Seit dem Altertum verehrten die Menschen die Sonne als Vorbotin des Lebens, der Hoffnung und des Wohlstandes. Die alten Griechen glaubten, dass der Sonnengott Helios stolz in seinem glühenden Wagen über den Himmel fahre, um die Welt zu erleuchten und den Sterblichen Wärme und Trost zu spenden.
In jüngerer Zeit versuchen Wissenschaftler, das Geheimnis der Sonne einzufangen und ihre grenzenlose Energie auf die Erde zu bringen. Der führende Kandidat dafür ist die sogenannte Kernfusion, von der manche sagen, sie sei wie eine Sonne in der Flasche. Auf dem Papier scheint es die ideale Lösung für alle unsere Energieprobleme zu sein. Sie würde unbegrenzte Energie für immer erzeugen, ohne viele der Probleme, die mit fossilen Brennstoffen und Kernenergie verbunden sind. Und da sie kohlenstoffneutral ist, könnte sie uns vor der globalen Erwärmung bewahren.
Es scheint, als würde ein Traum mit ihr wahr.
Leider haben die Physiker diese Technologie überbewertet. Denn alle 20 Jahre behaupten sie, die Fusionsenergie stünde in 20 Jahren zur Verfügung. Aber jetzt verkünden die führenden Industrienationen, dass diese Technologie endlich in greifbare Nähe gerückt sei und sie ihr Versprechen, unbegrenzte Energie quasi zum Nulltarif zu liefern, einlösen würde.
Heute sind Fusionsreaktoren noch so teuer und komplex, dass die Kommerzialisierung dieser Technologie wahrscheinlich noch einige Jahrzehnte in der Zukunft liegt. Mit dem Aufkommen von Quantencomputern jedoch, so hoffen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, werden einige der hartnäckigen Probleme, die der Erzeugung von Fusionsenergie im Wege stehen, gelöst werden können und damit den Weg ebnen, Fusionsreaktoren zu einer praktikablen und wirtschaftlichen Realität zu machen. Quantencomputer könnten sich als eine Schlüsseltechnologie erweisen, die dazu beiträgt, unsere Städte und Häuser mit Fusionsenergie zu versorgen.
Die Hoffnung ist, dass die Fusionsenergie kommerziell genutzt werden kann, bevor die globale Erwärmung den Planeten unumkehrbar aufheizt.
Die Menschen haben sich schon immer gefragt, was die Sonne antreibt. Ihre Energie scheint unendlich und sogar göttlich zu sein. In der Antike spekulierte man, dass die Sonne ein gigantischer Ofen am Himmel sein müsse. Doch eine einfache Rechnung zeigt, dass ein brennendes Feuer nur einige Jahrhunderte oder Jahrtausende überdauern und es im Vakuum des Weltraums sofort erlöschen würde.
Warum also scheint die Sonne?
Das Geheimnis der Sonne wurde schließlich durch Einsteins berühmte Gleichung E = mc2 enträtselt. Die Physik erkannte, dass die Sonne, die hauptsächlich aus Wasserstoff besteht, ihre enorme Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoffkernen zu Helium bezieht. Vergleicht man das Gewicht des ursprünglichen Wasserstoffs mit dem Gewicht des Heliums, so stellt man fest, dass ein winziger Teil der Masse fehlt. Er ging bei dem Fusionsprozess verloren. Dieses Massedefizit wird in Einsteins Formel zu der gewaltigen Energie, die das Sonnensystem erhellt.
Die Öffentlichkeit wurde sich der enormen Kraft bewusst, die im Wasserstoffatom steckt, als diese durch die Detonation der Wasserstoffbombe freigesetzt wurde. Ein Stück Sonne wurde gewissermaßen auf die Erde geholt, mit folgenschweren Auswirkungen.
Es gibt eigentlich zwei Möglichkeiten, ein nukleares Feuer zu entfachen. Man kann Wasserstoff durch Fusion zu Helium verschmelzen, oder man kann Uran- oder Plutoniumatome spalten und so Kernenergie durch Kernspaltung freisetzen. Vergleicht man die Masse der Ausgangsstoffe mit der des Endprodukts, so ist bei beiden Verfahren eine winzige Menge an Masse verschwunden, die in Form von Kernenergie vorliegt.
