H
Unsere Hintergrundinformationen beantworten (fast) alle Ihre Fragen zu Istrien.
© Dumont Bildarchiv/Frank Heuer
Man trifft sich am Sergier-Bogen in Pula.
Schon bei der Ankunft in Istrien weckt der Duft von würzigem Rosmarin und salzigem Meerwasser südliche Lebenslust: Ein Sprung in die kristallklare Adria, ein Bummel durch die malerischen Gassen alter Fischerdörfer, der Blick hinab von winzigen Wehrstädtchen, die auf Bergspitzen thronen – welch wunderbare Einstimmung! Spätestens nach Sonnenuntergang, bei hausgemachtem Wein und regionalen Spezialitäten, erliegen die meisten Reisenden dem Charme der Region!
Istrien ist blau, aber auch grün! Das so genannte blaue Istrien erstreckt sich entlang des Küstenstreifens, mit seinen vorgelagerten kleinen Inseln. Vor allem an der Westküste reihen sich viele schmucke Badeorte wie die Perlen einer Kette aneinander. Die zerklüftete Küste schneidet sich stellenweise so tief ins Landesinnere, dass z. B. der Limski kanal gar an einen Fjord erinnert. Dahinter wellt sich das grüne Istrien, wie das hügelige Hinterland werbewirksam genannt wird: Die malerische Landschaft durchziehen Weinberge, Olivenhaine und sanfte Hügel, auf denen mittelalterliche Bergstädtchen wie aufgetupft wirken. Istrien erstreckt sich auf einer Fläche, die etwa so groß wie Berlin und das Saarland zusammen ist.
Aus der Vogelperspektive ragt die größte Halbinsel in der nördlichen Adria herzförmig ins Meer hinein. Im Westen wird sie vom Golf von Triest flankiert, im Osten mündet sie bei Opatija in die Kvarner-Bucht. Nach Norden hin schirmen Karstausläufer, die im Hinterland von Triest beginnen, Istrien vor kalten Winden ab.
Überhaupt gilt der Karst (Baedeker Wissen >>>) als imaginäre Nordgrenze Istriens. Das Kalkgebirge beeindruckt mit einer weit verzweigten Höhlenwelt. Diese entsteht durch eindringendes Regenwasser, das das wasserlösliche Kalkgestein ausspült. Zu den größten und bekanntesten weltweit zählen die Tropfsteinhöhlen von Postojna (Postojnska jama) im Hinterland der slowenischen Küste. Auch kleinere Grotten wie etwa die Jama Baredine warten darauf, entdeckt zu werden. Der Karst – abgeleitet vom slowenischen Kalksteingebirge Kars – ist auch für seine Dolinen (slawisch, etwa »Tal, Niederung«) bekannt. Diese entstehen, wenn unterirdische Hohlräume einstürzen. Größere Löcher werden Polje (slawisch, »Feld«) genannt und landwirtschaftlich genutzt – etwa die Lika im Hinterland der Kvarner-Bucht, eine der weltgrößten Poljen. Berühmt ist der Karst auch für seine Schlucklöcher (Ponore), in denen Flüsse verschwinden, um ihren Lauf unterirdisch fortzusetzen. Das lässt sich in der Schlucht von Pazin besonders gut beobachten, wo die Pazinčica ins Erdinnere fließt.
Überquert man, von Norden her kommend, die waldreiche Hochebene Gorski kotar im Hinterland von Rijeka, erstreckt sich die Kvarner-Bucht (Kvarnerski zaljev) entlang der Küste. Diese beginnt in der Nähe von Opatija im Westen und geht bei Senj im Osten nach Norddalmatien über. Bestens geschützt ist die Kvarner-Bucht nicht nur durch den Gorski kotar, sondern auch durch das Učka-Massiv, das die Riviera von Opatija überragt. Weiter südlich auf dem Festland schließt sich das Velebit-Gebirge an. In der Kvarner-Bucht sind vor allem die vier größten Inseln – Krk, Cres, Lošinj und Rab – aufgrund ihres milden Klimas beliebte Urlaubsdestinationen. Ruhiger geht es hingegen auf den kleinen Inseln wie Susak, Illovik oder Unije zu.
Zu den Nationalparks gehören die vor der istrischen Westküste liegenden Brijuni-Inseln, der Risnjak mit seinem gleichnamigen höchsten Gipfel (1528 m) im Hinterland von Rijeka sowie der 30 km lange Nordteil des Velebit-Massivs, Sjeverni Velebit (Nördlicher Velebit). Im Hinterland locken die Plitwitzer Seen, die in den 1960er-Jahren Winnetou-Drehort waren. Einen Überblick über alle Nationalparks erhält man unter www.parkovihrvatske.hr.
Der Prirodni park Učka, zwischen Istrien und der Kvarner-Bucht, ist einer von elf kroatischen Naturparks. An der slowenischen Küste besitzen die Salinen von Sečovlje diesen Status. Zu den bekanntesten Landschaftsschutzgebieten in Kroatisch-Istrien gehört der fjordähnliche Limski kanal. Ganz in der Nähe erstreckt sich der Waldpark Kontija, zwischen Vrsar und Lim, mit 140 Jahre alten Weißbuchen. Der Motovuner Eichenwald ist für seine Trüffeln berühmt, und im ornithologischen Reservat Palud bei Rovinj leben etwa 210 Vogelarten. Pinien, Zypressen und Aleppokiefern im Waldpark Šijana bei Pula stammen noch aus Zeiten der Donaumonarchie. Das Kap Kamenjak an der Südspitze Istriens lädt zum Baden und wandern ein. Unter Schutz stehen zudem mehrere Tropfsteinhöhlen und auch das Karst-Schluckloch in Pazin.
© Dumont Bildarchiv/Frank Heuer
Istrien in Blau und Grün: die Küste am Kap Kamenjak
»Fahren Sie zur Kur nach Opatija«, riet Sigmund Freud seinen Patienten. Wer es sich während der Donaumonarchie leisten konnte, verbrachte die Wintermonate an der Kvarner-Bucht. Zu Recht, denn selbst die kalte Jahreszeit ist hier überaus mild: Schnee fällt (fast) nur im Hinterland, etwa im Gorski kotar, wo auch Skifahren möglich ist. Während auf dieser Hochebene typisches Gebirgsklima herrscht, ist das Küstenland mit den Inseln mediterran geprägt – mit teils sehr heißen und trockenen Sommern: Die Sonne lacht hier mehr als 2400 Stunden im Jahr, im Hochsommer klettert das Thermometer oftmals auf über 30 °C, Wassertemperaturen von 22 bis 25 °C sind ideal für einen Badeurlaub!
Bekannt ist die Region für ihren kalten, böigen Fallwind – die Bora. Diesen nennen die Kroaten Bura, die Slowenen Burja. Sie ist an vielem schuld, vergleichbar mit dem Föhn in München. Im Sommer weht sie nur gelegentlich. Im Winter hingegen kann die Bora schon mal zwei Wochen am Stück pusten. Dann fegt sie von den Alpen über das Karstgebiet aufs Meer und sorgt für schönes Wetter. Triest nennt sich gar die Stadt der Winde, so fest gehört die Bora dort zum Leben. Berüchtigt ist allerdings die oft plötzlich auftretende Bora am Velebit-Kanal, am Fuß des gleichnamigen Gebirges im Süden der Kvarner-Bucht, am Übergang nach Norddalmatien. Wenn sie besonders intensiv bläst, können die Brücke auf die Insel Krk oder die Autobahn streckenweise gesperrt werden – das gilt vor allem für Autos mit Anhänger, Busse oder Lkw. Vielerorts hat die Bora die dem Festland zugewandten Inselhälften blank geschliffen, sie wirken oft wie Mondlandschaften.
Der warme, feuchte Südwind Jugo (»der Südliche«), auch als Scirocco bekannt, weht in der Nordadria vor allem im Frühjahr – ziemlich heftig sogar. Allerdings setzt er im Gegensatz zur Bora langsam ein, mit Windstille als Vorzeichen.
Der milde Maestral weht nachmittags am stärksten: Er wirkt bei Sommerschwüle erfrischend und bringt schönes Wetter mit sich.
Unverwechselbar ist der Duft an der Adria: Vielerorts riecht es nach Rosmarin, Lavendel oder Lorbeer. Die Uferpromenaden und Parkanlagen säumen oftmals Palmen, Oleanderbüsche und Agaven. In ganz Istrien und der Kvarner-Bucht überziehen ausgedehnte Olivenhaine, Weingärten und Feigenbäume die Landschaft und verleihen der Gegend ein ausgesprochen südliches Flair. Alpine Flora gedeiht in den Gebirgsregionen. Im Učka-Gebirge blühen Orchideen, aber auch die Tommassini-Glockenblume (Campanula Tommasiniana), die nur dort vorkommt.
Immergrün präsentiert sich die Macchia, die sich nach der Rodung der Wälder ausbreitete. Das in der Küstenregion und auf den Kvarner-Inseln weit verbreitete Buschwerk kann bis zu 2 m hoch emporragen. Im Frühjahr leuchtet der Ginster Goldgelb, im Sommer wechseln die Farbtöne von Grün bis Braun, während sie im Herbst wieder bunter werden. Typisch sind Baumheide, Wacholder, Steineiche und Erdbeerbaum.
Ein Drittel Istriens ist bewaldet, was bereits die Venezianer zu schätzen wussten, die hier Holz gewannen. Den Gorski kotar bedecken größere Waldflächen, die Wanderern im Sommer Schatten spenden. Berühmt sind die Esskastanien bei Lovran, die an den Učka-Ausläufern gedeihen und Anlass für das Maroni-Fest im Herbst sind. Entlang der Küste ziehen sich großflächig angelegte Nadelwälder mit Aleppokiefern, Pinien oder Zypressen hin, etwa bei Mali Lošinj. Häufig sieht man Stein- und Flaumeichen, Schwarzkiefern und in höheren Lagen Buchen. Im Sommer grassieren häufig verheerende Waldbrände!
