© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2019
Diana Morschhäuser, Wilhelm Fischer und Michael JakobPraxis der Herzschrittmacher-Nachsorgehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57828-5_2

2. Schutzfunktionen

Diana Morschhäuser1 , Wilhelm Fischer2 und Michael Jakob3
(1)
München, Key Account Manager München, München, Deutschland
(2)
Klinik Schongau, Schongau, Deutschland
(3)
Ärztekammer des Saarlandes, Ethikkommission Ärztekammer des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
 
2.1 Ventrikuläre Sicherheitsstimulation – Vermeidung von AV-Crosstalk
2.2 Algorithmen zum Schutz vor schrittmacherbeteiligten Tachykardien
2.2.1 Schrittmacher-Reentry-Tachykardien – PMT- Schutz
2.2.2 Vorhofarrhythmien mit hochfrequenter Ventrikelstimulation – Mode-Switch
2.3 Algorithmen zur Vermeidung von Vorhoftachyarrhythmien/Präventionsalgorithmen
2.3.1 Overdrive-Algorithmus
2.3.2 Postextrasystolische Pausensuppression (PEPS )
2.3.3 Frequenzbeschleunigung bei häufigen AES
2.3.4 Post Mode-Switch Overdrive Pacing (PMOP )
2.3.5 Atriale Flatter-Reaktion
2.4 Algorithmen zur Terminierung von Vorhofarrhythmien
2.4.1 Automatische antitachykarde Stimulation
2.4.2 Anwender-ausgelöste antitachykarde Stimulation
2.5 Automatische Empfindlichkeitsanpassung
2.6 Automatische Anpassung der ventrikulären Impulsamplitude
2.6.1 Periodische Anpassung der Amplitude
2.6.2 Beat-to-Beat -Anpassung der Amplitude
2.7 Automatische Anpassung der atrialen Impulsamplitude
2.7.1 Überprüfung der atrialen Reizschwelle mit Hilfe der intrinsischen AV-Überleitung
2.7.2 Überprüfung der atrialen Reizschwelle mit Hilfe intrinsischer Vorhofsignale
2.7.3 Überprüfung der atrialen Reizschwelle mit Hilfe des evozierten Potenzials
2.8 Automatische Sondenüberwachung
2.9 Störmodus
2.10 MRT-Untersuchungen bei Patienten mit Herzschrittmachern
2.10.1 MRT-Untersuchungen mit konventionellen nicht bedingt MR-sicheren Herzschrittmachern
2.10.2 MRT-Untersuchungen mit bedingt MR-sicheren Herzschrittmachersystemen
2.10.3 Vorbereitung für die MRT-Untersuchung und Umprogrammierung in den MRT-Modus
2.10.4 Überwachung und Beendigung der MRT-Untersuchung
Literatur

2.1 Ventrikuläre Sicherheitsstimulation – Vermeidung von AV-Crosstalk

Andere Bezeichnungen: Committed Stimulation ; Safety Window Pacing ; Non physiological AV-Intervall ; AV-Sicherheitsintervall.

In Zweikammersystemen wird nach einem atrialen Stimulus ein ventrikuläres Blanking (PAVB  = postatriales ventrikuläres Blanking) gestartet. Das PAVB soll ein Übersprechen (AV-Crosstalk) des atrialen Impulses auf den ventrikulären Kanal verhindern. Atriales Übersprechen bedeutet, dass der atriale Stimulus, bzw. sein Nachpotenzial, im Ventrikel erkannt, als ventrikuläres herzeigenes Signal fehlinterpretiert wird und der ventrikuläre Impuls inhibiert ist (◘ Abb. 2.1 und 2.2).
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Abb. 2.1

AV-Crosstalk : Atriales Übersprechen und fehlende ventrikuläre Impulsabgabe bei AV-Block III

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Abb. 2.2

AV-Crosstalk bei Vorhofstimulationen. Es resultiert eine ventrikuläre Asystolie bei AV-Block III aufgrund eines zu kurz programmierten PAVB und ausgeschaltetem Sicherheitsfenster. Effektive ventrikuläre Stimulation nach D00-Programmierung („Notfallprogrammierung“). Aus: Fischer und Ritter (2002)

Atriales Übersprechen wird nur im Falle der atrialen Stimulation beobachtet, da das Signal einer intrinsischen P-Welle nicht ausreicht, um im Ventrikel detektiert zu werden.