Obwohl alle kommerziellen Kernkraftwerke ihre Energie durch Uranspaltung gewinnen, hat die Kernfusion einige bemerkenswerte Vorteile. Erstens entstehen bei der Kernfusion im Gegensatz zur Kernspaltung keine großen Mengen an tödlichem Atommüll. In einem Spaltreaktor wird der Urankern gespalten und setzt Energie frei, aber es kann auch eine Kaskade von vielen Hundert radioaktiven Spaltprodukten entstehen, wie Strontium-90, Jod-131, Cäsium-137 und anderen. Einige dieser Nebenprodukte werden für Millionen Jahre radioaktiv sein und erfordern gigantische Atommülldeponien, die bis weit in die Zukunft hinein bewacht werden müssen. Ein einziges kommerzielles Kernkraftwerk kann beispielsweise in nur einem Jahr 30 Tonnen hochradioaktiven Atommüll erzeugen. Atommülldeponien sind wie gigantische Mausoleen. Weltweit gibt es 370000 Tonnen tödlicher Spaltprodukte, die sorgfältig überwacht werden müssen.
Bei Fusionskraftwerken hingegen fällt Heliumgas als Abfallprodukt an, das sich sogar kommerziell verwerten lässt. Ein Teil des bestrahlten Stahls einer Fusionsanlage könnte nach jahrzehntelangem Betrieb ebenfalls radioaktiv werden, aber dieser lässt sich leicht unterirdisch entsorgen.
Zweitens kann es bei Fusionskraftwerken im Gegensatz zu Kernspaltungsanlagen nicht zu Kernschmelzen kommen. In einem Kernkraftwerk erzeugen die Abfallprodukte außerdem große Mengen Wärme, selbst dann noch, wenn der Reaktor abgeschaltet wird. Wenn bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk das Kühlwasser ausfällt, kann die Temperatur so weit ansteigen, dass der Reaktor 5000 Grad Celsius erreicht und zu schmelzen beginnt, was zu katastrophalen Explosionen führt. In Tschernobyl beispielsweise sprengten 1986 Dampf- und Wasserstoffgasexplosionen das Dach des Reaktors weg und setzten etwa 25 Prozent des radioaktiven Materials im Kern frei und verteilten es in der Atmosphäre über Europa. Es war der schlimmste kommerzielle Atomunfall der Geschichte.
Im Gegensatz dazu wird bei einem Unfall in einem Fusionsreaktor der Fusionsprozess einfach gestoppt. Es wird keine Wärme mehr erzeugt, und der Unfall ist vorbei.
Drittens ist Brennstoff (Wasserstoff) für einen Fusionsreaktor unbegrenzt verfügbar. Uran hingegen ist nur in begrenztem Umfang vorhanden und erfordert einen kompletten Brennstoffkreislauf mit Abbau, Mahlen und Anreicherung, um brauchbaren Uranbrennstoff herzustellen. Wasserstoff hingegen kann aus gewöhnlichem Meerwasser gewonnen werden.
Viertens ist die Kernfusion eine sehr effiziente Form der Energiegewinnung. Aus einem Gramm schwerem Wasserstoff können etwa 100000 Kilowattstunden elektrische Energie erzeugt werden, was der Energiemenge bei der Verbrennung von etwa 12 Tonnen Steinkohle entspricht.
Und schließlich erzeugen Fusions- und Kernkraftwerke kein Kohlendioxid und verschärfen daher nicht die Problematik der Erderwärmung.
Es gibt zwei grundlegende Zutaten für eine Fusionsmaschine. Erstens braucht man eine Wasserstoffquelle, die auf viele Millionen Grad erhitzt wird, sogar heißer als die Sonne, wodurch sie sich in ein Plasma verwandelt, den vierten Aggregatzustand (neben fest, flüssig und gasförmig). Ein Plasma ist ein Gas, das so heiß ist, dass den Atomen ihre Elektronen entrissen worden sind. Von den bekannten Aggregatzuständen der Materie ist es der häufigste im Universum. Daraus bestehen Sterne, interstellares Gas und sogar Blitze.
Zweitens braucht man eine Möglichkeit, das Plasma während der Erhitzung einzuschließen. Für ein derart heißes Gebilde existiert verständlicherweise kein materieller Behälter. In Sternen komprimiert die Schwerkraft das Gas. Aber die Schwerkraft der Erde ist zu schwach, um dies zu erreichen, also nutzt man elektrische und magnetische Felder.
