»Ich verspreche Ihnen vier Arbeiten«, schrieb der junge Patentprüfer an seinen Freund. Wie sich später herausstellte, enthielt der Brief einige der wichtigsten Mitteilungen der gesamten Wissenschaftsgeschichte, aber ihr enormes Gewicht wurde von einem launigen Ton überlagert, der charakteristisch für seinen Verfasser war. So hatte er seinen Freund gerade als »eingefrorenen Walfisch« tituliert und sich für das »wenig bedeutsame Gepappel« seines Briefs entschuldigt. Erst als er zur Beschreibung der Arbeiten kam, die er in seiner Freizeit geschrieben hatte, ließ er erkennen, dass er ein Gespür für ihre Bedeutung hatte. 1

»Die erste (…) handelt über die Strahlung und die energetischen Eigenschaften des Lichtes und ist sehr revolutionär«, erläuterte er. Ja, sie war in der Tat revolutionär. Vertrat er darin doch die Ansicht, Licht könne nicht nur als Welle betrachtet, sondern müsse auch als ein Strom von Teilchen, sogenannten Quanten, verstanden werden. Die Konsequenzen, die sich am Ende aus dieser Theorie ergaben – ein Kosmos ohne strenge Kausalität oder Gewissheit –, sollten ihm den Rest seines Lebens keine Ruhe lassen.

»Die zweite Arbeit ist eine Bestimmung der wahren Atomgröße .« Obwohl sogar über die Existenz der Atome noch gestritten wurde, war diese Abhandlung unter den vieren die unkomplizierteste, weshalb er glaubte, sie eigne sich am ehesten für seinen letzten Versuch, eine Dissertation einzureichen. Er stand im Begriff, die Physik zu revolutionieren, aber er war mit all seinen Bemühungen gescheitert, eine akademische Anstellung zu bekommen oder gar promoviert zu werden, was ihm, wie er hoffte, im Patentamt zur Beförderung von einem technischen Experten 3. Klasse zu einem der 2. Klasse verholfen hätte.

In der dritten Arbeit erklärte er die ruckartigen Bewegungen mikroskopischer Teilchen in Flüssigkeiten durch eine statistische Analyse der zufälligen Kollisionen. Dabei bewies er, dass es Atome und Moleküle tatsächlich gibt.

»Die vier[te] Arbeit liegt erst im Konzept vor und ist eine Elektrodynamik bewegter Körper unter Benützung einer Modifikation der Lehre von Raum und Zeit.« Nun, das war wahrlich mehr als »wenig bedeutsames Gepappel«. Nur auf reine Gedankenexperimente gestützt – die er also im Kopf statt im Labor durchgeführt hatte –, war er zu dem Entschluss gelangt, die absolute Zeit und den absoluten Raum Newtons aufzugeben. Diese Arbeit sollte als spezielle Relativitätstheorie berühmt werden.

Eines aber teilte er seinem Freund nicht mit, weil ihm das selbst noch nicht klar geworden war: Er würde in diesem Jahr noch eine fünfte Arbeit schreiben, einen kurzen Zusatz zur vierten, in dem er eine Beziehung zwischen Energie und Masse postulierte. Daraus entwickelte sich später die berühmteste Gleichung der Physik: E = mc 2 .

Im Rückblick auf ein Jahrhundert, das in Erinnerung bleiben wird als eine Zeit, die bereit war, mit klassischen Bindungen zu brechen, und in der Vorausschau auf eine Ära, die versucht, jene Kreativität zu fördern, auf die wissenschaftliche Innovation angewiesen ist, schält sich für unser Zeitalter eine überlebensgroße Ikone heraus: der freundliche, vor Unterdrückung geflohene Emigrant mit dem Heiligenschein aus wildem Haar, dessen liebenswürdige Menschlichkeit und außergewöhnliche Intelligenz bewirkten, dass sein Gesicht zu einem Symbol und sein Name zu einem Synonym für Genie wurden. Albert Einstein war ein fantasiebegabter Schlosser, den der Glaube beseelte, dass das Handwerk der Natur von Harmonie bestimmt sei. In seiner faszinierenden Lebensgeschichte, einem Zeugnis für die Verbindung von Kreativität und Freiheit, kommen die Triumphe und Tumulte der Moderne zum Ausdruck.

