Während andere Forscher fortfuhren, die Quantenmechanik weiterzuentwickeln, unbeeindruckt von den Ungewissheiten in deren Kern, setzte Einstein seine einsame Suche nach einer vollständigeren Erklärung des Universums fort – nach einer einheitlichen Feldtheorie , die Elektrizität und Magnetismus und Gravitation und Quantenmechanik miteinander verband. In der Vergangenheit hatte er seine Genialität unter Beweis gestellt, indem er Verbindungen zwischen verschiedenen Theorien entdeckte. Die Eröffnungssätze seiner 1905 veröffentlichten Abhandlungen über die spezielle Relativitätstheorie und Lichtquanten sind Beispiele dafür. 1
Er hoffte, in der allgemeinen Relativitätstheorie die Feldgleichungen der Gravitation so erweitern zu können, dass sie auch das elektromagnetische Feld beschrieben. »Der nach Einheitlichkeit der Theorie strebende Geist kann sich nicht damit zufrieden geben, dass zwei ihrem Wesen nach voneinander ganz unabhängige Felder existieren sollen«, erklärte Einstein in seiner Nobelpreisrede . »Man sucht nach einer mathematisch einheitlichen Feldtheorie , in welcher das Gravitationsfeld bezw. das elektromagnetische Feld nur als verschiedene Komponenten bezw. Erscheinungsformen des gleichen einheitlichen Feldes aufgefasst sind«. 2
So eine einheitliche Theorie könnte vielleicht, hoffte er, die Quantenmechanik mit der Relativitätstheorie in Einklang bringen. 1918, in einer Rede zum sechzigsten Geburtstag seines Mentors, warb er Planck öffentlich für diese Aufgabe an: »Möge es ihm gelingen, die Quantentheorie mit der Elektrodynamik und Mechanik zu einem logisch einheitlichen System zu vereinigen.« 3
In erster Linie war Einsteins Suche eine Folge von falschen Schritten, gekennzeichnet durch zunehmende mathematische Komplexität, die damit begann, dass er auf die falschen Schritte anderer reagierte. Den ersten dieser Schritte tat der mathematische Physiker Hermann Weyl , der 1918 eine Methode vorschlug, um die allgemeine Relativitätstheorie zu erweitern – eine Methode, die, wie es schien, zugleich dazu dienen konnte, das elektromagnetische Feld zu geometrisieren .
Anfangs war Einstein beeindruckt. »Es ist ein Genie-Streich ersten Ranges«, schrieb er Weyl . Doch ein Problem sah er noch: »Allerdings war ich bisher nicht imstande, meinen Massstab-Einwand zu erledigen«. 4
In Weyls Theorie veränderten sich Maßstäbe und Uhren abhängig von dem Weg, den sie durch den Raum nahmen. Doch ein solches Phänomen ließen experimentelle Beobachtungen nicht erkennen. In seinem nächsten Brief versteckte Einstein in seinen Lobeshymnen ein sehr niederschmetterndes Urteil. »Ihr Gedankengang ist von wunderbarer Geschlossenheit«, schrieb er an Weyl . »Abgesehen von der Übereinstimmung mit der Wirklichkeit ist es jedenfalls eine grandiose Leistung des Gedankens.« 5
Als Nächstes kam 1919 ein Vorschlag von Theodor Kaluza , einem Mathematikprofessor in Königsberg , der zu den vier Dimensionen der Raumzeit noch eine fünfte Dimension hinzufügen wollte. Weiterhin schlug er vor, diese zusätzliche Dimension des Raumes solle kreisförmig sein, woraus folgte, dass man, wenn man in ihre Richtung aufbrach, wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehrte, so als ginge man entlang des Kreisumfangs eines Zylinders.
Kaluza versuchte nicht, die physikalische Wirklichkeit oder Position dieser zusätzlichen räumlichen Dimension zu beschreiben. Schließlich war er Mathematiker, da musste er das nicht. Die Metrik der vierdimensionalen Raumzeit Einsteins benötigt zehn Größen, um für jeden Punkt alle möglichen Koordinatenbeziehungen zu beschreiben. Kaluza wusste, dass fünfzehn solche Größen erforderlich sind, um die Geometrie einer fünfdimensionalen Region zu bestimmen. 6
Als Kaluza mit der Mathematik dieser komplexen Konstruktion spielte, stellte er fest, dass sich mithilfe von vier der fünf Extragrößen Maxwells elektromagnetische Gleichungen ableiten ließen. Zumindest mathematisch schien das eine Möglichkeit zu sein, eine Feldtheorie zu entwickeln, die Gravitation und Elektromagnetismus vereinheitlichte.
Wieder war Einstein so beeindruckt wie kritisch. »[Der] Gedanke [an] eine fünfdimensionale Zylinderwelt (…) ist mir nie gekommen«, schrieb er an Kaluza . »Ihr Gedanke gefällt mir zunächst ausserordentlich.« 7 Leider gab es keinen Anlass für die Annahme, dass ein größerer Teil dieser Mathematik eine Grundlage in der physikalischen Realität hatte. In dem angenehmen Bewusstsein, ein reiner Mathematiker zu sein, gab Kaluza das zu und forderte den Physiker auf, sich darauf einen Reim zu machen. Die Annahme falle einem schwer, schrieb Kaluza , »daß in all jenen an formaler Einheitlichkeit kaum zu überbietenden Beziehungen immer nur ein launischer Zufall sein lockendes Spiel treibt. Sollte es sich aber einmal bestätigen, daß mehr hinter den vermuteten Zusammenhängen steckt als nur ein leerer Formalismus, so würde dies entschieden einen neuen Triumph für Einsteins allgemeine Relativitätstheorie bedeuten.«
Inzwischen hatte sich Einstein zum Glauben an den mathematischen Formalismus bekehren lassen, der sich als so nützlich erwiesen hatte, während er im Begriff war, letzte Hand an die allgemeine Relativitätstheorie zu legen. Nachdem einige Fragen geklärt waren, half er Kaluza 1921 bei der Veröffentlichung der Abhandlung und schickte später noch einige eigene Papiere hinterher.
Der nächste Beitrag stammte von dem Physiker Oskar Klein , Sohn des schwedischen Oberrabbiners und Student von Niels Bohr . Klein sah in einer einheitlichen Feldtheorie nicht nur eine Möglichkeit, Gravitation und Elektromagnetismus zu vereinigen, sondern hoffte auch, sie könne einige der Rätsel erklären, die der Quantenmechanik innewohnten, und sogar einen Weg zu »verborgenen Variablen« eröffnen, mit denen sich die Unbestimmtheit beseitigen lasse.
Klein war mehr Physiker als Mathematiker, daher beschäftigte er sich intensiver als Kaluza mit der Frage, welche physikalische Realität eine vierte räumliche Dimension besitzen könne. Nach seiner Vorstellung war sie kreisförmig aufgewickelt, zu winzig, um entdeckt zu werden, eine winzige Ausstülpung an jedem Punkt unseres beobachtbaren Raums.
All das war äußerst brillant, konnte jedoch, wie sich herausstellte, viele Aspekte der immer gründlicher bestätigten Erkenntnisse über die Quantenmechanik und die neuen Fortschritte in der Teilchenphysik nicht erklären. Daher wurden die Kaluza -Klein -Theorien beiseitegelegt, obwohl Einstein im Laufe der Jahre wieder auf einige ihrer Begriffe zurückgriff. Anklänge an diese Ideen, besonders das Konzept der kompakten Extradimensionen, finden wir in der Stringtheorie .