Wird das postatriale ventrikuläre Blanking (PAVB) zu lang programmiert, besteht die Gefahr, dass kurz angekoppelte ventrikuläre Eigenaktionen in die Ausblendzeit fallen und deshalb nicht detektiert werden. Somit könnte – nach Ablauf des programmierten AV-Intervalls – die nachfolgende ventrikuläre Stimulation in die vulnerable Phase der T-Welle treffen.

Wird das Blanking zu kurz programmiert, kann es zum Übersprechen des atrialen Stimulus auf den ventrikulären Kanal (AV-Crosstalk ) kommen und dabei bei Patienten mit AV-Blockierungen eine Asystolie auslösen. Diese Problematik wird durch das Sicherheitsfenster und die ventrikuläre Sicherheitsstimulation gelöst. Diese ventrikuläre Sicherheitsstimulation ermöglicht die Programmierung kurzer Ausblendzeiten. Das ventrikuläre Sicherheitsfenster (VSF) startet nach einem atrialen Stimulus (neben dem postatrialen ventrikulären Blanking und dem regulären AV-Intervall ), es kann jedoch erst nach Ablauf der Ausblendzeit (PAVB) wirksam werden (◘ Abb. 2.3).
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Abb. 2.3

Zeitintervalle nach atrialer Stimulation bei programmierter ventrikulärer Sicherheitsstimulation in Zweikammersystemen. Während des PAVB ist der Eingangsverstärker des Ventrikels blind geschaltet. Die ventrikuläre Sicherheitsstimulation wird erst ausgelöst, wenn Signale nach Ablauf des PAVB, aber innerhalb des VSF auftreten. (PAVB = postatriales ventrikuläres Blanking; VSF = ventrikuläres Sicherheitsfenster; AVI = AV-Intervall)

Wird jetzt außerhalb der Ausblendzeit (PAVB), aber innerhalb dieses Sicherheitsfensters (VSF) ein Signal wahrgenommen, erfolgt am Ende dieses Intervalls (also nach 95–120 ms je nach Schrittmachermodell) eine „Sicherheitsstimulation“ im Ventrikel (◘ Abb. 2.4).
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Abb. 2.4

Das Fernfeld vom atrialen Stimulus wird nach dem Blanking, aber innerhalb des ventrikulären Sicherheitsfensters (VSF) im ventrikulären Kanal wahrgenommen. Im Ventrikel wird nach Ablauf des VSF ein Sicherheitsstimulus ausgelöst. (PAVB = postatriales ventrikuläres Blanking, VSF = ventrikuläres Sicherheitsfenster; AVI = AV-Intervall; A = atrialer Stimulus; VSS = ventrikulärer Sicherheitsstimulus)

Das detektierte Signal innerhalb des ventrikulären Sicherheitsfensters kann zurückzuführen sein auf:
  • AV-Crosstalk (◘ Abb. 2.5),

  • extrakardiales Signal (Effekt wie ◘ Abb. 2.6),

  • zufällig zu diesem Zeitpunkt auftretende intrinsische ventrikuläre Depolarisation, z. B. ventrikuläre Extrasystole (◘ Abb. 2.6).

