Der Preis, 1921

Es schien auf der Hand zu liegen, dass Einstein eines Tages den Nobelpreis für Physik erhalten würde. Tatsächlich hatte er schon zugesagt, das Geld seiner ersten Frau Mileva Marić zu überlassen, sobald er den Preis tatsächlich erhielte. Die Frage lautete nur: Wann würde er ihm verliehen? Und wofür?

Als im November 1922 verkündet wurde, der Preis werde ihm rückwirkend für 1921 verliehen, fragten sich alle: Warum hat das so lange gedauert? Und warum »insbesondere für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts «?

Nach der Legende erfuhr Einstein auf der Überfahrt nach Japan , dass er endlich den Preis gewonnen hatte. »Nobelpreis für Physik für Sie. Genaueres brieflich«, lautete das Telegramm vom 10. November. Tatsächlich hatte er das bereits im September erfahren, sobald die schwedische Akademie die Entscheidung getroffen hatte – also lange bevor er die Reise antrat.

Svante Arrhenius , der Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik, hatte gehört, Einstein habe vor, im Oktober nach Japan zu reisen, was bedeutete, dass er, wenn er die Reise nicht verschöbe, bei der Verleihungszeremonie nicht anwesend sein könnte. Daher schrieb er Einstein direkt und ohne Umschweife: »Es wird wahrscheinlich sehr erwünscht sein, dass Sie im Dezember nach Stockholm kommen.« Und in Übereinstimmung mit einem Prinzip der Reisephysik vor Erfindung des Düsenjets fügte er hinzu: »Und wenn Sie dann in Japan sind, wird das wohl unmöglich sein.« 1 Da diese Nachricht vom Leiter des Nobelpreiskomitees kam, war klar, was er meinte. Es gibt nicht viele andere Gründe, aus denen man Physiker im Dezember nach Stockholm bestellt.

Obwohl Einstein wusste, dass er den Preis irgendwann erhalten würde, hielt er es nicht für angebracht, seine Reise zu verschieben – auch weil er so oft übergangen worden war, dass es ihn allmählich ärgerte.

Zum ersten Mal war er 1910 von Wilhelm Ostwald , Nobelpreisträger für Chemie, nominiert worden, der neun Jahre zuvor ein Stellengesuch von Einstein abgelehnt hatte. In dem Schreiben verwies Ostwald auf die spezielle Relativitätstheorie und betonte, dass es sich um grundlegende Physik handle und nicht, wie einige Einstein-Kritiker meinten, pure Philosophie. Das war ein Punkt, auf den er in den nächsten Jahren immer wieder zurückkam, als er seine Nominierung wiederholte.

Das schwedische Komitee fühlte sich dem Auftrag verpflichtet, den Alfred Nobel in seinem Testament genau beschrieben hatte. Der Preis sollte für »die wichtigste Entdeckung oder Erfindung« vergeben werden, und die Mitglieder des Gremiums fanden, dass die Relativitätstheorie weder das eine noch das andere war. Daher hieß es in dem Bericht, man müsse auf mehr experimentelle Belege warten, »bevor man das Prinzip und insbesondere seine Auszeichnung mit einem Nobelpreis akzeptieren kann«. 2

Während der folgenden zehn Jahre wurde Einstein wiederholt aufgrund der Relativitätstheorie nominiert, wobei sich namhafte Theoretiker wie Wilhelm Wien für ihn einsetzten, auch wenn sich Lorentz noch immer skeptisch zurückhielt. Das größte Hindernis war damals das Misstrauen, mit dem das Komitee reinen Theoretikern begegnete. In dem Zeitraum von 1910 bis 1922 waren drei der fünf Komiteemitglieder Experimentalphysiker an der Universität Uppsala , die in ihrer Forschung vor allem bestrebt waren, die Experimental- und Messtechniken zu vervollkommnen. »Schwedische Physiker mit starker experimenteller Ausrichtung dominierten das Komitee«, vermerkt Robert Marc Friedman , ein Wissenschaftshistoriker aus Oslo. »Sie hielten Präzisionsmessungen für das höchste Ziel ihrer Disziplin.« Das war einer der Gründe, warum Max Planck bis 1919 warten musste (als er den verspäteten Preis für 1918 erhielt) und warum Henri Poincaré zeitlebens vergeblich. 3

Die dramatische Verkündung, dass die Beobachtungen während der Sonnenfinsternis im November 1919 Teile der Einstein’schen Theorie bestätigt hatten, hätte eigentlich 1920 zu seinem Jahr machen müssen. Zu diesem Zeitpunkt war Lorentz längst kein solcher Skeptiker mehr. Zusammen mit Bohr und sechs anderen offiziellen Nominatoren schlug er Einstein vor, wobei er sich vor allem auf dessen vollendete Relativitätstheorie stützte. (Auch Planck setzte sich für Einstein ein, sein Brief traf jedoch zu spät ein und wurde nicht mehr berücksichtigt.) Lorentz schrieb in seinem Brief, Einstein habe »sich einen Platz in der ersten Reihe der Physiker aller Zeiten gesichert«. Ganz ähnlich klang Bohrs Brief: »Man steht hier vor einem Fortschritt von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der physikalischen Forschung.« 4

Dann mischte sich die Politik ein. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die wichtigsten Gründe, Einstein den Nobelpreis vorzuenthalten, wissenschaftlicher Natur gewesen: Seine Arbeit war rein theoretisch, entbehrte jeder experimentellen Grundlage und enthielt angeblich keine »Entdeckung« irgendwelcher neuen Gesetze. Nach den Beobachtungen während der Sonnenfinsternis , der Erklärung der Bahnverschiebung des Merkur und anderen experimentellen Bestätigungen wurden diese Argumente zwar immer noch gegen Einstein vorgebracht, doch jetzt waren sie stärker von kulturellen und persönlichen Vorurteilen geprägt. Für seine Kritiker bewies der Umstand, dass er plötzlich zum Superstar aufgestiegen war, zum international meistgefeierten Wissenschaftler, seit der Blitze-Bändiger Benjamin Franklin auf den Straßen von Paris bejubelt worden war, eher seinen Hang zur Selbstdarstellung als sein Anrecht auf einen Nobelpreis .

Unübersehbar war dieser Subtext in dem internen siebenseitigen Bericht von Arrhenius , dem Vorsitzenden des Komitees, der erklärte, warum Einstein 1920 den Nobelpreis nicht bekommen sollte. Dort führte Arrhenius aus, dass die Ergebnisse der Sonnenfinsternis als uneindeutig kritisiert worden seien und dass für die Vorhersage der Theorie, nach der das von der Sonne kommende Licht durch ihre Gravitation zum roten Ende des Spektrums verschoben würde, noch keine wissenschaftliche Bestätigung vorliege. Er berief sich auch auf die strittige Behauptung von Ernst Gehrcke , einem der antisemitischen Antirelativisten , die im Sommer des Jahres die Kundgebung gegen Einstein organisiert hatten, dass die Bahnverschiebung des Merkur sich durch andere Theorien erklären lasse.

Hinter den Kulissen führte Philipp Lenard , der andere führende antisemitische Kritiker Einsteins, einen Kreuzzug gegen ihn. (Im folgenden Jahr sollte Lenard seinen Mitstreiter Gehrcke für den Preis vorschlagen!) Sven Hedin , schwedischer Forschungsreisender und prominentes Mitglied der Akademie, berichtete später, Lenard habe sich große Mühe gegeben, ihn und andere davon zu überzeugen, »dass die Relativitätstheorie nicht wirklich eine Entdeckung« und nie bewiesen worden sei. 5

Arrhenius zitierte in seinem Bericht Lenards »nachdrückliche Kritik an Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie «. Lenards Einwände liefen auf eine generelle Kritik an einer wissenschaftlichen Forschung hinaus, die nicht auf Experimente und konkrete Entdeckungen gegründet war. Doch in dem Bericht kam unterschwellig Lenards starke Ablehnung einer bestimmten Art von »philosophischen Mutmaßungen« zum Ausdruck, die er häufig als ein Merkmal »jüdischer Wissenschaft« bezeichnete. 6

Daher ging der Preis von 1920 an einen anderen Absolventen der ETH , der der absolute wissenschaftliche Gegensatz zu Einstein war: Charles-Edouard Guillaume , den Direktor des Internationalen Büros für Gewichte und Maße, der in die Geschichte der Naturwissenschaft Eingang gefunden hat, indem er dafür sorgte, dass Standardmessungen genauer wurden. Zu diesem Zweck hatte er Metallverbindungen entwickelt, die von praktischem Nutzen waren, zum Beispiel für die Herstellung von genaueren Messstäben. »Zu einem Zeitpunkt, da die Welt der Physik von einem geistigen Abenteuer außerordentlicher Ausmaße erschüttert wurde, war es erstaunlich, dass Guillaumes Leistung, auf Routineuntersuchungen und bescheidene theoretische Erkenntnisse gestützt, als ein Gipfel wissenschaftlicher Forschung anerkannt wurde«, schreibt Friedman . »Selbst Wissenschaftler, die die Relativitätstheorie ablehnten, fanden die Entscheidung für Guillaume bizarr.« 7

Im Jahr 1921 war die öffentliche Einstein-Hysterie – mit all ihren Vor- und Nachteilen – auf ihrem Höhepunkt. Er wurde gleichermaßen von Theoretikern und Experimentalisten unterstützt, Deutschen wie Planck und Nicht-Deutschen wie Eddington . Er bekam vierzehn offizielle Nominierungen, weit mehr als irgendein anderer Kandidat. »Einstein überragt seine Zeitgenossen wie einst Newton die seinen«, schrieb Eddington und zollte ihm damit das höchste Lob, das einem Mitglied der Royal Society zur Verfügung stand. 8

Dieses Mal erhielt Allvar Gullstrand , ein Professor für Augenheilkunde an der Universität Uppsala , der 1911 den Nobelpreis für Medizin bekommen hatte, von dem Preiskomitee den Auftrag, einen Bericht über die Relativitätstheorie zu schreiben.