Mit ein wenig Glück lassen sich seltene Tiere erspähen, die ganz bestimmte Lebensräume mögen: Dazu gehört der endemische Grottenolm, ein pigmentloser, blinder Schwanzlurch, der in den dunklen Karsthöhlen zu Hause ist. Da der ungewöhnliche Zeitgenosse sehr scheu ist, wird er in der Höhle von Postojna in einem Vivarium gezeigt – wo er sich 2016 erstmals vermehrt hat, was in solch einer Umgebung nur selten vorkommt.
Im Gorski kotar leben, unter anderem im Naturpark Risnjak, Luchse (kroat. ris), Wölfe und Bären. Stößt Meister Petz etwas zu, wird dessen Nachwuchs im Bärenrefugium in Kuterovo von Freiwilligen aufgepäppelt. Das gilt auch für die in Europa extrem selten gewordenen weißköpfigen Gänsegeier, die man auf Cres und dem gegenüberliegenden Festland erspähen kann. Kranke Greifvögel werden im Grifon centar, südlich von Senj, gepflegt.
In Acht nehmen sollte man sich im Dickicht vor giftigen Hornvipern und Kreuzottern!
Die nördliche Adria ist für ihren guten Fischbestand bekannt: In Küstennähe tummeln sich Adriasardinen, in der Kvarner-Bucht Scampi, im Limski kanal werden Austern und Muscheln gezüchtet. Viele essbare Fischarten wie Wolfsbarsch, Gemeine Goldbrasse, Zahnbrasse, Seezungen, Zander, Seeteufel, Großer Drachenkopf und Makrelen werden gefischt und in den Restaurants angeboten: Die Schattenseite des zunehmenden Tourismus der vergangenen Jahre ist eine Überfischung, um die große Nachfrage zur Urlaubszeit zu decken. Vor allem Thunfisch ist in der Adria selten geworden und wird in größeren Mengen in Aquafarmen gezüchtet.
Vor Cres und Lošinj kann man mit ein wenig Glück Delfine entdecken: Eine Schutzstation kümmert sich um die Erfassung der etwa 200 Tümmler, die gegen eine Spende auch adoptiert werden können. Vor Cres wurde vereinzelt auch die Mittelmeer-Mönchsrobbe gesichtet, die seit einem halben Jahrhundert in dieser Region eigentlich als ausgestorben gilt. Für den Menschen ungefährlich sind Katzenhaie, die bis zu 1 m lang werden können. In der Kvarner-Bucht überwintern zudem gerne Meeresschildkröten, die sich leider oftmals in den Fangnetzen der Fischer verheddern – und in Pula versorgt werden.
© Dumont Bildarchiv/Frank Heuer
Auf Cres sorgt eine Kolonie Gänsegeier für Sauberkeit: Sie ernähren sich von Schafskadavern.
»Ich bin Istrier« – diesen Satz hört man häufig, sei es auf Kroatisch, Slowenisch oder Italienisch. In Kroatien wird den rund 215 000 Bewohnern der Halbinsel oft nachgesagt, das ausgeprägteste Regionalbewusstsein im ganzen Land zu haben. Zwar ist Istrien politisch und durch Grenzverläufe seit einem Jahrhundert zerissen, doch grenzüberschreitende EU-Projekte bemühen sich um das gemeinsame kulturelle Erbe.
Das Miteinander verschiedener Völker ist in ganz Istrien und der Großstadt Rijeka gelebte Tradition. Dadurch, dass der jüngste Krieg (1991 – 1995) hier nicht direkt wütete, gibt man sich toleranter als anderswo in Kroatien, vor allem gegenüber der serbischen Bevölkerungsgruppe. Spurlos ging der Krieg jedoch nicht an der Region vorbei: Hotels und touristische Unterkünfte boten lange Zeit Flüchtlingen aus anderen Landesteilen Jugoslawiens ein Zuhause, und im Hinterland, etwa rund um die Plitwitzer Seen, lieferten sich Serben und Kroaten blutige Kampfgefechte.
Wer in Novigrad ankommt, wird von der Ortstafel auch mit »Cittanova« begrüßt: Kroatisch und Italienisch gelten in der »neuen Stadt« offiziell als gleichberechtigte Sprachen. Wie vielerorts in Istrien lebt hier eine größere italienische Minderheit. Diese pflegt mit politischen Vertretern, Verbänden, Kindergärten, Schulen und einer in Rijeka erscheinenden eigenen Tageszeitung, La voce del popolo (»Stimme des Volkes«), das italienische Erbe in der Region. In Capodistra, auf Slowenisch Koper, sendet sogar ein TV- und Radiosender auf Italienisch – denn auch in Slowenien ist Italienisch eine offizielle Minderheitensprache und die Küstenorte sind zweisprachig.
Zwar leben die meisten Menschen mit italienischen Wurzeln an der Westküste, im Nordwesten von Kroatisch-Istrien und in Rijeka, doch fast überall wird Italienisch verstanden. Heute haben ca. 20 000 Bewohner Istriens noch italienische Wurzeln: In Grožnjan geben sogar zwei Drittel der rund 750 Bewohner Italienisch als Muttersprache an.
Eine eigene, wenig bekannte Volksgruppe sind die Istrorumänen oder Tschitschen (kroat. Ćiribirci, Eigenbezeichnung: Rumâri). Sie stammen von Wanderhirten aus der Walachei ab, die zur Zeit der Osmaneneinfälle angesiedelt wurden. Heute beherrschen nur noch höchstens 1000 zumeist ältere Menschen die dem Rumänischen sehr ähnliche Sprache. Diese ist nur mündlich überliefert, etwa im Dörfchen Žejane, südlich des Učka-Gebirges.
Die kroatische Bevölkerung ist überwiegend katholisch (88 Prozent), ein kleiner Teil (etwa 4 Prozent) ist serbisch-orthodox. Agnostiker und Atheisten machen etwa fünf Prozent aus, Muslime rund 1 Prozent. Kleine jüdische Gemeinden gibt es u. a. in Rijeka, der Rabbi für die slowenischen Juden hat seinen Amtssitz in Triest. Obwohl Kroatien ein säkularer Staat ist, ist die Meinung der Kirche zu politischen Themen von großer Bedeutung für die Bevölkerung.
Drei Staatsflaggen wehen in dem altösterreichischen Kronland: Der weitaus größte Teil Istriens gehört zu Kroatien, der mittlere umfasst die slowenische Küste (Primorska) mit malerischen Hafenorten wie Portorož, Piran und Izola. Ein winziger Abschnitt ganz im Norden, um die Bucht von Muggia herum, liegt auf italienischem Staatsgebiet. Die Ostküste Istriens mündet hingegen bei der K.-u.-k.-Rivera von Opatija in die Kvarner-Bucht mit der quirligen Hafenstadt Rijeka. Das wirtschaftliche und kulturelle Herz Istriens pocht in Pula, am Südzipfel. Regional verwaltet wird die Halbinsel jedoch vom Städtchen Pazin aus, das ziemlich genau in der geografischen Mitte Istriens liegt.
Vom Meer umspülte Fischerstädtchen sowie die geografische Nähe locken seit Jahrzehnten viele Autotouristen aus Italien, Österreich oder Süddeutschland auf die Halbinsel. Unter Tito wurden große Ferienanlagen und preisgünstige Campingplätze, vor allem an der Westküste Istriens, ausgebaut. Das zog viele Bewohner aus dem Landesinneren zur Arbeit in die Küstenstädte. Viele Dörfer im Landesinneren wurden entvölkert. Heute besinnt man sich auf das ländliche Erbe, fernab der ohnehin sehr beliebten Küste: Nachhaltiger Tourismus, auf Kroatisch »agroturizam«, hat sich in den vergangenen Jahren zum Trend in Istrien entwickelt – hier ist die Region sogar in ganz Kroatien federführend. Erzeuger-Höfe im Hinterland bieten Unterkunft auf ihrem Anwesen und versorgen ihre Gäste mit hausgemachtem Wein, Olivenöl oder Marmelade. Verfallene Natursteinhäuser im Landesinneren wurden längst schon zu luxuriösen Villen ausgebaut und werden vermietet. Dazu kommt der Ausbau von Radwegen und Radfahrer-Unterkünften. Einige luxuriöse Hotels im Nordwesten von Istrien setzen mit Glücksspiel und Casino vor allem auf italienische Gäste, die Fortuna gerne herausfordern.
Der sanfte Tourismus hat viele Traditionen wiederbelebt oder gar neu hervorgebracht: Innovative junge Winzer widmen sich zunehmend dem qualitativen Anbau von Wein, viele Familien bieten köstliches Olivenöl zum Verkauf an. Überhaupt wird traditionell großen Wert auf selbst angebaute Lebensmittel (»domaće«) gelegt, auch Bio-Produkte sind zunehmend im Kommen. Vielerorts besinnt man sich mit Naturprodukten wie Trüffeln, Maroni, Kirschen oder Wildspargel auf die Vielfalt, die das fruchtbare Land hergibt. Mit Erfolg: Durch Gastro-Aktionen wird die Tourismussaison vielerorts in Istrien verlängert und dauert vom Frühjahr bis spät in den Herbst hinein. Bei der Viehzucht wurde das autochthone Boškarin-Rind wiederentdeckt. Auf Cres werden bis heute viele Schafe gehalten. Viele Familien entlang der Küste sichern sich mit dem Fischfang zumindest ein Nebeneinkommen – allerdings ruft die hohe Nachfrage nach Adriafisch durch Urlauber auch Umweltschützer auf den Plan.
Größere Fabriken haben sich noch unter Tito um Rijeka, Pula und Pazin herum angesiedelt. Neben der Herstellung von Baumaterial (Kalk, Ziegel, Steine, Zement und Dämmstoffe) und den Raffinerien in der Kvarner-Bucht spielt die Nahrungsmittelproduktion eine Rolle.
Istrien und die Kvarner-Bucht sind von Meer umgeben, daher hat der Schiffsbau eine lange Tradition Die großen Werften in Rijeka und Pula sichern viele Arbeitsplätze, beziehen zugleich jedoch hohe staatliche Subventionen.