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Abb. 2.5

EKG mit intermittierender ventrikulärer Sicherheitsstimulation, erkennbar an den kurzen AV-Intervallen (meistens ca. 100 ms)

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Abb. 2.6

a, b Der Schrittmacher nimmt nach Ablauf der Blankingzeit und vor Ablauf des VSF die ventrikuläre Extrasystole wahr. Der Schrittmacher gibt einen Sicherheitsstimulus am Ende des VSF in den QRS-Komplex ab. a: Schema: PAVB = postatriales ventrikuläres Blanking; VSF = ventrikuläres Sicherheitsfenster; AVI = AV-Intervall; A = atrialer Stimulus; VSS = ventrikulärer Sicherheitsstimulus; b: Beispiel: Ap = atriale Stimulation; Vr = Wahrnehmung im VSF; VP = ventrikuläre Stimulation (Sicherheitsstimulus)

2.2 Algorithmen zum Schutz vor schrittmacherbeteiligten Tachykardien

Unter schrittmacherbeteiligte Tachykardien fallen alle Tachykardien, die vom Schrittmacher entweder ausgelöst oder unterhalten werden.

Die folgende Übersicht zeigt die verschiedenen schrittmacherbeteiligten Tachykardien.

Schrittmacherbeteiligte Tachykardien

  • Schrittmacher-Reentry-Tachykardie

  • Hochfrequente Ventrikelstimulation durch Tracking von atrialen Tachyarrhythmien oder Tracking von Myosignalen oder Far-Field-Sensing im atrialen Kanal bei AV-Überleitungsstörungen und DDD/VDD-Systemen, bis an die Maximalfrequenz ohne Mode-Switch.

  • Tachykardien, die nach inadäquater Impulsabgabe in die vulnerable Phase (z. B. bei Undersensing) durch den Schrittmacher ausgelöst werden: atrial, ventrikulär, nodal und atrio-ventrikulärer Reentry

  • Tachykardien bei Hard- und Softwaredefekten

  • Tachykardien bei überschießender Sensorreaktion

Für die schrittmacherbeteiligten Tachykardien in Punkt 1 und 2 stehen Schutzalgorithmen zur Verfügung, während es für die schrittmacherbeteiligten Tachykardien unter Punkt 3 bis 5 keine Schutzfunktionen gibt (► Abschn. 9.​5).

2.2.1 Schrittmacher-Reentry-Tachykardien – PMT- Schutz

Pacemaker-mediated Tachycardia (PMT ) ist der Oberbegriff für alle unerwünschten schrittmacherbeteiligten Tachykardien. Tatsächlich wird der Begriff PMT in der Regel nur noch eingeengt für die Bezeichnung der Schrittmacher-Reentry-Tachykardie verwendet.

Die DDD/VDD-Stimulation kann bei Patienten mit AV-Blockierungen unter bestimmten Umständen unerwünschte Schrittmacher-Reentry-Tachykardien (PMT = „pacemaker mediated tachycardia“ oder ELT = „endless loop tachycardia“) auslösen. Für diese Form der Schrittmacher-Reentry-Tachykardien wird im weiteren Verlauf der Begriff „PMT“ verwendet. Denn die Bezeichnung ELT findet im deutschsprachigen Raum kaum noch Anwendung, wird aber in der angloamerikanischen Literatur standardmäßig für die Bezeichnung einer Schrittmacher-Reentry-Tachykardie eingesetzt.

Heutzutage bieten fast alle modernen Zweikammerschrittmacher einen umfangreichen Schutz vor diesen Schrittmacher-Reentry-Tachykardien, den sog. PMT-Schutz.

Was ist eine PMT?

Bei einer PMT handelt es sich um eine kreisende Erregung. Der AV-Knoten leitet eine ventrikuläre Depolarisation (stimuliert oder intrinsisch verursacht) retrograd zum Vorhof. Dieser wird depolarisiert. Nach Detektion der Vorhofdepolarisation wird nach Ablauf des PV-Intervalls ventrikulär stimuliert. Die ventrikuläre Depolarisation wird wiederum in den Vorhof geleitet, sodass der Kreis geschlossen ist (◘ Abb. 2.7).
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Abb. 2.7

Schematische Darstellung einer PMT. Das elektrische Signal der ventrikulären Depolarisation leitet retrograd zum Vorhof, dieser wird depolarisiert, das atriale Depolarisationssignal wird vom atrialen Schrittmacherkanal detektiert, und es erfolgt eine VAT-Stimulation. Durch die verzögerte Depolarisation des Ventrikels bei langer AV-Zeit ist das Vorhofmyokard wieder erregbar, und die retrograde Leitung kann erneut den Vorhof depolarisieren. Die PMT ist damit gestartet

Voraussetzungen für eine PMT sind:
  • retrograde Leitung ,

  • retrograde Vorhofdepolarisation,

  • Detektion der retrograden P-Welle.