Mit wenig Fachkenntnis weder auf dem Gebiet der Mathematik noch der relativistischen Physik kritisierte er Einsteins Theorie scharf, aber wenig fundiert. Ganz offenkundig entschlossen, Einstein mit allen Mitteln schlechtzumachen, erklärte Gullstrand in seinem fünfzigseitigen Bericht beispielsweise, die Lichtablenkung sei kein echter Test der Einstein’schen Theorie , die Ergebnisse seien experimentell nicht bestätigt, und selbst wenn sie es wären, so gebe es noch andere Methoden, um das Phänomen mithilfe der klassischen Mechanik zu erklären. In Hinblick auf die Umlaufbahn des Merkur erklärte er, »dass es auch weiterhin unbekannt bleibt, ob die Einstein’sche Theorie überhaupt mit dem Perihelverschiebungsexperiment in Einklang gebracht werden kann«. Und zu den Effekten der speziellen Relativitätstheorie sagte er, sie seien so klein, »daß sie im allgemeinen unterhalb der Grenzen der experimentellen Fehler liegen«. Da Gullstrand seinen wissenschaftlichen Ruf durch die Entwicklung von Präzisionsinstrumenten für optische Messungen erworben hatte, war er offenbar besonders über Einsteins These entsetzt, dass die Länge starrer Messstäbe sich relativ zu bewegten Beobachtern verändern könne. 9

Zwar bemerkten einige Akademiemitglieder, dass Gullstrands Verriss sehr undifferenziert war, doch es ließ sich schlecht etwas dagegen unternehmen. Er war ein geachteter und beliebter schwedischer Professor, und er vertrat öffentlich und privat mit Nachdruck die Auffassung, dass die große Ehrung einer Nobelpreisverleihung nicht für eine hochspekulative Theorie verliehen werden dürfe, die Gegenstand einer unerklärlichen und sicherlich bald abflauenden Massenhysterie sei. Statt jemand anders zu wählen, entschied sich die Akademie für einen Weg, der kein so krasser (oder schlimmerer?) Affront gegen Einstein war: Sie erkor niemanden und verschob den Nobelpreis des Jahres 1921 vorläufig auf ein anderes Jahr.

Die große Sackgasse drohte peinlich zu werden. Die Aussetzung des Preises begann sich negativer auf das Nobelkomitee auszuwirken als auf Einstein. »Man stelle sich die öffentliche Meinung in etwa fünfzig Jahren vor, wenn Einstein nicht auf der Liste der Nobelpreisträger erscheint«, schrieb der französische Physiker Marcel Brillouin in seinem Nominierungsschreiben von 1922. 10

Die Rettung nahte in Gestalt eines theoretischen Physikers der Universität Uppsala , Carl Wilhelm Oseen , der 1922 in das Komitee gewählt wurde. Er war ein Kollege und Freund von Gullstrand und deshalb in der Lage, dem Ophthalmologen über einige seiner irrigen, aber hartnäckig verteidigten Einwände diskret hinwegzuhelfen. Außerdem bemerkte er, dass sich die Fronten im Streit um die Relativitätstheorie so verhärtet hatten, dass man besser nach einem anderen Weg suchte. Daher drängte Oseen darauf, Einstein den Preis für »die Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts « zu verleihen.

Jeder Teil der Formulierung war sorgfältig bedacht. Es war also keine Nominierung für die Relativitätstheorie . Tatsächlich galt sie – obwohl von einigen Historikern so dargestellt – nicht Einsteins Theorie der Lichtquanten , die in Wahrheit der Hauptgegenstand der betreffenden Arbeit aus dem Jahr 1905 war. Der Preis wurde für gar keine Theorie verliehen, sondern für die Entdeckung eines Gesetzes.

In einem Bericht aus dem Vorjahr war Einsteins »Theorie des photoelektrischen Effekts « erörtert worden, aber Oseen hatte sein abweichendes Verständnis im Titel des Berichts verdeutlicht: »Einsteins Gesetz des photoelektrischen Effekts «. Darin geht Oseen nicht auf die theoretischen Aspekte der Arbeit ein. Er erörtert vielmehr ein sogenanntes »fundamentales Naturgesetz «: die mathematische Beschreibung dafür, wie sich der photoelektrische Effekt durch die Annahme erklären lässt, dass Licht in diskreten Quanten absorbiert und emittiert wird, sowie die Rolle, welche die Frequenz des Lichts dabei spielt.

Außerdem meinte Oseen , da Einstein der Preis für 1921 verspätet verliehen werde, erhalte die Akademie die Gelegenheit, Niels Bohr gleichzeitig den Preis für 1922 zu geben, da sein Atommodell auf den Gesetzen aufbaue, die den photoelektrischen Effekt erklärten. Es war ein clever eingefädelter Doppelcoup, der dafür sorgte, dass die beiden bedeutendsten theoretischen Physiker der Zeit einen Nobelpreis erhielten, ohne das konservative Establishment der Akademie vor den Kopf zu stoßen. Gullstrand erklärte sich einverstanden. Arrhenius , der Einstein in Berlin kennengelernt hatte und sehr von ihm eingenommen war, zeigte sich nun auch bereit, sich in das Unvermeidliche zu schicken. Am 6. September 1922 fasste die Akademie einen entsprechenden Beschluss: Einstein und Bohr erhielten die Nobelpreise für 1921 beziehungsweise 1922.

So wurde Einstein der Preisträger 1921 »für seine Verdienste«, wie es in der offiziellen Verleihungsrede hieß, »um die theoretische Physik und insbesondere für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts «. Sowohl die Verleihungsrede wie der Brief, in dem der Sekretär der Akademie Einstein offiziell informierte, enthielten einen ungewöhnlichen Vorbehalt. In beiden Dokumenten wurde festgestellt, dass der Preis verliehen werde »unbeschadet des Werts, der Ihren Relativitäts- und Gravitationstheorien zugemessen werden sollte, falls diese in der Zukunft bestätigt werden«. 11 Wie sich herausstellte, erhielt Einstein nach der Würdigung für den photoelektrischen Effekt allerdings nie einen weiteren Nobelpreis , weder für die Relativitätstheorie noch für eine andere wissenschaftliche Leistung.

Der Entscheidung, den photoelektrischen Effekt zu benutzen, um Einstein den Preis zu verschaffen, wohnte eine unangenehme Ironie inne. Das betreffende »Gesetz« beruhte in erster Linie auf Beobachtungen von Philipp Lenard , der besonders leidenschaftlich bemüht war, den Nobelpreis für Einstein zu verhindern. In seiner Arbeit von 1905 hatte Einstein noch Lenards »bahnbrechende« Arbeit gerühmt. Doch nach der antisemitischen Kundgebung in Berlin von 1920 waren sie zu erbitterten Feinden geworden. Daher war Lenard doppelt empört darüber, dass Einstein trotz seines Widerstands den Preis gewonnen hatte und, was schlimmer war, noch dazu auf einem Feld, auf dem er Pionierarbeit geleistet hatte. Lenard schrieb einen zornigen Brief an die Akademie – der einzige offizielle Protest, den sie erhielt –, in dem er behauptete, Einstein habe die wahre Natur des Lichts missverstanden, und überhaupt sei er ein ruhmsüchtiger Jude , dessen Herangehensweise dem echten Geist deutscher Wissenschaft fremd sei. 12

Einstein reiste mit dem Zug durch Japan und versäumte am 10. Dezember die offizielle Verleihungszeremonie. Nach einer heftigen Kontroverse über die Frage, ob er als Deutscher oder Schweizer anzusehen sei, wurde der Preis vom deutschen Botschafter entgegengenommen, doch in den offiziellen Aufzeichnungen werden seine beiden Staatsangehörigkeiten genannt.

Die offizielle Verleihungsrede von Arrhenius , dem Vorsitzenden des Komitees, war mit viel Bedacht formuliert. »Heute gibt es wohl kaum einen lebenden Physiker, dessen Name so bekannt ist wie der Albert Einsteins«, begann er. »Die meisten Diskussionen kreisen um seine Relativitätstheorie .« Dann erläuterte er fast herablassend, dass »sie zur Wissenschaftsphilosophie gehöre und daher in philosophischen Kreisen lebhaft diskutiert worden sei«.

Nach dem kurzen Hinweis auf Einsteins andere Arbeit erklärte Arrhenius die Gründe, warum der Laureat nach Auffassung der Akademie den Preis verdiene. »Einsteins Gesetz des photoelektrischen Effekts ist 1905 einer äußerst strengen Prüfung durch den Amerikaner Millikan und seine Studenten unterzogen worden 13 und hat den Test brillant bestanden«, sagte er. »Einsteins Gesetz wurde zur Grundlage der quantitativen Photochemie, wie Faradays Gesetz die Grundlage der Elektrochemie bildet.« 14

Seine offizielle Nobelpreisrede hielt Einstein im folgenden Juli in Göteborg auf der Nordischen Naturforscherversammlung im Beisein von König Gustav V. Einstein sprach nicht über den photoelektrischen Effekt , sondern über die Relativitätstheorie und betonte am Schluss seiner Rede die Bedeutung seines neuen Interessenschwerpunktes, der Suche nach einer einheitlichen Feldtheorie , die die allgemeine Relativitätstheorie mit der elektromagnetischen Theorie und, wenn möglich, mit der Quantenmechanik zusammenbringen sollte. 15

Das Preisgeld belief sich in diesem Jahr auf 121.572 schwedische Kronen oder 32.250 Dollar, was zu dieser Zeit mehr als dem zehnfachen Jahresgehalt eines durchschnittlichen Professors entsprach. Wie es der Scheidungsvertrag mit Marić vorsah, hatte Einstein einen Teil des Geldes direkt nach Zürich überwiesen, wo es in einem Fonds für sie und ihre Söhne angelegt wurde, während der Rest auf ein amerikanisches Konto kam, dessen Zinsen die Züricher Familie direkt nutzen konnte.

