischen wissen, ist das ein Charakteristikum der Mythologie.

Die Ägypter besaßen eine andere Mythologie als zum Beispiel die Griechen. Gottheiten waren echte Wesen, die aber nicht in solche Händel verstrickt waren wie etwa die Götter auf dem Olymp. Einige wenige Mythen über sie haben überlebt. Die interessantesten (wie etwa die Geschichte von Isis und Horus) stammen jedoch aus griechischen Quellen. Die Ägypter begannen erst ungefähr ab dem Jahre 2000 v. Chr., ihre Mythen schriftlich festzuhalten, als es ihre Zivilisation schon eine ganze Weile gab.

Wie bei den meisten Völkern gab es auch bei den Ägyptern keine Fixierung auf die eine und einzig wahre Fassung eines Mythos. Mythen wurden je nach Lage der Dinge den verschiedenen Situationen und Zeiten angepasst. Ein Gott wie zum Beispiel Seth konnte eine Wandlung vom Beschützer Oberägyptens zum Feind aller Götter durchmachen, der seinen Untergang nur zu gut verdient hatte. Es gab auch keine für alle Ägypter verbindliche Religion im eigentlichen Sinne. Obwohl es einige Götter gab, die für alle Bewohner Ägyptens von Bedeutung waren, so gab es auf der anderen Seite auch Gottheiten, die mehr lokalen Bedürfnissen genügten. Wenn wir also über »die« ägyptische Mythologie reden, so sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass wir eigentlich nur kleine Informationsfragmente aus unterschiedlichen Teilen des Reiches und aus sehr unterschiedlichen Epochen, die durch Jahrtausende getrennt sein können, zusammentragen und daraus ein ganzes Bild zu formen versuchen.

Das vorausgeschickt, wird es auch nicht weiter verwundern, dass die Ägypter keine einheitliche Schöpfungsgeschichte hatten. Stattdessen erzählten sich die Menschen in unterschiedlichen Teilen des Reiches voneinander abweichende Geschichten darüber, wie die Welt, die Götter und die Menschen entstanden. In dem weiter unten wiedergegebenen Mythos ist es so, dass die Welt aus einem Urhügel auf den Wogen des urzeitlichen Wassers entstand. In anderen Mythen dagegen heißt es, eine Lotusblüte sei aus den Wassern gestiegen, habe sich geöffnet und einen kleinen Gott freigegeben. Je nach Mythos entstanden die Menschen entweder aus den Tränen der ersten Gottheit oder sie wurden von einem der Götter aus Lehm oder Metall geformt. Es ist unmöglich, alle existierenden Versionen eines Mythos miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Wir empfehlen den Lesern, dies gar nicht erst zu versuchen und die Geschichten unabhängig voneinander zu lesen.

Ordnung aus dem Chaos: Eine Version, wie die Welt entstand

Am Anfang existierte nur das urzeitliche Gewässer der Schöpfung. Die Wasser kräuselten sich. Der Schöpfergott Atum stieg alleine aus den Fluten empor. Er befriedigte sich selbst und sammelte seinen vergossenen Samen in seinem Mund. Dann spuckte er zwei Kinder aus – Shu, den Gott der Luft, und Tefenet, die Göttin des Wassers und der Feuchtigkeit. Dies war die erste Teilung der Geschlechter in Mann und Frau. Die beiden neu entstandenen Gottheiten machten sich auf, die Welt zu entdecken. Atum suchte nach ihnen, konnte sie aber nicht mehr finden. Daher schickte er eine seiner anderen Töchter los, eine hitzige Göttin, die man auch unter dem Namen »Atums göttliches Auge« kannte, die ihre beiden Geschwister finden sollte. Sie fand sie tatsächlich und Atum weinte, als er seine Kinder wiederhatte. Seine vergossenen Tränen verwandelten sich in die ersten Menschen.

Shu und Tefenet hatten zwei Kinder: Nut, die Himmelsgöttin, und Geb, den Erdgott. Nut und Geb verliebten sich ineinander und umarmten sich so fest, dass kein Platz mehr zwischen ihnen war. Nut wurde schwanger; es gab aber keinen Platz, der es ihr erlaubt hätte, ihre Kinder zu gebären. Ihr Vater Shu trennte das Paar wieder und hielt Nut hoch über die Erde, sodass Raum für Lebewesen und Luft zum Atmen entstand. Wasser umgab die Erde und den Himmel. Jede Nacht verschluckte Nut die Sonne und jeden Morgen gebar sie sie wieder.

