Geboren wurde die »First Lady of Yoga«, die von ihren Anhängerinnen oft auch liebevoll Mataji genannt wurde, am 12. Mai 1899 in Riga, der Hauptstadt der Provinz Litauen, im zaristischen Russland. Sie war die Tochter von Alejandra Labunskaia, einem Mitglied des russischen Adels, und von Vasili Peterson, einem schwedischen Bankdirektor. Die wohlhabenden Eltern tauften ihre Tochter Eugene Peterson, entsprechend den Riten der russischen orthodoxen Kirche.
Mit fünfzehn Jahren las Eugene Peterson ein Buch von Tagore, das ihr Interesse an Indien weckte. Sie war Schülerin an der die Schauspielschule in Moskau, doch durch die Ereignisse der Oktoberrevolution von 1917 wurde es lebensnotwendig, die Flucht zu organisieren, was Mutter und Tochter 1920 schließlich gelang. Als ausgebildete Schauspielerin und Tänzerin wurde Eugene Peterson Mitglied einer Berliner Theatergruppe und bereiste ganz Europa.
Von der indischen Kultur und Spiritualität angezogen, entschied sich Eugene Peterson 1927, mit dem Schiff nach Indien zu reisen und dort zu leben. Unter dem Künstlernamen Indra Devi spielte sie in Hindi-Filmen, entwickelte sich zu einem Filmstar und heiratete den tschechoslowakischen Diplomaten Jan Strakaty, der als Botschafter in Bombay tätig war.
Aufgrund einer Herzkrankheit begann sie Yoga zu üben – unter der Anleitung von Sri Krishnamacharya am Palast des Maharaja von Mysore in Südindien. Sie war die erste westliche Schülerin Krishnamacharyas, und nach einem Jahr Unterricht forderte Krishnamacharya sie auf, Yoga im Westen publik zu machen. Andere Kursteilnehmer jener Zeit sind heute Yogameister mit eigenem Stil und großer Gefolgschaft, wie zum Beispiel B. K. S. Iyengar und Pattabhi Jois.
Indra Devi lernte in jener Zeit auch Mahatma Gandhi, Rabindranath Tagore und Jawaharlal Nehru kennen. Nach einigen Jahren begleitete sie ihren Ehemann nach China und eröffnete während der japanischen Besatzung die erste Yogaschule Shanghais – im Haus von Song Meiling, auch genannt »Madame Chiang Kai-shek«, der Frau des nationalistischen Führers.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Indra Devi nach Indien zurück, wo sie ihr erstes Buch, The Technique of Health and Happiness (1946), schrieb. 1947 starb ihr Ehemann. Sie verlegte ihren Wohnsitz nach Kalifornien und wurde Yogalehrerin. Auch Hollywood-Stars gehörten zu ihren Schülern.
1953 heiratete sie Sigfrid Knauer, einen in Los Angeles praktizierenden Arzt. Indra Devi nahm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und ließ ihren Künstlernamen offiziell anerkennen, womit sie ihre baltischen Wurzeln verbarg.
Zu dieser Zeit stellte Indra Devi fest, dass es gar nicht einfach war, Yoga in Amerika zu fördern. Zufällig erhielt sie die Unterstützung von Elizabeth Arden, der international bekannten Kosmetikexpertin, die zu jener Zeit bereits eine erfolgreiche Beauty-Produktlinie vertrieb und eine der wohlhabendsten Frauen der USA war. Da sie ein Faible für die Ethik und Lebensweisheit des Yoga hatte, wurde Elizabeth Arden eine Förderin Indra Devis und ihrer Yogamethoden, die sie in ihre Gesundheitsprogramme an ausgewählten Badekurorten integrierte.