Der Nächste im Bunde war Arthur Eddington , der britische Astronom und Physiker, der für die berühmten Beobachtungen während der Sonnenfinsternis verantwortlich war. Er verbesserte Weyls mathematischen Vorschlag durch ein geometrisches Konzept, das als affine Verbindung bezeichnet wird. Nachdem Einstein Eddingtons Arbeit auf der Überfahrt nach Japan gelesen hatte, übernahm er sie als Basis für eine eigene neue Theorie. »Ich glaube nun endlich den Zusammenhang zwischen Elektrizität und Gravitation begriffen zu haben«, teilte er Bohr aufgeregt mit. »Eddington ist der Sache näher gekommen als Weyl .« 8
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sirenengesang einer einheitlichen Theorie Einstein vollkommen in seinen Bann geschlagen. »Aber darüber steht das marmorne Lächeln der unerbittlichen Natur,«, teilte er Weyl mit. 9 Während der Schiffsfahrt schrieb er eine neue Abhandlung, sodass er sie Februar 1923 bei seiner Ankunft in Ägypten sofort per Post an Planck zur Veröffentlichung schicken konnte. Sein Ziel sei es, so erklärte Einstein, »das Gravitationsfeld und das elektromagnetische Feld als Wesenseinheit zu begreifen«. 10
Abermals machten Einsteins Ankündigungen Schlagzeilen in der ganzen Welt. »Einstein beschreibt seine neueste Theorie«, tönte die New York Times . Und abermals wurde die Schwierigkeit des Ansatzes aufgebauscht. So hieß es warnend in einem Untertitel: »Unverständlich für Laien«.
Doch Einstein teilte den Zeitungsleuten mit, die Sache sei nicht ganz so kompliziert. »Ich kann Ihnen in einem Satz sagen, worum es geht«, wird Einstein von einem Reporter zitiert. »Es geht um die Beziehung zwischen Elektrizität und Gravitation .« Er räumte auch Eddingtons Verdienst ein und sagte: »Sie beruht auf den Theorien des englischen Astronomen.« 11
In den nachfolgenden Artikeln dieses Jahres ließ Einstein keinen Zweifel daran, dass es ihm nicht nur um die Vereinheitlichung gehe, sondern auch um die Überwindung der Unbestimmtheiten und Wahrscheinlichkeiten in der Quantentheorie . Eine Arbeit aus dem Jahr 1923 verriet das eigentliche Ziel der Suche: »Bietet die Feldtheorie Möglichkeiten zur Lösung des Quantenproblems?« 12
Zunächst ging es in der Abhandlung um die Frage, wie die Feldtheorien des Elektromagnetismus und der Gravitation mit ihren partiellen Differentialgleichungen und geeigneten Anfangsbedingungen für kausale Abhängigkeiten sorgen können. Auf dem Gebiet der Quanten ist es unter Umständen nicht möglich, die Anfangsbedingungen frei zu wählen oder anzuwenden. Können wir dennoch eine auf Feldgleichungen basierende Kausaltheorie haben?
Voller Optimismus beantwortete Einstein seine Frage mit »ganz gewiss«. Erforderlich sei eine Methode, um die Feldvariablen in den betroffenen Gleichungen »überzubestimmen«. Dieser Weg der Überbestimmung wurde zu einem anderen bevorzugten Werkzeug, mit dem er wiederholt, wenn auch vergeblich, versuchte, sein »Problem« mit der Unbestimmtheit zu lösen.
Binnen zweier Jahre war Einstein zu dem Schluss gelangt, dass diese Ansätze fehlerhaft seien. »Auch von meiner in diesen Sitzungsberichten (1923) erschienenen Abhandlung bin ich der Ansicht, daß sie die wahre Lösung des Problems nicht gibt.« Doch wie auch immer, er versuchte es mit einer weiteren Methode. »Nach unablässigem Suchen in den letzten zwei Jahren glaube ich nun die wahre Lösung gefunden zu haben.«
Seine neueste Methode bestand darin, in Abwesenheit eines elektromagnetischen Feldes für das Gravitationsgesetz den einfachsten formalen Ausdruck zu finden und diesen dann zu verallgemeinern. Maxwells Theorie des Elektromagnetismus hätte dann nur eine erste Annäherung geliefert. 13
Dabei stützte er sich jetzt stärker auf die Mathematik als auf die Physik. Der metrische Tensor , den er in den Gleichungen seiner allgemeinen Relativitätstheorie verwendet hatte, besaß zehn unabhängige Größen, doch wenn man ihm eine asymmetrische Gestalt verlieh, wurden sechzehn daraus, genug, um den Elektromagnetismus einzubeziehen.
Aber auch dieser Ansatz führte genau wie die anderen ins Leere. »Wie Einstein zu seinem Leidwesen feststellen musste, ist der Haken an diesem Einfall, dass es buchstäblich nichts gibt, was die 6 Komponenten des elektrischen und magnetischen Feldes mit den 10 Komponenten des gewöhnlichen metrischen Tensors verbindet, der die Gravitation beschreibt«, meint Steven Weinberg von der University of Texas. »Eine Lorentz -Transformation oder irgendeine andere Koordinatentransformation wird elektrische oder magnetische Felder in Mischungen aus elektrischen und magnetischen Feldern verwandeln, aber keine Transformation wird sie mit dem Gravitationsfeld mischen.« 14
Unverdrossen ging Einstein wieder ans Werk und versuchte sein Glück dieses Mal mit einer Methode, die er als »Fernparallelismus « bezeichnete. Sie ermöglichte den Vektoren, in verschiedenen Teilen des gekrümmten Raums miteinander in Beziehung zu treten, was neue Formen von Tensoren hervorbrachte. Besonders wunderbar sei (so dachte er), dass sie ihn zu Gleichungen führe, die zur Darstellung von Quanten nicht auf das lästige plancksche Wirkungsquantum angewiesen seien. 15
»Das sieht altmodisch aus, und meine lieben Kollegen, du eingeschlossen, werden die Zunge herausstrecken, weil die Planck -Konstante nicht in den Gleichungen ist«, schrieb er im Januar 1929 an Besso . »Aber wenn sie die Grenze ihrer statistischen Modetorheit erreicht haben, werden sie reuig zum Raumzeitbild zurückkehren, und dann werden diese Gleichungen einen neuen Ausgangspunkt bilden.« 16
Was für ein verführerischer Traum! Eine einheitliche Theorie ohne die ungebärdigen Quanten. Statistische Verfahren, die sich als vorübergehende Torheit entpuppen. Eine Rückkehr zu den Feldtheorien der Relativität. Kollegen, die das Zunge-Herausstrecken bereuen!