Nut bekam zwei Zwillingspaare, Isis und Osiris sowie Seth und Nephthys. Noch im Mutterleib verliebten sich Isis und Osiris ineinander; Nephthys aber (ein Mädchen) hasste ihren Bruder Seth. Dennoch heirateten die beiden später. Osiris nahm sich Isis zur Frau. Als erstgeborener männlicher Nachkomme war Osiris dazu bestimmt, in Ägypten zu herrschen, was er für kurze Zeit auch tat.

Andere Mythen über die Schöpfung

Die Ägypter erzählten sich nicht nur unterschiedliche Schöpfungsmythen; sie hatten außerdem insgesamt vier Schöpfergottheiten, die alle in eigenen Kulten verehrt wurden. Die Erschaffung der Welt und der Menschen war bei allen unterschiedlich.

Atum

Der Gott Atum, der in der Stadt Heliopolis verehrt wurde, war eine Schlange, die dem urzeitlichen Chaos entstiegen war (wie Amon, dem wir uns gleich widmen werden); bei den Ägyptern wurde er meist als Mensch dargestellt. Er hatte sowohl weibliche als auch männliche Merkmale. Mitunter wurde er Ra-Atum genannt und symbolisierte die Abendsonne, die in Nuts Leib zurückkehrte. Nach einem bestimmten Mythos entstanden die Menschen aus seinen Tränen.

Die Verbindung von Ammon und Ra

Ammon-Ra (auch Amun-Ra geschrieben) wurde im zweiten vorchristlichen Jahrtausend zu einem Gott aller Ägypter, als der Fruchtbarkeitsgott Ammon, den man in Theben verehrte, mit dem Sonnengott Ra zu einer Gottheit verschmolz. Die Mythen über ihn berichten, er sei das erste jemals erschaffene Wesen überhaupt. Ein Mythos über ihn erzählt davon, dass er die Form einer Gans annahm und ein kosmisches Ei legte, aus dem das Leben entsprang. In einer anderen Version entstand er genau wie Atum aus dem urzeitlichen Chaos und betrat in Gestalt einer Schlange die Bühne der Welt.

Khnum, der Bildhauer des Menschen

Der Gott Khnum wurde besonders in Südägypten, auf der Insel Elephantine, kultisch verehrt. Er kontrollierte das Ansteigen der Nilfluten und ihrer lebensspendenden Kräfte. Sein heiliges Tier war der Widder. Die Ägypter stellten ihn üblicherweise mit einem Widderkopf dar. Khnum war ein Töpfer. Er formte aus Ton Mensch und Tier und hauchte seinen Kreaturen dann Leben ein.

Der Gott Ptah

Ptah wurde in der Stadt Memphis verehrt. Die Bewohner der Stadt nahmen an, dass er der Gott war, der seit Anbeginn der Zeit existierte und alles geschaffen hatte. Er erschuf alle Götter, indem er sie einfach in seinen Gedanken formte und ihren Namen laut aussprach. Er formte die Götter auch aus Gold und anderen Metallen, was ihm den Titel »Gott der Handwerkskünste« einbrachte.

Götter und Göttinnen des Sandes

Die Ägypter besaßen eine große Zahl an Gottheiten. Über die einen existierten mehr mythische Geschichten als über die anderen; wichtig waren sie aber alle.

Die Hauptgötter

Dennoch gab es natürlich Gottheiten, deren Bedeutung die der anderen übertraf. Ihre Namen tauchen öfter auf als die anderer Götter. Hier eine Auswahl:

Ra, der Sonnengott

Der Sonnengott Ra war der wichtigste der ägyptischen Götter. Nut gebar ihn zu Beginn eines jeden Tages. Er wuchs heran bis zum Mittag, wurde gegen Abend immer älter und verbrachte die Nacht über in der Unterwelt, bevor er am nächsten Morgen wieder geboren wurde. Er bewegte sich mit der Sonne in einem Boot über das Himmelszelt. Osiris und die Himmelsgöttin Nut gesellten sich bei Nacht zu ihm auf sein Schiff.

Der Sonnengott konnte viele Gestalten annehmen. Eine der bekanntesten ist der Skarabäus, ein Mistkäfer, der kleine Kugeln aus Dung durch die Gegend rollt, was die Ägypter wohl an den Lauf der Sonne über das Firmament erinnerte. In Abbildung 17.1 ist Ra abgebildet.

Die Ägypter glaubten, dass die Welt eines Tages untergehen würde und auch Ra selbst dem Alterungsprozess unterlag. Ein Mythos berichtet, dass Ra, als er älter wurde, mit einer Verschwörung der Menschen gegen ihn konfrontiert wurde. Er beschloss, die Untreuen dafür zu bestrafen, und schickte die Göttin Sekhmet los, alle Menschen umzubringen. Aber er gebot ihr Einhalt, bevor sie alle getötet hatte. Das Ganze hatte ihn jedoch so ermüdet, dass er beschloss, sich zur Ruhe zu setzen. Er bestimmte Osiris als Nachfolger seiner Herrschaft über die Menschen.