Jetzt, da die Archive vollkommen geöffnet sind, ist es möglich, auch Einsteins private Seite kennenzulernen: Seine nonkonformistische Persönlichkeit, seine rebellischen Instinkte, seine Neugier, seine Leidenschaften und seine Distanziertheit – sie alle verflochten mit der politischen und wissenschaftlichen Seite seiner Persönlichkeit. Den Menschen zu kennen, hilft uns beim Verständnis seines wissenschaftlichen Schaffens und umgekehrt. Charakter, Fantasie und schöpferische Genialität stehen alle miteinander in Beziehung, als wären sie Teile eines einheitlichen Feldes.

Obwohl er in dem Ruf stand, reserviert und abweisend zu sein, war sein persönliches wie wissenschaftliches Verhalten von Leidenschaft geprägt. An der Hochschule entbrannte er in heftiger Liebe zur einzigen Studentin in seinem Physikseminar, einer dunkelhaarigen und sehr emotionalen Serbin namens Mileva Marić . Zunächst hatten sie eine uneheliche Tochter, dann heirateten sie und bekamen noch zwei Söhne. Sie diente ihm als Resonanzboden für seine wissenschaftlichen Ideen und prüfte die mathematischen Abschnitte in seinen Arbeiten, doch schließlich zerbrach ihre Beziehung. Einstein bot ihr einen Handel an. Eines Tages werde er den Nobelpreis gewinnen, sagte er; sollte sie in die Scheidung einwilligen, werde er ihr das Preisgeld überlassen. Sie dachte eine Woche lang nach und erklärte sich einverstanden. Da seine Ideen so radikal waren, dauerte es nach dem wundersamen Schaffensrausch im Patentamt noch siebzehn Jahre, bis ihm der Preis verliehen wurde, und sie nahm das Geld.

Einsteins Leben und Arbeit spiegeln die gesellschaftlichen Unwägbarkeiten und moralischen Absolutheiten der Moderne im frühen 20. Jahrhundert wider. Kreative Nonkonformität lag in der Luft: Picasso , Joyce , Freud , Strawinsky , Schönberg und andere brachen mit konventionellen Traditionen. Aufgeladen wurde diese Atmosphäre nun durch ein Bild des Universums , in dem Raum und Zeit und die Eigenschaften winziger Teilchen von zufälligen Bedingungen der Beobachtung abzuhängen schienen.

Dabei war Einstein nicht wirklich ein Relativist , obwohl ihm das von vielen unterstellt wurde, darunter auch einigen, deren Geringschätzung von Antisemitismus geprägt war. Hinter all seinen Theorien, auch der Relativitätstheorie, stand die Suche nach Unveränderlichkeit, Gewissheit und Absolutheit. Einstein war überzeugt, den Gesetzen des Universums liege eine harmonische Wirklichkeit zugrunde und das Ziel der Wissenschaft sei es, diese zu entdecken.

Seine Suche begann 1895, als er sich, 16-jährig, ausmalte, wie es wohl wäre, neben einem Lichtstrahl zu reiten. Ein Jahrzehnt später kam das in dem oben zitierten Brief beschriebene Wunderjahr, das die Grundlagen für die beiden großen physikalischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts legte: Relativitätstheorie und Quantenphysik .

Ein Jahrzehnt danach – 1915 – rang er der Natur die Krönung seines Schaffens ab, eine der schönsten naturwissenschaftlichen Theorien überhaupt, die allgemeine Relativitätstheorie . Wie bei der speziellen Relativitätstheorie hatte er auch hier die Grundlagen durch Gedankenexperimente entwickelt. Man stelle sich vor, man wäre in einem Fahrstuhl, der im Weltall nach oben beschleunigte , malte er sich in einem dieser Experimente aus. Die Wirkung, die man spürte, wäre von dem Empfinden der Schwerkraft, der Gravitation , nicht zu unterscheiden.