In der Welt der Physik, wo die Quantenmechanik nun anerkannt war, galten Einstein und seine immer wieder aufgenommene Suche nach einer einheitlichen Theorie zunehmend als wunderlich. Doch in der öffentlichen Vorstellung war er noch immer der Superstar. Der Hype im Januar 1929, von dem die Veröffentlichung eines fünfseitigen Papiers begleitet war, nur des letzten einer Reihe von theoretischen Attacken, die ihr Ziel verfehlten, war erstaunlich. Journalisten aus der ganzen Welt versammelten sich vor dem Mietshaus, in dem Einstein wohnte. Er entkam ihnen nur knapp und suchte Zuflucht außerhalb der Stadt im Landhaus seines Arztes an der Havel. Schon Wochen zuvor hatte die New York Times den Reigen mit einem Artikel eröffnet, dessen Schlagzeile lautete: »Einstein vor großer Entdeckung: Hasst Störungen«. 17
Einsteins Artikel erschien erst am 30. Januar 1929, doch schon in den Monaten vorher brachten die Zeitungen eine ununterbrochene Folge von Indiskretionen und Vermutungen. Betrachten wir als Beispiel eine Sammlung von Schlagzeilen in der New York Times :
12. Januar: Einstein erweitert Relativitätstheorie / Neue Arbeit versucht Gesetze des Gravitationsfelds und des elektrischen Felds zu vereinigen / Er nennt es sein größtes »Buch« / Berliner Wissenschaftler brauchte zehn Jahre für die Vorbereitung
19. Januar: Aufregung über seine Theorie verblüfft Einstein / Lässt 100 Journalisten eine Woche schmoren / BERLIN – Seit einer Woche konzentriert die hier vertretene Presse all ihre Mühe darauf, das neue fünfseitige Manuskript »Neue Feldtheorie « von Dr. Albert Einstein aufzutreiben. Außerdem treffen Hunderte von Telegrammen mit vorausbezahlten Antworten und unzählige Briefe ein, in denen um eine eingehende Beschreibung oder Kopie des Manuskripts gebeten wird.
25. Januar (Seite 1): Einstein führt gesamte Physik auf ein Gesetz zurück / Die neue Elektrogravitationstheorie fasst alle Phänomene zusammen, sagt Berliner Dolmetscher / Auch nur eine Substanz / Hypothese lässt denkbar erscheinen, dass Menschen durch die Luft schweben können, sagt Professor von der New York University / BERLIN – Professor Albert Einsteins neueste Arbeit »Eine neue Feldtheorie «, die kurz vor ihrer Veröffentlichung steht, fasst die Grundgesetze der Relativitätstheorie und der Elektrizität in einer einzigen Formel zusammen, so der englische Übersetzer dieser Arbeit.
Einstein griff von seinem Versteck an der Havel in den Tumult ein. Noch bevor sein kleiner Aufsatz veröffentlicht wurde, gab er einer britischen Zeitung ein Interview. »Mein größtes Anliegen war es, den Dualismus der Naturgesetze zu einer Einheit zusammenzufassen«, sagte er. »Diese Vereinfachung möchte ich fortsetzen und insbesondere die Erklärungen des Gravitationsfeldes und des elektrischen Feldes in einer Formel vereinigen. Aus diesem Grund bezeichne ich die Arbeit als einen Beitrag ›zu einer einheitlichen Feldtheorie ‹. (…) Jetzt, wirklich erst jetzt, wissen wir, dass die Kraft, die Elektronen in ihre elliptischen Bahnen um die Kerne der Atome bewegt, die gleiche Kraft ist, die die Erde auf ihre jährliche Reise um die Sonne schickt.« 18 Natürlich stellte sich heraus, dass er das nicht wusste. Selbst heute wissen wir es noch nicht.
Auch der Time gab er ein Interview, die ihn auf ihre Titelseite setzte, der erste von fünf solchen Auftritten. Das Magazin berichtete, dass Einstein, während die Welt auf die Veröffentlichung seiner »schwer verständlichen einheitlichen Feldtheorie « warte, in seinem ländlichen Refugium »abgezehrt, nervös und reizbar« umherstapfe. Sein kränkliches Aussehen sei, wie die Zeitschrift erklärte, auf Magenbeschwerden und einen unablässigen Besucherstrom zurückzuführen. Außerdem merkte der Verfasser an: »Dr. Einstein unternimmt, wie so viele Juden und Gelehrten, nichts zu seiner körperlichen Ertüchtigung.« 19
Die Preußische Akademie der Wissenschaften druckte eintausend Exemplare von Einsteins Arbeit, eine ungewöhnlich große Auflage. Als sie im Januar 1930 auf den Markt kamen, waren sie sofort ausverkauft. Woraufhin die Akademie weitere dreitausend auflegen ließ. Eine Reihe von Seiten hatte man auf das Schaufenster eines Londoner Kaufhauses geklebt. Davor drängte sich die Menge und versuchte die schwierigen mathematischen Ableitungen von 33 hochkomplexen Gleichungen zu verstehen, die nicht für Schaufensterbummler gedacht waren. Für einen beträchtlichen Betrag erwarb die Wesleyan University in Connecticut das handschriftliche Manuskript, das als besonderer Schatz in der Universitätsbibliothek deponiert wurde.
Die amerikanischen Zeitungen hinkten etwas hinterher. Die New York Herald Tribune beschloss, die ganze Arbeit wörtlich abzudrucken, hatte aber Schwierigkeiten bei der telegrafischen Übermittlung all der griechischen Buchstaben und Symbole. Deshalb beauftragte sie einige Physikprofessoren der Columbia University , ein Codierungssystem zu entwickeln und dann die Arbeit in New York zu rekonstruieren. Als sie damit fertig waren, veröffentlichte die Tribune einen unterhaltsamen Artikel zur Übermittlung der Abhandlung, der für die meisten Leser sehr viel verständlicher war als Einsteins Text selbst. 20
Die New York Times hob die einheitliche Theorie auf eine religiöse Ebene, indem sie an diesem Sonntag ihre Reporter in die Kirchen der Stadt entsandte, damit sie von den Predigten über die Abhandlung berichteten. »Einstein fast als Mystiker verehrt«, hieß es in der Schlagzeile. Reverend Henry Howard wurde mit den Worten zitiert, Einsteins einheitliche Theorie bekräftige die Synthese des Paulus und die »Einheit« der Welt. Ein Anhänger der Christian Science sagte, sie liefere den wissenschaftlichen Beleg für Mary Baker Eddys Theorie der illusorischen Materie. Andere priesen das Werk als »fortgeschrittene Freiheit« und als »Schritt zur universellen Freiheit«. 21
Theologen und Journalisten mögen beeindruckt gewesen sein, die Physiker waren es nicht. Eddington , gewöhnlich ein Einstein-Fan, äußerte Zweifel. Im Laufe des folgenden Jahres überarbeitete Einstein seine Theorie und beharrte Freunden gegenüber auf der »Schönheit« der Gleichungen. Aber seiner Schwester , die ihm sehr am Herzen lag, verriet er, seine Arbeit habe »lebhaftes Misstrauen und leidenschaftliche Ablehnung bei meinen Kollegen hervorgerufen«. 22
Zu denen, die entsetzt waren, gehörte Wolfgang Pauli . Mit den neuen Ansätzen »verrate« Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie , teilte ihm der Kollege unverblümt mit, und verlasse sich auf einen mathematischen Formalismus, der in keiner Beziehung zur physikalischen Wirklichkeit stehe. Er warf Einstein vor, »zu den reinen Mathematikern übergegangen« zu sein, und prophezeite ihm, »dass Sie spätestens nach einem Jahr den ganzen Fernparallelismus aufgegeben haben werden, so wie Sie früher die Affintheorie aufgegeben haben«. 23
Pauli hatte recht. Einstein gab die Theorie innerhalb eines Jahres auf. Aber an der Suche hielt er fest. Nun wandte er sich einem anderen revidierten Verfahren zu, das zwar wieder Schlagzeilen, aber keinen Fortschritt in Hinblick auf die Lösung seines großen Rätsels brachte. »Einsteins vollständige einheitliche Feldtheorie «, vermeldete die New York Times am 23. Januar 1931, ohne eine Andeutung, ob eine solche Ankündigung zum ersten oder zum letzten Mal erfolge. Und erneut am 26. Oktober desselben Jahres: »Einstein kündigt eine neue Feldtheorie an«.