Normalerweise hieß der Sonnengott »Ra« (oder auch »Re«). Meistens wurde sein Name aber mit dem Namen einer anderen Gottheit verbunden. So hieß zum Beispiel die Mittagssonne Ra-Harakhty und die Abendsonne Ra-Atum. Sein echter Name war allerdings geheim. Als er älter wurde, brachte ihn Isis durch eine List dazu, dass er ihr seinen eigentlichen Namen verriet. Sie versprach aber, den Namen niemandem außer Horus zu verraten, sodass er für immer ein Geheimnis blieb.

 

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Abbildung 17.1: Der Sonnengott Ra

Die Göttin Isis

Isis war die Frau und Schwester des Osiris und die Mutter des Horus. Die Ägypter verehrten sie als die große Muttergöttin. Sie war eine der frühesten Gottheiten Altägyptens. Ihr Name wird schon in den Pyramidentexten erwähnt, einer der ältesten schriftlichen Quellen der ägyptischen Religion (2465 bis 2150 v. Chr.).

Isis war eine politische Göttin. Als die Herrschaft der ägyptischen Könige durch die Ptolemäer abgelöst wurde, wurde Isis die offizielle Göttin des neuen Staatskultes. Sie wurde auch außerhalb Ägyptens verehrt. In der griechisch-römischen Welt wurde sie mit Demeter, Selene und Hera gleichgesetzt.

Ein Mythos über sie (der einer in Kapitel 5 geschilderten Geschichte über die griechische Göttin Demeter sehr ähnlich ist) berichtet, dass Isis einmal als Amme bei einer adeligen Mutter eingestellt wurde. Sie mochte das Kind sehr und versuchte, ihm Unsterblichkeit zu verleihen, indem sie es jede Nacht in ein Feuer setzte. Eines Nachts sah die Mutter, was Isis tat, und fing an zu schreien. Das Kind starb und Isis floh.

Osiris, der Erste unter Gleichen

Osiris war der Ehemann und Bruder der Isis. Sie waren die Kinder von Nut und Geb. Osiris war der Herr über die Unterwelt und wurde übrigens auch zur ersten Mumie. Sein eifersüchtiger Bruder Seth ermordete ihn, um seinen Thron besteigen zu können. Isis mumifizierte ihren Bruder, der danach seinen neuen Job im Reich der Toten antrat.

Osiris war der Gott des Ackerbaus; er zeigte den Menschen, wie sie der Erde Nahrung abringen konnten. Die Ägypter verglichen seinen Tod und die Verstümmelung seines Leichnams mit den jährlichen Ernten auf ihren Feldern. Seine Wiederauferstehung war das Zeichen dafür, dass auch im nächsten Jahr eine Ernte eingebracht werden konnte.

Als Ra sich zur Ruhe setzte, übergab er seinen Thron an Osiris. Osiris war nur für kurze Zeit König der Erde, Herrscher über Götter und alles andere. Er regierte zusammen mit seiner Schwester/Ehefrau Isis und läutete ein goldenes Zeitalter ein.

Seth

Seth war der Bruder von Isis und Osiris. Nachdem er Osiris ermordet und sich lange mit Isis und ihrem Sohn Horus gestritten hatte, akzeptierte er schließlich die Aufgabe, Gott über die Stürme zu werden. Im nächsten Abschnitt werden wir darauf zurückkommen. Seth lebte in der Wüste. Die Ägypter stellten ihn auf Abbildungen halb als Esel und halb als Schwein (oder Ameisenbär) dar.

Horus und seine Pharaonenkumpane

Horus war der König der Götter und Herr über den Himmel, eine Aufgabe, für die er gegen seinen Onkel Seth hatte kämpfen müssen (siehe den Abschnitt weiter unten). Er wurde als Falke dargestellt. Die Pharaonen, also die ägyptischen Könige, galten als die Verkörperung des Horus auf Erden.

Ärger im Paradies: Horus und Seth

Die Götter Horus und Seth dachten beide, sie seien gute Kandidaten für den Titel »König der Götter« – Horus aufgrund seiner Herkunft als Sohn des früheren Königs Osiris und Seth, weil er als Osiris’ Bruder schon immer darüber verbittert war, dass die Wahl auf seinen Bruder und nicht auf ihn gefallen war. Seth ermordete schließlich seinen Bruder, verstümmelte ihn und bestieg dessen Thron.