Auch der Fährbetreiber Jadrolinija, der fast alle lokalen Küstenverbindungen auf die Inseln betreibt, ist noch in staatlicher Hand. Das ist vor allem der Europäischen Union ein Dorn im Auge, da die Privatisierung längst schon abgeschlossen sein sollte. Von der Europäischen Staatengemeinschaft profitieren auch die Seehäfen, allen voran der slowenische Adriahafen Koper, der sich aufgrund seiner Bahnanbindung für die österreichische Wirtschaft mit Abstand als wichtigster Hafen in den vergangenen Jahren etabliert hat – noch vor den übrigen Häfen in der nördlichen Adria, vor Triest und Rijeka.
Wie anderswo in Kroatien sind auch Istrien und die Kvarner-Bucht nicht von den Folgen der globalen Wirtschaftskrise verschont geblieben: Nach einer mehrjährigen Rezession verzeichnete das kleine Adrialand erstmals 2015 ein Wirtschaftswachstum – die öffentliche Verschuldung ist jedoch enorm. Das sorgt dafür, dass die Einführung des Euro in Kroatien – der in Slowenien längst schon Zahlungsmittel ist – noch in weite Ferne rückt. Viele Privathaushalte sind ebenfalls hoch verschuldet. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit: Jeder Sechste ist in Kroatien ohne Job, unter jungen Menschen gar jeder Zweite. Daher wandern viele, vor allem gut ausgebildete Kroaten, ins Ausland ab. Der Tourismus schafft in Istrien und der Kvarner-Bucht zwar Arbeitsplätze, aber nur saisonal.
© Dumont Bildarchiv/Frank Heuer
Kunst meets Schwerindustrie: Lichtkünstler Dean Skira illuminiert die Uljanik-Werft in Pula.
Der Nordwesten Kroatiens hat wie die anderen Gebiete des ehemaligen Jugoslawien eine ausgesprochen bewegte Geschichte mit zahlreichen Fremdherrschaften und Kriegszeiten.
Erste Nachweise menschlicher Besiedlung in Istrien (Romuald-Höhle).
Die Region wird von den Stämmen der Histrier, Japo den und Liburner besiedelt.
Chr. Die Griechen gründen Aegida (Koper).
Die Römer erobern Nesactium.
Untergang des Weströmischen Reichs, Istrien kommt unter die Herrschaft der Ostgoten.
Istrien gehört zu Byzanz.
Karl der Große stellt die Region unter fränkische Feudalmacht.
Tomislav wird kroatischer König, die Kroaten haben erstmals einen eigenen Staat.
Venedig, bereits Schutzmacht istrischer Küstenstädte, setzt sich allmählich in Istrien fest.
Den Venezianern erwächst Konkurrenz durch die Habsburger.
Eine Verschwörung kroatischer Fürsten gegen Habsburg wird aufgedeckt, deren Anführer werden hingerichtet.
Napoleon erobert die venezianischen Gebiete und installiert die Illyrischen Provinzen.
Durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses fällt das Gebiet an Österreich.
Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen.
Putsch in Rijeka: Istrien, Cres, Lošinj und Triest gehen an Italien.
Istrien gehört zum Unabhängigen Staat Kroatien unter der faschistischen Ustaša-Regierung von Ante Pavelić; Titos Partisanen kämpfen gegen die Machthaber.
Die Volksrepublik Jugoslawien entsteht, lstrien gehört zur Teilrepublik Kroatien.
Krieg in Jugoslawien, der Vielvölkerstaat zerfällt.
Slowenien und Kroatien erklären ihre Unabhängigkeit.
Slowenien wird Mitglied der EU.
Kroatien wird Mitglied der EU.
Im Grenzstreit um die Bucht von Piran scheitert Kroatien vor einem EU-Schiedsgericht: Die Bucht gehört zum großen Teil zu Slowenien.
Versteckt am fjordartigen Limski kanal bietet die Romuald-Höhle schon den Menschen in der Altsteinzeit Schutz. Das belegen vermutlich 14 000 Jahre alte Funde menschlicher Gebeine.
Um 1200 v. Chr. lassen sich indoeuropäische Stämme an der Adriaküste nieder. Dazu gehören die Histrier, die späteren Namensgeber der Halbinsel Istrien. Um das heutige Gebiet von Opatija herum siedeln die Liburner. Nach ihnen ist die Liburnische Riviera benannt, wie der nördliche Abschnitt der Ostküste Istriens auch genannt wird. Histrier und Liburner knüpfen erste Handelsbeziehungen mit griechischen Kolonisten in Dalmatien. Griechische Kaufleute gründen im 3. Jh. v. Chr. den Handelsstützpunkt Aegida (Koper) in der nördlichen Adria.
Die Römer erlangen 177 v. Chr. nach der Schlacht bei Nesactium, damals Hauptstadt der Histrier, die Kontrolle über Istrien. Mit dem Fall von Liburnien fällt die gesamte Halbinsel 50 v. Chr. an die Römer. Unter römischer Herrschaft wird die Infrastruktur ausgebaut: Aus Militärlagern entstehen Städte wie Piranum (Piran), eine Villenkultur (z. B. Pula, Brijuni), römische Straßengrundrisse wie in Poreč oder die Arena in Pula, die nach dem Kolosseum in Rom die zweitgrößte im römischen Reich ist.
Nach dem Zerfall des Imperium Romanum 395 n. Chr. kommen Istrien und die Kvarner-Bucht zum Weströmischen Reich. Nach dessen Untergang nehmen die Ostgoten Istrien ein, werden jedoch 538 vom Oströmischen Reich (Byzanz) verdrängt.
Die Völkerwanderung führt slawische Volksstämme aus dem Dnjepr-Gebiet ab dem 6. Jh. bis nach Istrien. Die Slawen bauen neue Städte, leben von Ackerbau und Viehzucht.
Die Langobarden erobern Istrien, werden jedoch von den Franken unter Karl dem Großen besiegt und 789 Teil des Frankenreichs. Slowenien, Istrien und die Kvarner-Bucht werden in Grafschaften aufgeteilt, die Oberhoheit halten u. a. die Patriarchen von Aquileia, später auch der deutsche Adel.
925 gelingt es König Tomislav, die kroatischen Gebiete erstmals zu einem eigenen Königreich zu vereinigen – dazu gehören auch der Osten Istriens und die Kvarner-Bucht. Nur wenige Jahre später fallen die Gebiete jedoch erneut an Byzanz.
© Glowimages/Stuart Black
Diese Hinterlassenschaften der Römer sind heute in der Arena von Pula ausgestellt.
Viele istrische Küstenstädte schließen ab dem 10. Jh. Schutzverträge mit Venedig, das mit seiner Flotte Piratenangriffe abwehren soll. Ab dem 12. Jh. nimmt Venedig zunehmend Istrien ein.
Triest verbleibt hingegen bis 1382 unter den Habsburgern, die auch die Grafschaft Mitterburg (Pazin) 1374 durch Erbvertrag erhalten und Rijeka (ital. Fiume) 1465 von den Grafen Waldsee erwerben. Im ausgehenden 15. Jh. greifen die Osmanen mehrmals Istrien an, Städte ohne Mauern werden verwüstet. 1509 wird Rijeka/Fiume von den Venezianern geplündert. Ab 1526 untersteht die Stadt Ungarn und erhält ab 1719 wie Triest den Status eines Freihafens. Vom 12. Jh. bis 1918 gehört Rijeka/Fiume – abgesehen von der kurzen napoleonischen Herrschaft – immer zum österreichischen oder/und ungarischen Reich.
Die beiden Herrscherfamilien Frankopan und Zrinski gelten als die mächtigsten Adelsgeschlechter Kroatiens. Das Fürstentum der Frankopanen kontrolliert die Kvarner-Bucht ab 1288, ehe sich die Venezianer auch diese Region wenige Jahre später zum Ausbau von Exporthäfen in der östlichen Adria einverleiben. Eine Verschwörung gegen die Habsburger unter Kaiser Leopold I. scheitert, die beiden Anführer werden 1671 in Wiener Neustadt hingerichtet: Heute gelten der kroatische Banus (Ban) Petar Zrinski, höchster Repräsentant des Monarchen, und Fran Krsto Frankopan als Kämpfer für die kroatische Unabhängigkeit und Nationalhelden.
Napoleon erobert 1797 die Venezianische Republik. Später fallen die Kvarner-Inseln kurzfristig wieder an Österreich, nach dem Sieg von Austerlitz (1805) muss Österreich die Region erneut an die Franzosen zurückgeben. Ab 1807 gehören unter anderem Triest, Istrien und Dalmatien zu den sogenannten Illyrischen Provinzen, Territorien von französischen Gnaden, Hauptstadt ist Laibach (Ljubljana). Mit dem Wiener Kongress 1814 fallen die Gebiete in Slowenien, Istrien, Venetien und Dalmatien erneut an das Habsburger Reich.
Der Ausbau von Triest und Rijeka als Seehäfen beginnt, Pula wird wichtigster K.-u.-k.-Marinestützpunkt. Poreč avanciert zu Istriens Hauptstadt, hier tagt seit 1861 der Landtag (Sabor). Ab 1867 ist Rijeka der Haupthafen für ungarische Waren, erhält eine Straßenbahn und eines der größten Theater in Europa. Ölraffinerien und eine Torpedofabrik beflügeln das Wirtschaftsleben. Die Bedeutung der Stadt in dieser Zeit lässt sich auch an den 22 Konsulaten ablesen. Die K.-u.-k.-Monarchie baut die Eisenbahnverbindung nach Rijeka und Triest sowie das Straßennetz aus und kurbelt ab den 1880er-Jahren den Fremdenverkehr in den Kurorten Abazzia/St. Jakobi (Opatija), Crikvenica, auf Lošinj und im slowenischen Seebad Portorož an.
© Ernst Stankiewicz
Habsburger, Venezianer und Frankopanen haben sich fast überall in Stein verewigt, auch wenn die Pracht gelegentlich bröckelt.