Im folgenden Januar räumte er Pauli gegenüber ein: »So hatten Sie schließlich doch recht, Sie Halunke.« 24
So ging es noch zwei weitere Jahrzehnte weiter. Keiner der vielen Versuche Einsteins führte zu einer erfolgreichen einheitlichen Feldtheorie . Tatsächlich wurde die Physik mit der Entdeckung neuer Teilchen und Kräfte weniger einheitlich. Bestenfalls fanden Einsteins Bemühungen eine Rechtfertigung durch das gedämpfte Lob, das ihm der französische Mathematiker Elie Joseph Cartan 1931 zollte: »Selbst wenn sein Bemühen nicht gelingt, wird er uns dazu gezwungen haben, über die großen, grundlegenden Fragen der Naturwissenschaft nachzudenken.« 25
Das hartnäckige Rückzugsgefecht, das Einstein gegen die vorrückende Quantenmechanik führte, erreichte seinen Höhepunkt auf zwei denkwürdigen Solvay-Konferenzen in Brüssel . In beiden Fällen spielte er den Provokateur und versuchte, Breschen in die neue vorherrschende Lehre zu schlagen.
Bei der ersten Konferenz im Oktober 1927 waren die drei Großmeister anwesend, die entscheidend an der Einleitung eines neuen Zeitalters der Physik beteiligt gewesen waren, aber nun dem bizarren Reich der Quantenmechanik , das sie mit aus der Taufe gehoben hatten, skeptisch gegenüberstanden: Hendrik Lorentz , 74, nur wenige Monate vor seinem Tod, Träger des Nobelpreises für seine Forschung über elektromagnetische Strahlung; Max Planck , 69, Träger des Nobelpreises für die Begründung der Quantentheorie ; und Albert Einstein, 48, Träger des Nobelpreises für das Gesetz des photoelektrischen Effekts .
Von den verbleibenden sechsundzwanzig Anwesenden hatte die Hälfte entweder schon einen Nobelpreis bekommen oder sollte ihn noch gewinnen. Die Wunderknaben der neuen Quantenphysik waren alle gekommen und hofften, Einstein bekehren oder gewinnen zu können: Werner Heisenberg , 25; Paul Dirac , 25; Wolfgang Pauli , 27; Louis de Broglie , 35; und aus Amerika Arthur Compton , 35. Außerdem war Erwin Schrödinger , 40, erschienen, der eine Mittelstellung zwischen den jungen Wilden und den älteren Skeptikern einnahm. Und dann war da natürlich der alte Wilde Niels Bohr , 42, der mit seinem Atommodell zu den Entdeckern der Quantenmechanik gehörte und ein entschiedener Verteidiger ihrer erwartungswidrigen Verzweigungen war. 26
Lorentz hatte Einstein aufgefordert, auf der Konferenz über den Stand der Quantenmechanik zu berichten. Einstein hatte zunächst zugesagt, machte dann aber einen Rückzieher. »Nach vielem Hin und Her komme ich zu der Überzeugung, daß ich nicht kompetent bin, einen solchen Bericht in der Weise zu geben, die tatsächlich dem Stand der Dinge entspricht«, antwortete er. »Dies teilweise deshalb, (…) weil ich die rein statistische Auffassung nicht billige, auf der diese neuen Theorien aufbauen.« Dann fügte er fast kleinlaut hinzu, er solle ihm bitte nicht böse sein. 27
An seiner Stelle hielt Niels Bohr die Eröffnungsrede. Er nahm kein Blatt vor den Mund, als er beschrieb, was die Quantenmechanik bewirkt hatte. Bestimmtheit und strenge Kausalität suche man vergebens im subatomaren Reich, sagte er. Es gebe kein deterministisches Gesetz, nur Wahrscheinlichkeiten und Zufall . Es sei sinnlos, von einer »Realität« zu sprechen, die unabhängig von Beobachtungen und Messungen sei. Je nach Art des gewählten Experiments könne Licht als Welle oder als Teilchen auftreten.
Bei den offiziellen Sitzungen sagte Einstein wenig. »Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich mich nicht eingehend genug mit der Quantenmechanik beschäftigt habe«, gab er gleich zu Beginn zu. Doch während der Abendessen und der bis tief in die Nacht andauernden Diskussionen, die während des Frühstücks wieder aufgegriffen wurden, verwickelte er Bohr und seine Unterstützer in lebhafte Gespräche, die durch freundliche Scherze über würfelnde Götter aufgelockert wurden. »Man kann keine Theorie aus lauter ›Vielleichts‹ entwickeln«, sagte Einstein nach Paulis Erinnerungen. »Tief im Inneren ist es falsch, auch wenn es empirisch und logisch passt.« 28
»Die Diskussionen liefen bald auf ein Duell zwischen Einstein und Bohr hinaus, in dem es um die Frage ging, ob die Atomtheorie in ihrer gegenwärtigen Form als die endgültige Lösung anzusehen sei«, schrieb Heisenberg später. 29 Ehrenfest berichtete seinen Studenten danach: »Oh, das war köstlich.« 30
Sowohl in den Sitzungen wie in den informellen Diskussionen ersann Einstein immer neue raffinierte Gedankenexperimente, um zu beweisen, dass die Quantenmechanik keine vollständige Beschreibung der Wirklichkeit liefere. So versuchte er zu zeigen, dass es mittels einer fiktiven Vorrichtung zumindest theoretisch möglich sei, die Eigenschaften bewegter Teilchen mit Bestimmtheit zu messen.