Der beliebteste Entwurf für einen Fusionsreaktor geht auf einen deutschen und einige sowjetische Wissenschaftler zurück, der sogenannte Tokamak. Man denke sich einen Zylinder, der vollständig mit Drahtspulen umwickelt ist. Dann führe man die beiden Enden des Zylinders zusammen, sodass eine Art Donut entsteht (in der Geometrie spricht man von Torus). In den Donut wird Wasserstoffgas eingespritzt, und dann schießt ein elektrischer Strom durch den Zylinder, der das Gas auf enorme Temperaturen erhitzt. Um dieses heiße Plasma einzudämmen, werden gewaltige Mengen an elektrischer Energie in die Spulen eingespeist, die den Donut umgeben. So entsteht ein starkes Magnetfeld, das verhindert, dass das Plasma auf die Wände des Reaktors trifft.
Sobald die Fusion einsetzt, verbinden sich Wasserstoffkerne zu Helium und setzen dabei große Mengen Energie frei. In einem anderen Entwurf werden zwei Wasserstoffisotope, Deuterium und Tritium, miteinander verschmolzen, wobei Energie, Helium und ein Neutron entstehen. Dieses Neutron wiederum trägt die Fusionsenergie aus dem Reaktor hinaus, wo es auf eine Materialhülle trifft, das sogenannte Blanket (Decke), das den Tokamak umgibt.
Diese Hülle, die in der Regel aus Beryllium, Kupfer und Stahl besteht, erhitzt sich, sodass das Wasser in den Rohren im Blanket zu kochen beginnt. Der auf diese Weise erzeugte Dampf kann gegen die Schaufeln einer Turbine drücken, wodurch riesige Magnete in Bewegung geraten. Dieses Magnetfeld wiederum erzeugt in einer umgebenden Spule elektrischen Strom, der letztlich in Ihrem Wohnzimmer landet.
Warum verzögert sich die Nutzung der Fusionsenergie angesichts all dieser Vorteile so sehr? Seit dem Bau der ersten Fusionskraftwerke sind etwa 70 Jahre vergangen, warum dauert es also so lange? Das Problem liegt nicht an der Physik, sondern in der Technik.
Wasserstoffgas muss auf viele Millionen Grad erhitzt werden, heißer als die Sonne, damit sich die Wasserstoffkerne zu Helium verbinden und Energie freisetzen. Doch das Erhitzen von Gas auf diese enorme Temperatur ist schwierig. Das Gas ist oft instabil, und die Fusionsreaktion kommt zum Erliegen. Physikerinnen und Physiker haben jahrzehntelang versucht, Wasserstoff so einzuschließen, dass man ihn auf Sterntemperaturen erhitzen kann.
Im Nachhinein können sie verstehen, wie relativ einfach es für die Natur ist, im Herzen eines Sterns Fusionsenergie freizusetzen. Wasserstoffgas im Innern eines Sterns wird durch die Schwerkraft gleichmäßig komprimiert. Während dieser Einschluss immer kleiner wird, steigt die Temperatur an, bis sie viele Millionen Grad erreicht, der Wasserstoff zu fusionieren beginnt und der Stern sich entzündet.
Beachten Sie, dass dieser Prozess auf natürliche Weise von selbst abläuft, weil die Schwerkraft nur einen «Pol» (nicht zwei) hat, sodass der ursprüngliche Gasball ganz von selbst unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert. Infolgedessen ist es relativ einfach, Sterne zu bilden, und deshalb können wir mit Teleskopen Milliarden Sterne sehen.
Elektrizität und Magnetismus unterscheiden sich jedoch in dieser Hinsicht von der Schwerkraft. Sie haben zwei Pole, Plus- und Minuspol bei der Elektrizität, Nord- und Südpol im Fall eines Stabmagneten. Mit einem Hammer kann man nicht einen einzelnen Nordpol isolieren. Wenn man einen Magneten in zwei Hälften bricht, erhält man zwei kleinere Stabmagnete, die jeweils einen eigenen Nord- und Südpol haben.
Hier also liegt das Problem. Es ist äußerst schwierig, ein starkes Magnetfeld zu erzeugen, um superheißes Wasserstoffgas lange genug in die Form eines Donuts zu pressen, damit es zu einer Fusion kommt. Um zu verstehen, warum dies so schwierig ist, stellen Sie sich einen langen Luftballon vor, wie er für das Basteln von Luftballontieren verwendet wird. Verbinden Sie nun die Enden des Ballons so, dass er einen Donut bildet. Versuchen Sie dann, ihn gleichmäßig zusammenzudrücken. Egal, wo man den Ballon zusammendrückt, die Luft wird den Ballon an einer anderen Stelle wieder ausbeulen. Es ist äußerst schwierig, ihn so zusammenzudrücken, dass die Luft im Inneren gleichmäßig komprimiert bleibt.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Erkenntnis, dass der Bau eines Fusionsreaktors unerschwinglich teuer sein würde, begannen die Nationen der Welt, ihr Wissen und ihre Ressourcen für die friedliche Nutzung der Fusionsenergie zu bündeln. Im Jahr 1979 baute sich in den Entscheidungszentralen der Großmächte eine Dynamik für den Bau eines internationalen Fusionsreaktors auf. Die Präsidenten Ronald Reagan und Michail Gorbatschow trafen sich und trugen dazu bei, die Vereinbarung zu besiegeln.