Kroatische Abgeordnete fordern in der Resolution von Rijeka 1905 einen unabhängigen Nationalstaat der Südslawen. Im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) kämpfen Kroaten an der Seite von Österreich-Ungarn.
Nach dem Zerfall der Doppelmonarchie entsteht 1918 das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS). Gleichzeitig beansprucht Italien Istrien für sich, das mit dem Vertrag von Saint-Germain 1919 Teil der italienischen Region Friaul-Julisch Venetien wird. Im selben Jahr besetzen italienische Freischärler unter Führung des von Mussolini unterstützten italienischen Nationalisten Gabriele d’Annunzio Fiume/Rijeka. Mit dem Grenzvertrag von Rapallo (1920) werden Istrien, Cres und Lošinj dem Königreich Italien zugeschlagen. Fiume/Rijeka bleibt mitsamt dem Hinterland ein unabhängiger Freistaat, der jedoch 1924 aufgelöst wird: Der östliche Stadtteil Sušak verbleibt beim Königreich SHS, der westliche kommt zu Italien. Im istrischen Labin protestieren Bergarbeiter 1921 gegen die schlechten Arbeitsbedingungen. Die in Zuge der Rebellion ausgerufene Republik Labin existiert gerade einmal 36 Tage, dann wird sie vom italienischen Militär blutig niedergeschlagen.
Durch einen Staatsstreich wird die Verfassung 1929 aufgehoben. König Alexander I. regiert das in Königreich Jugoslawien umbenannte Land von Belgrad aus.
Im Frühjahr 1941 nehmen deutsche und italienische Truppen Jugoslawien ein, das Land zerfällt in einzelne Republiken. Ante Pavelić (1889 – 1959), der die national-radikale kroatische Ustaša-Bewegung anführt, ruft im April 1941 den Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) aus – ein faschistisches Marionettenregime, das von der Duldung Italiens und Deutschlands abhängt.
Josip Broz Tito (1892 – 1980), seit 1937 Chef der illegalen Kommunistischen Partei, führt einen Partisanenkrieg gegen die Besatzer. Nach Kriegsende und den ersten Wahlen im November 1945 ruft Tito die Föderative Volksrepublik Jugoslawien aus.
Der Friedensvertrag von Paris im Februar 1947 zieht die Grenzen ganz neu: Der größte Teil Istriens, Rijeka sowie Teile von Friaul-Julisch Venetien werden Jugoslawien zugeschlagen. Über die Stadt Triest und den Nordwesten Istriens kann man sich nicht einigen: Triest wird als Freistaat der Zone A, der Nordwesten Istriens bis zum Fluss Mirna als Zone B unter UNO-Verwaltung gestellt. Erst 1954 kommt die Zone A mit 300 000 Einwohnern zu Italien, die größere Zone B mit 70 000 Bewohnern zu Jugoslawien. Die Staatsgrenze wird erst 1975 mit dem Vertrag von Osimo von beiden Seiten anerkannt, einige kleinere Grenzkorrekturen inklusive.
Tito führt schon bald einen »jugoslawischen Sozialismus« ein: Die geplante Kollektivierung der Landwirtschaft wird schon 1951 aufgegeben, private Kleinbauern bewirtschaften rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen. Überhaupt geht Tito seinen eigenen Weg: 1948 bricht er mit der Sowjetunion und setzt mit Blockfreiheit und Neutralität auf einen Mittelweg zwischen Ost und West. 1953 wird er Staatspräsident auf Lebenszeit.
Bei der Konferenz der blockfreien Staaten mit 20 Teilnehmerländern auf den Brijuni-Inseln 1956 unterzeichnet Tito zusammen mit dem indischen Präsidenten Nehru und dem ägyptischen Staatschef Nasser die sogenannte Brioni-Deklaration zur Blockfreiheit und zu den Grundsätzen der Kooperation.
1963 erfolgt die Umbenennung des Vielvölkerstaates in »Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien« (SFRJ). Unter Tito beginnt der touristische Ausbau der Küste sowie der Adria-Magistrale. Die Binnenmigration nimmt erheblich zu: Einwohner aus dem wirtschaftlich schwächeren Süden, etwa aus dem Kosovo oder Bosnien, zieht es nach Istrien und in die Kvarner-Bucht. Dort blühen Industrie und Tourismus auf.
Die Idee Jugoslawiens wird noch vom charismatischen Tito und dem Partisanenkult getragen. Unter der Oberfläche gärt es jedoch: Eine von Belgrad dominierte Politik, bei der die Serben in offiziellen Positionen begünstigt werden, nie aufgearbeitete nationalistische Tendenzen und die immens hohe Staatsverschuldung bringen den Staat nach Titos Tod im Mai 1980 beträchtlich ins Wanken.
Der politische Umbruch in Osteuropa bestärkt auch die Kroaten und Slowenen, die ihre Republiken beide am 25. Juni 1991 für unabhängig erklärten. Zuvor haben 93 Prozent der wahlberechtigten Kroaten für ein souveränes Kroatien gestimmt, in Slowenien votieren immerhin 88 Prozent für einen eigenen Staat.
Bereits an Ostern 1991 kommt es in der Nähe des beliebten Touristenziels Plitwitzer Seen zu blutigen Unruhen. Die Jugoslawische Volksarmee liefert sich mit serbischen und kroatischen Freischärlern bis 1995 einen blutigen Krieg in Kroatien. In Slowenien wird der sogenannte Zehn-Tages-Krieg, der 56 Tote fordert, mit einer auf den Brijuni-Inseln unterzeichneten Deklaration rasch beigelegt.
Die völkerrechtliche Anerkennung von Kroatien und Slowenien erfolgt im Januar 1992, im darauffolgenden Mai werden beide Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen. Fast ein Drittel des kroatischen Territoriums ist zu diesem Zeitpunkt von der Jugoslawischen Volksarmee besetzt. Direkte Kampfhandlungen in Istrien und der Kvarner-Bucht bleiben zwar aus, aber Zehntausende von Flüchtlingen aus Slawonien, Dalmatien, der Lika sowie Bosnien und Herzegowina suchen bei Verwandten Schutz, in den Hotels und auf Campingplätzen eine Bleibe.
Im August 1995 erobert Kroatien die serbisch besetzten Gebiete mit der umstrittenen Operation Sturm (Oluja) in der Krajina unter Führung des damaligen Generals Ante Gotovina (geb. 1955) zurück – was insbesondere im Ausland als »ethnische Säuberung« kritisiert wird.
Slowenien startet nach der Unabhängigkeit durch: 2004 wird das kleine Adrialand EU-Mitglied. Seit 2007 zahlt man dort mit dem Euro, im selben Jahr noch gehört Slowenien zur Schengen-Zone.
Anders verläuft die Entwicklung in Kroatien. Der politisch konservative Autokrat Franjo Tuđman (1922 – 1999) führt das Land bis zu seinem Tod 1999 in die internationale Isolation. Seinen Nachfolgern gelingt die Annäherung an die Europäische Union nur zögerlich. Zwar wird schon 2001 ein Assoziierungsabkommen mit der Staatengemeinschaft unterzeichnet, allerdings fordert Brüssel zunächst die Auslieferung von Ex-General Gotovina. Dieser wird erst 2005 festgenommen und muss sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten. Als einem von drei Generälen wird Gotovina vorgeworfen, für Morde, Plünderungen und die Vertreibung von 90 000 Serben bei der Rückeroberung der Krajina 1995 verantwortlich zu sein. Der Protest ist groß und spaltet Kroatien bis heute: Viele Menschen sehen in Gotovina keinen Kriegsverbrecher, sondern einen Nationalhelden. Der Freispruch der Generäle wird 2012 in Kroatien stürmisch gefeiert, während Serbien empört ist.
Kroatien ist seit 2009 Vollmitglied der Nato. Die Verhandlungen mit der Europäischen Union werden jedoch wieder zeitweilig auf Eis gelegt, da EU-Mitglied Slowenien ein Veto einlegt. Zankapfel ist der nie genau festgelegte Grenzverlauf in der Bucht von Piran: Davon hängt ab, ob Slowenien Zugang zu internationalen Gewässern hat. Das Tauziehen dauert 16 Jahre, dann entscheidet ein europäisches Schiedsgericht im Juni 2017: Die Bucht gehört mehrheitlich zu Slowenien! Kroatien findet sich mit dem Urteil nicht ab, der Streit geht weiter …
Im Januar 2012 stimmen zwei Drittel der Kroaten für den EU-Beitritt, doch ist die Wahlbeteiligung bei dem Referendum mit nur 43 Prozent recht niedrig. Am 1. Juli 2013 wird Kroatien der 28. EU-Mitgliedsstaat. Das Land erhält umfangreiche Finanzmittel, um Infrastruktur und Landwirtschaft zu modernisieren. Dabei werden in Istrien länderübergreifende Euroregion-Projekte mit Slowenien und Italien umgesetzt. 2017 droht Slowenien seinem Nachbarn mit einer EU-Klage, da Kroatien ebenfalls die geschützte Weinbezeichnung »Teran« international nutzen möchte.
Die Handschriften vieler fremder Herren verschmelzen in Istrien und der Kvarner-Bucht miteinander: Byzantinische Baukunst, venezianische Palazzi und K.-u.-k.-Stilelemente prägen die Region. Charakteristisch sind längere Übergangsperioden von einer Epoche zur nächsten.
Die ältesten Zeugnisse stammen noch aus der Steinzeit. Meist handelt es sich um Gefäße, Schmuck und Arbeitsgeräte aus Knochen oder Stein. Charakteristisch für das Neolithikum bzw. die Jungsteinzeit sind kleine, fensterlose Wohnhäuser aus Trockenmauern, sogenannte Kažuni oder Bunje.
Die Liburner und Histrier errichteten Wallburgen in Trockenbauweise, Gradine genannt, auf Hügelkuppen. Etwa 400 Gradine in Istrien sind bekannt; die Standorte Picugi bei Poreč, Monkodonja bei Rovinj und Nesactium/Nezakcij (Pula >>>) gehören zu den am besten erhaltenen. Bei Ausgrabungen in Nesactium, der ehemaligen Histrier-Hauptstadt, wurden wertvolle Keramikgefäße mit Spiralmustern zutage gefördert, die im Archäologischen Museum in Pula bewundert werden können. Eine weitere Hinterlassenschaft der Illyrer und Kelten sind verzierte Bronzegefäße, sogenannte Situlen.