In einem dieser Gedankenexperimente ging es beispielsweise um einen Elektronenstrahl , der durch einen Spalt in einem Schirm geschickt wird, woraufhin aufgezeichnet wird, wo genau die Elektronen auf die fotografische Platte treffen. Mit verschiedenen raffinierten Elementen, wie beispielsweise einer Klappe, mit der der Spalt instantan geöffnet und geschlossen werden konnte, versuchte Einstein nachzuweisen, dass Position und Impuls theoretisch exakt bestimmt werden können. »Die Auseinandersetzungen begannen damit«, erinnerte sich Heisenberg , »daß Einstein uns zum Frühstück ein neues Gedankenexperiment erklärte, das nach seiner Ansicht die Unbestimmtheitsrelationen widerlegte.« Weder er noch Pauli machten sich große Sorgen um Einsteins Störmanöver. »Ach, das stimmt schon«, sagten sie jedes Mal, »das stimmt schon.« Doch Bohr verfiel oft in ein erregtes Gemurmel. Gewöhnlich machte sich die Gruppe gemeinsam auf den Weg in den Konferenzraum und begann sofort nach Strategien zur Entkräftung von Einsteins Einwand zu suchen. »[I]n der Regel war es am Abend so weit, daß Niels Bohr bei der gemeinsamen Mahlzeit Einstein beweisen konnte, daß auch das von ihm vorgeschlagene Experiment nicht zu einer Umgehung der Unbestimmtheitsrelationen führen konnte«, schrieb Heisenberg , und Einstein habe dann seine Niederlage eingestanden. »Aber schon am nächsten Morgen hatte er beim Frühstück ein neues Gedankenexperiment bereit, komplizierter als das vorhergehende.«
So ging es hin und her, jede Attacke von Einstein wurde von Bohr abgeschmettert, der zeigen konnte, dass die Unschärferelation tatsächlich das Maß an erkennbarer Information über ein bewegtes Elektron einschränkte . »Nachdem sich dieses Spiel einige Tage lang fortgesetzt hatte«, berichtete Heisenberg , seien sich Bohr , Pauli und er gewiss gewesen, dass sie sich auf sicherem Boden bewegten.
»Einstein, ich schäme mich für dich«, tadelte ihn Ehrenfest . »Denn du argumentierst gegen die neue Quantentheorie jetzt genauso wie deine Gegner gegen die Relativitätstheorie .« 31
Die Bemerkungen, die Einstein am letzten Tag der Konferenz machte, zeigen, dass die Unschärferelation nicht der einzige Aspekt der Quantenmechanik war, der ihm zu schaffen machte. Er war auch betroffen – ein Gefühl, das sich später noch verstärken sollte –, weil die Quantenmechanik augenscheinlich eine Fernwirkung zuließ. Mit anderen Worten, etwas, das einem Objekt zustieß, konnte nach der Kopenhagener Deutung instantan bestimmen, wie ein Objekt an einem Ort beobachtet wurde. Nach der Relativitätstheorie sind Teilchen, die im Raum getrennt sind, unabhängig voneinander. Eine Wirkung, die ein Teilchen betrifft, kann unverzüglich auf ein anderes, vom ersten durch eine gewisse Distanz getrenntes Teilchen übergreifen, was, wie Einstein erklärte, »nach meiner Meinung dem Relativitätspostulat widerspricht«. 32 Keine Kraft, auch die Gravitation nicht, könne sich schneller als das Licht fortbewegen. 33
Mochte Einstein auch die Debatten verloren haben, er blieb der Star der Veranstaltung. De Broglie hatte sich darauf gefreut, ihm zum ersten Mal zu begegnen, und er wurde nicht enttäuscht. »Beeindruckt war ich vor allem von seinem sanften, gedankenvollen Gesichtsausdruck, seiner allgegenwärtigen Liebenswürdigkeit, seiner Einfachheit und seiner Freundlichkeit«, erinnerte er sich.
Die beiden verstanden sich gut, weil de Broglie wie Einstein herausfinden wollte, ob es Möglichkeiten gab, die Kausalität und Bestimmtheit der klassischen Physik zu retten. Er hatte über die sogenannte »Theorie der doppelten Lösung « gearbeitet, von der er sich eine klassische Grundlage für die Wellenmechanik erhoffte.
»Die indeterministische Schule, deren Anhänger zumeist jung und zu keinerlei Kompromissen bereit sind, nahm meine Theorie mit kalter Missbilligung zur Kenntnis«, erinnerte sich de Broglie . Einstein dagegen begrüßte de Broglies Bemühungen und fuhr mit ihm auf dem Rückweg nach Berlin mit dem Zug über Paris .
In der Gare du Nord führten sie ein Abschiedsgespräch auf dem Bahnsteig. Einstein erklärte de Broglie , dass sich alle wissenschaftlichen Theorien neben ihrem mathematischen Ausdruck auch noch so einfach beschreiben lassen müssten, »dass selbst ein Kind sie verstehen würde«. Und was könne weniger einfach sein, fuhr Einstein fort, als die rein statistische Interpretation der Wellenmechanik ! »Machen Sie weiter so«, sagte er beim Abschied auf dem Bahnsteig zu de Broglie . »Sie sind auf dem richtigen Weg!«
Doch das war er nicht. 1928 bildete sich der allgemeine Konsens heraus, dass die Quantenmechanik richtig sei, woraufhin de Broglie aufgab und die Mehrheitsauffassung übernahm. »Einstein jedoch lenkte nicht ein und beharrte weiterhin auf der Überzeugung, dass die rein statistische Interpretation der Wellenmechanik nicht vollständig sein könne«, schrieb de Broglie Jahre später mit einem gewissen Respekt. 34
Tatsächlich blieb Einstein der querköpfige Neinsager. »In höchstem Maße bewundere ich jene Leistungen der jüngeren Physikergeneration, die als Quantenmechanik bezeichnet werden, und ich glaube an die tiefe Wahrheit dieser Theorie«, sagte er 1929, als er die Max-Planck -Medaille von Planck selbst entgegennahm. »Aber« – und jede positive Äußerung Einsteins über die Quantentheorie enthielt ein »aber« – »ich glaube, dass die Beschränkung auf statistische Gesetze vorübergehend sein wird.« 35
Damit war die Voraussetzung für eine noch dramatischere Solvay -Konfrontation zwischen Einstein und Bohr geschaffen – dieses Mal auf der Konferenz vom Oktober 1930. Selten hat die theoretische Physik ein so interessantes Engagement der Beteiligten erlebt.
In seinem Bemühen, die Bohr -Heisenberg -Gruppe zu widerlegen und die Bestimmtheit wieder in die Mechanik einzuführen, entwickelte Einstein ein noch raffinierteres Gedankenexperiment. Ein – oben bereits erwähnter – Aspekt der Unschärferelation besagt, dass es zu einem Kompromiss zwischen der genauen Messung des Impulses und der Position eines Elektrons kommt. Außerdem folgt aus dieser Relation, dass der Messung der an einem Prozess beteiligten Energie und seiner zeitlichen Dauer eine ähnliche Unbestimmtheit innewohnt.
In Einsteins Gedankenexperiment ging es um einen Kasten mit einer Klappe, die sich so schnell öffnet und schließt, dass nur ein Photon zur Zeit entweichen kann. Der Verschluss wird durch eine exakte Uhr gesteuert. Der Kasten wird sorgfältig gewogen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt öffnet sich der Verschluss, und ein Photon schlüpft heraus. Wieder wird der Kasten gewogen. Die Beziehung zwischen Energie und Masse (wir erinnern uns: E = mc 2 ) ermöglicht eine exakte Bestimmung der Energie des Teilchens. Dank der Uhr wissen wir, wann die Vorrichtung in Gang gesetzt wurde.
Natürlich würde die tatsächliche Durchführung eines solchen Experiments an den physikalischen Einschränkungen scheitern. Doch bedeutete es auch in der Theorie eine Widerlegung der Unschärferelation ?