Isis versteckt ihren Sohn Horus vor Seth

Die verzweifelte Isis sammelte Osiris’ Körperteile wieder ein. Seinen Penis konnte sie aber nicht finden. So ersetzte sie ihn durch einen aus Holz. (Der griechische Dichter Plutarch behauptete, dass ein Fisch das besagte Körperteil des Osiris gefressen habe, was seiner Meinung nach auch erklärte, warum die ägyptischen Priester keinen Fisch aßen.) Mithilfe des schakalgesichtigen Gottes Anubis setzte Isis Osiris wieder zusammen. Bandagen, wie man sie von den Mumien her kennt, hielten alles zusammen. Osiris erwachte wieder zum Leben, zumindest lange genug, um mit Isis ein Kind zu zeugen.

Isis hatte Angst davor, dass Seth ihr Kind töten könnte, falls er von dessen Existenz erführe. Sie versteckte sich daher in den Sümpfen des Nildeltas. Dort brachte sie ihren Sohn Horus zur Welt und zog ihn groß, damit er den Mord an seinem Vater rächen und den ihm rechtmäßig zustehenden Thron besteigen konnte. Seth befahl allen potenziell gefährlichen Dingen in den Sümpfen – Pflanzen, Tieren, Insekten und Krankheiten –, falls möglich, Horus zu schaden. Aber Isis streifte überall umher und lernte die Namen all dieser Dinge. Dies verlieh ihr Macht über sie, sodass es ihr gelang, Schaden von ihrem Kind fernzuhalten. Auch ihrem Sohn brachte sie die Namen aller Dinge bei, damit er sicher aufwachsen konnte.

Isis wendet eine List an

Als Horus groß war, ging er zusammen mit seiner Mutter zum Rat der Götter, um seinen Thron zu beanspruchen. Seth argumentierte, dass er der einzige Gott sei, der stark genug sei, das Sonnenboot vor Angriffen zu verteidigen. Isis aber überzeugte die Götter vom Gegenteil. Seth verweigerte seine weitere Teilnahme, solange Isis den Rat nicht verließe. Die Götter kamen also auf einer Insel erneut zusammen. Der Fährmann war angewiesen, Isis nicht überzusetzen. Sie aber verkleidete sich und bestach ihn. Auf der Insel verwandelte sie sich in eine schöne Frau, ging zu Seth und erzählte ihm, dass sie eine Witwe sei und ein Fremder ihre ganze Herde gestohlen und so ihrem Sohn sein ganzes Erbe genommen habe. Seth stimmte zu, dass dies ein Verbrechen sei. Damit hatte Seth sich selbst kompromittiert, was Isis nun ausnutzen konnte.

Das Gerichtsverfahren wird zu einem Wettkampf

Seth weigerte sich noch immer, auf den Thron zu verzichten, und forderte stattdessen Horus zu einem Wettbewerb heraus. Jeder sollte sich in ein Nilpferd verwandeln und ganze drei Monate unter Wasser verbringen. Horus erklärte sich bereit dazu; nur Isis äußerte Bedenken, dass er vielleicht verlieren könnte. Von Sorgen geplagt, warf sie mit einer Harpune nach Seth (traf aber auch Horus). Horus wurde sehr wütend auf seine Mutter. Er schnitt ihr den Kopf ab und rannte mit ihm in die Wüste hinaus. Isis verwandelte sich in eine Statue und kehrte zu den Göttern zurück. Der Gott Thoth ersetzte ihren fehlenden Kopf durch den einer Kuh.

Der Sonnengott bestrafte Horus dafür, dass er seine Mutter verletzt hatte, indem er Seth erlaubte, ihm die Augen auszureißen. Die Göttin Hathor ersetzte sie durch einen geschickt angefertigten Ersatz aus Gazellenmilch.

Der Stift ist mächtiger als das Schwert

Horus wandte sich erneut an die Götter. Diese schrieben Osiris einen Brief, in dem sie um Rat baten. Osiris antwortete, dass er Dämonen entfesseln würde, die die Götter heimsuchen kämen, falls sie Horus nicht den Thron gäben. Horus bekam ihn am Ende tatsächlich zugesprochen. Isis freute sich über alle Maßen und Seth wurde eine andere Aufgabe zugewiesen. Er wurde der Gott über die Winde und Stürme. In dieser Funktion lebte er fortan mit dem Sonnengott zusammen.