Dies machte die Amerikaner sehr schnell mit Indra Devi und ihrer Vermittlung des Yoga bekannt. Als die Schauspielerin Jennifer Jones das Yogastudio von Indra Devi aufsuchte, um – auf Empfehlung ihres Psychotherapeuten – mittels Yoga wieder zu innerem Frieden und Ausgeglichenheit zu gelangen, konnte ihr Indra Devi mit Āsanas und Meditation helfen. Dies sprach sich herum, und so kamen mehr und mehr Filmstars zu ihr, unter anderem auch Greta Garbo und der Stummfilmstar Gloria Swanson, die eine ihrer besten Freundinnen wurde.
Während eines Besuchs in Moskau 1960 hielt Indra Devi einen Vortrag für Beamte des Kremls, der zur offiziellen Bewilligung von Yogaunterricht in Russland führte. Sie reiste um die Welt, hielt Vorträge und unterrichtete Yoga in fünf Sprachen (Englisch, Spanisch, Russisch, Französisch und Deutsch), die sie allesamt fließend sprach.
Wie viele westliche Yogalehrer war auch Indra Devi keine Missionarin des Hinduismus. Sobald sie darauf angesprochen wurde, sagte sie: »Ich gehöre keiner Religion an. Alles ist nur zwischen Gott und mir.«
1966 wurde sie Anhängerin Satya Sai Babas und nannte ihren Unterricht »Sai Yoga«. Als ihr zweiter Ehemann, Dr. Sigfrid Knauer, 1984 starb, zog Indra Devi nach Sri Lanka, wo sie einige Zeit wohnte. Dann wurde sie von Anhängern Satya Sai Babas nach Argentinien eingeladen und nahm die Einladung an. Auch in ihrem hohen Alter war sie noch agil und aktiv und gab Unterricht. Sie wurde mit Einladungen für Seminare, Workshops und Konferenzen geradezu überschwemmt. Die Vorlesungssäle waren oft überfüllt.
In Argentinien wurde David Lifar ihr persönlicher Assistent, der sich um die organisatorischen Angelegenheiten kümmerte. Mit seiner Unterstützung wurde die Fundacion Indra Devi gegründet. Während der fünfzehn Jahre, die sie in Buenos Aires lebte, fuhr Indra Devi fort, um die Welt zu reisen, um ihre Botschaft der Liebe, des Friedens und der Aufklärung zu verbreiten. Mit ihrer warmherzigen Ausstrahlung erreichte sie stets die Herzen der Menschen. Sie wurde von jenen, die ihre Ansichten nicht teilten, ebenso respektiert und geachtet wie von jenen, die sie teilten. An Buchveröffentlichungen erschienen in den sechziger und siebziger Jahren Forever Young, Forever Healthy – Yoga For Americans (mit einem Vorwort von Gloria Swanson) und Yoga, the Technique of Health and Happiness. In deutscher Sprache erschienen Yoga leicht gemacht (1960)144, Ein neues Leben durch Yoga (1973)145 und Yoga für Sie (1978)146.
Zu Indra Devis Überzeugungen gehörte unter anderem diese: »Gewaltlosigkeit ist einer der Schlüssel des Yoga. Und am besten fangen wir gleich bei uns selbst an. Dazu gehört das Erkennen unseres eigenen Rhythmus und die Einsicht, diesen zu respektieren.«
Indra Devi war eine der größten geistigen Wegbereiterinnen des Yoga im Westen. Die Einfachheit ihrer Methoden und ihr Charisma waren ein Schlüssel für Tausende von Menschen, die mit Yoga begannen. Ihr Leben überspannte das gesamte zwanzigste Jahrhundert, und sie machte ihren Einfluss von Indien bis nach Europa, von Hollywood bis nach Südamerika geltend.
Im Februar 2002 erlitt Indra Devi einen Schlaganfall, der ihre rechte Seite lähmte, und ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich in den folgenden Wochen konstant. Mit 102 Jahren starb Indra Devi am 25. April 2002 in Argentinien. Ihr Körper wurde eingeäschert und ihre Asche in den Río de la Plata, den »silbernen Fluss«, der Buenos Aires durchfließt, zerstreut.