Bohr war aufgewühlt. »Er ging von einem zum anderen und versuchte die Anwesenden davon zu überzeugen, dass Einsteins Experiment nicht stimmen könnte, da es das Ende der Physik wäre, wenn Einstein recht hätte«, berichtete ein Teilnehmer. »Aber ihm wollte keine Widerlegung einfallen. Nie werde ich den Anblick der beiden Kontrahenten beim Verlassen des Universitätsklubs vergessen. Einstein, eine majestätische Erscheinung, schritt ruhig, mit einem leicht ironischen Lächeln davon, während Bohr tief bestürzt neben ihm hertrottete.« 36
Was folgte, gehört sicherlich zu den seltsamsten Wendungen wissenschaftlicher Debatten: Nach einer schlaflosen Nacht war Bohr in der Lage, Einstein mit dessen eigenen Waffen zu schlagen. In seinem Gedankenexperiment hatte dieser seine eigene, meistbewunderte Entdeckung nicht berücksichtigt – die Relativitätstheorie . Nach ihr gehen Uhren in stärkeren Gravitationsfeldern langsamer als solche, die einer geringeren Gravitation ausgesetzt sind. Einstein vergaß das, aber Bohr erinnerte sich daran. Bei der Freisetzung des Photons verringert sich die Masse des Kastens. Da er auf einer Federwaage sitzt (damit er gewogen werden kann), wird der Kasten im Gravitationsfeld der Erde sich einen kleinen Betrag nach oben bewegen. Dieser kleine Betrag ist genau der Betrag, der erforderlich ist, um die Unschärfebeziehung zwischen Energie und Zeit wiederherzustellen.
»Im besonderen erschien es wesentlich, die Beziehung zwischen dem Gang einer Uhr und ihrer Lage in einem Gravitationsfeld zu berücksichtigen«, berichtete Bohr . Dabei rechnete er es Einstein hoch an, dass er ihm fairerweise half, die Berechnungen durchzuführen, die am Ende den Sieg der Unschärferelation erbrachten. Doch ganz überzeugt war Einstein nie, sondern dachte sich immer neue Spielarten solcher Gedankenexperimente aus. 37
Am Ende erwies sich die Quantenmechanik als eine erfolgreiche Theorie, und Einstein geriet in eine Situation, die man als seine eigene Version der Unbestimmtheit bezeichnen könnte. Er bezeichnete die Quantenmechanik nicht mehr als falsch, sondern als unvollständig. 1931 schlug er Heisenberg und Schrödinger für den Nobelpreis vor. (Sie bekamen ihn 1932 und, zusammen mit Dirac , 1933.) »Ich bin überzeugt davon, dass diese Theorie zweifellos einen Teil der letztgültigen Wahrheit in sich trägt«, schrieb Einstein in seinem Nominierungsschreiben.
Einen Teil der letztgültigen Wahrheit. Einstein hatte das Gefühl, dass die Realität mehr umfasste, als die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik erklärte.
Sie habe einen inhärenten Mangel, »denn [sie] erhebe nicht den Anspruch darauf, das Physikalisch-Reale selbst zu beschreiben, sondern nur die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten eines ins Auge gefassten Physikalisch-Realen«, schrieb er im selben Jahr in einer Festschrift für James Clerk Maxwell , den Meister seiner physikalischen Lieblingsmethode, der Feldtheorie . Seine Ausführungen schloss er mit einem demonstrativen Bekenntnis zum Realismus – einer unverblümten Leugnung des Bohr’schen Glaubenssatzes, nach dem es in der Physik nicht darum gehe, was die Natur sei , sondern nur darum, »was wir über die Natur sagen können« – das hätte zu einem Ausdruck des Erstaunens bei Hume , Mach und möglicherweise sogar einem jüngeren Einstein geführt. Er erklärte: »Der Glaube an eine vom wahrnehmenden Subjekt unabhängige Außenwelt liegt aller Naturwissenschaft zugrunde.« 38
In seinen radikaleren Jugendtagen legte Einstein keinen besonderen Wert auf diese Maxime. Stattdessen verstand er sich als Empirist oder Positivist . Mit anderen Worten, für ihn waren die Werke von Hume und Mach heilige Texte, die ihn veranlassten, alle nicht durch direkte Beobachtung erkennbaren Begriffe wie Äther oder absolute Zeit zu meiden.
Als jetzt seine Ablehnung des Ätherbegriffs differenzierter und sein Unbehagen mit der Quantenmechanik größer wurde, distanzierte er sich allmählich von dieser Orthodoxie. »Was mir an dieser Art des Argumentierens nicht gefällt«, erläuterte der ältere Einstein, »ist die nach meiner Überzeugung unhaltbare positivistische Grundeinstellung, die mir mit dem Berkeleyschen Grundsatz ›esse est percipi‹ 39 zusammenzufallen scheint.« 40
Es gab viel Kontinuität in Einsteins Wissenschaftsphilosophie, daher wäre es falsch, wollte man in seinem Denken einen klaren Wechsel vom Empirismus zum Realismus ausmachen. 41 Trotzdem darf man feststellen, dass er, als er in den 1920er-Jahren gegen die Quantenmechanik kämpfte, dem Mach ’schen Dogma nicht mehr so bedingungslos anhing, stärker zum Realismus neigte und, wie er in seiner Rede zu Ehren Maxwells bekannte, an eine fundamentale Realität glaubte, die unabhängig von unseren Beobachtungen existiere.
Das kommt auch in einer Vorlesung zum Ausdruck, die Einstein im Juni 1933 hielt: »Zur Methodik der theoretischen Physik «, in der er seine wissenschaftstheoretischen Ansichten darlegte. 42 Sie begann mit einer Empfehlung. Um die Methodik und Philosophie der Physiker zu verstehen, solle man dem Grundsatz »Höret nicht auf ihre Worte, sondern haltet euch an ihre Taten« folgen.
Wenn wir uns an das halten, was Einstein tat, statt an das, was er sagte, ist klar, dass er (wie jeder echte Naturwissenschaftler) glaubte, das Endprodukt jeder Theorie müssten Schlussfolgerungen sein, die sich durch Erfahrung und empirische Tests überprüfen ließen. Ein Markenzeichen seiner Abhandlungen war, dass sie mit Vorschlägen für solche Experimente endeten.
Doch wie kam er auf die Grundlagen seiner theoretischen Überlegungen – die Prinzipien und Postulate, die seine logischen Gedankenprozesse in Gang setzten? Wie wir gesehen haben, begann er gewöhnlich nicht mit einer Reihe von Experimentaldaten, die nach einer Erklärung verlangten. »Eine noch so umfangreiche Sammlung empirischer Fakten kann nicht zur Aufstellung so verwickelter Gleichungen führen«, sagte er, als er einmal beschrieb, wie er zu seiner allgemeinen Relativitätstheorie gekommen sei. 43 In vielen seiner berühmten Abhandlungen legte er Wert auf die Feststellung, dass er sich, um neue Theorien zu entdecken, nie auf bestimmte Experimentaldaten verlassen habe – egal, ob es um die Brown’sche Bewegung , Versuche, den Äther zu entdecken, oder den photoelektrischen Effekt ging.
Stattdessen begann er im Allgemeinen mit Postulaten, die er aus seinem Verständnis der physikalischen Welt ableitete – beispielsweise der Äquivalenz von Gravitation und Beschleunigung . Zu dieser Äquivalenz gelangte er nicht durch die Beschäftigung mit empirischen Daten. Einsteins große Stärke als Theoretiker erwuchs daraus, dass er besser als andere Forscher in der Lage war, »die allgemeinen Postulate und Prinzipien« zu entwickeln, »die als Ausgangspunkt dienen«.