Die Römer errichteten zahlreiche Städte und Siedlungen, umgaben sie mit Befestigungen, bauten Kanalisationssysteme und Straßen, der Handel florierte. Thermen, Tempel und Foren dienten auch als gesellschaftliche Treffpunkte. Die meisten Siedlungen aus der Bronzezeit wurden zu militärischen Stützpunkten ausgebaut. Von etlichen römischen Villae rusticae sind noch die Grundmauern erhalten. Als eine der repräsentativsten Ausgrabungen dieser Art gilt der Ruinenkomplex in der Verige-Bucht auf Veli Brijun (Brijuni >>>). In der Sepen-Bucht bei Omišalj auf Krk >>> wurden die Reste der Römerstadt Fulfinum und des im 5. Jh. entstandenen frühchristlichen Komplexes Mirine freigelegt. In manchen Städten wie Poreč >>> erinnert die Anlage der Altstadt bis heute an die Römer, die ihre Siedlungen in der Regel um ein Straßenkreuz anlegten: mit einer Hauptachse in Nord-Südrichtung (Cardo) und einer querenden Achse in Ost-West-Richtung (Decumanus). Die Altstadt von Pula >>> wurde dagegen in Form eines Spinnennetzes angelegt. Die meisten seiner römischen Denkmäler stehen nah beieinander, wie etwa das sehr gut erhaltene, imposante Amphitheater für Gladiatorenkämpfe, das römische Theater, der Augustustempel oder der prachtvoll verzierte Sergier-Bogen. In Krk-Stadt wurde bei Renovierungsarbeiten vor wenigen Jahren in einem Café ein römischer Mosaikfußboden freigelegt, der den Meeresgott Triton abbildet. Architekturfragmente aus römischer Zeit wie Säulentrommeln oder Steinblöcke wurden beim Bau der Pfarrkirche von Buje >>> verwendet (sogenannte Spolien).
1999 wurde auf dem Meeresgrund vor der Insel Lošinj >>> eine antike Bronzestatue von unschätzbarem Wert geborgen: Die vollständig erhaltene Skulptur stellt einen Athleten dar, der nach dem Wettkampf im Begriff ist, sich mit einem Schaber den Schweiß und Schmutz von der Haut zu schaben (ein sogenannter Apoxyomenos). Nach jahrelangen Restaurationsarbeiten ist dem Jüngling seit 2016 ein eigenes Museum in Mali Lošinj gewidmet.
Im Oströmischen Reich etablierten sich Basiliken als Gotteshäuser. Nach dem Fall des Weströmischen Reichs im 6. Jh. n. Chr. setzte Kaiser Justinian seine Expansionspolitik von Konstantinopel bis Ravenna fort. Unter byzantinischer Herrschaft entstanden in Istrien mehrere Basiliken, darunter die mit Marmor- und Stuckornamenten geschmückte Basilika Sv. Marija Formosa in Pula, deren Name sich mit »wunderschöne heilige Maria« übersetzen lässt. Byzantinische Bauart zeigt sich auch in der winzigen Kirche Sv. Elizej (Elisäus) bei Fažana (6. Jh., Brijuni >>>, Umgebung) mit schlichter Außenfassade und Transennenfenstern (mit Steinornamenten vergitterte Fenster). Glanzstück ist zweifelsohne die Euphrasius-Basilika (6. Jh.) in Poreč mit wertvollen Mosaiken im Stil der Kirchen von Ravenna. Die floralen Muster und das altchristliche Fischmotiv zeugen von einer frühen Christianisierung. Die Mosaiken bestechen durch große Kunstfertigkeit und kräftige Farben.
© Dumont Bildarchiv/Hans Madej
Im Lapidarium der Euphrasius-Basilika in Poreč sind Architekurfragmente aus vielen Epochen versammelt.
Charakteristisch für die altkroatische Kunst sind viele kleinere Sakralbauten mit eher bescheidenen Dimensionen. An den Altarschranken und Fensterportalen sind meist die Namen der Fürsten und Stifter und der Heiligen eingemeißelt, denen das Gotteshaus geweiht war. Ornamentale Flechtbandmotive waren oft die auffälligste Verzierung der einschiffigen Gotteshäuser. Von dieser Zeit zeugt das Kirchlein Sv. Donat auf Krk, an der Abzweigung nach Punat. Es wurde vermutlich im 9. Jh. errichtet. Aus derselben Epoche stammt die Pfarrkirche Sv. Pelagij in Novigrad >>>. Einschiffige Kirchen mit halbrunden Apsiden findet man u. a. in Rakotule (Motovun >>>, Umgebung), Draguć (Buzet >>>, Umgebung), Roč (Hum >>>, Umgebung) und Lovran (Opatija >>>, Umgebung), während die Kirche Sv. Foška bei Peroj (Vodnjan >>>, Umgebung) dreischiffig errichtet wurde. Bei Kanfanar (Limski kanal >>>) birgt die altkroatische Kirche Sv. Agata seltene frühromanische Fresken, die im 11. Jh. entstanden und noch von byzantinischer Malkunst beeinflusst sind.
Schwere Formen und quadratische Proportionen prägen die romanische Baukunst. Ab dem 12. Jh. setzte eine rege Bautätigkeit von Kirchen und Klöstern ein. Viele der dreischiffigen Kirchen mit Apsiden, Säulen, Arkaden und Holzdecken wurden von Benediktinern errichtet, die aus Italien gekommen waren. Die Kathedrale in Krk-Stadt stammt aus dem frühen 12. Jh., wurde später jedoch mehrfach umgebaut. Die Kathedrale in Rab-Stadt besitzt ein Mittelschiff mit Säulen, der frei stehende Glockenturm gilt als einer der schönsten dieser Epoche. Aus romanischer Zeit erhalten ist der Kreuzgang des Klosters von Sv. Petar u Šumi (Hl. Peter im Walde) bei Pazin >>>. Zu den schönsten romanischen Sakralbauten in Istrien gehört auch die Pfarrkirche Sv. Marija in Vrsar (12. Jh.).
Charakteristisch für die romanische Profanarchitektur sind Zwillings- und Drillingsfenster, grobe Steinquader prägen die Gebäude. Der weiße Kalkstein aus Istrien, oft als »Marmor« bezeichnet, wurde dafür gern verwendet. Sehenswert sind etwa in Poreč das Kanonikerhaus und das Romanische Haus (jeweils 13. Jh.) mit auffälligem Holzbalkon und Biforium.
Bedeutend sind die Fresken von Hum >>>. In der dortigen Friedhofskapelle Sv. Jeronim (12. Jh.) lassen sie noch byzantinischen Einfluss erkennen. Weit verbreitet waren auch Flechtornamente als typisch (vor-)romanisches Element.
Mit der venezianischen Herrschaft begann im 14. und 15. Jh. eine rege Bautätigkeit in den Küstenstädten an der nördlichen Adria: Paläste, Wehrmauern, Stadtloggien, Kirchen und Campanile entstanden, von denen viele bis heute mit dem Markuslöwen, dem Hoheitssymbol der Venezianer, geschmückt sind. Die sogenannte venezianische Gotik, die bereits Renaissance-Elemente enthält, prägte die städtische Architektur der istrischen Küstenstädte besonders nachhaltig. Schöne Beispiele sind etwa der Prätorenpalast in Koper >>> (spätes 15. Jh.), aber auch in Pula >>>, Portorož >>>, Piran >>>, Vodnjan >>> und anderen Städten entstanden schmucke Palazzi, teilweise mit symmetrischen Doppelfenstern. Charakteristisch für diese Epoche ist zudem der Ausbau der Befestigungsanlagen.
Ab dem 13. Jh. ließen sich Franziskaner in der Region nieder. Deren Kirche Sv. Franjo in Pula gilt als eines der schönsten frühgotischen Bauwerke in Istrien. Meisterlich ist der vergoldete Altaraufsatz. Die Pfarrkirche Sv. Silvestar in Kanfanar (Limski kanal >>>) birgt hingegen eine frühgotische Steinkanzel mit Reliefplatten auf schlanken Säulen, die von den Bewohnern der aufgegebenen Ruinenstadt Dvigrad mitgebracht worden war. Die gotische Kirche Sv. German auf Veli Brijun (Brijuni >>>, 1481) bewahrt Kopien der bekanntesten istrischen Fresken und glagolitischen Inschriften.
In dieser Zeit entstanden auch die meist großflächigen Fresken in Sakralbauten, teils mit glagolitischen Inschriften. Gotische Malerei aus dem 14. Jh. prägt etwa die Friedhofskirche Sv. Nikola in Rakotule (Motovun >>>, Umgebung). Aus der zweiten Hälfte des 15. Jh.s sind viele Zyklen heimischer Meister erhalten. Zu den bekanntesten gehört Vincent von Kastav, der die Fresken in Beram (Pazin >>>, Umgebung) schuf (1475), während Ivan/Janez (Johannes) von Kastav die Wandmalereien im slowenischen Hrastovlje (Koper >>>, Umgebung) zuzuordnen sind. Zahlreiche Malereien, vor allem im Landesinnern, lassen sich Albert von Konstanz zuschreiben, wie etwa diejenigen in der Kirche Sv. Juraj in Plomin (1475, Labin >>>, Umgebung), aber auch Fresken in Brseč (Mošćenice >>>, Umgebung) und Lovran (Opatija >>>, Umgebung). Um 1460 gestalteten Maler aus dem Kreis um Leonard aus Brixen (Südtirol) in der Pfarrkirche von Pazin einen großen Freskenzyklus. Zentrales Motiv in Beram und Hrastovlje ist der Totentanz, ein populäres Motiv, das die Menschen an ihre Endlichkeit erinnern soll. Fast der gesamte Kirchenraum ist in bunten Farben ausgemalt. Bedeutend sind auch die Wandmalereien in der Kirche Sv. Antun in Žminj (Pazin >>>, Umgebung).