Der ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) ist ein Beispiel für diese internationale Zusammenarbeit. An der Finanzierung dieses ehrgeizigen Projekts, das in Cadarache in Südfrankreich gebaut wird, sind 35 Länder beteiligt, darunter die Europäische Union, die USA, Japan und Korea.
Um die Effizienz eines Fusionsreaktors zu messen, haben Physiker den Leistungsfaktor Q eingeführt, der die vom Reaktor erzeugte Energie, geteilt durch die von ihm verbrauchte Energie, angibt. Wenn Q = 1 ist, ist die Gewinnschwelle erreicht, d.h., es wird so viel Energie erzeugt, wie verbraucht wird. Gegenwärtig liegt der Weltrekord für eine Fusionsanlage bei Q = 0,7. Der ITER wird voraussichtlich bis 2025 die Gewinnschwelle erreichen. Er ist jedoch so konzipiert, dass er schließlich Q = 10 erreicht, d.h. viel mehr Energie erzeugt als verbraucht wird.
Der ITER ist eine monströse Anlage mit einem Gewicht von insgesamt über 28000 Tonnen und gehört damit neben der Internationalen Raumstation und dem Large Hadron Collider zu den anspruchsvollsten wissenschaftlichen Instrumenten aller Zeiten. Im Vergleich zu früheren Anlagen ist der ITER-Torus doppelt so groß und 16 Mal so schwer. Um das Plasma einzuschließen, erzeugen 18 Ringfeldmagnete ein Magnetfeld, das 280000 Mal so stark ist wie das der Erde.
Der ITER ist das ehrgeizigste Fusionsprojekt der Welt. Der Versuchsreaktor soll eine Nettoenergie von etwa 500 Millionen Watt erzeugen, wird aber nicht an das Stromnetz angeschlossen sein. Er soll 2025 zu Testzwecken in Betrieb genommen werden und könnte bis 2035 seine volle Leistung erreichen. Im Erfolgsfall wird er den Weg für den Fusionsreaktor der nächsten Generation, DEMO, ebnen, der bis zum Jahr 2050 fertiggestellt werden soll. DEMO soll Q = 25 erreichen und bis zu 2 Gigawatt Energie erzeugen.
Das Ziel lautet also, die kommerzielle Nutzung der Fusionsenergie noch vor Mitte des Jahrhunderts zu ermöglichen. Kritiker betonen jedoch, dass die Fusionsenergie in absehbarer Zeit keine Lösung für die Klimakrise sein wird. «Die Kernfusion ist keine Lösung, die uns bis 2050 auf null bringt. Sie ist eine Lösung, um die Gesellschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts mit Energie zu versorgen», sagt Jon Amos, Wissenschaftskorrespondent von BBC News.
Der Schlüssel zum ITER sind die riesigen Magnetfelder, die durch die sogenannte Supraleitung ermöglicht werden, d.h. das Phänomen, dass jeglicher elektrischer Widerstand bei extrem niedrigen Temperaturen verschwindet, wodurch extrem hohe Magnetfelder möglich werden. Die Absenkung der Temperatur auf nahezu den absoluten Nullpunkt verringert den elektrischen Widerstand, beseitigt die Abwärme und erhöht die Effizienz des Magnetfelds.
Supraleitung wurde 1911 entdeckt, als Quecksilber auf 4,2 K, das ist nahe dem absoluten Nullpunkt, abgekühlt wurde. Damals glaubte man, dass die zufälligen Bewegungen der Atome am absoluten Nullpunkt nahezu zum Stillstand kommen würden, sodass sich die Elektronen schließlich frei und ohne Widerstand bewegen können. Daher fand man es merkwürdig, dass einige Stoffe schon bei höheren Temperaturen supraleitend werden konnten. Dies war lange ein Rätsel.
Erst 1957 stellten John Bardeen, Leon Cooper und John Schrieffer eine Quantentheorie der Supraleitung auf. Sie fanden heraus, dass Elektronen unter bestimmten Bedingungen sogenannte Cooper-Paare bilden und dann ohne Widerstand auf der Oberfläche eines Supraleiters gleiten können. Die Theorie sagte voraus, dass die Höchsttemperatur für einen Supraleiter 40 K beträgt.