Ursachen von PMTs

Bedingung für eine PMT ist eine AV-Desynchronisation. Das bedeutet, dass die atriale und ventrikuläre Depolarisation nicht zeitgerecht nacheinander ablaufen. Das führt unter bestimmten Umständen dazu, dass das Signal der Ventrikeldepolarisation auf das Vorhofmyokard übergeleitet wird und dort eine Depolarisation auslöst, da die retrograde Leitung auf nicht mehr refraktäre Strukturen trifft und somit den Vorhof retrograd erregen kann.

Um eine schrittmachervermittelte Tachykardie auszulösen, muss entweder ein relativ langes AV/PV-Intervall oder ein isoliertes ventrikuläres Ereignis (VES), dem ja kein detektiertes atriales Ereignis vorausgeht, vorliegen. In der Regel wird bei einer VES in neueren Schrittmachern die PVARP automatisch verlängert, sodass eine PMT nicht in Gang kommt. Eine schrittmacherbeteiligte Tachykardie bei retrograder Leitung lässt sich eventuell durch eine ineffektive atriale Stimulation bei entsprechend kurzer AV-Zeit und kurzer PVARP auslösen (◘ Abb. 2.8 und 2.9).
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Abb. 2.8

Auslösen einer AV-Desynchronisation durch ineffektive atriale Stimulation bei extrem kurzer AV-Zeit und kurzer PVARP. Rezidivierende Terminierung nach 6 Zyklen

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Abb. 2.9

a, b a: Wenn das AV/PV-Intervall in den normalen Grenzen (nicht zu lang) programmiert wird, ist das Risiko für eine retrograde (ventrikuloatriale) Überleitung gering, weil meistens die Erregungsleitungen und das Vorhofmyokard noch refraktär sind; b: Um eine Schrittmacher-Reentry-Tachykardie auszulösen, muss ein relativ langes AV/PV-Intervall vorliegen, sodass die retrograde Leitung auf nicht mehr refraktäres Vorhofgewebe trifft. (P = P-Welle; P’ = retrograde P-Welle; V = ventrikuläre Stimulation). Aus: Fischer und Ritter (2002)

Ursachen für die Desynchronisation von Vorhof und Ventrikel und damit für die Auslösung einer PMT können sein (◘ Abb. 2.10 und 2.11):
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Abb. 2.10

a–e Verschiedene Mechanismen von PMTs: a: PMT durch eine VES. Die ventrikuläre Extrasystole (VES) tritt in ausreichendem Abstand zur letzten spontanen P-Welle auf und depolarisiert das Vorhofmyokard, das nicht mehr refraktär ist, über die retrograde Leitung; b: PMT durch eine SVES. Die supraventrikuläre Extrasystole (SVES) wird auf den Ventrikel übergeleitet, allerdings mit verlängertem AV-Intervall . Aufgrund dieser Verlängerung des PV-Intervalls sind die retrograde Leitung und das Vorhofmyokard nicht mehr refraktär; c: PMT durch Skelettmuskelsignale. Diese werden über die Vorhofsonde wahrgenommen und lösen eine ventrikuläre Stimulation aus. Die retrograde Leitung ist möglich, da der Vorhof nicht durch eine Vorhofdepolarisation erregt und somit nicht refraktär ist; d: PMT durch Sensingverlust im Vorhof. Da die P-Welle nicht erkannt wird, erfolgt eine atriale Stimulation nach Ablauf des Auslöseintervalls. Diese Stimulation trifft auf refraktäres Vorhofmyokard und ist demzufolge nicht effektiv. Der Ventrikel wird mit zeitlich großem Abstand zur Vorhofdepolarisation stimuliert; e: PMT durch Stimulationsverlust im Vorhof. Der Vorhof wird nicht depolarisiert durch die atriale Stimulation. Die anschließende ventrikuläre Stimulation kann eine retrograde Leitung und damit eine PMT auslösen. (A = atrialer Stimulus, MYOSIG = Myosignale; P = P-Welle; Vorhofeigenaktion, P’ = retrograd erregte P-Welle, Vorhofaktion). Aus: Fischer und Ritter (2002)