Die Renaissance in Istrien ist durch die Verwendung antiker Stilelemente wie etwa osmanischer Kuppeldecken oder reichlich verschlungener Dekorbänder gekennzeichnet. Fenster mit halbrunden Bögen finden sich an der Pfarrkirche Sv. Marija in Svetvinčenat (16. Jh., Vodnjan >>>, Umgebung), gelegentlich sieht man auch zweibogige Fenster (sogenannte Biforen, Buje >>>, Labin >>>). Die Kirche Sv. Marija Velika (Rab-Stadt) schmückt ein Renaissanceportal mit einer spätgotischen Pietà.
Viele Renaissancekunstwerke Istriens stammen aus Venedig. Auch Flügelaltäre oder Wandmalereien wurden von Künstlern wie Tizian oder Tintoretto beeinflusst. Als Meisterwerk dieser Epoche gilt das Polyptychon der Franziskanerkirche in Pula >>> (um 1480). Der Wandermaler Anton aus Padua arbeitete in der Kirche Sv. Rok in Draguć (1529, 1537, Buzet >>>, Umgebung). Umgekehrt waren Maler aus Istrien wie Julije Klović (1498 – 1578) in Italien tätig. Mit seinen Miniaturen prägte er die italienische Renaissance maßgeblich, war zudem ein Lehrer von El Greco >>>.
Vielerorts in Istrien wurden bereits bestehende Gebäude lediglich mit barocken Elementen versehen, etwa in der Innenstadt von Koper >>>. Barocke Stilmittel findet man auch an der Kathedrale Uznesenje Blažene Djevice Marije (Mariä Himmelfahrt) in Pula >>> sowie in der Pfarrkirche Sv. Nikola inn Pazin oder am Balbi-Bogen in Rovinj >>> (1680). Für eine barocke Blütezeit fehlte es aufgrund der langen Pestepidemie, aber auch wegen der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Habsburgern und Venezianern zum einen am schöpferischen Tatendrang, zum anderen aber auch schlichtweg an den finanziellen Mitteln dafür.
Die Küste blieb bis ins 18. Jh. hinein unter venezianischem Einfluss. In den österreichisch verwalteten Landesteilen in Zentralistrien und der Kvarner-Bucht zeigt sich hingegen auch mitteleuropäischer Barock. So trägt etwa die einstige Jesuitenkirche Sv. Vid in Rijeka >>> mit ihrem oktagonalen Grundriss frühbarocke Züge (1638 – 1659). Schöne Barockarchitektur findet sich auch im Paulinerkloster in Sv. Petar u Šumi (Pazin >>>, Umgebung).
Eine Schlüsselfigur der spätbarocken Sakralmalerei ist ein Slowene mit französischen Wurzeln: Janez Valentin Metzinger (1699 – 1759). Er schuf mehr als 300 Gemälde. Viele prunkvolle Barockaltäre in Kroatien und Slowenien stammen ebenfalls aus dieser Epoche.
Der Historismus im späten 19. Jh. zeigt sich etwa in Pula in der Kirche Gospa od mora, die eine Mischung aus Neobyzantismus und Neoromanik darstellt. Der Neorenaissance zuzurechnen ist beispielsweise das Kroatische Nationaltheater in Rijeka >>>, ein Bau des Wiener Architektenduos Fellner & Helmer.
Die Wiener Secession hat ihre Spuren vor allem in den Seebädern entlang der Riviera von Opatija >>> hinterlassen. Mondäne Jugendstil-Villen und Hotels mit ornamentalen Stuckfassaden beeindrucken die Urlauber bis heute. Vor allem die Krainische Baugesellschaft aus Laibach (Ljubljana) war hier aktiv. Als bedeutendster Jugendstilarchitekt in Rijeka gilt Emilio Ambrosini (1850 – 1912), dessen Handschrift mehrere Palazzi tragen. An der Westküste Istriens dominierte die italienische Spielart des Jugendstils, Liberty genannt.
Der italienische Rationalismus der 1920er- und 1930er-Jahre findet sich vor allem in Pula >>>. Damals entstanden viele Wohngebäude. Das Hauptpostamt mit einer futuristischen Wendeltreppe gilt als wichtigstes Baudenkmal dieser Zeit in Istrien, es wurde 1935 nach Plänen von Angiolo Mazzoni (1894 – 1979) gebaut. In der Zwischenkriegszeit prägte der österreichisch-italienische Architekt Max Fabiani (1865 bis 1962) das slowenische Karststädtchen Štanjel (Postojnska jama >>>) maßgeblich – u. a. mit dem Ferrari-Garten.
Die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich der Ideologie unterordnen. Anonyme Massenbauten kennzeichneten die staatliche Baupolitik des Sozialismus – Hochhäuser an den Stadträndern von Rijeka >>> und Pula >>> erinnern bis heute daran. Nicht gerade schön, dafür funktional, waren auch viele Hotelanlagen, die ab den 1960er-Jahren mit dem Aufkommen des Massentourismus entstanden, z. B. bei Poreč >>>. Die zeitgenössische Architektur seit Mitte der 1990er-Jahren konzentriert sich vor allem auf Wohnbauprojekte, Einkaufszentren und touristische Infrastruktur.
Zu Titos Lieblingskünstlern gehörte der Bildhauer Dušan Džamonija (1928 – 2009). Er schuf viele monumentale Partisanendenkmäler. Seine neutralen Skulpturen sind in einem Skulpturenpark bei Vrsar >>> frei zugänglich. Aleksandar Rukavina (1934 – 1985) entwickelte mit Gleichgesinnten in den 1960er-Jahren das fast entvölkerte Grožnjan >>> zu einem Künstlerstädtchen. In Crikvenica >>> ist man stolz auf das Erbe von Zvonko Car (1913 – 1982). Sein bekanntestes Werk ist das Mädchen mit der Möwe, heute Wahrzeichen von Opatija >>>. Die Glagolitische Allee zwischen Roč und Hum >>> wurde von Želimir Janeš (1916 – 1996) zwischen 1977 und 1983 geschaffen. Der zeitgenössische istrische Bildhauer Ljubo de Karina (geb. 1948) ist in seinem Heimatort Brseč (Mošćenice >>>, Umgebung) tätig,, seine Steinmetzarbeiten finden sich unter anderem in Form glagolitischer Buchstaben in der Umgebung von Baška auf Krk.
Internationale Bildhauer-Symposien finden alljährlich in Vrsar >>>, in Dubrava bei Labin und auf der slowenischen Halbinsel Seča bei Portorož statt.
Ein bedeutender kroatischer Maler und Grafiker der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ist Edo Murtić (1921 – 2005), ein Vertreter vor allem des abstrakten Expressionismus. Als einer der wichtigsten slowenischen Nachkriegsmaler gilt der in Triest geborene Lojce Spacal (1907 bis 2000); seine Linol- und Holzschnitte sind von istrischen Motiven inspiriert. Diese verarbeitete auch der Maler und Grafiker Vjekoslav »Vojo«Radoičić (1930-2017) in einem unverkennbaren farbenfroh-naiven Stil. Zur jungen Szene in Istrien gehört der in Pazin lebende Elvis Berton (geb. 1970).
Möglicherweise fällt es einem beim Bezahlen mit einer 100-Kuna-Banknote einmal auf: Rätselhafte Zeichen, die mit der heutigen Lateinschrift der Kroaten überhaupt nichts zu tun haben, prangen auf der Vorderseite. Sie erinnern ein wenig an stilisierte Kreuze, Kreise und Dreiecke. Bei den ungewöhnlichen Buchstaben handelt es sich um die Glagoliza, die älteste slawische Schrift. Sie ist heute so angesagt, dass sie sogar Designer-Taschen ziert.
Zugegeben, mit ihren Formen sieht die alte Schrift der Kroaten schon ein wenig magisch aus. Die einen sagen, dass die heiligen Formen Kreis, Kreuz und Dreieck zur Glagoliza abgewandelt wurden; die anderen halten dagegen, dass auch armenische und griechische Elemente auftauchen.
Nur in einem ist man sich einig: Gemeinhin wird angenommen, dass die Slawenapostel Konstantin, später Kyrill genannt, und Method, die aus dem griechischen Saloniki stammten, diese Schrift Mitte des 9. Jh.s entwickelt haben. Die beiden Missionare hatten die Aufgabe, die slawische Bevölkerung für das Christentum zu gewinnen und ihnen die Inhalte des Alten und Neuen Testaments näher zu bringen. Aus der Notwendigkeit heraus, über eine eigene Schriftsprache zu verfügen, die der Sprache des Volkes möglichst nahekam, entstand vermutlich die glagolitische Schrift.
Ursprünglich hatte die Glagoliza 38 Buchstaben, die zunächst rund und später eckig waren. Diese hatten nicht nur einen Lautwert, sondern auch einen Zahlenwert. Das war in vielen alten Schriften üblich, in denen es keine eigenen Zahlzeichen gab. Während die Glagoliza anderswo schon früh durch die kyrillische Schrift abgelöst wurde, hielt sie sich in Kroatien noch mehrere Jahrhunderte. Dort verlor sie allerdings ab dem 16. Jh. zugunsten des Lateinischen an Bedeutung. Nur in der kirchlichen Liturgie hielt sie sich sogar bis ins 19. Jh. hinein.
Für die Geschichte Kroatiens sind die ungewöhnlichen Zeichen sehr bedeutsam, da die ältesten Schriftdenkmäler in der Glagoliza verfasst wurden. Dazu gehört das wohl berühmteste und am beste erhaltene: Die Tafel von Baška (Bašćanska ploča) aus der Zeit um 1100, die in Jurandvor auf der Insel Krk entdeckt wurde. Die Inschrift dieser Steintafel besagt in 13 Zeilen, dass Zvonimir König der Kroaten war. Vor diesem Hintergrund hat die Glagoliza im unabhängigen Kroatien eine ganz besondere Bedeutung erhalten – als ein Symbol der nationalen und kulturellen Identität. Eine Replik der Tafel ist in der Staatsbibliothek zu Berlin ausgestellt.