Andere Gottheiten, regionale und überregionale

Neben Göttern, die in ganz Ägypten verehrt wurden, gab es auch Götter, die nur regional von Bedeutung waren. In verschiedenen Gegenden wurden unterschiedliche Götter auf unterschiedliche Weise verehrt. Dies führte dazu, dass es eine große Zahl von Gottheiten im alten Ägypten gab. Hier sind einige von ihnen:

check.gif Thoth: Er war der Gott des Mondes. Dargestellt wurde er als Pavian, Ibis oder als Mensch. Man brachte ihn mit geheimen magischen Kräften in Verbindung, von denen viele in dem mythischen Buch Thoth niedergeschrieben wurden. (Der Gott Thoth entspricht Hermes in der griechischen Mythologie.)

check.gif Anubis: Er hatte den Kopf eines Schakals. Er empfing die Seelen der Verstorbenen und geleitete sie durch die vielen Prüfungen, die bestanden werden mussten, bevor die Toten zu Osiris und ins Paradies eingelassen wurden.

check.gif Hathor: Sie war die Göttin der Liebenden, der Fruchtbarkeit und der Geburt. Sie war außerdem die Frau des Sonnengottes. Sie hatte die Gestalt einer Kuh. (Auch Isis hatte Merkmale der Kuh; die Kuh war bei den Ägyptern ein gebräuchliches Symbol für die lebensspendende Kraft der Frauen.) Mit ihrem Euter ernährte sie die Könige. Die Frauen der Ägypter trugen Amulette und Talismane aus ihrem Heiligtum bei sich, die ihnen eine möglichst schmerzfreie Niederkunft garantieren sollten.

check.gif Sekhmet: Die »Mächtige« war eine Göttin in Gestalt einer Löwin. Sie tötete aufständische Menschen im Auftrag des Sonnengottes. Mitunter wurden ihr auch Verbrecher als Menschenopfer dargebracht.

check.gif Bastet: Die Katzengöttin war die Gottheit, die über die Liebe, die Fortpflanzung und die Fruchtbarkeit wachte. Anfangs hatte auch sie die Gestalt einer Löwin. Mit der Zeit aber erschien sie milder und nahm schließlich die Gestalt einer Miezekatze an.

check.gif Bes: Er hatte die Gestalt eines korpulenten Zwergs und trug die Mähne und den Schwanz eines Löwen. Seine Zunge hing aus seinem Mund heraus als Warnung an seine Feinde. Er war ein besonderer Schutzgott der Gebärenden und wachte über das Wohlergehen kleiner Kinder. Die Menschen stellten sein Bildnis bei sich zu Hause auf ihre Möbel und trugen es als Amulett um den Hals, damit er sie vor Dämonen beschützte.

check.gif Selket: Eine Göttin in Gestalt eines Skorpions. Sie war Wächterin über die Lebenden und die Toten.

Die Religion im Leben der Ägypter

Die Religion war für die Ägypter von großer Bedeutung. Die Einhaltung der Kulte und Rituale war entscheidend, wollte man nicht den Zorn der unberechenbaren Götter auf sich ziehen. Dies galt sowohl für Könige als auch für Angehörige der untersten Schichten.

Die Pharaonen

Die Religion war in Ägypten Sache des Staates. Die ägyptischen Könige, genannt Pharaonen, stammten direkt von den Göttern Isis und Osiris ab, so glaubte man. Sie hatten also göttlichen Status. Der Pharao war eine Verkörperung des Himmelsgottes Horus.

Die Könige und ihre Stellvertreter, die Priester, dienten den Göttern in ihren Tempeln, die die Schöpfung in großem Maßstab verkörpern sollten. Noch heute kann man sich der beeindruckenden Majestät der erhaltenen Tempelanlagen nicht entziehen. Sie waren verziert mit Reliefs und Wandgemälden. Die Götter lebten in ihnen, und die Aufgabe der Priester war es, für ihr Wohlergehen zu sorgen. Sie badeten und kleideten die Götterstatuen und bereiteten Opferspeisen zu ihrem Genuss. Die Tempel waren nicht vergleichbar mit den heutigen Kirchen. Die allermeisten Ägypter setzten niemals ihren Fuß hinein. Sie waren eher Mechanismen, die die Welt am Laufen hielten.

Die Pyramiden: Eine Heimstatt für die Ewigkeit

Wie alle anderen Ägypter wollten auch die Pharaonen nach ihrem Tod wiedergeboren werden. Dazu mussten sie wie alle anderen Sterblichen Vorkehrungen treffen. Die Pharaonen hatten dafür aber natürlich ganz andere Mittel an Geld und Arbeitskraft zur Verfügung. Dies ist der Ursprung der Pyramiden.

Die Pyramiden waren nichts anderes als Grabmäler für die Könige. Es gab zwar immer wieder Spekulationen, dass es sich bei den Pyramiden um astronomische Beobachtungsstationen oder Sonnenuhren handelte; ganz wilde Theorien besagen auch, dass sie errichtet wurden, um mit Außerirdischen zu kommunizieren. Alle Indizien aber sprechen dafür, dass Pyramiden wirklich nur als Grabstätten für die Pharaonen erbaut wurden.