Noch bevor die Magneten des ITER eingeschaltet werden, haben ähnliche, aber kleinere Versionen des ITER bewiesen, dass das grundlegende Tokamak-Design korrekt ist. Der ITER-Entwurf erhielt 2022 einen enormen Auftrieb, als bekannt wurde, dass zwei kleinere Versionen des ITER, von denen eine außerhalb von Oxford (UK) und eine andere in China steht, einen neuen Rekord aufstellen konnten.
Der Oxforder Fusionsreaktor mit der Bezeichnung JET (Joint European Torus) hat es geschafft, Q = 0,33 für volle 5 Sekunden aufrechtzuerhalten und damit einen Rekord zu brechen, den er selbst vor 24 Jahren aufgestellt hatte. Das entspricht ungefähr einer Leistung von 11 Megawatt.
«Mit den JET-Experimenten sind wir der Fusionsenergie einen Schritt näher gekommen», sagt Joe Milnes, einer der Direktoren des Labors. «Wir haben gezeigt, dass wir einen Mini-Stern in unserer Maschine erzeugen und ihn dort fünf Sekunden lang halten können und dabei eine hohe Leistung erzielen, was uns wirklich in eine neue Sphäre bringt.»[48]
Dr. Arthur Turrell, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Fusionsenergie, sagt: «Es ist ein Meilenstein, weil sie die größte Energieausbeute aus Fusionsreaktionen aller Geräte in der Geschichte demonstrieren konnten.»[49]
Einige Monate später gaben chinesische Forscher jedoch bekannt, dass sie in der Lage waren, die Fusion für volle 17 Minuten aufrechtzuerhalten, indem sie das Plasma auf 158 Millionen Kelvin erhitzten. Ihr Fusionsreaktor, der wie sein britisches Gegenstück EAST (Experimental Advanced Superconducting Tokamak) heißt, basiert auf dem ursprünglichen Tokamak-Design, was darauf hindeutet, dass der ITER wahrscheinlich auf dem richtigen Weg ist.
Da so viel auf dem Spiel steht und große Magnetfelder bekanntermaßen schwer zu handhaben sind, wurden viele neue Ideen zur Eindämmung des Plasmas vorgeschlagen. Tatsächlich gibt es etwa 25 Neugründungen, die ihre eigene Version eines Fusionsreaktors entwickeln.
Im Allgemeinen werden bei allen Tokamak-Fusionskonzepten Supraleiter verwendet, die durch Abkühlung der Spulen auf Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt entstehen, sodass der elektrische Widerstand nahezu verschwindet. Doch 1986 wurde durch Herumprobieren eine neue Klasse von Supraleitern gefunden, die eine sensationelle Entdeckung darstellte. Mit ihnen konnte man die supraleitende Phase schon bei komfortablen 77 K erreichen. (Diese neue Klasse von Supraleitern, die sogenannten Hochtemperatursupraleiter, basierten auf der Abkühlung von Keramiken wie Yttrium-Barium-Kupferoxid.) Dies war eine verblüffende Ankündigung, denn sie bedeutete, dass eine neue Quantentheorie der Supraleiter geschrieben werden musste und dass man Keramiken schon durch Abkühlung mit gewöhnlichem flüssigem Stickstoff supraleitend machen konnte. Dies war wichtig, da flüssiger Stickstoff etwa so teuer wie Milch ist und dies daher die Kosten für Supermagnete erheblich senken würde. (Trockeneis, also verfestigtes Kohlendioxid, kostet etwa 3 Euro pro Kilogramm. Flüssiger Stickstoff ist etwa vier Mal teurer. Flüssiges Helium, das in den meisten Supraleitern als Kühlmittel verwendet wird, kostet dagegen 100 Mal so viel wie Trockeneis.)
Für den Durchschnittsbürger mag dies keine große Verbesserung darstellen, aber für die Physik eröffnen sich geradezu fantastische Möglichkeiten. Da die komplexesten Komponente eines Fusionsreaktors die Magnete sind, verändert dies die gesamte Wirtschaftlichkeit und die Aussichten dieser Technologie.
Auch wenn die Entdeckung der keramischen Hochtemperatursupraleiter zu spät kam, um in den ITER eingebaut zu werden, eröffnete sie die Möglichkeit, diese Technologie für die nächste Generation von Fusionsreaktoren zu nutzen.