Das löste einen erneuten Streit aus. Hans Albert beklagte sich, dass der Familie durch diese Fonds-Regelung nur die Zinsen des Preisgelds zugänglich seien. Abermals griff Zangger ein und glättete die Wogen. Scherzhaft schrieb Einstein an seine Söhne : »Ihr seid dann so reich, dass ich Euch weiss Gott noch einmal werde anpumpen müssen.« Am Ende erwarb Marić mit dem Geld drei Mietshäuser in Zürich . 16

Newtons Eimer und die Wiederauferstehung des Äthers

»Wirklich Neues erfindet man nur in der Jugend«, klagte Einstein einem Freund, nachdem er seine Arbeit über allgemeine Relativität und Kosmologie beendet hatte. »Später wird man immer erfahrener, berühmter und – dümmer.« 17

Im Jahr 1919, das ihn durch die Beobachtungen während der Sonnenfinsternis weltberühmt machte, wurde Einstein vierzig Jahre alt. In den nächsten sechs Jahren lieferte er wichtige Beiträge zur Quantentheorie . Doch danach schien er sich, wenn nicht dumm, so doch etwas stur gegen die Quantenmechanik aufzulehnen und sich auf einen langen, einsamen und erfolglosen Versuch einzulassen, eine einheitliche Theorie zu entwickeln, die die Quantentheorie in einen deterministischeren Rahmen einbinden sollte.

Während der folgenden Jahre wurden neben Elektromagnetismus und Gravitation noch weitere Naturkräfte entdeckt, zudem auch neue Teilchen. Sie alle erschwerten Einsteins Vereinheitlichungsversuche. Auch war er nicht mehr so vertraut mit den neuesten Ergebnissen der Experimentalphysik. Er hatte das alte intuitive Gespür für Wege und Methoden verloren, mit denen er der Natur ihre Grundprinzipien abringen konnte.

Hätte die Wissenschaft Einbußen erlitten, wenn Einstein nach den Sonnenfinsternis -Beobachtungen in den Ruhestand getreten wäre und die verbleibenden 35 Jahre seines Lebens mit Segeln verbracht hätte? Ja, auch wenn sich die meisten seiner Angriffe auf die Quantenmechanik als ungerechtfertigt erwiesen, so hat er doch zur Stärkung der Theorie beigetragen, indem er einige Verbesserungen vorschlug und – eher ungewollt – höchst einfallsreiche, aber, wie sich jedes Mal zeigte, vergebliche Versuche unternahm, Schwächen und Lücken in der Theorie nachzuweisen.

Das wirft eine weitere Frage auf: Warum war Einstein vor seinem vierzigsten Lebensjahr so viel kreativer als danach? Teilweise liegt es an den beruflichen Umständen von Mathematikern und theoretischen Physikern , dass sie ihre großen Durchbrüche haben, bevor sie vierzig werden. 18 »Der Geist wird lahm«, erklärte Einstein einem Freund, »aber das Renomme hängt glitzernd um die verkalkte Schale.« 19

In Einsteins Fall sind seine wissenschaftlichen Erfolge teilweise seiner rebellischen Natur zu verdanken. Es gab eine Beziehung zwischen seiner Kreativität und seiner Bereitschaft, Autorität infrage zu stellen. Dass er kein sentimentales Verhältnis zur alten Ordnung hatte, verlieh ihm die Kraft, sie umzustürzen. Seine Dickköpfigkeit wirkte zu seinem Vorteil.

Aber jetzt, kaum dass er seine jugendlich-unbekümmerten Einstellungen gegen die Bequemlichkeiten eines bürgerlichen Heims eingetauscht hatte, gewann er die feste Überzeugung, dass Feldtheorien die Gewissheiten und den Determinismus der klassischen Physik bewahren könnten. Fortan wirkte seine Dickköpfigkeit zu seinem Nachteil.

Es war ein Schicksal, vor dem ihm schon Jahre zuvor bang gewesen war, nicht lange nachdem er die Welt 1905 mit einer Flut von bahnbrechenden Arbeiten in Staunen versetzt hatte. »Bald komme ich schon ins stationäre und sterile Alter, wo man über revolutionäre Gesinnung der Jungen wehklagt«, hatte er Maurice Solovine gegenüber geklagt, dem einstigen Mitglied der Akademie Olympia . 20

Jetzt, viele Triumphe später, gab es junge Revolutionäre, die in der Tat fanden, dass ihn dieses Schicksal ereilt habe. In einer seiner aufschlussreichsten Bemerkungen über sich selbst meinte Einstein resignierend: »Um mich für meine Autoritätsverachtung zu bestrafen, hat mich das Schicksal selbst zu einer Autorität gemacht.« 21

Daher ist es nicht überraschend, dass Einstein sich während der 1920er-Jahre von einigen seiner früheren und kühneren Ideen distanzierte. Beispielsweise hatte er 1905 in seiner Abhandlung über die spezielle Relativitätstheorie herausfordernd verkündet, das Konzept des Äthers sei »überflüssig«. Doch nachdem er seine allgemeine Relativitätstheorie vollendet hatte, gelangte er zu dem Schluss, dass die Gravitationspotentiale in dieser Theorie die physikalischen Eigenschaften des leeren Raums charakterisierten und als ein Medium dienten, das Störungen übertragen könne. Er bezeichnete dies als eine neue Weise, den Äther zu verstehen. »Ich gebe Ihnen zu, dass die allgemeine Relativitätstheorie der Aetherhypothese näher liegt als die spezielle Relativitätstheorie «, schrieb er 1916 an Lorentz . 22

In einer Vorlesung in Leiden im Mai 1920 schlug Einstein öffentlich eine Reinkarnation, wenn auch keine Wiedergeburt, des Äthers vor. »Indessen lehrt ein genaueres Nachdenken, daß diese Leugnung des Äthers nicht notwendig durch das spezielle Relativitätsprinzip gefordert wird«, erklärte er. »Man kann die Existenz eines Äthers annehmen; nur muß man darauf verzichten, ihm einen bestimmten Bewegungszustand zuzuschreiben.«

Diese revidierte Auffassung sei, sagte er, durch die Ergebnisse der allgemeinen Relativitätstheorie gerechtfertigt. Der neue Äther sei vom alten verschieden, der als ein Medium verstanden worden sei, in dem sich Wellen ausbreiten und so erklären sollten, wie sich Lichtwellen durch den Raum bewegten. Nun führte er das Konzept wieder ein, um Rotation und Trägheit zu erklären.

Vielleicht hätte er eine gewisse Verwirrung vermeiden können, wenn er sich für einen anderen Begriff entschieden hätte. Doch in seiner Rede stellte er klar, dass er das Wort absichtlich wiederverwendete:

Den Äther leugnen, bedeutet letzten Endes annehmen, daß dem leeren Raume keinerlei physikalische Eigenschaften zukommen. Mit dieser Auffassung stehen die fundamentalen Tatsachen der Mechanik nicht im Einklang (…) [N]eben den beobachtbaren Objekten [muss] noch ein anderes, nicht wahrnehmbares Ding als real angesehen werden (…), um die Beschleunigung bzw. die Rotation als etwas Reales ansehen zu können. (…) Damit ist aber auch der Ätherbegriff wieder zu einem deutlichen Inhalt gekommen, freilich zu einem Inhalt, der von dem des Äthers der mechanischen Undulationstheorie des Lichtes weit verschieden ist. (…) Nach der allgemeinen Relativitätstheorie ist der Raum mit physikalischen Qualitäten ausgestattet; es existiert also in diesem Sinne ein Äther . Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie ist ein Raum ohne Äther undenkbar; denn in einem solchen gäbe es nicht nur keine Lichtfortpflanzung, sondern auch keine Existenzmöglichkeit von Maßstäben und Uhren, also auch keine räumlich-zeitlichen Entfernungen im Sinne der Physik. Dieser Äther darf aber nicht mit der für ponderable Medien charakteristischen Eigenschaft ausgestattet gedacht werden, aus durch die Zeit verfolgbaren Teilen zu bestehen; der Bewegungsbegriff darf auf ihn nicht angewendet werden. 23

Was hat es also mit diesem reinkarnierten Äther auf sich, und was bedeutet er für Machs Prinzip und die Frage, die durch Newtons Eimer aufgeworfen wird? 24 Anfänglich hatte Einstein – ganz im Sinne Machs  – begeistert verkündet, dass die Rotation einfach eine Bewegung relativ zu anderen Objekte im Raum sei. Mit anderen Worten, wenn man sich im Inneren eines Eimers befindet, der im leeren Raum hängt, und es keine anderen Objekte im Universum gibt, lässt sich prinzipiell nicht entscheiden, ob man sich mitsamt dem Eimer dreht oder nicht. Einstein schrieb Mach sogar, er müsse eigentlich erfreut sein, dass sein Prinzip durch die allgemeine Relativitätstheorie bestätigt werde.