In der Kvarner-Bucht sieht man die Glagoliza auch auf der Steintafel von Valun (Valunska ploča), die noch aus dem 11. Jh. stammen soll: Neben glagolitischen Elementen wurde sie dazu in lateinischer Schrift verfasst und besagt, dass hier drei Generationen einer Familie liegen. Sie wird an ihrem Fundort Valun auf der Insel Cres aufbewahrt. In der Kirche Sv. Juraj Stari in Plomin wird die Inschrift von Plomin (Plominski natpis) gehütet.
Als Gipsabguss oder Magnet wird die Tafel von Baška in vielen Souvenirläden angeboten. Auf Glagoliza-Fragmente hat sich die Zagreber Etno-Butik Mara spezialisiert: Damit sind die durchaus bürotauglichen, zeitlos-eleganten Kleider, Blusen und Hemden bestickt. Aufmerksamkeit dürfte damit garantiert sein: Denn wer kann schließlich schon behaupten, einen Auszug aus dem ersten gedruckten Buch in glagolitischer Schrift – der Missale von Fürst Novak, die 1483 in Roč gedruckt wurde – spazieren zu tragen? (Webshop: http://etnobutik-mara.com).
Das Brauchtum lebt vor allem an Feiertagen in der Region auf: Dann werden aufwändig gefertigte Trachten oder Karnevalsmasken aus dem Schrank geholt und traditionelle Flöten, Dudelsäcke oder Klapa-Chöre sorgen für gute Laune.
Farbenfroh und fröhlich geht es vor allem in der Karnevalszeit zu: Vor dem Beginn der Fastenzeit streifen die berühmten Glöckner (Zvončari) mit ihren fratzenhaften Holzmasken und zottigen Tierfellen durch die Straßen der Karnevalshochburg Rijeka und durch die Dörfer. Die Masken der Glöckner von Halubje, in der Nähe von Kastav, wurden 2009 in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen.
Klassische Patronatsfeste mit Kirchprozessionen erinnern vielfach an Volksfeste. Dabei wird gerne getanzt: Der Balun ist Istriens berühmtester Volkstanz, dabei drehen sich Paare um die eigene Achse im großen Kreis. Auf der Insel Krk wird der Reigentanz Krčki tanec zu zweit oder zu dritt innerhalb einer kreisförmigen Tanzgruppe aufgeführt.
Zum Volkstanz gehören traditionelle Trachten: Istrische Frauenkleider aus dunkler Schafswolle werden durch weiße Dreieckstücher am Hinterkopf ergänzt, während sich die Männer in Istrien mit einer flachen Kappe schmücken oder auf der Insel Krk Kniehosen überziehen. Ungewöhnlich ist die farbenfrohe Frauentracht auf der Insel Susak: Deutlich über dem Knie endende, glockenförmige Miniröcke werden zu dicken Wollstrümpfen in der Signalfarbe Pink getragen!
© Dumont Bildarchiv/Frank Heuer
Zumindest bei Festen trägt man noch Tracht wie dieser Armbrustschütze in Rab-Stadt.
Achten Sie bei einem Volksfest oder Gastro-Event doch einmal auf die Instrumente! Manche sind nur in der Region verbreitet. Dazu gehört etwa die istrische Sackpfeife Mih aus Ziegenleder, Blasrohr und einem Mundstück mit fünf Löchern. Diese wird oft, etwa beim Reigentanz Balun, von der Holzflöte Šurle begleitet, die aus zwei Rohren besteht, die durch das Mundstück miteinander verbunden sind. An eine Schalmei erinnert unterdessen die hölzerne Hirtenflöte, die auf Krk Sopile heißt, anderswo auch Roženice – und in vielen Souvenirgeschäften angeboten wird.
Einzigartig ist die Istrische Skala (Istarska ljestvica), eine verminderte oktatonische Tonleiter, bei der sich Ganz- und Halbtonschritte abwechseln. Sie klingt recht ungewohnt. Kroatien versucht, die Tonleiter als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.
Die Liebe zur Heimat, zum Meer oder zur Herzensdame werden unterdessen traditionell von A-capella-Chören besungen. Solche mehrstimmigen Männerchöre, Klapa genannt, waren ursprünglich nur in Dalmatien verbreitet – doch längst schon sind sie in ganz Kroatien populär. Die strenge Tradition – fünf bis acht Männer, keine Instrumente – hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gelockert: Längst schon singen Frauengruppen, begleitet von der mandolinenartigen Tamburica die überaus beliebten, sentimentalen Klapa-Gesänge. Diese hört man oft in traditionellen Tavernen, den Konobas.
Die Kroaten lieben ihre Stars: Ob Pop, Rock oder Schlager – bevorzugt in der eigenen Landessprache wird man in den meisten Restaurants und Cafés beschallt. Schon seit 50 Jahren wird das »Festival der Unterhaltungsmusik« im Hotel Kvarner in Opatija gepflegt. Silvester treten Popstars gerne auf öffentlichen Plätzen auf, etwa in Pula. Von dort stammt auch die Pop- und Folk-Sängerin Alka Vuica (geb. 1961) mit ihrer rauchig-markanten Stimme. Die vielseitige Ethno-Jazz-Sängerin Tamara Obrovac (geb. 1962) feiert mit ihrem Transhistria-Ensemble auch auf internationalen Bühnen Erfolge. Sie stammt wie der für Blues bekannte Bruno Krajcar (geb. 1972) aus Pula. Kult-Status in Istrien hat die aus Vodnjan stammende Band Gustafi, die seit 1980 den istrisch-čakavischen Dialekt mit Folkmusik, Rock und Blues untermalt. Die 1986 gegründete Rockband Let 3 aus Rijeka ist hingegen für ihre radikal-provokativen Bühnenauftritte beim jüngeren Publikum beliebt – überhaupt gilt Rijeka bis heute als eine der Hochburgen der alternativen Rockszene in Kroatien.
Kräftige warme Rottöne kennzeichnen seine Gemälde. Die abgebildeten Momente werden lebhaft erzählt – bevorzugt aus dem Leben Heiliger. Auffällig an den Bildern des italienischen Renaissance-Malers Vittore Carpaccio sind zudem orientalische Elemente, sei es in der Landschaft oder der Kleidung der abgebildeten Personen. Carpaccios Stil ist eher konservativ, wird jedoch von der italienischen Renaissance beeinflusst. Als Meisterwerk gilt ein Gemäldezyklus, der in neun Bildern das Leben der hl. Ursula abbildet. Geboren wurde Carpaccio in Venedig als Sohn eines Pelzhändlers istrischer Herkunft, gestorben ist er in Koper. Übrigens ist die Vorspeise Carpaccio, in hauchdünne Scheiben geschnittenes rohes Rindfleisch mit einer Sauce und gehobeltem Parmesan, die 1950 in Harry’s Bar in Venedig aus der Taufe gehoben wurde, nach dem Maler benannt – aufgrund der intensiven roten Farbgebung seiner Werke, die damals in einer großen Ausstellung in Venedig zu sehen waren.
Den in Veli Ježenj (bei Tinjan) geborenen späteren Bischof kennt in Kroatien fast jeder. Zumindest sein Porträt, denn Juraj (Giorgio) Dobrila ist auf der Vorderseite des Zehn-Kuna-Scheins abgebildet. Das hat der Geistliche seinem Engagement zu verdanken: Er setzte sich für die Einführung der slawischen Sprache im öffentlichen Leben ein, forderte kroatische und slowenische Schulen – zu einer Zeit, als die Österreicher das Zepter in der Hand hielten. Seine Überzeugung ging so weit, dass er Kindern die Ausbildung im kroatischsprachigen Teil der Donaumonarchie auf eigene Kosten finanzierte. Ab 1861 vertrat er im Istrischen Landtag die kroatischen Interessen gegenüber Wien. Zu dieser Zeit war Dobrila Bischof von Poreč-Pula (1857 – 1875), später von Triest-Capodistria (1875 – 1882). Die 2006 in Pula gegründete Universität trägt seinen Namen.
Slavenka Drakulić, 1949 in Rijeka geboren, gilt als eine der bekanntesten kroatischen Gegenwartsautorinnen im Ausland, ihre Werke wurden in mehr als 20 Sprachen – darunter auch ins Deutsche – übersetzt. In ihren Romanen und Essays geht es immer wieder um den Übergang Kroatiens in eine neue Ära (»Wie wir den Kommunismus überstanden – und dennoch lachten«), aber auch um das Leiden, das die neu gewonnene Unabhängigkeit mit sich brachte (»Keiner war dabei: Kriegsverbrechen auf dem Balkan vor Gericht«). Der internationale Erfolg setzte in den frühen 1990er-Jahren ein, als die Autorin ihre Heimat verließ. Slavenka Drakulić lebt mit ihrem Ehemann, dem schwedischen Journalisten Richard Swartz (»Ein Haus in Istrien«), abwechselnd in Schweden und Istrien.
Im istrischen Labin wurde der spätere lutherische Reformator Matthias Flacius (kroatisch: Matija Vlačić) geboren. Zunächst kam Flacius, der nach seiner Heimat den Beinamen Illyricus (»der Illyrer«) bekam, als Student nach Venedig, Basel, Tübingen und 1541 nach Wittenberg, wo er die hebräische Sprache lehrte. Dort machte er Bekanntschaft mit den Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon. Flacius verschrieb sich der Verbreitung der lutherischen Lehre. Sein Schaffen prägen rund 250 Bücher und Streitschriften. Clavis Scripturae Sacrae (»Der Schlüssel zur Heiligen Schrift«) sowie die Magdeburger Centurien, die erste Kirchengeschichte aus protestantischer Sicht, zählen zu seinen bekanntesten Werken. Flacius wurde aufgrund seines Eintretens für den Protestantismus verfolgt.
