Swami Satyananda Saraswati wurde am 26. Juli 1923 in einer Kleinstadt in der Nähe von Almora im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh geboren. Er begegnete seinem Guru, Swami Sivananda Saraswati, in Rishikesh, wurde in den Ashram aufgenommen und von Swami Sivananda 1943 zum Samnyāsin des Dashanāmi-Ordens geweiht. Zwölf Jahre lang blieb er im Ashram und praktizierte arbeitsam und hingebungsvoll Karma-Yoga.
Im Jahr 1955 verließ Satyananda den Ashram in Rishikesh und zog im Auftrag seines Gurus, der ihn ein »vielseitiges Genie« nannte, als Bettelmönch durch ganz Indien. Ein Jahr später gründete er das International Yoga Fellowship Movement in Rajnandgaon und 1963 die Bihar School of Yoga in Munger (Bihar), eine Einrichtung, die mittlerweile von der indischen Regierung als Ausbildungs- und Forschungsinstitut anerkannt wird. Zudem gründete er das Sivananda Math, ein Hilfsprojekt für sozial Schwache, und 1984 die Yoga Research Foundation.
1969 setzte Satyananda einen weiteren Auftrag seines Lehrers in die Tat um und reiste nach Europa, in die USA und nach Australien, um den religiösen Yoga, der vom Vedānta und tantrisch ausgerichteten Hatha-Yoga geprägt ist, im Westen zu verbreiten. Er entwickelte im Lauf der Jahre ein eigenes Yogakonzept und weihte, wie schon sein Lehrer Swami Sivananda, auch Frauen in Samnyāsa107 ein. Die bekannteste Übung der Satyananda-Tradition ist Yoga-Nidrā, der Yoga-Schlaf. Hierbei wird mittels geführter Tiefenentspannung und Visualisierung der Körper in den »Schlaf« versetzt, während der Geist wach bleibt und in die Meditation geführt wird. Charakteristisch ist zudem tantrisches Kriyā-Yoga, zu dem neben der Āsana- und Prānāyāma-Praxis auch Mudrās, Bandhas und innerphysische Reinigungsübungen (sat-karma) sowie die Praxis der Einweihung gehören, weshalb auch Schüler aus westlichen Ländern Sanskritnamen tragen.
Swami Satyananda hat achtzig Bücher verfasst, zumeist Texte über Yoga und das spirituelle Leben. Die bekanntesten Publikationen in deutscher Sprache sind Asana Pranayama Mudra Bandha (1992)108 und Yoga Nidra (1989)109.
1988 zog sich Satyananda von allen organisatorischen Verpflichtungen und Leitungsfunktionen zurück, verließ Munger und begab sich auf eine Pilgerreise. Zum neuen Repräsentanten des Satyananda-Yoga wurde Swami Niranjananda (geb. 1960), den er bereits fünf Jahre zuvor zu seinem Nachfolger ernannt hatte.
Swami Satyananda lebt seit etlichen Jahren in Rikhia (District Deoghar), wo er das Sādhana der fünf Feuer (pañcāgni sādhana) ausführt. Einmal im Jahr empfängt er seine Anhänger, die zu Tausenden zu ihm pilgern. Seit dieser Phase des Rückzugs äußert sich Satyananda nicht mehr zur Kundalini oder zum Hatha-Yoga, seine Äußerungen beziehen sich nur noch auf Bhakti, die Liebe zu Gott, und er bezeichnet sich selbst als Hanumān, was die höchste Hingabe an das Göttliche symbolisiert. Indem er den Menschen seiner Umgebung dient, dient er der von ihm verehrten Göttin.
In Deutschland wird die Lehre Satyanandas durch die Deutsche Swami Prakashananda und durch ein in Hannover befindliches Zentrum der Skandinavischen Yoga- und Meditationsschule vermittelt, deren erste Schule 1970 von dem Dänen Swami Janakananda in Kopenhagen gegründet wurde. In Europa gibt es zehn Satyananda-Zentren, in Australien und Neuseeland fünfzehn, und in Indien existieren mehr als einhundert Niederlassungen.