Das hatte er auch in einem Brief an Schwarzschild bekräftigt, den hochbegabten jungen Wissenschaftler, der Einstein während des Krieges einen Brief von der deutsch-russischen Front geschrieben und ihm darin die seltsamen Implikationen der allgemeinen Relativitätstheorie erläutert hatte. »Die Trägheit ist eben nach meiner Theorie im letzten Grunde eine Wechselwirkung der Massen, nicht eine Wirkung, bei welcher ausser der ins Auge gefassten Masse der ›Raum‹ als solcher beteiligt ist«, hatte Einstein erklärt. 25 Aber Schwarzschild teilte diese Einschätzung nicht.

Und jetzt, vier Jahre später, hatte Einstein seine Ansicht geändert. In seiner Leidener Rede hatte er, anders als in der Deutung der allgemeinen Relativitätstheorie aus dem Jahr 1916, die Auffassung vertreten, aus seiner Feldtheorie der Gravitation folge, dass leerer Raum physikalische Eigenschaften habe. Das mechanische Verhalten eines im leeren Raume schwebenden körperlichen Systems, wie etwa des Newton ’schen Eimers, »hängt nämlich außer von den (…) relativen Geschwindigkeiten noch von seinem Drehungszustande ab«. Und das heißt, der leere Raum besitzt »physikalische Eigenschaften«.

Wie er offen zugab, folgte daraus, dass er jetzt das Mach’sche Prinzip aufgab. Unter anderem ergibt sich aus Machs Idee – die Trägheit wird durch das Vorhandensein aller fernen Körper im Universum verursacht –, dass diese Körper instantan auf ein Objekt wirken könnten, obwohl sie weit entfernt sind. Einsteins Theorie schloss unvermittelte Fernwirkungen aus. Selbst Gravitation entfaltet ihre Kraft nicht instantan, sondern durch Veränderungen des Gravitationsfelds , die an die Lichtgeschwindigkeit gebunden sind. »Aber ein Trägheitswiderstand gegenüber relativer Beschleunigung ferner Massen setzt unvermittelte Fernwirkung voraus«, führte Einstein aus. »Da der moderne Physiker eine solche nicht annehmen zu dürfen glaubt, so landet er auch bei dieser Auffassung wieder beim Äther , der die Trägheitswirkungen zu vermitteln hat.« 26

Diese Frage wird heute noch kontrovers diskutiert, aber Einstein schien – zumindest zur Zeit seiner Leidener Vorlesung – zu glauben, das Wasser in Newtons Eimer werde auch in einem Universum bar sonstiger Objekte gegen die Wand gedrückt. »Im Unterschied zu dem, was Mach vorhergesagt hätte« schreibt Brian Greene , verkünde die allgemeine Relativitätstheorie , »dass Sie auch in einem ansonsten leeren Universum spüren würden, wie Sie gegen die Innenwand des rotierenden Eimers gepresst würden«. Daraus schließe Einstein, »dass die leere Raumzeit sogar in der allgemeinen Relativitätstheorie ein Bezugsystem für beschleunigte Bewegung liefere«. 27

Die Trägheit , die das Wasser die Wand hinaufdrückt, wird durch die Drehbewegung relativ zum metrischen Feld verursacht, das Einsteins Reinkarnation des Äthers ist. Infolgedessen musste er die Möglichkeit akzeptieren, dass die allgemeine Relativitätstheorie den Begriff der absoluten Bewegung nicht notwendigerweise beseitigt, zumindest in Hinblick auf die Metrik der Raumzeit . 28

Das war weder ein echter Rückzug noch eine Rückkehr zum Ätherbegriff des 19. Jahrhunderts. Aber es war eine konservativere Sichtweise des Universums und stellte einen Bruch mit Machs Radikalität dar, die Einstein sich einst so zu eigen gemacht hatte.

Das bereitete ihm natürlich Unbehagen. Die Notwendigkeit, einen Äther zu dulden, der unabhängig von der Materie existierte, ließ sich seiner Meinung nach am besten durch die Entwicklung der einheitlichen Feldtheorie beseitigen, die sich ihm so hartnäckig entzog. Was für ein Triumph wäre das! »Es würde dann der Gegensatz Äther  – Materie verblassen«, sagte er, »und die ganze Physik zu einem (…) geschlossenen Gedankensystem werden.« 29

Niels Bohr, Laser und »Zufall«

Die bei Weitem wichtigste Manifestation jenes Übergangs vom Revolutionär zum Konservativen, den Einstein in seinen mittleren Jahren vollzog, war sein wachsender Widerstand gegen die Quantentheorie , die Mitte der 1920er-Jahre ein radikal neues System der Mechanik hervorbrachte. Seine Bedenken gegenüber der Quantenmechanik und sein Suchen nach einer einheitlichen Theorie, welche die neue Mechanik mit der Relativitätstheorie versöhnen und wieder für Gewissheit in der Natur sorgen sollte, beherrschte – und beeinträchtigte bis zu einem gewissen Grad – die zweite Hälfte seiner wissenschaftlichen Laufbahn.

Einst war er ein furchtloser Quantenpionier. Zusammen mit Max Planck leitete er die Revolution zu Beginn des Jahrhunderts ein; im Gegensatz zu Planck hatte er zu den wenigen Forschern gehört, die wirklich an die physikalische Realität der Quanten glaubten – dass Licht tatsächlich in Energiepaketen vorkomme. Diese Quanten verhielten sich wie Teilchen, wie unteilbare Einheiten, und waren keine Komponenten eines Kontinuums.

1909 hatte er in seiner Salzburger Rede vorhergesagt, die Physik werde sich mit einer Dualität abfinden müssen, in der das Licht sowohl als Welle wie als Teilchen zu betrachten sei. 1911, auf der ersten Solvay-Konferenz , hatte er erklärt: »Jene Unstetigkeiten, die uns an Plancks Theorie so sehr abstoßen, scheinen in der Natur wirklich vorhanden zu sein.« 30

Planck wehrte sich gegen die Idee, seine Quanten besäßen tatsächlich eine physikalische Realität, deshalb sah er sich, als er Einstein für die Wahl in die Preußische Akademie vorschlug, zu der Bemerkung veranlasst: »Seine Hypothese der Lichtquanten mag ein wenig über das Ziel hinausschießen.« Auch andere Forscher lehnten Einsteins Quantenhypothese ab. Walther Nernst nannte sie »wahrscheinlich das Merkwürdigste, was jemals erdacht wurde«, und Robert Millikan hielt sie für »völlig unhaltbar«, und das, obwohl er ihre Vorhersagefähigkeit in seinem Labor bestätigt hatte. 31

Eine neue Phase der Quantenrevolution wurde 1913 eingeläutet, als Niels Bohr ein anderes Atommodell vorschlug. Bohr , ein brillanter, aber ziemlich scheuer und wortkarger Däne, war sechs Jahre jünger als Einstein und daher in der Lage, von der Forschung über Quantentheorie zu profitieren, die von Deutschen wie Planck und Einstein geleistet worden war, aber auch von den Atommodellen , die J. J. Thomson und Ernest Rutherford in England entwickelt hatten. »Damals war die Quantentheorie eine deutsche Erfindung, deren Kunde noch kaum nach England gedrungen war«, erinnerte sich Arthur Eddington . 32

Bohr hatte bei Thomson in Cambridge studiert. Aber der maulfaule Däne und der schroffe Brite hatten Kommunikationsprobleme. Daher zog Bohr weiter nach Manchester , um bei dem aufgeschlosseneren Rutherford zu arbeiten, der ein Atommodell entwickelt hatte, in dem winzige negativ geladene Elektronen um einen positiv geladenen Kern kreisten. 33

Aufgrund der auf der klassischen Physik basierenden Annahme, dass diese Elektronen nicht in den Kern stürzen, sondern ein kontinuierliches Strahlungsspektrum emittieren, nahm Bohr eine Verbesserung vor. In Bohrs neuem, am Wasserstoffatom entwickelten Modell kreist ein Elektron auf bestimmten erlaubten Kreisbahnen in Zuständen mit diskreten Energien um einen Kern. Das Atom kann Energie aus der Strahlung (etwa Licht) nur in Stufen absorbieren, die das Atom auf die nächste erlaubte Kreisbahn befördern. Entsprechend kann das Atom Strahlung nur in Stufen emittieren, die das Elektron auf die nächstniedrige erlaubte Kreisbahn springen lassen.

Wenn ein Elektron sich von einer Kreisbahn auf die nächste zubewegt, ist das ein Quantensprung . Es ist ein diskreter, diskontinuierlicher Wechsel von einer Ebene zu einer anderen ohne Zwischenschritte. Anschließend wies Bohr nach, dass dieses Modell die Linien im Lichtspektrum erklärt, welche das Wasserstoffatom emittiert.