Ein vielversprechendes Projekt, bei dem diese neue Methode zum Einsatz kommt, ist der SPARC-Reaktor, der 2018 angekündigt wurde und schnell die Aufmerksamkeit (und das Geld) prominenter Milliardäre wie Bill Gates und Richard Branson auf sich gezogen hat, sodass SPARC in kurzer Zeit mehr als 250 Millionen Dollar einsammeln konnte. (Im Vergleich zu den 21 Milliarden Dollar, die bisher für den ITER ausgegeben wurden, ist das allerdings Kleingeld.)
Ein großer Meilenstein wurde 2021 erreicht, als die Hochtemperatur-Supraleitungsmagnete erfolgreich getestet wurden. Sie können einstweilen ein Magnetfeld erzeugen, das 40000 Mal so stark ist wie das Magnetfeld der Erde.
«Dieser Magnet wird sowohl die Fusionswissenschaft als auch die Energiewirtschaft und, wie wir glauben, letztlich die weltweite Energielandschaft verändern», sagt Dennis Whyte vom MIT.[50] «Das ist eine große Sache. Das ist kein Hype, das ist Realität», meint Andrew Holland, Geschäftsführer der Fusion Industry Association.[51] SPARC könnte die Gewinnschwelle Q = 1 im Jahr 2025 erreichen, etwa zur gleichen Zeit wie der ITER, aber zu einem Bruchteil der Kosten und der Zeit.
SPARC allein wird keine kommerzielle elektrische Energie erzeugen. Aber sein Nachfolger, der ARC-Reaktor, könnte es. Wenn er erfolgreich ist, dürfte er den Schwerpunkt der Fusionsforschung verlagern und die nächste Generation von Fusionsreaktoren dazu zwingen, die allerneuesten Technologien einzusetzen. Dazu könnten Hochtemperatur-Supraleiter und vielleicht auch Quantencomputer gehören, die erforderlich wären, um die Stabilität des Magnetfelds entscheidend zu verbessern, damit es das Plasma einschließen kann.
Die Wissenschaft der Supraleiter kam jedoch durch die jüngste Entwicklung, dass endlich ein Supraleiter bei Raumtemperatur gefunden wurde, ziemlich durcheinander. Normalerweise würde ein Raumtemperatur-Supraleiter als der Heilige Gral der Niedertemperaturphysik gefeiert werden, als Endprodukt jahrzehntelanger harter Arbeit. Diese Entdeckung hatte jedoch ein großes Problem. Die Physikerinnen und Physiker schafften die Supraleitung bei Raumtemperatur nur dann, wenn man das Material auf das 2,6-Millionenfache des Atmosphärendrucks komprimierte. Um auch nur das einfachste Experiment mit diesen astronomischen Drücken durchzuführen, sind hoch spezialisierte Maschinen erforderlich, über die nicht jede Forschungseinrichtung verfügt. Daher warten die Forschenden ab, ob sich der Druck noch senken lässt, damit Raumtemperatursupraleiter zu einer nützlichen Alternative werden können.
Einen völlig anderen Ansatz für die Kernfusion verfolgt das US-Energieministerium, das statt starker Magneten gigantische Laserstrahlen zur Erhitzung von Wasserstoff einsetzt. Für eine Fernsehsendung, die ich einmal für BBC-TV moderierte, besuchte ich die NIF (National Ignition Facility), eine riesige Anlage im Livermore National Laboratory in Kalifornien, die 3,5 Milliarden Dollar kostete.
Da es sich um eine militärische Einrichtung handelt, in der nukleare Sprengköpfe entwickelt werden, musste ich mehrere Sicherheitskontrollen durchlaufen, um die Anlage zu besichtigen. Schließlich ging ich an den bewaffneten Wachen vorbei und wurde in den NIF-Kontrollraum geführt. Selbst wenn man die Baupläne der NIF auf dem Papier gesehen hat, ist man immer noch überwältigt, wenn man die schiere Größe dieser Maschine in natura sieht. Sie ist wirklich gigantisch, so groß wie drei Fußballfelder und 10 Stockwerke hoch, sodass sich jeder Mensch dagegen winzig vorkommt.
Aus der Ferne konnte ich den Weg sehen, den 192 Hochleistungslaserstrahlen nehmen, die zu den stärksten der Welt gehören. Wenn diese Laserstrahlen eine Milliardstelsekunde lang abgefeuert werden, treffen sie auf 192 Spiegel. Jeder ist sorgfältig positioniert, um den Strahl auf das Ziel zu lenken, ein erbsengroßes Kügelchen mit wasserstoffreichem Lithiumdeuterid.