In diesem Prozess mischte sich Intuition mit dem Gespür für die Muster, die Experimentaldaten eigen waren. »Der Forscher muß (…) der Natur jene allgemeinen Prinzipien gleichsam ablauschen, indem er an größeren Komplexen von Erfahrungstatsachen gewisse allgemeine Züge erschaut.« 44 Als er darum rang, einen Ansatzpunkt für eine einheitliche Theorie zu finden, fasste er das Wesen dieses Prozesses in einem Brief an Hermann Weyl zusammen: »Ich glaube, um einen echten Fortschritt zu erzielen, müsste man wieder ein allgemeines Prinzip finden, das man der Natur abgerungen hat.« 45
Wenn er einmal ein solches Prinzip der Natur entrungen hatte, verließ er sich darauf, dass ihn ein Zusammenspiel von physikalischer Intuition und mathematischem Formalismus zu überprüfbaren Schlussfolgerungen führen würde. In seinen jüngeren Jahren äußerte er sich manchmal abfällig über die Möglichkeiten der reinen Mathematik. Doch kurz vor Beendigung der allgemeinen Relativitätstheorie trug ihn die Mathematik über die Ziellinie.
Von da an verließ er sich bei seiner Suche nach einer einheitlichen Feldtheorie zunehmend auf den mathematischen Formalismus. »Die Entwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie offenbarte Einstein das Leistungsvermögen abstrakter mathematischer Formalismen, besonders das der Tensoranalysis «, so der Astrophysiker John Barrow . »Tiefe physikalische Einsichten steuerten die Anwendung der Mathematik in der allgemeinen Relativitätstheorie , aber in den folgenden Jahren kehrte sich das Verhältnis um. Einsteins Suche nach einer einheitlichen Theorie wurde vor allem von seiner Faszination durch den abstrakten Formalismus bestimmt.« 46
In seiner Oxford -Vorlesung begann Einstein zwar mit einem Tribut an den Empirismus : »Alles Wissen von der Wirklichkeit beginnt mit der Erfahrung und mündet in ihr.« Aber dann hob er gleich anschließend die Bedeutung der reinen Vernunft und »logischen Deduktion « hervor. Ohne Einschränkung bekannte er, dass ihn sein Erfolg mit der Tensorrechnung – sie ermöglichte ihm, die Gleichungen der Relativitätstheorie zu finden – zum Glauben an einen mathematischen Ansatz gebracht habe, einen Ansatz, der mehr Wert auf die Einfachheit und Eleganz der Gleichungen als auf die Bedeutung der Erfahrung lege.
Da sich diese Methode bei der allgemeinen Relativitätstheorie bewährt habe, sagte er, »sind wir nämlich zum Vertrauen berechtigt, dass die Natur die Realisierung des mathematisch Einfachsten ist «. 47 Das ist ein elegantes – und auch erstaunlich interessantes – Glaubensbekenntnis. Es war die Grundlage von Einsteins Denken während jener Jahrzehnte, in denen er sich bei seiner Suche nach der einheitlichen Feldtheorie vom Prinzip der mathematischen »Einfachheit« leiten ließ. Ganz ähnlich erklärte der große Isaac Newton im Buch 3 seiner Principia : »Die Natur freut sich über Einfachheit.«
Allerdings lieferte Einstein keinen Beweis für diese Überzeugung, der die Entwicklungen der modernen Teilchenphysik einigermaßen zu widersprechen scheinen. 48 Außerdem hat er nie genau erklärt, was er unter mathematischer Einfachheit verstand. Stattdessen verwies er auf seine tiefe intuitive Gewissheit, dass Gott das Universum so und nicht anders geschaffen habe. »Ich bin überzeugt, dass wir mittels rein mathematischer Konstruktionen die Begriffe und Gesetze entdecken können, die sie miteinander verbinden«, behauptete er.
Es war eine Überzeugung – ja, eine Glaubensüberzeugung –, die er bei seinem letzten Besuch in Oxford geäußert hatte, als er dort im Mai 1931 einen Ehrendoktor bekam. In der Rede, die er zu diesem Anlass hielt, erklärte Einstein, dass seine fortgesetzte Suche nach einer einheitlichen Feldtheorie mehr von der Liebe zu mathematischer Eleganz angetrieben werde als vom Druck der Experimentaldaten. »Ich wurde nicht von hinten durch den Druck der Untersuchungsergebnisse geführt, sondern vorne von der mathematischen Einfachheit angezogen«, sagte er. »Man kann nur hoffen, dass die Experimente der mathematischen Flagge folgen werden.« 49
Ähnlich erklärte Einstein in seinem Oxforder Vortrag von 1933, er sei zu der Überzeugung gelangt, dass die mathematischen Gleichungen der Feldtheorie die beste Methode seien, um die »Wirklichkeit« zu erfassen. Er räumte ein, dass er bisher noch nicht im subatomaren Bereich gearbeitet habe, der offenbar von Zufall und Wahrscheinlichkeit bestimmt werde. Aber er versicherte seinen Zuhörern, das sei bestimmt noch nicht das letzte Wort. »Ich glaube noch an die Möglichkeit eines Modells der Wirklichkeit, d. h. einer Theorie, die die Dinge selbst und nicht nur die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens darstellt.« 50
1917, als Einstein sich in die »kosmologischen Betrachtungen« vertiefte, die sich aus seiner allgemeinen Relativitätstheorie ergaben, dachten die meisten Astronomen, das Universum bestehe nur aus unserer Milchstraße , die mit ihren etwa 100 Milliarden Sternen in einem leeren Raum schwebe. Außerdem schien das Universum mit seinen vielfältig kreisenden Sternen ziemlich stabil zu sein, ohne eine erkennbare Tendenz, zu expandieren oder in sich zusammenzustürzen.
All das veranlasste Einstein, in seine Feldgleichungen eine kosmologische Konstante einzufügen, die eine »Abstoßungskraft« darstellte. Er hatte sie sich ausgedacht, um der Gravitationsanziehung entgegenzuwirken, die die Sterne, wenn sie nicht mit genügend Impuls auseinanderstrebten, zusammenzöge.
Dann folgte eine Reihe wunderbarer Entdeckungen. Die erste machte 1924 Edwin Hubble , ein etwas exzentrischer, umgänglicher Astronom, der mit dem 2,5-Meter-Spiegelteleskop am Mount-Wilson-Observatorium in den Bergen über Pasadena arbeitete. Zunächst erkannte er, dass der verschwommene Fleck, den man damals als Andromeda -Nebel bezeichnete, in Wirklichkeit eine andere Galaxis war, etwa so groß wie die unsere, fast eine Million Lichtjahre entfernt (heute wissen wir, dass sie mehr als doppelt so weit entfernt ist). Schon bald konnte er mindestens zwei Dutzend noch fernere Galaxien entdecken (heute geht man davon aus, dass es mehr als 100 Milliarden von ihnen gibt).