Einstein war nicht nur beeindruckt, sondern auch ein wenig eifersüchtig, als er von Bohrs Theorie erfuhr. Ein Wissenschaftler berichtete an Rutherford : »Er [Einstein] erzählte mir, er habe auch einmal ähnliche Ideen gehabt, aber nicht gewagt, sie zu veröffentlichen.« Später sagte Einstein über Bohrs Entdeckung: »Dies ist höchste Musikalität auf dem Gebiete des Gedankens.« 34

1916 verwendete Einstein Bohrs Modell in einer Reihe von Artikeln, deren wichtigster »Zur Quantentheorie der Strahlung« lautete, ein Vortrag, der 1917 in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde. 35

Einstein begann mit einem Gedankenexperiment: Eine Kammer ist mit einer Atomwolke gefüllt, die in Licht (oder irgendeine andere Form elektromagnetischer Strahlung) badet. Dann verknüpfte Einstein Bohrs Atommodell mit Max Plancks Quantenmodell. Wenn jede Veränderung in einem Elektronenorbit der Absorption oder Emission eines Lichtquants entspricht, ergibt sich augenblicklich ein neuer und besserer Weg, um die Planck ’sche Formel für die Erklärung der Schwarzkörperstrahlung abzuleiten. Einstein brüstete sich gegenüber seinem Freund Michele Besso : »Es ist mir ein prächtiges Licht über die Absorption und Emission der Strahlung aufgegangen; es wird Dich interessieren. Eine verblüffend einfache Ableitung der Planck ’schen Formel, ich möchte sagen die Ableitung. Alles ganz quantisch.« 36

Strahlung wird von Atomen spontan emittiert, doch Einstein entwickelte die Theorie, dass sich dieser Prozess anregen lasse. Vereinfacht können wir uns vorstellen, dass sich ein Atom bereits in einem energiereichen Zustand befindet, weil es ein Photon absorbiert hat. Wenn dann ein anderes Photon mit einer ganz bestimmten Wellenlänge auf das Atom abgeschossen wird, können am Ende zwei Photonen mit derselben Wellenlänge und Richtung emittiert werden. Was Einstein tatsächlich entdeckte, ist etwas komplizierter. Nehmen wir an, in ein Atomgas wird Energie gepumpt, etwa durch Elektrizität oder Licht. Viele Atome werden Energie absorbieren und in einen höheren Energiezustand übergehen, woraufhin sie anfangen, Photonen zu emittieren. Einstein argumentierte, das Vorhandensein dieser Photonenwolke erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon von derselben Wellenlänge und Richtung emittiert werde, wie sie bereits andere Photonen in der Wolke aufwiesen. 37 Dieser Prozess der stimulierten Emission wurde fast vierzig Jahre später der Ausgangspunkt für die Erfindung des Lasers , eines Akronyms für light amplification by the stimulated emission of radiation (Licht-Verstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung).

Teilweise weist die Einstein’sche Quantentheorie der Strahlung seltsame Verästelungen auf. »[Es] lässt sich überzeugend darthun«, teilte er Besso mit, »dass die Elementarprozesse der Emission und Absorption gerichtete Vorgänge sind.« 38 Mit anderen Worten, wenn ein Photon von einem Atom emittiert wird, so geschieht das nicht (wie es nach der klassischen Theorie der Fall wäre) in alle Richtungen gleichzeitig. Stattdessen hat ein Photon einen Impuls . Mit anderen Worten, die Gleichungen stimmen nur, wenn jedes Strahlungsquant in eine bestimmte Richtung emittiert wird.

Das war eigentlich kein Problem. Doch es gab einen Haken: Es bestand keine Möglichkeit, die Richtung eines emittierten Photons zu bestimmen. Außerdem war es unmöglich, den Zeitpunkt der Emission vorherzusagen. Befand sich ein Atom in einem höheren Energiezustand, war es allerdings möglich, die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass ein Photon zu irgendeinem bestimmten Zeitpunkt emittiert wurde. Unmöglich blieb es hingegen, den Augenblick der Emission genau vorherzusagen. Ebenso wenig war es möglich, die Richtung zu bestimmen. Egal, wie viel Information vorlag: Es blieb alles dem Zufall überlassen – wie beim Würfeln.

Das war ein Problem. Es gefährdete den strengen Determinismus der Newton ’schen Mechanik. Damit wurde die Gewissheit der klassischen Physik untergraben und die Überzeugung infrage gestellt, dass man, wären alle Positionen und Geschwindigkeiten in einem System bekannt, dessen Zukunft genau vorhersagen könnte. Die Relativitätstheorie mag radikal erscheinen, aber zumindest bewahrte sie die strengen Regeln von Ursache und Wirkung. Doch das sprunghafte, unberechenbare Verhalten der beunruhigenden Quanten störte diese Kausalität .

»Die Schwäche der Theorie liegt (…) darin«, räumte Einstein ein, »daß sie Zeit und Richtung der Elementarprozesse dem ›Zufall ‹ überläßt.« Der Begriff des Zufalls war so verstörend für ihn, so seltsam, dass er das Wort in Anführungszeiten setzte, als wollte er sich von ihm distanzieren. 39

Für Einstein wie für die meisten klassischen Physiker wurde das gesamte Programm ihrer Disziplin durch die Idee untergraben, dass dem Universum eine grundlegende Zufälligkeit innewohne – dass Ereignisse ohne eine Ursache geschehen könnten. Tatsächlich vermochte er sich nie mit dieser Idee abzufinden. »Das mit der Kausalität plagt auch mich viel«, schrieb er 1920 an Max Born . »Ist die quantenhafte Licht-Absorption und Emission wohl jemals im Sinne der vollständigen Kausalitätsforderung erfassbar?« 40

Sein Leben lang lehnte Einstein die Vorstellung ab, dass Wahrscheinlichkeiten und Ungewissheiten die Natur im Bereich der Quantenmechanik regierten. »Der Gedanke, dass ein einem Strahl ausgesetztes Elektron aus freiem Entschluss den Augenblick und die Richtung wählt, in der es fortspringen will, ist mir unerträglich«, beklagte er sich einige Jahre später bei Born . »Wenn schon, dann möchte ich lieber Schuster oder gar Angestellter in einer Spielbank sein als Physiker.« 41

Philosophisch schien Einsteins Reaktion die Haltung der Antirelativisten widerzuspiegeln, nach deren Interpretation (oder Fehlinterpretation) Einsteins Relativitätstheorie das Ende aller Gewissheiten und Absolutheiten in der Natur bedeutete. Doch nach Einsteins Verständnis führte die Relativitätstheorie stattdessen zu einer tieferen Beschreibung der Gewissheiten und Absolutheiten – Invarianzen nannte er sie –, die auf der Verbindung von Raum und Zeit zu einem vierdimensionalen Gebilde beruhten. Die Quantentheorie dagegen stützte sich auf echte, fundamentale Ungewissheiten in der Natur, die sich nur in Form von Wahrscheinlichkeiten beschreiben ließen.

Zu einer ersten Begegnung zwischen Einstein und Bohr kam es 1920, als der junge Physiker, der in Kopenhagen zum führenden Vertreter der Quantenmechanik aufgestiegen war, Einstein in seiner Berliner Wohnung besuchte. Bohr brachte Käse und Butter aus Dänemark mit und begann eine Diskussion über die Rolle, die Zufall und Wahrscheinlichkeit in der Quantenmechanik spielen. Einstein konnte sich nicht dazu durchringen, »auf Kontinuität und Kausalität zu verzichten«. Bohr drang viel mutiger in diesen rätselhaften Bereich vor, indem er erklärte, der Verzicht auf Kausalität erscheine »als die einzige Möglichkeit (…), das vielfältige Material aus dem Bereiche der atomaren Phänomene zu koordinieren«.

Einstein gab zu, beeindruckt zu sein, äußerte aber auch seine Besorgnis über die Konsequenzen der Bohr ’schen Entdeckungen zum Atomaufbau und die Zufälligkeit, die sich daraus für die Quantennatur der Strahlung ergab. »Ich hätte wahrscheinlich selbst auf etwas derartiges kommen können, aber wenn das alles wahr ist, bedeutet es das Ende der Physik.« 42

Obwohl sich Einstein gegen Bohrs Idee sträubte, fand er den schlaksigen, zwanglosen Dänen sympathisch. »Nicht oft im Leben hat mir ein Mensch durch seine blosse Gegenwart solche Freude gemacht wie Sie«, schrieb er Bohr gleich nach dem Besuch und fügte hinzu, es sei ein »Vergnügen« gewesen, »Ihr freundliches Jungen-Gesicht vor mir zu sehen«. Nicht weniger begeistert äußerte er sich hinter Bohrs Rücken. »Bohr war hier, und ich bin ebenso verliebt in ihn wie Du«, schrieb er ihrem gemeinsamen Freund Ehrenfest in Leiden . »Er ist wie ein höchst feinfühliges Kind und geht in einer Art Hypnose in dieser Welt herum.« 43

Bohr seinerseits verehrte Einstein. Als 1922 bekannt gegeben wurde, dass sie beide in zwei aufeinanderfolgenden Jahren den Nobelpreis gewonnen hatten, schrieb Bohr , seine Freude sei dadurch gesteigert worden, dass Einstein vor ihm für den »grundlegenden Beitrag auf dem spezielleren Gebiet, auf dem ich arbeite«, geehrt wurde. 44

Auf der Heimreise von seiner Nobelpreisrede im folgenden Sommer machte Einstein einen Zwischenhalt in Kopenhagen , um Bohr zu besuchen, der ihn am Bahnhof abholte, um mit ihm in der Straßenbahn zu seiner Wohnung zu fahren. »Wir nahmen die Straßenbahn und unterhielten uns so angeregt, daß wir viel zu weit fuhren«, berichtete Bohr später. »Wir stiegen aus und fuhren zurück, aber auch dieses Mal fuhren wir zu weit. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stationen, aber wir fuhren hin und zurück mit der Straßenbahn.« Keinen der beiden schien es zu stören, weil sie in ihr Gespräch so vertieft waren. »[Wir fuhren] viele Male mit der Straßenbahn hin und her«, fuhr Bohr fort, »und was die Leute von uns dachten, mag dahingestellt bleiben.« 45

Ihre Beziehung war mehr als eine Freundschaft, sie wurde zu einer intellektuellen Verschränkung, die mit unterschiedlichen Auffassungen über die Quantenmechanik begann, aber rasch auf verwandte Gebiete wie Wissenschaft, Erkenntnistheorie und Philosophie übergriff. »In der gesamten Geschichte des menschlichen Denkens ist kein bedeutenderer Dialog geführt worden als der, in dem Niels Bohr und Albert Einstein die Bedeutung des Quants zu klären versuchten«, bemerkte der Physiker John Wheeler , der bei Bohr studiert hatte. Der Sozialphilosoph C. P. Snow ging noch einen Schritt weiter. »Nie ist eine tiefgründigere Debatte geführt worden«, stellte er fest. 46

Ihre Auseinandersetzung führte ins innerste Herz der Beschaffenheit des Kosmos: Gab es eine objektive Wirklichkeit, die vorhanden war, ob wir sie beobachteten oder nicht? Gab es Gesetze, die durch und durch zufällig erscheinenden Phänomenen eine strenge Kausalität zurückgaben? War alles im Universum vorherbestimmt?