Über neunzig Pyramiden lassen sich verstreut in ganz Ägypten finden. Für die Ägypter symbolisierten sie unter anderem auch den Anfang der Schöpfung, als sich aus dem Chaos des Urwassers der erste Urhügel erhob. Ein in einer Pyramide beerdigter Pharao durchlief den Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt und wurde an jedem Tag neu mit den Göttern vereint. Die Priester führten rituelle Handlungen durch und brachten Opfer dar, damit ihre Pharaonen ein gutes Leben nach dem Tode führen konnten. Die Grabmäler der Pharaonen der 1. Dynastie (2950 bis 2770) selbst waren vollgepackt mit Schätzen und Opfergaben (vormals) lebender Menschen und Tiere, wie etwa Ehefrauen, Diener oder Haustiere.

Religion und Alltagsleben

Den Ägyptern waren die Ursachen der Krankheiten, die sie befielen, unbekannt. Sie wussten auch nicht, warum Schlechtes und Böses in der Welt passierte (genauso wenig, wie wir heute Lebenden eine Antwort auf diese Frage haben). Sie mutmaßten daher, dass Schwierigkeiten – gesundheitlicher Art, Ehestreitigkeiten oder geschäftliche Probleme – von übernatürlichen Kräften verursacht wurden, von Übel wollenden oder zornigen Göttern oder von außer Kontrolle geratenen Dämonen.

Was sollte, was konnte man dagegen tun? Nichts anderes, als die Götter und Göttinnen zu verehren und milde zu stimmen. Während die Pharaonen und ihre Priester den Kult um die großen Götter betrieben, verehrten die einfachen Menschen ihre eigenen untergeordneten Gottheiten. In den Dörfern standen kleine Heiligtümer, Dorfschreine oder Tempel, in denen normale Dorfbewohner Priesterfunktionen wahrnahmen. In jedem Haus stand ein Familienschrein, der die Gottheiten beheimatete, die die Familie anbetete. Zwei sehr beliebte Götter waren der Gott des Handwerks Ptah sowie der Gott des Schreibens Thoth. Die Menschen verehrten darüber hinaus die jeweiligen Gründer ihrer Siedlungen.

Bestimmte Regionen hatten ihre speziellen Götter. In Gebieten, in denen Schlangen eine echte Plage waren, erfuhr zum Beispiel die Schlangengöttin Meretseger eine besondere kultische Verehrung. Sicherheitshalber fertigte man Schlangenfiguren aus Ton an, die an den Hauseingängen abgelegt wurden. Dies sollte nicht nur die Schlangen abschrecken, sondern auch Alpträume fernhalten.

Krankheit in Ägypten

Wurde ein Ägypter krank, so rief man den Arzt oder den Priester. Oft waren beide ein und dieselbe Person. Der Arzt untersuchte den Patienten, stellte eine Diagnose und konsultierte dann seine medizinischen Nachschlagewerke, um eine Behandlung auszuwählen.

Die Therapie umfasste Gebete, Zaubersprüche und die sie begleitenden Rituale, »echte« medizinische Behandlungen sowie die Verabreichung von Kräutern und Heilpflanzen für alle denkbaren Krankheiten.

Üblich war aber auch die Selbstbehandlung der Patienten. Archäologen haben zum Beispiel einen Papyrus mit einem Zauberspruch gefunden, der einem Patienten helfen sollte, den bösen Geist zu vertreiben, der für seine Migräne verantwortlich war. Wie es scheint, sollte er den Papyrus vor dem Schlafengehen auf seine Kopfstütze legen, worauf sich die heilsame Wirkung von alleine entfalten sollte.

Die Geburt

Von besonderer Bedeutung für den Bereich des Medizinischen war die Geburt, die schon immer mit Risiken für Mutter und Kind verbunden gewesen ist. Die Dämonen, die den Ägyptern Ungemach bereiteten, waren besonders dann um das Haus herum anzutreffen, wenn eine Frau kurz vor der Geburt ihres Kindes stand.

Um den Dämonen aus dem Weg zu gehen, zog sich die werdende Mutter in einen besonderen, abgeschirmten Winkel des Hauses zurück. Dort blieb sie auch noch die ersten Wochen nach der Geburt. Dieser besondere Raum war rechtwinklig und hatte an einer Seite eine Türöffnung. Die Wände waren mit Bildern des Gottes Bes und der Göttin Tawaret bemalt. Beide Gottheiten standen der Mutter bei der Geburt bei, ebenso wie die Göttin Hathor.

Während die werdende Mutter in den Wehen lag, vertrieben die sie umsorgenden Angehörigen die Dämonen. Sie machten mit Schellen aus Elfenbein Lärm, stellten Götterfigürchen auf und zeichneten Kreise um die Mutter und später auch um das Neugeborene herum. Es wurden dem Anlass gemäße Sprüche aufgesagt, die zum Beispiel bewirken sollten, dass das Kind rasch geboren werden konnte oder es am Tage seiner Geburt einem besonderen Schutz unterliege. Andere Sprüche und Gebete sollten der Mutter helfen, sich schnell von der Geburt zu erholen.