Gravitation , so dachte er sich, sei eine Krümmung von Zeit und Raum. Dann entwickelte er die Gleichungen, die beschrieben, wie sich die Dynamik dieser Krümmung aus den Wechselbeziehungen von Materie, Bewegung und Energie ergibt. Vergegenwärtigen Sie sich, was geschieht, wenn Sie eine Bowlingkugel über die zweidimensionale Fläche eines Trampolins rollen lassen. Und nun geben Sie einige Billardkugeln hinzu. Sie bewegen sich auf die Bowlingkugel zu, nicht, weil diese eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf die kleinen Kugeln ausübt, sondern weil die Bowlingkugel den Trampolinstoff verwirft. Versuchen Sie, sich vor Augen zu halten, wie dieses Geschehen im vierdimensionalen Stoff von Zeit und Raum aussieht. Richtig, es ist nicht leicht, aber das ist der Grund, warum er Einstein war und wir es nicht sind.

Der exakte Mittelpunkt seiner Karriere kam ein Jahrzehnt danach, 1925, und erwies sich als Wendepunkt. Die Quantenrevolution, an deren Auslösung Einstein mitgewirkt hatte, wurde in eine neue Mechanik verwandelt, die auf Ungewissheiten und Wahrscheinlichkeiten beruhte. In diesem Jahr lieferte er seinen letzten großen Beitrag zur Quantenmechanik , begann aber gleichzeitig, sie abzulehnen. Die nächsten drei Jahrzehnte verbrachte er damit, sie starrsinnig wegen ihrer vermeintlichen Unvollkommenheit zu kritisieren, während er versuchte, sie in eine einheitliche Feldtheorie einzufügen – noch auf seinem Totenbett, 1955, kritzelte er ein paar Gleichungen, die das beweisen sollten.

In den dreißig Jahren als Revolutionär wie in den dreißig Jahren als Widerständler blieb sich Einstein treu in seiner Bereitschaft, die Rolle als heiter amüsierter Einzelgänger anzunehmen, dem es nicht das Geringste ausmachte, gegen den Strom zu schwimmen. Vollkommen unabhängig in seinem Denken folgte er Vorstellungen, die die Fesseln des konventionellen Wissens sprengten. Er war eine seltene Mischung, ein ehrfurchtsvoller Rebell, geleitet von einem leichthin und mit einem Augenzwinkern vertretenen Glauben an einen Gott , der nicht würfelte, indem er zufällige Geschehnisse zuließ.

Dieser nonkonformistische Wesenszug zeigte sich in seiner Persönlichkeit wie in seinen politischen Ansichten. Obwohl er sich zu sozialistischen Idealen bekannte, war er zu sehr Individualist, um sich mit übermäßiger staatlicher Kontrolle oder zentralisierter Autorität abfinden zu können. Seine widerspenstigen Instinkte, die ihm als jungem Wissenschaftler so gute Dienste geleistet hatten, machten ihn allergisch gegen Nationalismus , Militarismus und alles, was einen Beigeschmack von Herdenmentalität hatte. Bis Hitler ihn veranlasste, seine geopolitischen Gleichungen zu überdenken, war er ein instinktiver Pazifist , der überzeugten Widerstand gegen den Krieg leistete.

Zu seiner Geschichte gehört die ganze Spannweite der modernen Naturwissenschaft, vom unendlich Kleinen bis zum unendlich Großen, von der Emission der Photonen bis zur Expansion des Kosmos. Ein Jahrhundert nach seinen großen Triumphen leben wir noch immer in Einsteins Universum , das auf der Makroskala von seiner Relativitätstheorie definiert wird und auf der Mikroskala von einer Quantenmechanik , die sich als dauerhaft erwiesen hat, auch wenn sie befremdlich bleibt.

Auf den technologischen Errungenschaften der Gegenwart wimmelt es von seinen Fingerabdrücken. Photozellen und Laser , Kernkraft und Faseroptik, Raumfahrt und sogar Halbleiter lassen sich alle auf seine Theorien zurückführen. Er unterzeichnete den Brief an Franklin Roosevelt , der den Präsidenten warnend auf den möglichen Bau einer Atombombe hinwies, und die Buchstaben seiner berühmten Gleichung, die Energie und Masse in Beziehung setzt, haben wir vor Augen, wenn wir uns den daraus resultierenden Atompilz vergegenwärtigen.