Bis an sein Lebensende sollte Bohr mit sich hadern, dass es ihm nie gelungen war, Einstein zur Quantenmechanik zu bekehren. Einstein, Einstein, Einstein, murmelte er nach jeder dieser erbitterten Auseinandersetzungen. Aber es waren Diskussionen, die mit tiefer Zuneigung und viel Humor geführt wurden. Als Einstein bei einer ihrer vielen Begegnungen erklärte, dass Gott nicht würfele, konterte Bohr mit den berühmten Worten: Einstein, hören Sie endlich auf, Gott vorzuschreiben, was er zu tun hat! 47

Quantensprünge

Im Gegensatz zur Entwicklung der Relativitätstheorie , die der Arbeit eines Menschen zu verdanken war, der sie mutterseelenallein in ihrer ganzen Pracht schuf, entstand die Quantenmechanik in den Jahren von 1924 bis 1927 dank dem geballten Tatendrang einer Gruppe junger Wilder, die teils parallel und teils gemeinsam arbeiteten. Dabei stützten sie sich einerseits auf die Grundlagen, die Planck und Einstein geschaffen hatten, wobei die beiden Gründerväter sich weiterhin den radikalen Auswüchsen der Quantentheorie widersetzten, und andererseits auf die Entdeckungen von Bohr , der zu einer Art Mentor für die neue Generation wurde.

Louis de Broglie , der den Titel Prinz trug, weil er mit der abgesetzten königlichen Familie Frankreichs verwandt war, studierte Geschichte mit der Absicht, in den Staatsdienst zu treten, entdeckte aber schon bald die Liebe zur Physik. Seine Dissertation trug zum Umbruch der Disziplin bei. Wenn eine Welle sich wie ein Teilchen verhalten könne, fragte er, sollte sich dann nicht auch ein Teilchen wie eine Welle verhalten können?

Mit anderen Worten, Einstein hatte gesagt, man solle das Licht nicht nur als Welle betrachten, sondern auch als Teilchen. Nun wollte Broglie , dass man ein Teilchen wie das Elektron außerdem noch als Welle betrachtete. »Ich hatte eine plötzliche Erleuchtung«, erinnerte sich de Broglie später. »Einsteins Welle-Teilchen-Dualismus war ein vollkommen allgemeines Phänomen, das sich auf alle Bereiche der physikalischen Natur erstreckte. Daher musste die Bewegung aller Teilchen – Photonen , Elektronen , Protonen und so fort – mit der Ausbreitung einer Welle assoziiert sein.« 48

Von Einsteins Gesetz des photoelektrischen Effekts ausgehend, zeigte de Broglie , dass die Wellenlänge, die mit einem Elektron (oder irgendeinem anderen Teilchen) assoziiert ist, gleich der Planck -Konstante geteilt durch den Impuls des Teilchens ist. Das ergab eine unvorstellbar winzige Wellenlänge, woraus folgt, dass de Broglies Ergebnis gewöhnlich nur für Teilchen im subatomaren Bereich relevant ist, aber nicht für Dinge wie Kieselsteine, Planeten oder Tennisbälle. 49

In Bohrs Atommodell können Elektronen ihre Bahnen (oder genauer ihre stabilen Muster stehender Wellen) nur durch bestimmte Quantensprünge wechseln. Zur Erklärung dieses Phänomens trug de Broglies Dissertation bei, da sie zeigte, dass man Elektronen nicht nur als Teilchen, sondern auch als Wellen betrachten kann. Diese Wellen verlaufen auf einer kreisförmigen Bahn um den Kern. Das funktioniert nur, wenn der Kreisumfang einem ganzzahligen Vielfachen (also etwa dem Doppelten, Dreifachen, Vierfachen) der Wellenlänge des Teilchens entspricht; die Teilchenwelle passt nicht in den vorgeschriebenen Kreis, wenn der Bruchteil einer Wellenlänge übrig bleibt.

Von den drei getippten Exemplaren seiner Dissertation, die de Broglie besaß, schickte er eines an seinen Doktorvater Paul Langevin , der Einsteins (und Madame Curies ) Freund war. Etwas verwirrt erbat Langevin noch ein weiteres Exemplar der Arbeit und sandte es Einstein zu, der die Arbeit überschwänglich lobte. Sie habe, sagte Einstein, »den Zipfel eines großen Schleiers gelüftet«. Stolz berichtete de Broglie : »Dies veranlasste Langevin , meine Arbeit als Dissertation anzunehmen.« 50

Einstein lieferte seinen eigenen Beitrag, als er im Juni des Jahres eine Arbeit von Satyendranath Bose erhielt, einem jungen Physiker aus Indien. Dieser leitete das Planck ’sche Gesetz der Schwarzkörperstrahlung ab, indem er die Strahlung als eine Wolke von Gasteilchen betrachtete und diese Wolke dann mithilfe einer statistischen Methode analysierte. Doch da gab es noch eine Besonderheit: Bose sagte, wenn zwei beliebige Photonen den gleichen Energiezustand hätten, seien sie theoretisch wie praktisch vollkommen ununterscheidbar und müssten nicht separat in den statistischen Berechnungen berücksichtigt werden.

Boses kreative Verwendung der statistischen Analyse erinnert an Einsteins jugendliche Begeisterung für diese Methode. Dieser ließ nicht nur Boses Papier veröffentlichen, sondern fügte noch drei eigene Arbeiten hinzu, in denen er Boses Zählweise – später als Bose -Einstein-Statistik bezeichnet – auf konkrete Gasmoleküle anwendete und so zum eigentlichen Erfinder der Quantenstatistik wurde.

Bose beschäftigte sich in seiner Arbeit mit Photonen , die keine Masse haben. Einstein erweiterte die Idee, indem er Quantenteilchen mit Masse in gewissen Fällen aus statistischen Gründen als ununterscheidbar behandelte. »Quanten bzw. Moleküle [werden] nicht als voneinander statistisch unabhängige Gebilde behandelt«, schrieb er. 51

Die entscheidende Erkenntnis, die Einstein aus Boses ursprünglicher Arbeit übernahm, betrifft die Art und Weise, wie die Wahrscheinlichkeiten für jeden möglichen Zustand vielfältiger Quantenteilchen ermittelt werden. Zum besseren Verständnis schlug der Physiker Douglas Stone von der Yale University vor, wir sollten uns vorstellen, die Berechnung werde für Würfel durchgeführt. Um herauszufinden, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, mit zwei Würfeln (A und B) in der Summe eine gewinnbringende 7 zu würfeln, werten wir die Möglichkeit, dass A eine 4 und B eine 3 zeigt, als ein Resultat und die Möglichkeit, dass A eine 3 und B eine 4 zeigt, als ein anderes Resultat – das heißt, wir zählen beide Kombinationen als unterschiedliche Wege, eine 7 zu produzieren. Einstein erkannte, dass die neue Art, die Wahrscheinlichkeit von Quantenzuständen zu berechnen, beinhaltete, solche Kombinationen nicht als zwei verschiedene Möglichkeiten zu betrachten, sondern nur als eine einzige. Eine 4 – 3-Kombination lässt sich dann von einer 3 – 4-Kombination nicht unterscheiden; entsprechend ist eine 5 – 2 ununterscheidbar von einer 2 – 5.

Das reduziert die Zahl der Möglichkeiten, mit zwei Würfeln eine 7 zu würfeln, auf die Hälfte. Auf die Zahl der Möglichkeiten, eine 2 oder eine 12 zu bekommen, wirkt sich die Methode dagegen nicht aus (denn unabhängig von der Zählweise gibt es in diesen Fällen nur jeweils eine Möglichkeit, die betreffende Summe zu würfeln). Auch die Chancen, eine Gesamtpunktzahl von 6 zu erzielen, verringert sich dadurch nur von fünf auf drei. Wenn wir alle Möglichkeiten ein paar Minuten überschlagen, erkennen wir, wie dieses System die Gesamtwahrscheinlichkeit für alle Zahlen verändert. Die durch die neue Berechnungsmethode bewirkten Veränderungen sind noch größer, wenn wir sie auf Dutzende von Würfeln anwenden. Und haben wir es gar mit Milliarden von Teilchen zu tun, verschieben sich die Wahrscheinlichkeiten ganz gewaltig.

Als Einstein seine Methode auf ein Gas von Quantenteilchen anwendete, entdeckte er eine erstaunliche Eigenschaft: Anders als Gas von klassischen Teilchen, die ein Gas bleiben, wenn sie sich nicht gegenseitig anziehen, kann Gas von Quantenteilchen zu einer Art Flüssigkeit kondensieren, auch wenn keine Anziehungskraft zwischen ihnen wirkt.