Mobile Orakel

Die einfache Bevölkerung ging zwar nicht in die Tempel, doch die Götter kamen mitunter zu ihr. Bei großen religiösen Festen kleideten die Tempelpriester die Götterstatuen in festliche Gewänder und trugen sie in einer Prozession durch den Ort. Die Menschen tanzten und sangen; Händler verkauften am Straßenrand Essen. An ausgewählten Punkten machte die Prozession halt, damit sich die Träger ausruhen konnten.

Tage wie diese waren für die Menschen die Chance, Fragen an die Götter zu richten. Näherte sich die Prozession, sprang jemand direkt vor der Statue auf die Straße und bat um ein Gespräch. Erklärten die Priester das Einverständnis des Gottes, hielt die Prozession an und der Bittsteller durfte seine Frage öffentlich vortragen. Sie musste so gestellt werden, dass der Gott mit ja oder nein antworten konnte. Bewegte sich die (von den Priestern getragene) Gottheit einen Schritt nach vorne, so lautete die Antwort ja; ein Schritt zurück hieß nein.

Tierkulte

Die meisten altägyptischen Götter wurden einem bestimmten Tier zugeordnet. Unterschiedliche Tiere verkörperten unterschiedliche Eigenschaften – der Löwe war stark, der Falke war schnell und hatte gute Augen. Die Ägypter verbanden die Persönlichkeiten ihrer Götter mit den Eigenschaften dieser Tiere.

In der Stadt Sakkara gibt es ein großes Gräberfeld, in dem man zahllose mumifizierte Tiere gefunden hat. Alle Tiere standen mit bestimmten Kulten in Verbindung: Paviane, Katzen, Kühe, Hunde, Falken und Ibisse. Die Ägypter der Antike pilgerten zu diesem Ort, um ihren Göttern Opfergaben darzubringen. Sie kauften bei einem Händler das zu ihrem Gott passende Tier und bezahlten einen Präparator dafür, dass er es für sie mumifizierte und in einer der unterirdischen Galerien abstellte. Man konnte aber auch einem Priester seine Sorgen anvertrauen und ihn dafür bezahlen, dass er sich mit dem Gott Thoth in seinen Träumen besprach. Man musste allerdings auf die Antwort unter Umständen einige Tage warten.

Ein weiterer beliebter Tierkult war der des Apis-Stieres, der bis in die Zeit der frühesten Dynastien zurückreicht. Der Apis-Stier wurde als Verkörperung des Gottes Ptah angesehen, also des Erbauers der Stadt Memphis. Es gab jeweils nur einen Apis-Stier. Er musste schwarz sein und auf der Stirn einen weißen, rautenförmigen Fleck haben. Er lebte ein angenehmes Leben. Mehrere Priester kümmerten sich um sein Wohlergehen. Seine Aufgabe war es, öffentlich aufzutreten und als Medium für Orakelsprüche und Prophezeiungen den Menschen die Zukunft vorauszusagen. (Der Stier tat natürlich nichts anderes als sich einzig und allein wie ein Stier zu verhalten; Aufgabe der Priester war es, aus seinem Verhalten die entscheidenden Rückschlüsse auf die Zukunft zu ziehen.)

Starb der Apis-Stier, herrschte in ganz Ägypten große Trauer. Der Kadaver des Tieres wurde einbalsamiert und mumifiziert und in einem großen Sarkophag zusammen mit Schmuckgegenständen für ein Leben im Jenseits beigesetzt.

Schlangen und Skorpione wurden mit dem Chaos in Verbindung gebracht, mit Gefahren, die für den Fortbestand der Zivilisation eine Bedrohung darstellten. Die Ägypter besaßen ungezählte Bannsprüche und Gebete gegen den Biss von Schlangen und Skorpionen.

Der Tod und das Leben danach

Der Tod war für Ägypter der damaligen Zeit (und nicht nur für sie) eine ernste Angelegenheit. Sie erbauten noch nie da gewesene Grabmäler als Heimstatt für die Seelen ihrer (wichtigsten) Toten; die Körper der Verstorbenen wurden durch Mumifizierung konserviert, damit sie den Toten auch im Jenseits zur Verfügung standen. Mit ihren Vorfahren standen die Ägypter in ständiger Verbindung. Alle Bewohner Ägyptens hofften darauf, nach ihrem Tod weiterzuleben und bei den Göttern Ra und Osiris leben zu dürfen.