Dadurch verdampft die Oberfläche des Ziels und die Temperatur in dem Kügelchen steigt auf mehrere zehn Millionen Grad. Wenn es so stark erhitzt und komprimiert wird, kommt es zur Fusion, und die davon zeugenden Neutronen werden freigesetzt.
Das Ziel ist, kommerzielle Energie durch Laserfusion zu erzeugen. Bei der Verdampfung des Targets werden Neutronen freigesetzt, die dann durch ein Blanket geschickt werden. Wie beim Tokamak hofft man, dass diese hochenergetischen Neutronen ihre Energie auf das umhüllende Blanket übertragen, das sich dann erhitzt und Wasserdampf erzeugt, der eine Turbine und diese einen Generator treibt, um kommerzielle Energie zu erzeugen.
Im Jahr 2021 erreichte die NIF einen Meilenstein. Es war in der Lage, 10 Billiarden Watt Leistung in 100 Billionstel Sekunden bei 100 Millionen Kelvin zu erzeugen und brach damit seinen bisherigen Rekord. Dabei wurde das Brennstoffpellet auf das 350-Milliardenfache des Atmosphärendrucks komprimiert. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die NIF-Technik kommerziell genutzt werden kann, um praktische Mengen an Energie zu erzeugen. Derzeit ist das Tokamak-Design immer noch am weitesten fortgeschritten und verbreitet.
Obwohl die Kernfusion in der Lage ist, die Art und Weise, wie wir auf der Erde Energie verbrauchen, zu verändern, haben hartnäckige Probleme falsche Hoffnungen zerschlagen und Träume platzen lassen.
Viele bisherige Versuche, die Fusionsenergie nutzbar zu machen, sind enttäuschend verlaufen. Seit den 1950er-Jahren gab es über 100 Fusionsreaktoren, aber keiner von ihnen erzeugte mehr Energie, als er verbrauchte. Viele wurden später wieder aufgegeben. Ein grundlegendes Problem ist die toroidale (donutartige) Konfiguration des Tokamak-Designs. Sie löste ein Problem (die Fähigkeit, das Plasma bei hohen Temperaturen zu halten), führte aber zu einem anderen (Instabilität).
Aufgrund des toroidalen Charakters des Magnetfelds ist es schwierig, einen stabilen Fusionsprozess lange genug aufrechtzuerhalten, um das Lawson-Kriterium zu erfüllen, das eine bestimmte Temperatur, Dichte und Dauer erfordert, um die Fusionsreaktion zu erzeugen.
Wenn es winzige Unregelmäßigkeiten im Magnetfeld des Tokamaks gibt, kann das Plasma instabil werden.
Das Problem wird durch die Wechselwirkung zwischen dem Plasma und dem Magnetfeld noch verschärft. Auch wenn das äußere Magnetfeld das Plasma zunächst eindämmen kann, hat das Plasma selbst ein eigenes Magnetfeld, das mit dem größeren Magnetfeld des Reaktors wechselwirken und instabil werden kann.
Die Tatsache, dass die Gleichungen für das Plasma und das Magnetfeld eng miteinander gekoppelt sind, führt zu Aufschaukeleffekten. Wenn es eine leichte Unregelmäßigkeit in den Magnetfeldlinien innerhalb des Donuts gibt, kann dies wiederum Störungen im Plasma innerhalb des Donuts verursachen. Da das Plasma jedoch sein eigenes Magnetfeld hat, kann es die ursprüngliche Störung verstärken. So kann es zu einem Run-away-Effekt kommen, bei dem die Unregelmäßigkeit jedes Mal größer wird, wenn sich die beiden Magnetfelder gegenseitig verstärken. Diese Unregelmäßigkeiten werden manchmal so groß, dass sie die Wände des Reaktors tangieren und sogar ein Loch in ihn brennen können. Dies ist also der Hauptgrund, warum es so schwierig war, das Lawson-Kriterium zu erfüllen und den Fusionsprozess lange genug stabil zu halten, um einen sich selbst erhaltenden Reaktor zu schaffen.
Hier kommen die Quantencomputer ins Spiel. Die Gleichungen für das Magnetfeld und auch für das Plasma sind beide bekannt. Das Problem ist wie beschrieben, dass diese beiden Gleichungen miteinander gekoppelt sind, sodass sie sich auf komplexe Weise gegenseitig beeinflussen. Unvorhersehbare kleine Schwingungen können plötzlich größer werden. Doch während digitale Computer in dieser Situation nur schwer rechnen können, könnten Quantencomputer mit dieser komplexen Anordnung vielleicht zurechtkommen.