Dieses Phänomen, heute als Bose -Einstein-Kondensation bezeichnet, 52 war eine brillante und wichtige Entdeckung in der Quantenmechanik , an der Einstein das Hauptverdienst trug. Bose hatte nicht ganz verstanden, wie fundamental neu die mathematische Statistik, die er verwendete, als Methode war. Wie im Fall der Planck -Konstante erkannte Einstein, als er die Entdeckung eines anderen Forschers betrachtete, die physikalische Realität, die ihr zugrunde lag, und die Bedeutung, die sie besaß. 53

Mit Einsteins Methode ließen sich Teilchen behandeln, als hätten sie wellenartige Eigenschaften, wie er selbst und de Broglie es vorhergesagt hatten. Einstein hatte sogar behauptet, dass sie, führte man Thomas Youngs altes Doppelspalt-Experiment 54 mit einem Strahl von Gasmolekülen durch, einander überlagerten, als seien sie Wellen. »So müßte ein Strahl von Gasmolekülen, der durch eine Öffnung hindurchgeht«, schrieb er, »eine Beugung erfahren, die der eines Lichtstrahles analog ist.« 55

Erstaunlicherweise bewiesen schon bald Experimente, dass er recht hatte. Obwohl Einstein Probleme mit der Richtung hatte, in die sich die Quantentheorie entwickelte, war er – zumindest zu dieser Zeit – einer der Forscher, die sie vorantrieben. »Einstein ist darum ganz zweifellos beteiligt an der Begründung der Wellenmechanik «, sagte sein Freund Max Born später, »und kein Alibi kann das widerlegen.« 56

Einstein räumte ein, dass ihm diese gegenseitige Einflussnahme der Teilchen »ganz rätselhaft« sei, da es ihm vorkam, als sollten sie eigentlich unabhängig voneinander sein. Die Quanten bzw. Moleküle »[werden] nicht als voneinander statistisch unabhängige Gebilde behandelt«, schrieb er an einen anderen Physiker. In einem Postskript räumte er allerdings ein, dass »ihre physikalische Natur aber noch schleierhaft« sei. 57

Oberflächlich betrachtet, verletzte die Annahme, dass zwei Teilchen so behandelt wurden, als seien sie nicht zu unterscheiden, ein Prinzip, dem Einstein in Zukunft trotzdem treu zu bleiben versuchte: das Prinzip der Separabilität (Trennungsprinzip), nach dem Teilchen, die sich an unterschiedlichen Orten im Raum befinden, unabhängig voneinander existieren. Unter anderem hatte sich Einstein mit der Relativitätstheorie das Ziel gesetzt, jede Form »spukhafter Fernwirkung« zu vermeiden, um seine berühmte Formulierung zu verwenden – spukhaft, weil sich das, was einem Körper zustieß, angeblich unmittelbar auf einen anderen, fernen Körper auswirkte.

Abermals gehörte Einstein zu den Ersten, die einen Aspekt der Quantentheorie entdeckten, der ihm in der Zukunft Missbehagen bereiten sollte. Und wieder machten sich jüngere Kollegen seine Ideen rascher zu eigen als er selbst – so wie er es einst getan hatte, als es um die Folgen ging, die sich aus den Ideen von Planck , Poincaré und Lorentz ergaben. 58

Einen weiteren Schritt tat ein Akteur, von dem man es eigentlich nicht erwartet hatte. Erwin Schrödinger war ein theoretischer Physiker aus Österreich, der sich, nachdem er sich vergebens bemüht hatte, etwas Bedeutendes zu entdecken, enttäuscht der Philosophie zugewandt hatte. Doch offenbar besaß die Welt schon genügend österreichische Philosophen, denn er konnte in dem Bereich keine Anstellung finden. So blieb er bei der Physik und entwickelte, angeregt von Einsteins Begeisterung über de Broglie , eine eigene Theorie, die Wellenmechanik . Sie enthielt eine Reihe von Gleichungen, die de Broglies wellenartiges Verhalten von Elektronen wiedergaben, das Schrödinger (indem er das Verdienst zwischen den beiden aufteilte, denen es seiner Meinung nach zukam) »Einstein-de-Broglie -Wellen« nannte. 59

Zunächst reagierte Einstein mit Begeisterung, die aber bald nachließ, als ihm einige Konsequenzen der Schrödinger -Wellen klar wurden, vor allem der Umstand, dass sie sich im Laufe der Zeit über eine enorme Fläche ausbreiteten. Nach Einsteins Auffassung konnte ein Elektron solche Wellenbewegungen nicht ausführen. Wofür also stand die Wellengleichung in der Realität?

Hilfe kam von dem in Göttingen lehrenden Physiker Max Born , einem, wie wir wissen, guten Freund, mit dem (und dessen Frau Hedwig ) Einstein in regem Briefwechsel stand. Born schlug vor, dass die Welle nicht das Verhalten des Teilchens beschrieb, sondern seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt. 60 Dieser Ansatz zeigte – mehr noch als frühere Entwürfe –, dass die Quantenmechanik entscheidend auf dem Zufall basierte und nicht auf kausalen Gewissheiten, was Einstein noch mehr verstimmte. 61

Mittlerweile war im Sommer 1925 noch ein weiterer quantenmechanischer Ansatz entwickelt worden, dieses Mal von Werner Heisenberg , einem sympathischen, naturverbundenen 23-Jährigen der bei Niels Bohr in Kopenhagen und anschließend bei Max Born in Göttingen studiert hatte. Wie Einstein in seiner radikaleren Jugend begann auch Heisenberg mit Ernst Machs Prinzip, dass Theorien alle Ideen vermeiden müssten, die sich nicht beobachten, messen oder verifizieren ließen. Für Heisenberg hieß das, dass er auf den Begriff der Elektronenbahnen verzichten musste, da diese sich nicht beobachten ließen.

Stattdessen stützte er sich auf einen mathematischen Ansatz, der etwas erklären sollte, das sich direkt beobachten ließ: die Wellenlängen der Spektrallinien in der Strahlung, die Elektronen aussenden, wenn sie Energie verlieren. Das Ergebnis war so komplex, dass er seine Arbeit Born gab und zu einer Zelttour mit Mitgliedern seiner Jugendgruppe aufbrach in der Hoffnung, sein Mentor werde schon daraus schlau werden. Born gelang es. Die zugrunde liegende Mathematik war die sogenannter Matrizen, und Born brachte Ordnung in die Sache und ließ die Arbeit publizieren. 62 In Zusammenarbeit mit Born und anderen Göttinger Kollegen vervollkommnete Heisenberg anschließend eine Matrizenmechanik , die – wie nachgewiesen werden konnte – äquivalent zu Schrödingers Wellenmechanik war.

Höflich schrieb Einstein an Borns Frau Hedwig : »Die Heisenberg -Bornschen Gedanken halten alle in Atem.« Diese sorgfältig gewählten Worte lassen sich unterschiedlich interpretieren. In einem Schreiben an Ehrenfest in Leiden nahm Einstein kein Blatt vor den Mund: »Heisenberg hat ein grosses Quantenei gelegt«, schrieb er. »In Göttingen glauben sie daran (ich nicht).« 63

Heisenbergs noch berühmterer und revolutionärer Beitrag erfolgte zwei Jahre später, 1927. Für das Laienpublikum ist es einer der bekanntesten und verblüffendsten Aspekte der Quantenphysik : die Unschärferelation .

Es sei unmöglich, erklärte Heisenberg , die genaue Position eines Teilchens, etwa eines bewegten Elektrons , und seinen exakten Impuls (Geschwindigkeit mal Masse) gleichzeitig zu bestimmen. Je genauer die Position des Teilchens gemessen wird, desto schwieriger wird es, seinen Impuls exakt zu bestimmen. Und in der Formel, die diese Beziehung beschreibt, kommt (wie könnte es anders sein) das plancksche Wirkungsquantum vor.

Der bloße Akt des Beobachtens – das heißt, der Moment, in dem wir zulassen, dass Photonen , Elektronen , irgendwelche anderen energietragenden Teilchen oder Wellen das Beobachtungsobjekt treffen – wirkt sich auf das Ergebnis aus. Aber Heisenbergs Theorie ging noch darüber hinaus: Ein Elektron hat weder eine bestimmte Position noch einen bestimmten Weg, bevor wir es beobachten. Das sei ein Merkmal unseres Universums , sagte er, nicht nur ein Mangel unserer Beobachtungs- oder Messfähigkeit.

Die so einfache wie verstörende Unschärferelation war ein Pfahl im Fleisch der klassischen Physik. Sie erklärte, es gebe keine objektive Wirklichkeit – noch nicht einmal eine objektive Position eines Teilchens – außerhalb unserer Beobachtungen. Außerdem untergruben Heisenbergs Relation und andere Aspekte der Quantenmechanik die Vorstellung, das Universum folge strengen kausalen Gesetzen. Zufall , Unschärfe oder Unbestimmtheit und Wahrscheinlichkeit nahmen den Platz der Gewissheit ein. Auf einen Brief, in dem Einstein seine Vorbehalte gegenüber diesen Eigenschaften der Theorie geltend machte, antwortete Heisenberg unverblümt: »Ich glaube, dass die Unbestimmtheit , das heißt, die Ungültigkeit der strengen Kausalität , notwendig ist.« 64

1926 hielt Heisenberg einen Vortrag in Berlin und traf Einstein zum ersten Mal. Dieser lud Heisenberg zu sich nach Hause ein, wo sie ein freundliches Streitgespräch führten. Es war ein Spiegelbild jener Diskussion, die Einstein 1905 so oder ähnlich mit konservativen Forschern führte, weil diese sich gegen die Leugnung des Äthers wehrten.