Der Ruhm, den Einstein der Tatsache verdankte, dass im Jahr 1919 Messungen während einer Sonnenfinsternis seine Vorhersage bestätigten, dass Licht durch Gravitation um einen bestimmten Betrag abgelenkt wird, fiel mit dem Beginn einer neuen Ära zusammen – dem Zeitalter der Prominenz. Und Einstein trug nicht unwesentlich zu diesem Phänomen bei. Er wurde zu einer wissenschaftlichen Supernova und humanistischen Symbolfigur. Die Menschen zerbrachen sich ernsthaft den Kopf über seine Theorien, machten ihn zum gefeierten Mittelpunkt eines Geniekults und erhoben ihn in den Stand eines säkularen Heiligen.

Ob er es wohl zu diesem weltberühmten Aushängeschild der Wissenschaft auch ohne den elektrisch aufgeladenen Heiligenschein seiner Haare und diese durchdringenden Augen gebracht hätte? Nehmen wir einmal an, als Gedankenexperiment, er hätte wie Max Planck oder Niels Bohr ausgesehen. Hätte er sich dann, statt als das wissenschaftliche Genie schlechthin zu gelten, mit dem relativ normalen Bekanntheitsgrad der beiden begnügen müssen, oder wäre er trotzdem in das Pantheon von Aristoteles , Galilei und Newton gelangt? 2

Ich glaube, Letzteres wäre der Fall gewesen. Sein Werk hatte einen sehr persönlichen Charakter, einen Stempel, der es als sein Werk erkennbar machte, so wie ein Picasso als ein Picasso erkennbar ist. Er machte große Sprünge in seiner Vorstellung und erkannte fundamentale Prinzipien durch Gedankenexperimente statt durch methodische Induktion auf der Basis von empirischen Untersuchungsdaten. Die daraus resultierenden Theorien waren manchmal erstaunlich, geheimnisvoll und kontraintuitiv, aber sie enthielten Ideen, die die Vorstellung der Menschen faszinierten: die Relativität von Zeit und Raum, E = mc 2 , die Ablenkung von Lichtstrahlen und die Krümmung des Raums .

Zu dieser Aura kam seine schlichte Menschlichkeit hinzu. Seine innere Sicherheit wurde durch die Demut gedämpft, die ihm die Ehrfurcht vor der Natur einflößte. Er konnte sich Nahestehenden gegenüber distanziert und reserviert verhalten, aber für die Menschheit im Allgemeinen empfand er Zuneigung und aufrichtiges Mitgefühl.

Doch trotz seiner Popularität und oberflächlichen Zugänglichkeit wurde Einstein auch zum Symbol für die Ansicht, die Physik sei für einen durchschnittlichen Laien nicht zu verstehen, sie sei eine »Domäne priesterähnlicher Experten«, wie der Harvard -Professor Dudley Herschbach es formuliert. 3 Das war nicht immer so. Galilei und Newton waren beide große Genies, aber ihr mechanisches, auf Ursache und Wirkung basierendes Weltbild konnten die meisten intelligenten Laien begreifen. Im 18. Jahrhundert eines Benjamin Franklin und im 19. Jahrhundert eines Thomas Edison war man als Bildungsbürger mit dem Stand der Naturwissenschaften im Großen und Ganzen so vertraut, dass man sich als Amateur sogar ein wenig in ihnen betätigen konnte.

Wenn möglich, müsste angesichts der Erfordernisse des 21. Jahrhunderts in unserer Gesellschaft wieder eine gewisse Kenntnis von den Entwicklungen in den Naturwissenschaften vermittelt werden. Das heißt nicht, dass jeder Student mit Literatur im Hauptfach einen abgespeckten Physikkurs belegen oder jeder Syndikus eines Unternehmens mit den neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik vertraut sein müsste, aber für einen verantwortungsbewussten Staatsbürger wäre es schon nützlich, eine gewisse Kenntnis der naturwissenschaftlichen Methoden zu haben. Ein für uns sehr wichtiger Aspekt der Naturwissenschaften ist der Zusammenhang zwischen empirischen Fakten und allgemeinen Theorien, ein Zusammenhang, den Einsteins Schaffen deutlich vor Augen führt.