Dann machte Hubble eine noch erstaunlichere Entdeckung. Durch Messung der Rotverschiebung im Spektrum der Sterne (das Gegenstück zum Dopplereffekt der Schallwellen ) fand er heraus, dass die Galaxien sich von uns entfernen. Für den Umstand, dass ferne Sterne in alle Richtungen von uns davonzufliegen schienen, gab es mindestens zwei mögliche Erklärungen: (1) weil wir der Mittelpunkt des Universums sind, etwas, was seit Kopernikus nur noch Halbwüchsige glauben; (2) weil die gesamte Metrik des Universums expandiert , was hieß, dass alles sich in jede Richtung streckte, sodass sich alle Galaxien weiter voneinander entfernten.
Dass die zweite Erklärung zutraf, wurde klar, als Hubble ermittelte, dass sich die Galaxien im Allgemeinen mit einer Geschwindigkeit entfernten, die ihrer Erdentfernung proportional war. Wer zweimal so weit entfernt war, flog zweimal so schnell davon, wer dreimal so weit entfernt war, flog dreimal so schnell davon.
Das können wir uns beispielsweise klarmachen, indem wir uns auf einer elastischen Ballonoberfläche ein Gitter von Punkten vorstellen, die alle einen Zentimeter von ihren Nachbarn entfernt sind. Jetzt nehmen wir an, der Ballon würde so aufgeblasen, dass die Entfernungen auf der Oberfläche jeweils doppelt so groß werden wie zuvor. Die Punkte sind nun zwei Zentimeter voneinander entfernt. Während der Expansion setzt sich ein Punkt, der ursprünglich einen Zentimeter Abstand von unserem eigenen Punkt hatte, um einen weiteren Zentimeter ab. In derselben Zeitspanne rückt ein Punkt, der anfangs zwei Zentimeter entfernt war, noch weitere zwei Zentimeter davon. Betrug der Abstand anfangs zehn Zentimeter, kommen jetzt noch mal zehn Zentimeter hinzu. Je größer die Entfernung eines Punkts ursprünglich war, desto weiter setzt er sich von unserem Punkt ab. Und dieselbe Systematik gilt aus Sicht eines jeden Punktes auf dem Ballon.
Mit all dem soll auf einfache Weise zum Ausdruck gebracht werden, dass die Galaxien nicht von uns davonfliegen, sondern dass die gesamte Metrik des Raums oder Struktur des Kosmos expandiert . Um uns ein dreidimensionales Bild davon zu machen, denken wir uns, die Punkte seien Rosinen in einem Kuchen, der im Backofen ist und sich in alle Richtungen ausdehnt.
Im Januar 1931, bei seiner zweiten Reise nach Amerika, beschloss Einstein, das Observatorium auf Mount Wilson (bequemerweise vom Caltech , wo er gerade zu Besuch weilte, nur ein Stück die Straße hinauf) aufzusuchen, um sich das Ganze selbst anzuschauen. In einem schnittigen Pierce-Arrow-Tourenwagen fuhren Edwin Hubble und er die Serpentine hinauf. Oben trafen sie den alternden und kränkelnden Albert Michelson , der seinen Ruhm dem Äther -Drift-Experiment verdankte.
Es war ein sonniger Tag, und Einstein spielte vergnügt mit den Hebeln und Wählscheiben des Teleskops. Elsa traf auch ein, und man erklärte ihr, dass die komplizierte Apparatur dazu diente, das Ausmaß und die Form des Universums zu bestimmen. Worauf sie erwidert haben soll: »Nun, mein Mann macht das auf der Rückseite eines alten Briefumschlags.« 51
Die Daten, die eine Expansion des Universums belegten, wurden in der Publikumspresse so dargestellt, als stellten sie Einsteins Theorien infrage. Es war ein wissenschaftliches Drama, das in der Öffentlichkeit begierig verfolgt wurde. »Große Sternensysteme«, so begann ein Bericht von Associated Press, »die der Erde mit 11.700 Stundenkilometer enteilen, stellen für Dr. Albert Einstein ein Problem dar.« 52
Doch Einstein begrüßte die Neuigkeit. »Die Menschen an der Mount-Wilson-Sternwarte sind großartig«, schrieb er Besso . »Sie haben vor kurzem herausgefunden, dass die Spiralnebel ungefähr gleichförmig im Raum verteilt sind und proportional zu ihrer Entfernung einen starken Doppler-Effekt aufweisen, den man ohne die ›kosmologische ‹ Konstante leicht aus der allgemeinen Relativitätstheorie ableiten kann.«
Mit anderen Worten, die kosmologische Konstante , die er widerstrebend in die Gleichung geschmuggelt hatte, um ein statisches Universum zu erhalten, war offenbar nicht notwendig, weil das Universum tatsächlich expandierte . 53 »Die Situation ist wirklich aufregend«, schrieb er begeistert an Besso . 54
Natürlich wäre es noch aufregender gewesen, wenn Einstein seinen ursprünglichen Gleichungen gleich vertraut und einfach bekannt gegeben hätte, dass seine allgemeine Relativitätstheorie ein expandierendes Universum vorhersagte. Dann hätte Hubbles Bestätigung mehr als ein Jahrzehnt später einen genauso tiefen Eindruck hinterlassen wie die Eddingtons , als er nachwies, dass Einstein mit seiner Vorhersage für die Ablenkung von Licht durch Gravitation recht gehabt hatte. Der Big Bang wäre vielleicht als Einstein-Bang bezeichnet worden und hätte möglicherweise in die Geschichte und in die öffentliche Vorstellung als eine der aufsehenerregendsten theoretischen Entdeckungen der modernen Physik Eingang gefunden. 55
So aber blieb Einstein nur das Vergnügen, die kosmologische Konstante , die ihm nie zugesagt hatte, wieder verwerfen zu können. 56 1931 fügte er einer Neuauflage seines populärwissenschaftlichen Buchs über die Relativitätstheorie einen Anhang hinzu, in dem er erklärte, warum der Term, den er in die Feldgleichungen eingesetzt hatte, zum Glück nicht mehr notwendig war. 57 »Als ich kosmologische Probleme mit Einstein erörterte«, erinnerte sich George Gamow später, »meinte er, die Einführung der kosmologischen Konstante sei die größte Eselei seines Lebens gewesen.« 58
Tatsächlich waren Einsteins Eseleien faszinierender und komplexer als die Triumphe weniger bedeutender Forscher. Es war schwierig, den Term einfach aus den Feldgleichungen herauszunehmen, wie der Nobelpreisträger Steven Weinberg meint: »Leider war es gar nicht so leicht, die kosmologische Konstante einfach unter den Tisch fallenzulassen, weil alles, was zur Energiedichte des Vakuums beiträgt, in seiner Wirkung einer kosmologischen Konstanten gleicht.« 59
Wie sich erweist, war die kosmologische Konstante nicht nur schwer zu verbannen, sondern sie wird heute von den Kosmologen benötigt, weil sie die beschleunigende Expansion des Universums erklärt. 60 Die rätselhafte Dunkle Energie , die diese Expansion zu bewirken scheint, verhält sich, als wäre sie eine Manifestation der Einstein’schen Konstante. Infolgedessen führen neue Beobachtungen zwei- bis dreimal im Jahr zu Berichten, in denen ganz Ähnliches vermeldet wird wie in diesem vom November 2005: »Wie genial Albert Einstein handelte, als er eine ›kosmologische Konstante ‹ für die Expansion des Universums in seine Gleichungen einfügte, dürfte durch neue Forschungsergebnisse bestätigt werden.« 61