© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2019
Diana Morschhäuser, Wilhelm Fischer und Michael JakobPraxis der Herzschrittmacher-Nachsorgehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57828-5_11

11. Notfälle und Probleme bei Herzschrittmacherpatienten

Diana Morschhäuser1 , Wilhelm Fischer2 und Michael Jakob3
(1)
München, Key Account Manager München, München, Deutschland
(2)
Klinik Schongau, Schongau, Deutschland
(3)
Ärztekammer des Saarlandes, Ethikkommission Ärztekammer des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
 
11.1 Notfallsituationen während der Schrittmachernachsorge
11.2 Notfallsituationen unabhängig von der Schrittmachernachsorge
11.2.1 Reanimation
11.2.2 Problemlösung durch Umprogrammierung

11.1 Notfallsituationen während der Schrittmachernachsorge

Notfallsituationen, die während der Schrittmachernachsorge auftreten, können durch sofortiges Eingreifen in der Regel behoben werden, etwa:
  • Asystolie oder Bradykardie beim Reizschwellentest oder Magnetauflage,

  • atriale Tachykardien oder

  • ventrikuläre Tachykardie bzw. Kammerflimmern.

Die Asystolie kann durch Wegnahme des Programmierkopfes oder Abbruch des Reizschwellentests sofort beendet werden.

Cave

Zum Zeitpunkt der Magnetauflage oder während der Abfrage kann ein Schrittmacher bei bevorstehender Batterieerschöpfung komplett ausfallen.

Atriale Tachykardien können zwar vom Patienten subjektiv als sehr unangenehm empfunden werden, stellen aber objektiv in den meisten Fällen kein ernsthaftes hämodynamisches Problem dar. Bei stimulierbaren Tachykardien kann versucht werden, durch eine nicht-invasive programmierte Vorhofstimulation (NIPS) über die liegende Vorhofsonde die Tachykardie zu terminieren. Bei intrinsischer Überleitung kommen negativ dromotrope Pharmaka zur Anwendung, bei atrialen Tachykardien und AV-Block begrenzen Mode-Switch oder eine Umprogrammierung die ventrikuläre Stimulationsfrequenz.

Bei hämodynamisch stabilen ventrikulären Tachykardien kann versucht werden, durch Overdrive-Stimulation die Tachykardie zu beenden, falls der Schrittmacher über diese Option verfügt. Wegen der potenziellen Gefahr einer Akzeleration der Tachykardie muss ein Defibrillator bereitstehen.

Nach Defibrillation können passagerer Sensingverlust, Exitblock und Softwaredefekt (◘ Abb. 11.1) des Schrittmachers beobachtet werden.
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Abb. 11.1

Sensing- und Stimulationsverlust nach Kardioversion

11.2 Notfallsituationen unabhängig von der Schrittmachernachsorge

11.2.1 Reanimation

Notfallmaßnahmen im Alltag werden nach Alarmierung der Rettungskette den aktuellen Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) entsprechend durchgeführt in Form von
  • Basic Life Support,

  • Advanced Life Support.

Die externe Herzmassage sollte leitliniengerecht durchgeführt werden, eine Dislokation der Sonde durch die Herzdruckmassage ist allenfalls innerhalb der ersten Wochen nach Implantation theoretisch denkbar, muss jedoch in Kauf genommen werden.

11.2.2 Problemlösung durch Umprogrammierung

Ist für die Notfallsituation eine Dysfunktion des Schrittmachersystems (Aggregat/Sonde) verantwortlich zu machen, kann versucht werden, das Problem durch Umprogrammierung definitiv zu lösen. Im ungünstigsten Fall muss ein Revisionseingriff mit Neuplatzierung der Sonden oder Austausch des Aggregates erfolgen.

Bei einem Exitblock oder einer Asystolie können folgende Umprogrammierungen versucht werden.
  • Umprogrammierung auf eine höhere Energieabgabe

  • Umschalten der Polarität (z. B. von bipolar auf unipolar)

Problemlösung mit temporärer Stimulation

Bei symptomatischen Bradykardien bzw. Asystolien, die durch ein defektes Schrittmachersystem verursacht sind (Aggregatdysfunktion, Batterieerschöpfung oder Sondendefekt/-dislokation), muss die Stimulation durch ein temporäres System übernommen werden:
  • Passager mittels perkutaner Stimulation,

  • Passagere endokardiale Stimulation des rechten Ventrikels.