Außerdem ist die Anerkennung der naturwissenschaftlichen Leistungen ein positives Merkmal einer funktionierenden Gesellschaft. Sie hilft uns, mit jener kindhaften Fähigkeit zum Staunen – etwa über fallende Äpfel oder Fahrstühle – in Berührung zu bleiben, die Einstein und andere bedeutende theoretische Physiker auszeichnete. 4

Deshalb kann es sinnvoll sein, sich mit Einstein zu beschäftigen. Wissenschaftliche Forschung ist eine inspirierende und ehrenhafte Tätigkeit, und wer ihr nachgeht, begibt sich auf eine wundersame Reise, wie wir den Geschichten über ihre Helden entnehmen können. Kurz vor seinem Tod wurde Einstein von der Schulbehörde des Staates New York gefragt, worauf man in Schulen besonderen Wert legen solle. Er antwortete: »Im Geschichtsunterricht sollte man ausführlich auf Persönlichkeiten eingehen, die der Menschheit durch die Unabhängigkeit ihres Charakters und Urteils von Nutzen waren.« 5 Einstein gehört in diese Kategorie.

Zu einer Zeit, da angesichts globaler Konkurrenz das Interesse am naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterricht wieder erwacht, sollten wir auch zur Kenntnis nehmen, was Einstein im zweiten Teil seiner Antwort schrieb. »Kritische Anmerkungen von Schülern sollten freundlich aufgenommen werden«, empfahl er. »Die Unabhängigkeit des Schülers sollte nicht durch Häufung des Unterrichtsstoffs erstickt werden.« Der Wettbewerbsvorteil einer Gesellschaft wird nicht davon abhängen, wie gut ihre Schulen den Kindern und Jugendlichen Multiplikationstabellen und Periodensystem eintrichtern, sondern wie gut es ihnen gelingt, Fantasie und Kreativität anzuregen.

Ich denke, darin liegt der Schlüssel zu Einsteins überragenden Leistungen und dem, was uns sein Leben lehrt. Als Schüler und Student tat er sich beim Erwerb der Grundkenntnisse nie besonders hervor. Und später, als Theoretiker, errang er seine Erfolge nicht durch die überragende Kraft seines Intellekts, sondern durch Fantasie und Kreativität. Natürlich konnte er komplexe Gleichungen entwickeln, aber er wusste, dass Mathematik die Sprache ist, in der die Natur ihre Wunder beschreibt. So konnte er sich bildlich vorstellen, wie Gleichungen sich in der Wirklichkeit widerspiegeln, wie zum Beispiel die von Maxwell entdeckten Gleichungen des elektromagnetischen Feldes in einem Jungen Gestalt annehmen könnten, der neben einem Lichtstrahl reitet. Dazu sagte er einmal: »Phantasie ist wichtiger als Wissen.« 6

Diese Einstellung bedingte seine Nonkonformität . »Es lebe die Unverfrorenheit!«, verkündete er übermütig seiner Geliebten, die später seine Frau wurde. »Sie ist mein Schutzengel in dieser Welt.« Viele Jahre später, als andere angesichts seines Widerstrebens, die Quantenmechanik anzuerkennen, vermeinten, er habe seine intellektuelle Schärfe eingebüßt, klagte er: »Zur Strafe für meine Autoritätsverachtung hat mich das Leben selbst zur Autorität gemacht.« 7

Seinen Erfolg verdankte er dem Umstand, dass er die Schulmeinungen infrage stellte, Autoritäten nicht anerkannte und staunend über Rätsel nachsann, die andere für trivial hielten. So entwickelte er moralische und politische Anschauungen, die auf der Achtung für freies Denken, freie Geister und freie Individuen beruhten, und verstand Toleranz nicht nur als schöne Tugend, sondern als unabdingbare Voraussetzung für jede kreative Gesellschaft. »Dabei fordert das Wohl der Gesamtheit zugleich die Pflege der Sonderheit des Individuums; denn nur von dem Individuum können die neuen Gedanken kommen.« 8

Diese Einstellung machte Einstein zu einem Rebellen voller Ehrfurcht vor der Harmonie der Natur, zu einem Rebellen, der genau die richtige Mischung aus Fantasie und Klugheit aufwies, um unser Verständnis des Universums von Grund auf zu verwandeln. Dabei sind diese Eigenschaften für unser neues Jahrhundert der Globalisierung nicht weniger wichtig, denn der Erfolg wird heute genauso von unserer Kreativität abhängen wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Einstein zu einer Zeitenwende beitrug.