Die Toten standen in direktem Kontakt mit den Göttern und konnten sich bei diesen für ihre noch lebenden Angehörigen einsetzen. Die Menschen errichteten daher bei sich zu Hause zu Ehren der Toten kleine Schreine und brachten ihnen Opfergaben. Sie schrieben ihren Ahnen Briefe, in denen sie sie um Hilfe bei ihren Problemen baten oder sie nur grüßen wollten (vielleicht vergleichbar mit dem Brauch heutzutage, an Sonn- und Feiertagen seine Toten auf dem Friedhof zu besuchen).

Manchmal waren sie überzeugt davon, dass ihre Toten es auf sie abgesehen hatten und sie in Schwierigkeiten bringen wollten. Zum Beispiel war 1200 v. Chr. ein Mann davon überzeugt, seine tote Frau sei die Ursache für all sein Unglück. Er schrieb ihr einen Brief, in dem er erklärte, was für ein guter Ehemann er doch gewesen sei und dass es nicht seine Schuld gewesen sei, dass sie während seiner Dienstreise gestorben sei.

Bei Nacht besuchten die Menschen das Totenreich in ihren Träumen. Natürlich ist es schwer, Träume vernünftig zu deuten. Einige fanden sich aber auch damals schon, die sich selbst zu professionellen Traumdeutern erklärten. Wie bei Horoskopen unserer Zeit, waren ihre Deutungen vage genug formuliert, dass man sie so oder so auslegen konnte.

Mumien und Wiedergeburt

Für das Bestreben, wiedergeboren zu werden, spielte die Mumifizierung eine wichtige Rolle. Ohne Körper musste die Seele eines Toten hungrig bleiben und konnte im Jenseits keinen Frieden finden. Vor der Einbalsamierung wurde der Körper wie eine leere Hülle behandelt. Nach der Mumifizierung und dem Begräbnis aber wurde der Tote »wiederbelebt« und konnte an den Opfergaben seiner Familie teilhaben.

Die ältesten Mumifizierungstechniken waren noch recht einfach: Man begrub die Toten oberflächlich in der Wüste, damit ihr Körper austrocknete, ohne dabei zu verwesen. Da dies aber keine allzu zuverlässige Methode war, entwickelten die Ägypter eine sehr komplizierte und effektive Technik. Tatsächlich gab es ihrer mehrere, je nachdem, wie viel Geld das Ganze kosten durfte. Im Wesentlichen bestand das Verfahren darin, dass der Einbalsamierer zunächst das Gehirn des Toten mit einem Haken durch die Nase entfernte und dann durch einen Schnitt an der Seite des Körpers die inneren Organe herausnahm. Die Organe bewahrte man in speziellen kleinen Behältern auf, die unter dem Schutz der Götter standen. Oder man legte sie den Toten wieder zurück in den Körper. Der Einbalsamierer legte den Körper dann in Natron (ein Salz) ein. Das Natron bewirkte eine vollständige Austrocknung des Leichnams, da es ihm sämtliches Wasser entzog. Nach etwa vierzig Tagen wurde die nun fest gewordene Natronhülle um den Toten entfernt; der Körper wurde gewaschen, mit Ölen und Harzen bestrichen und schließlich im letzten Schritt mit vielen Lagen aus Leinstoff umwickelt. Fertig war die Mumie!

Das Buch der Toten

Die Reise zu Osiris, dem König der Toten, war gefährlich. Überall entlang des Weges lauerten Ungeheuer und Fallen. In dem berühmten Dokument der Ägypter mit Namen Das Buch der Toten ist aufgeführt, was man tun musste, um den Spießrutenlauf zu bestehen und zu Ras Sonnenboot und den Schilfrohrfeldern zu gelangen, der ägyptischen Version des Himmels.

Der Weg zu Osiris hatte viele Tore. Die Ägypter stellten sich vor, dass ihnen auf dem Weg zu ihm Flüsse, Inseln, Wüsten und Flammenmeere begegnen würden. Reiche Ägypter ließen in ihre Särge Bannsprüche und Gebete eingravieren, die ihnen bei der Bewältigung all dieser Hindernisse helfen sollten.War eine Person schließlich zu Osiris gelangt, musste sie sich entweder als unschuldig oder als verschiedener Verbrechen/Sünden für schuldig erklären. Anubis führte den Toten zu einer Waage und maß dort das Gewicht seines Herzens. Als Gegengewicht diente eine Feder aus den Händen der Göttin der Wahrheit. Wog die Feder mehr als das Herz des Toten, so war dieser ohne Zweifel schuldig und ein weibliches Ungeheuer verspeiste den Unglücklichen mit Haut und Haaren. Jeder, der diesen Test bestand, durfte zu den Göttern gehen oder sogar das Sonnenboot besteigen.