Wenn heute ein Fusionsreaktor falsch ausgelegt ist, ist es unerschwinglich teuer, noch einmal von vorne anzufangen und den Reaktor von Grund auf neu auszulegen. Wenn sich jedoch alle Gleichungen in einem Quantencomputer befinden, ist es ein Leichtes, mit dem Quantencomputer zu berechnen, ob das Design optimal ist oder ob es möglicherweise stabilere oder effizientere Entwürfe gibt.
Die Änderung von Parametern in einem Quantencomputerprogramm ist wesentlich billiger als die Neukonstruktion eines völlig neuen, milliardenschweren Fusionsreaktor-Magneten.
Da ein Reaktor zwischen 10 und 20 Milliarden Dollar kosten kann, könnte dies zu einer astronomischen Einsparung führen. Neue Entwürfe können virtuell erstellt und getestet werden, da der Quantencomputer ihre Eigenschaften berechnen kann. Darüber hinaus könnte ein Quantencomputer leicht mit einer Reihe neuer virtueller Entwürfe spielen, um zu sehen, ob sie die Leistung des Reaktors verbessern.
Die Leistung von Quantencomputern lässt sich wie gesehen noch steigern, wenn sie mit künstlicher Intelligenz gekoppelt werden. KI-Systeme können die Stärke der verschiedenen Magnete eines Fusionsreaktors variieren. Quantencomputer können dann die Datenflut aus diesem Vorgang analysieren, um den Leistungsfaktor Q zu erhöhen. So wurde beispielsweise das KI-Programm DeepMind bereits eingesetzt, um den Fusionsreaktor der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (ETHL) zu modifizieren.
«Ich glaube, dass KI in Zukunft eine sehr wichtige Rolle bei der Kontrolle von Tokamaks und in der Fusionsforschung im Allgemeinen spielen wird», sagt Federico Felici vom Schweizer Institut.[52] «Es gibt ein riesiges Potenzial, KI zu nutzen, um eine bessere Kontrolle zu erreichen und herauszufinden, wie man solche Geräte effektiver betreiben kann», fügt er hinzu.
KI und Quantencomputer können also Hand in Hand arbeiten, um die Effizienz von Fusionsreaktoren zu steigern, was wiederum die Energieversorgung der Zukunft sichern und zur Verringerung der globalen Erwärmung beitragen könnte.
Eine weitere Anwendung von Quantencomputern ist die Entschlüsselung der Funktionsweise von keramischen Hochtemperatur-Supraleitern. Wie bereits erwähnt, weiß derzeit niemand, wie sie diese magische Eigenschaft erlangen. Diese Hochtemperaturkeramiken gibt es schon seit über vierzig Jahren, aber es gibt keinen Konsens, was die Erklärung des Phänomens angeht. Alle theoretischen Modelle dazu sind eben genau das: theoretisch.
Ein Quantencomputer könnte dies jedoch ändern. Da der Quantencomputer selbst quantenmechanisch ist, könnte er die Verteilung der Elektronen in den zweidimensionalen Schichten im Inneren des keramischen Supraleiters berechnen und so feststellen, welche Theorie richtig ist.
Außerdem haben wir gesehen, dass die Herstellung von Supraleitern immer noch durch Versuch und Irrtum erfolgt. Durch Zufall können neue Supraleiter entdeckt werden. Dies bedeutet jedoch, dass jedes Mal, wenn ein neues Material getestet wird, völlig neue Experimente durchgeführt werden müssen. Es gibt keine systematische Methode, um neue Supraleiter zu finden. Ein Quantencomputer kann jedoch ein virtuelles Labor schaffen, in dem neue Vorschläge für einen Supraleiter getestet werden können. So könnte man an einem einzigen Nachmittag schnell eine Vielzahl interessanter Stoffe testen, anstatt Jahre und Millionen Euro für die Untersuchung jedes einzelnen Stoffes zu verschwenden.
Quantencomputer könnten also der Schlüssel zu einer umweltfreundlichen, billigen und zuverlässigen Energiezukunft sein.
Aber wenn wir die Fusionsgleichungen in einem Quantencomputer lösen können, können wir vielleicht auch die Fusionsgleichung lösen, die das Herzstück der Sterne ist, sodass wir das Geheimnis der nuklearen Öfen entschlüsseln, die über den Nachthimmel verstreut sind; wir können vielleicht herausfinden, wie diese Sterne als Supernova explodieren und wie sie schließlich zum geheimnisvollsten Objekt im Universum werden, einem Schwarzen Loch.