Sie war erst sieben Jahre alt, als sie an der Tanzakademie der Mailänder Scala eingeschrieben wurde. Bereits drei Jahre später tanzte Carlotta Grisi im Corps de Ballet der Scala. Die spätere italienische Primaballerina, als Caronne Adele Maria Giuseppina Grisi im istrischen Vižinada geboren, widmete ihr Leben dem Tanz. Auch ihr Lebenspartner, der französische Tänzer und Choreograf Jules Perrot (1810 bis 1892), gehörte zu den besten Ballettkünstlern seiner Zeit. Er schrieb ihr die gesamte Choreografie des romantischen Balletts »Giselle« praktisch auf den Leib, während sich der französische Ballettmeister Jean Coralli (1779 – 1854) um die übrigen Rollen kümmerte. Carlotta Grisi war die erste Giselle überhaupt. Nach der Uraufführung in der Pariser Oper 1841 wurde sie als Superstar gefeiert.
Die maßgebliche Bibelübersetzung ins Lateinische, die sogenannte Vulgata, stammt vom Philosophen und Theologen Hieronymus, einem der vier spätantiken Kirchenväter. Sie löste die bis dahin in verschiedenen Versionen vorliegenden Bibeltexte als einzige verbindliche Variante ab. Geboren wurde Hieronymus in Stridon. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich dieser Ort zwischen Rijeka-Trsat und Ilirska Bistrica im heutigen Slowenien befand, andere nehmen an, dass Stridon im istrischen Hinterland zwischen den römischen Provinzen Dalmatia und Pannonia gelegen hat.
Hieronymus war der Sohn wohlhabender christlicher Illyrer, wurde jedoch erst während seines Studiums der Grammatik, Rhetorik und Philosophie in Rom getauft. Papst Damasus I. ernannte ihn zu seinem Sekretär, von Damasus stammt der Auftrag zur Bibelübersetzung. Hieronymus übertrug die Bibel aus den hebräischen und griechischen Urtexten ins Lateinische. Darüber hinaus verfasste er zahlreiche religiöse Schriften und andere Übersetzungen, daher wird er als Urvater und Schutzpatron der Übersetzer bezeichnet. Sein Todestag, der 30. September, ist heute sogar Weltübersetzertag.
Julije Klović gilt als einer der besten Miniaturmaler überhaupt. Geboren wurde der besser unter seinem italienischen Namen Giulio Clovio bekannte Künstler in Grižane bei Crikvenica. 1516 ging er zunächst nach Venedig, viel später arbeitete er in Florenz, Rom und Budapest. Mit großem Erfolg pflegte er die Miniaturenmalerei, unter anderem für Kardinal Alessandro Farnese in Rom, und war mit Michelangelo befreundet. Brueghel d. Ä. arbeitete in Rom mit ihm zusammen, El Greco war sein Schüler. Sein Grab ist in Rom. Von Zvonko Car stammt das lebensgroße Denkmal des Malers in Drivenik im Vinodol-Tal.
Die kleinen, gelben Pillen waren unter der verharmlosenden Bezeichnung »Mother’s little helper« in den USA der späten 1960er- und 1970er-Jahre weit verbreitet. Der stark beruhigende Hauptwirkstoff Diazepam ist unter seinem Handelsnamen weitaus bekannter: Valium. Entwickelt wurde der 1963 patentierte Arzneistoff von Leo Sternbach, einem Chemiker und Pharmazeuten, der 1908 in Abbazia, dem heutigen Opatija, geboren wurde. Sternbachs Vater, der aus einer polnisch-jüdischen Familie stammte, betrieb dort eine Apotheke. Leo Sternbach studierte in Krakau Pharmazie und Medizin, arbeitete dort als Assistent und forschte ab 1937 in der Schweiz beim Pharmakonzern Roche. 1941 siedelte er – weiterhin für den Konzern tätig – in die USA über. Ingesamt entwickelte er mehr als 240 patentreife Arzneimittel. Bei seiner Pensionierung 1973 ging ein Fünftel aller Roche-Patente auf ihn zurück. Heute erinnert eine Tafel in Opatija daran, dass Sternbach hier seine Kindheit verbrachte.
Giuseppe Tartini empfängt die Gäste in seinem Geburtsort Piran als Skulptur – mit Violine und Bogen in der Hand. Damit ist schon angedeutet, womit Tartini vor allem berühmt wurde, nämlich mit einer neuen Geigenspieltechnik, die als Basis der modernen Spieltechnik überhaupt gilt. Leopold Mozart griff in seiner »Gründlichen Violinschule« auf diese Grundlagen zurück. Tartini verbrachte den größten Teil seines Lebens in Padua, wo er eine in ganz Europa anerkannte Musikschule leitete. Auch als Komponist war er außerordentlich fleißig, zahlreiche Violinsonaten und -konzerte sowie Sinfonien stammen aus seiner Feder. Überdies machte er durch musiktheoretische Abhandlungen von sich reden. So beschäftigte er sich näher mit den sogenannten Differenz- oder Tartini-Tönen: Diese entstehen beim gleichzeitigen Spielen zweier Töne, ihre Frequenz beträgt genau die Differenz der Frequenz der beiden gespielten Töne (z. B. eingestrichenes a = 440 Hz, zweigestrichenes e = 660 Hz, Differenzton: kleines a = 220 Hz). Die Differenz- oder Tartini-Töne sind wichtig beim Stimmen von Instrumenten.
In seinen Romanen und Erzählungen geht es immer wieder um das multikulturelle Zusammenleben in der K.-u.-k.-Monarchie, einem Reich mit vielen Sprachen, Kulturen und Schicksalen. Dafür wurde der bei Umag geborene italienische Schriftsteller Fulvio Tomizza, der stets seine istrische Herkunft betonte, mehrfach mit internationalen Literaturpreisen, u. a. dem Großen Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur, ausgezeichnet. 1954 übersiedelte er – wie 200 000 weitere Italiener aus Istrien – nach Triest, wo er zunächst journalistisch tätig war und schließlich seinen literarischen Durchbruch mit dem Roman »Materada« (1960) erlebte. Etliche seiner Werke wurden ins Deutsche übersetzt, z. B. »Franziska« und »Die fünfte Jahreszeit«.
Für die ganz große Hollywood-Karriere sollte es nie richtig reichen. Dennoch prägte sich die italienische Schauspielerin Alida Valli ins internationale Filmgedächtnis ein – als weibliche Hautdarstellerin in Carol Reeds Thriller »Der dritte Mann« (1949) an der Seite von Orson Welles und Joseph Cotten. Geboren wurde die Baronesse Alida Maria Laura Altenburger von Marckenstein und Frauenberg, so ihr voller Name, 1921 im damals noch italienischen Pola (Pula). Bereits mit 15 Jahren stand sie in Rom vor der Kamera und avancierte in den 1940er-Jahren zu Italiens Superstar. Ihre Karriere legte sie vorerst auf Eis, um nicht für faschistische Propagandafilme eingesetzt zu werden, so ihre Begründung. 1947 folgte sie dem Ruf Hollywoods, spielte die Mordverdächtige in Alfred Hitchcocks »Der Fall Paradin« und eben in »Der dritte Mann«. Es folgten einige Misserfolge, woraufhin »die Valli« Hollywood den Rücken kehrte und nach Italien ging. 1954 beeinträchtigte ein öffentlicher Skandal, bei dem sie als Zeugin aussagen musste, ihre Karriere – die Geschichte soll übrigens Fellini zu seinem Film »La dolce vita« inspiriert haben. Trotz Rückschläge spielte Alida Valli weiter. Fast 130 Filme drehte sie bis zu ihrem Tod 2006 in Rom. Zwei Jahre später wurde das städtische Kino in Pula nach ihr benannt, aufgrund einiger Kontroversen allerdings nur »Valli«.
Ivan Zajc wurde in Rijeka geboren, wo das Nationaltheater seinen Namen trägt. Seine Ausbildung erhielt er zunächst am Konservatorium in Mailand, dann kehrte er jedoch in seine Heimatstadt zurück und war später auch in Wien und Zagreb tätig. Er lebte überaus dispzipliniert: Angeblich stand er jeden Morgen um vier Uhr auf. Anders hätte er eine derartige Fülle an Werken vermutlich auch nicht bewerkstelligt: Zajc hinterließ 1200 Stücke für Orchester und Klavier, 19 Opern, 26 Operetten, 50 Kantaten und anderes mehr. Als die bis heute populärste kroatische Oper gilt sein Werk »Nikola Subić Zrinjski« (1876), eine musikalische Trilogie mit reichlich nationalen Elementen.
Als Buchhändler kam Karl Baedeker viel herum, und überall ärgerte er sich über die »Lohnbedienten«, die die Neuankömmlinge gegen Trinkgeld in den erstbesten Gasthof schleppten. Nur: Wie sollte man sonst wissen, wo man übernachten könnte und was es anzuschauen gäbe? In seiner Buchhandlung hatte er zwar Fahrpläne, Reiseberichte und gelehrte Abhandlungen über Kunstsammlungen. Aber wollte man das mit sich herumschleppen? Wie wäre es denn, wenn man all das zusammenfasste? Gedacht, getan: Zwar hatte er sein erstes Reisebuch, die 1832 erschienene »Rheinreise«, noch nicht einmal selbst geschrieben. Aber er entwickelte es von Auflage zu Auflage weiter. Mit der Einteilung in »Allgemein Wissenwertes«, »Praktisches« und »Beschreibung der Merk(Sehens-)würdigkeiten« fand er die klassische Gliederung des Reiseführers, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Bald waren immer mehr Menschen unterwegs mit seinen »Handbüchlein für Reisende, die sich selbst leicht und schnell zurechtfinden wollen«. Die Reisenden hatten sich befreit, und sie verdanken es bis heute Karl Baedeker. Istrien beschreibt er erstmals im 1842 erschienen Band »Handbuch für Reisende in Deutschland und dem Österreichischen Kaiserstaat«.
»Im Sommer fährt Mittwoch und Samstag in 7-8 St. ein Dampfboot von Triest nach Pola. […]
Die Landreise ist für den Freund von Ungewöhnlichem merkwürdig; man berührt fast die Grenzen europäischer Gesittung.«
Deutschland und der Österreichische Kaiserstaat, 1. Auflage 1842