Yoga in der Werbung und Werbung für Yoga
Yoga in der Werbung ist in den meisten Fällen zugleich auch Werbung für Yoga. Sei es Kosmetik, Jogurt oder Autowerbung: Yogasymbole kommen stets dann zum Einsatz, wenn Werte wie Ruhe, Balance, Harmonie und Gelassenheit dargestellt werden sollen. Doch dort, wo mit Yoga für ein Produkt geworben wird, werden in der Regel simple Klischees benutzt und bedient. Der absolute Spitzenreiter bei den ausgewählten Haltungen ist der Lotossitz18, gefolgt vom Kopfstand19 und der Bogenhaltung20. Bei den Abgebildeten bzw. den Darstellerinnen handelt es sich stets um junge, gertenschlanke Frauen im Bikini oder im eng anliegenden Dress, in Ausnahmefällen darf es auch ein mild lächelnder, vollbärtiger Turban-Inder sein. Beliebt ist zudem die Verwendung des Mantras OM, in der Regel in witzigen oder kuriosen Zusammenhängen. Angesichts des häufigen Einsatzes von Yoga in Marketing und Werbung könnte man fast meinen, viele Marketingstrategen seien Yogis und Mitarbeiterinnen der Werbebranche Yoginis. Doch dies dürfte eher die Ausnahme sein.
Neben Zeitschriften und Werbeclips, die Symbole wie OM oder Yogapositionen hinsichtlich des Werbeobjekts zumeist deplatziert einsetzen, werben auch Yogis und Yogaschulen selbst für ihre Seminare und Workshops. Größere und auch überregional miteinander verbundene Institutionen wie die Sivananda-Vedanta-Zentren oder Yoga Vidya e.V. sind überdurchschnittlich häufig vertreten und investieren auch überdurchschnittlich in Anzeigen, Newsletter und Werbung per Postversand. Diese Einrichtungen sind stark religiös gefärbt, und ihre Mitglieder fühlen sich mit den Elementen und Ritualen des Hinduismus verbunden. Die Interpretation des Yoga geschieht aus dem Selbstverständnis des hierarchischen Vedānta21 heraus. Dazu gehören Seminare und Workshops über vedische Feuerrituale (homa), Verehrungszeremonien hinduistischer Gottheiten (pūjā), Feiern zu hinduistischen Feiertagen, Lesungen und Interpretationen der Upanishaden und der Bhagavad Gītā22 sowie Traktate und Bücher der Gründungsväter.
Bekenntnisse prominenter Stars
Dass Prominente wie das Star-Model Christy Turlington oder die Schauspielerin Ursula Karven mit eigenen Publikationen zu Yoga in die Öffentlichkeit gehen, ist eher die Ausnahme und auch erst ein neueres Phänomen. Bis auf den Violinvirtuosen und Dirigenten Yehudi Menuhin, der für das Standardwerk Licht auf Yoga von B. K. S. Iyengar das Vorwort verfasste, erfährt die Öffentlichkeit normalerweise durch Äußerungen von Prominenten gegenüber Journalisten oder durch Publikationen, die auf Recherchen über das Privatleben von Stars basieren, von der Yogapraxis der Prominenten.23
Ob Tänzerin, Sportler, Musikerin, Schauspieler oder Schrifstellerin, was sich bei fast allen Bekenntnissen als gemeinsamer Nenner erkennen lässt, ist die Funktion des Yoga als gesundheitsfördernde, ausgleichende und sinnstiftende Ergänzung zum Beruf und zum eigentlichen Tun. Damit sind die Intentionen der Prominenten durchaus repräsentativ für den Querschnitt der im Westen lebenden Yogapraktizierenden.
Für die meisten Prominenten wie auch für die Mehrzahl der Yogapraktizierenden hat Yoga im Alltag den Stellenwert des sogenannten »Haushälteryoga«. »Haushälteryoga« bedeutet: Yoga wird sehr wohl als wichtiges, prägendes Element im Leben verstanden, nicht aber als Basis für Weltflucht durch Askese und völlige Hingabe an eine Instanz wie einen Guru. Mit anderen Worten:Yoga wird ins Berufs- und Familienleben integriert, die moderne Lebensweise fortgesetzt, wenn auch mit aus der Yogapraxis resultierenden Veränderungen.
Von dieser Einstellung der Prominenten gegenüber Yoga, die der Haltung der Mehrheit der Yogapraktizierenden entspricht, heben sich lediglich einige wenige, primär exaltierte, egozentrische Stars ab, die Yoga lediglich als Stilmittel, als Mode oder als Mittel der Selbstdarstellung sehen und benutzen.
Die Wirkung des Glamours von Stars auf der Yogamatte ist letztlich ambivalent. Einerseits werden zahlreiche Menschen dazu angeregt, Yoga auszuprobieren, unter Umständen verschiedene Ansätze und Hintergründe für sich zu entdecken und den passenden Stil und die geeignete Schule zu finden, andererseits ergibt sich aus der oberflächlichen Darstellung und aus der auf optisch eindrucksvolle Āsanas beschränkten visuellen Darbietung eine Trivialisierung, die das Wesen und die Substanz des Yoga zu einer exotischen Körperertüchtigung, einem Modesport reduziert.
Das eine vom anderen zu unterscheiden ist ein Anliegen des Yoga selbst. Es kommt beispielsweise im Begriff und Konzept des Viveka – Sanskrit für Unterscheidung, Trennung, Kritik, Prüfung und Verstand – zum Ausdruck. Viveka bezieht sich insbesondere auf die Fähigkeit, zwischen wahr und unwahr, zwischen beständig und unbeständig zu unterscheiden. Bei der Bewertung von Darstellungen in den Medien wie bei den Äußerungen der Trendsetter und Yogaspezialisten gilt es,Viveka anzuwenden.