Problemlösung bei Stimulationsverlust aufgrund von metabolischer Entgleisung/Antiarrhythmikanebenwirkung

Für eine ineffektive Stimulation könnten metabolische Entgleisungen (z. B. Hyperkaliämie etc.) oder Antiarrhythmika verantwortlich sein, die möglichst rasch korrigiert werden müssen (◘ Abb. 11.2a–c). Bis die Ursache für die metabolische Entgleisung behoben ist, sollte eine der oben angegebenen Maßnahmen ergriffen werden, um akut die Bradykardie oder Asystolie zu beherrschen (z. B. Reanimation, Defibrillation, Elektrolytkorrektur, Dialyse etc).
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Abb. 11.2

a–c a: 08.48 Uhr: Hyperkaliämie (8,4 mmol/l) elektromechanische Entkopplung; 2:1-Depolarisationsblock; b: 09.04 Uhr: Nulllinie bei regelmäßiger Impulsabgabe; c: 09:40 Uhr: effektive Schrittmacherstimulation nach Akutdialyse und externer Herzmassage

Schrittmacherbeteiligte Tachykardien , Magnetauflage

Schrittmacher-Reentry-Tachykardien (PMT ) können durch Magnetauflage (D00) unterbrochen werden. Danach sollte eine entsprechende Umprogrammierung stattfinden, z. B. Schutzalgorithmen verwenden etc. (► Abschn. 2.​2.​1). Bei Vorliegen einer hochfrequenten Ventrikelstimulation durch Triggerung einer Vorhofarrhythmie, lässt sich die ventrikuläre Stimulationsfrequenz eines Zweikammerschrittmachers durch Magnetauflage auf die Magnetfrequenz senken. Auch hier sollte eine entsprechende Umprogrammierung erfolgen, z. B. Mode-Switch einschalten/optimieren (► Abschn. 2.​2.​2).

Antibradykarde Medikamente

Bei symptomatischen Bradykardien (z. B. SSS) kommen folgende antibradykarde Medikamente in Frage: Atropin, Orciprenalin. Bei einem Kreislaufstillstand können die Medikamente Adrenalin, Noradrenalin und Vasopressin (Anwendung gemäß aktuellen Reanimationsrichtlinien) eingesetzt werden.

Antitachykarde Medikamente

Als Notfallmedikamente werden die entsprechenden Antiarrhythmika eingesetzt, z. B. Amiodaron (Cave: Reizschwellenveränderungen unter Langzeittherapie), ansonsten β-Blocker und andere Antiarrhythmika (aktuelle Reanimationsrichtlinien).

Technik der Defibrillation/Kardioversion

Die Defibrillation (Kammerflimmern) bzw. Kardioversion (ventrikuläre Tachykardie, Vorhofflimmern/-flattern) sollte antero-posterior durchgeführt werden (Achse senkrecht zur Achse Schrittmachersonde), um das Risiko der Induktion von Strömen über die Schrittmachersonde möglichst gering zu halten. Die Defibrillatorpaddles sollten möglichst weit entfernt vom Schrittmacheraggregat aufgesetzt werden, um das Risiko einer Aggregatschädigung zu reduzieren.

Das Schrittmachersystem ist nach Defibrillation/Kardioversion vollständig zu überprüfen (Aggregatdefekt? Reizschwellenanstieg? Sensingverlust?).

Die elektrische Kardioversion kann folgende Auswirkungen nach sich ziehen (◘ Abb. 11.1 und 11.3):
  • Zerstörung des Schrittmachers,

  • Koagulation des Myokards, das die Sondenspitze umgibt,

  • Reizschwellenanstieg bzw. Stimulationsverlust der Sonde.

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Abb. 11.3

Telemetrie nach Kardioversion mit Totalausfall des Schrittmachers; beachte die hohe Sondenimpedanz („lead impedance: high“) und fehlende Energieabgabe („output current: low“), niedrige Batteriespannung (2,38! V)