»Die Bahnen der Elektronen im Atom kann man nicht beobachten«, sagte Heisenberg . Daher sei es vernünftig, »in eine Theorie nur die Größen aufzunehmen, die beobachtet werden können«.

»Aber Sie glauben doch nicht im Ernst«, entgegnete Einstein, »daß man in eine physikalische Theorie nur beobachtbare Größen aufnehmen kann?«

»Ich dachte«, fragte Heisenberg erstaunt, »daß gerade Sie diesen Gedanken zur Grundlage Ihrer Relativitätstheorie gemacht hätten?« (…)

»Vielleicht habe ich diese Art von Philosophie benützt«, antwortete Einstein, »aber sie ist trotzdem Unsinn.« 65

Mit anderen Worten, Einsteins Einstellung hatte sich verändert.

Ein ähnliches Gespräch führte Einstein mit Philipp Frank , seinem Freund in Prag . »Es ist jetzt eine neue Mode in der Physik aufgekommen«, beklagte sich Einstein. Danach könne man bestimmte Dinge nicht beobachten und sie deshalb auch nicht als real betrachten.

»Aber die Methode, von der Sie sprechen«, wandte Frank ein, »ist doch von Ihnen schon 1905 erfunden worden.«

Darauf Einstein: »Aber man darf doch einen gelungenen Witz nicht zu oft wiederholen.« 66 Die theoretischen Fortschritte, die Mitte der 1920er-Jahre erzielt wurden, fassten Niels Bohr und seine Kollegen, darunter auch Heisenberg , zur sogenannten Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik zusammen. Die Eigenschaft eines Objekts kann danach nur erörtert werden, wenn man berücksichtigt, wie diese Eigenschaft beobachtet und gemessen wird, und diese Beobachtungen sind nicht einfach Aspekte eines einzigen Bildes, sondern einander komplementär.

Mit anderen Worten, eine einzige fundamentale Wirklichkeit, die von unseren Beobachtungen unabhängig ist, gibt es nicht. »Es ist falsch zu glauben, die Physik habe die Aufgabe herauszufinden, wie die Natur ist «, erklärte Bohr . »In der Physik geht es nur um die Frage, was wir über die Physik sagen können.« 67

Aus dieser Unfähigkeit, eine solche fundamentale Wirklichkeit zu erkennen, folgt, dass es keinen strengen Determinismus im klassischen Sinne gibt. »Wenn man versucht, ›die Zukunft‹ aus ›der Gegenwart‹ zu errechnen, kann man nur statistische Ergebnisse erhalten«, sagte Heisenberg , »da man nie jede Einzelheit der Gegenwart erfassen kann.« 68

Als diese Revolution im Frühjahr 1927 ihren Höhepunkt erreichte, nahm Einstein Newtons 200. Todestag zum Anlass, um das klassische, auf Kausalität und Gewissheit gegründete System der Mechanik zu verteidigen. Zwei Jahrzehnte zuvor hatte Einstein in jugendlicher Unbekümmertheit viele Grundpfeiler des Newton ’schen Universums umgestürzt, unter anderem die Absolutheit von Raum und Zeit. Doch nun schwang er sich zum Verteidiger der alten Ordnung des großen Newton auf.

In der neuen Quantenmechanik , sagte er, scheine die strenge Kausalität zu verschwinden. »Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen«, erklärte Einstein. »Vielleicht verleiht uns ja der Geist der Newton ’schen Methode die Kraft, die Einheit zwischen der physikalischen Wirklichkeit und dem grundlegendsten Merkmal der Newtonschen Lehre – der strengen Kausalität  – wiederherzustellen.« 69

Einstein konnte sich nie ganz mit der Quantenmechanik abfinden, auch dann nicht, als immer neue Experimente sie bestätigten. Er blieb ein Realist und glaubte aus tiefster Überzeugung an eine objektive Wirklichkeit, die existierte, ob wir sie nun beobachten konnten oder nicht.

»Er würfelt nicht«

Warum hat Einstein also den revolutionären Weg verlassen und sich in einen defensiven Hüter der Tradition verwandelt?

Als junger Empirist brachte Einstein, beeinflusst von Ernst Mach , die Bereitschaft auf, alle Begriffe zu verwerfen, die sich nicht mit Beobachtungen belegen ließen, wie den Äther , Absolutheit von Raum und Zeit und Gleichzeitigkeit . Aber durch den Erfolg seiner allgemeinen Relativitätstheorie gelangte er zu der Überzeugung, Machs Skeptizismus möge zwar dazu taugen, überflüssige Ideen zu beseitigen, sei aber keine große Hilfe bei der Entwicklung neuer Theorien.

»Er reitet den Mach ’schen Klepper bis zur Erschöpfung«, beklagte sich Einstein bei Michele Besso über eine Abhandlung, die ein gemeinsamer Freund geschrieben hatte.

»Was das Machsche Rösslein betrifft, so wollen wir es nicht verschimpfen«, erwiderte Besso . »Hat es nicht die Höllenfahrt durch die Relativitäten betreut? Und wer weiss, ob es nicht auch noch bei den bösen Quanten den Reiter Don Quixote de la Einsta durchträgt!«

»Über das Mach ’sche Rösslein schimpf ich nicht«, antwortete Einstein seinem Freund. »Du weisst doch, wie ich darüber denke. Aber es kann nicht Lebendiges gebären, sondern nur schädliches Gewürm ausrotten.« 70

In seinen reifen Jahren glaubte Einstein entschiedener an eine objektiv existierende »Wirklichkeit«, egal, ob wir sie beobachten können oder nicht. »Der Glaube an eine vom wahrnehmenden Subjekt unabhängige Außenwelt«, sagte er wiederholt, »liegt aller Naturwissenschaft zugrunde.« 71

Außerdem lehnte Einstein die Quantenmechanik ab, weil sie auf strenge Kausalität verzichtete und stattdessen die Wirklichkeit mithilfe von Unbestimmtheit , Ungewissheit und Wahrscheinlichkeit beschrieb. Einen echten Schüler Humes hätte das nicht erschüttert. Es gibt – außer einem metaphysischen Glauben oder einer Gewohnheit, die sich im Denken eingenistet hat – keinen triftigen Grund für die Überzeugung, dass in der Natur absolute Gewissheit herrscht. Die Annahme, einige Dinge geschähen einfach durch Zufall , ist genauso vernünftig, wenn auch vielleicht weniger befriedigend. Ohne Zweifel gab es eine wachsende Zahl von Belegen dafür, dass es sich auf subatomarer Ebene genauso verhielt.

Doch diese Vorgehensweise fühlte sich für Einstein einfach nicht richtig an. In erster Linie, sagte er wiederholt, habe die Physik die Aufgabe, Ursachen und Wirkungen eindeutig zu bestimmen. »Ich verzichte aber sehr, sehr ungern auf die vollständige Kausalität «, teilte er den Borns mit. 72

Sein Glaube an Determinismus und Kausalität spiegelte die Lehre von Baruch de Spinoza wider, seinem religiösen Lieblingsphilosophen. »Er glaubte zutiefst«, schrieb Einstein, »an die kausale Abhängigkeit aller Erscheinungen in einer Zeit, da der Erfolg der Bemühungen, Erkenntnisse über die kausale Beziehung der Naturerscheinungen zu gewinnen, noch ziemlich bescheiden war.« 73 Diesen Satz hätte Einstein nach dem Siegeszug der Quantenmechanik auch auf sich selbst münzen können, wobei er das die Vorläufigkeit betonende »noch« sicherlich hervorgehoben hätte.

Wie Spinoza glaubte Einstein an keinen persönlichen Gott , der in direkter Beziehung zu den Menschen stand. Doch beide waren davon überzeugt, dass in den eleganten Gesetzen, die im Universum herrschten, ein göttlicher Plan zum Ausdruck komme. Das war keine beiläufige Glaubensäußerung, sondern ein Prinzip, das Einstein (wie das Relativitätsprinzip) zu einem seine Arbeit bestimmenden Postulat erhob. »Wenn ich eine Theorie beurteile«, sagte er zu seinem alten Freund Banesh Hoffmann , »dann frage ich mich, ob ich, wenn ich Gott wäre, die Welt in dieser Weise eingerichtet hätte.«

Als er diese Frage stellte, gab es eine Möglichkeit, an die er beim besten Willen nicht glauben konnte: dass Gott die schönen und gescheiten Gesetze geschaffen hatte, die die meisten Geschehnisse im Universum bestimmten, während ein paar Dinge einfach dem Zufall überlassen blieben. Es fühlte sich falsch an. »Wenn [Gott ] nämlich dieses gewollt hätte, dann hätte ers gleich ganz gründlich gemacht und sich nicht einmal an ein Schema gehalten (…) Wenn schon denn schon. Dann brauchten wir gar nicht erst nach Gesetzen zu suchen.« 74

Diese Überlegung veranlasste ihn zu einem seiner berühmtesten Zitate, das in einem Brief an den Physiker Max Born steht, einen Freund, mit dem er sich mehr als drei Jahrzehnte über dieses Thema stritt. »Die Quantenmechanik ist sehr achtung-gebietend«, erklärte Einstein. »Aber eine innere Stimme sagt mir, dass das doch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt.« 75

So gelangte Einstein zu der Überzeugung, dass die Quantenmechanik zwar möglicherweise nicht falsch , wohl aber unvollständig sei. Es musste eine vollständigere Erklärung der Vorgänge im Universum geben, eine Erklärung, die sowohl die Relativitätstheorie als auch die Quantenmechanik einschloss, mit dem Ergebnis, dass es nichts gab, was dem Zufall überlassen blieb.