Der in Tiflis (georgisch Tblissi) geborene Nil Hahoutoff verließ, wie andere Landsleute auch, das kommunistische Russland 1917. Er gehörte zu den vielen Emigranten aus der UdSSR, die zu jener Zeit in Paris Zuflucht suchten. Dort traf er einen englisch sprechenden Inder, der Unterricht in Yoga erteilte. Im Gegensatz zu heutigen Gepflogenheiten – man geht an einem bestimmten Tag der Woche zu einer festgelegten Uhrzeit zum Yogaunterricht –, verbrachte Nil Hahoutoff ganze Tage und Nächte mit seinem Yogalehrer, um sich die Techniken und spirituellen Dimensionen des Yoga zu erarbeiten. Mitunter war es auch eine kurze Begegnung, in der es lediglich um eine einzelne Frage oder um das Reflektieren eines bestimmtes Themas ging. Auch in die Praxis des vierzigtägigen Fastens weihte sein Lehrer ihn ein. Diese über zehn Jahre andauernde Unterrichtsform führte Nil Hahoutoff zu einer inneren Reife, die ihn befähigte, auf eine charismatische Weise zu unterrichten. Nil Hahoutoff war daran gelegen, den Yoga in seiner Komplexität zu erhalten. Die Grundlagen dafür waren Hatha-Yoga und Jñāna-Yoga.
Die Studenten kamen zu seinen Stunden, Seminaren und Wochenenden, ohne dass es eine eigene Yogaschule gegeben hätte, wie es heute üblich ist. Nil Hahoutoff trennte nicht zwischen seiner beruflichen und seiner Privatsphäre – er repräsentierte den Yoga förmlich, sprach nicht nur darüber, sondern lebte ihn. Insofern war er ein Vorbild für andere. Seine Art des Unterrichtens war, wie sein Schüler und Nachfolger Philippe de Fallois es beschreibt, angenehm, verständnisvoll, und er bearbeitete die anstehenden Themen mit erstaunlichem Unterscheidungsvermögen. Durch seine klaren Erläuterungen verdeutlichte er seinen Schülerinnen und Schülern die vielfältigen Verwirrungen, die unsere Kultur prägen – durch Yoga vermittelte Nil Hahoutoff Klarheit.
So, wie Hahoutoff Yoga verstand und vermittelte, war es (ihm) wichtig, eine körperlich energetische Basis herzustellen und die Regeln von Yama und Niyama zu befolgen, die er als Basis des Yoga bezeichnete, ohne die sich das Bewusstsein nicht entwickeln kann. Viel Wert legte er auch auf eine energetische (pranische), vegetarische Ernährung, die ihm zufolge für die Gesundheit essenziell ist.
Die Körperarbeit in der Tradition von Nil Hahoutoff ist anspruchsvoll. Im Mittelpunkt dieser Schule stehen intensives Dehnen und das Aufrichten der Wirbelsäule sowie sehr kraftvolle Āsanas, welche oftmals lange gehalten werden. Dabei kommen auch Hilfsmittel wie Stühle, Blöcke und Gurte zum Einsatz. Die Atmung wird in alle Übungen einbezogen.
Nil Hahoutoff engagierte sich in verschiedenen Bereichen. Neben dem Yoga, der an erster Stelle stand, wandte er sich dem klassischen Ballett zu, in dem er Karriere machte. Der Krieg unterbrach diese Arbeit. Nil Hahoutoff wurde nun in der Resistance aktiv. Nach dem Krieg engagierte er sich für die Erziehung und Rehabilitation von jungen Behinderten in Südfrankreich. Schließlich kehrte er nach Paris zurück, um dort bis zum Ende seines Lebens Yoga zu unterrichten, im Geist und in der Atmosphäre eines Ashrams.
Sein Nachfolger Philippe de Fallois (geb 1948) beschreibt ihn als einen »Kalyana Mitra« (einen Freund, der hilft): »Stets geduldig, verfügbar, aufmerksam dem anderen gegenüber, voller Humor, lebendig, visionär, von klarem Gedanken, geprägt von Buddhi143. Er orientierte, führte, erhellte wie ein fürsorglicher Vater. Er war in das Leben verliebt, mit einem Wort: ein edler und gefühlvoller Leiter und großer Humanist.«
In den sechziger Jahren kümmerte sich Nil Hahoutoff auch um die Ausbildungskriterien für Yogalehrer und engagierte sich für die französische Föderation der Yogalehrer. Zu den bekanntesten Schülern und Nachfolgern Nil Hahoutoffs zählen die beiden auch regelmäßig in Deutschland unterrichtenden Franzosen Philippe de Fallois und Patrick Tomatis, der auch Präsident der École Française de Yoga ist.
Die einzige Veröffentlichung von Nil Hahoutoff ist das Buch Gymnastique évolutive pour tous, das 1979 erschien und dessen Neuauflage von 1993 immer noch lieferbar ist.