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Abb. 2.11

Beispiel für eine PMT, ausgelöst durch einen Vorhofsensingverlust. DDD-Modus, 55/122 ipm, AVI 90 ms, PVARP 400 ms, Vorhofempfindlichkeit 2 mV, Vorhofsensingverlust bei der 3. P-Welle (3) mit ineffektivem Stimulus in die Refraktärzeit des Vorhofs. Dadurch ergibt sich eine effektive Verlängerung des PV-Intervalls, was eine retrograde Leitung ermöglicht. Somit wird eine PMT ausgelöst, die durch einen schrittmacherspezifischen Terminierungsalgorithmus beendet wird

  • zu langes AV-Intervall ,

  • ventrikuläre Extrasystole, supraventrikuläre Extrasystole (VES, SVES),

  • atriales Oversensing (z. B. Muskelsignale, T-Wellen-Oversensing ),

  • atriales Undersensing der regulären (antegraden) Vorhofdepolarisation,

  • atrialer Stimulationsverlust/Exitblock,

  • Entfernung des Magneten, Umprogrammierung des Modus, Ende eines Tests,

  • Re-Switch am Ende einer Mode-Switch -Episode.

PMT-Frequenz

Die PMT-Frequenz hängt von retrograder Leitungszeit, Maximalfrequenz und aktuellem PV-Intervall ab. Ist die Summe aus retrograder Leitungszeit und PV-Intervall (aktuelles PV-Intervall an der oberen Frequenzgrenze) kürzer als das Intervall der ventrikulären Maximalfrequenz (60.000/Maximalfrequenz), so ist die Frequenz der PMT gleich der ventrikulären Maximalfrequenz. Das PV-Intervall wird in diesem Fall immer so lange verlängert, bis das Intervall der ventrikulären Maximalfrequenz erreicht ist. Ist die Summe aus PV-Intervall (aktuelles PV-Intervall an der PMT-Frequenz) und retrograder Leitungszeit zeitlich länger als das Intervall der ventrikulären Maximalfrequenz, so ist die Frequenz der PMT niedriger als die Maximalfrequenz (◘ Abb. 2.12).
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Abb. 2.12

ab Je nach Dauer der retrograden Leitungszeit kann die PMT-Frequenz gleich der Maximalfrequenz sein oder darunter liegen: a: Die Summe aus retrograder Leitungszeit und aktuellen PV-Intervall (bei der entsprechenden Frequenz) ist kürzer als das Intervall der ventrikulären Maximalfrequenz. Somit ist die Frequenz der PMT gleich der Maximalfrequenz; b: Die Summe aus retrograder Leitungszeit und aktuellem PV-Intervall (bei der entsprechenden Frequenz) ist länger als das Intervall der maximalen Maximalfrequenz. Somit liegt die Frequenz der PMT unter der Maximalfrequenz. (P = P-Welle; P’ = retrograd erregte P-Welle; V = stimulierte Ventrikelaktion; Intervall Fmax = Intervall der ventrikulären Maximalfrequenz). Aus: Fischer und Ritter (2002)

Algorithmen zur PMT-Vermeidung : Beispiele

PVARP -Verlängerung nach VES; VES-Reaktion oder PVC-Response; VES-Option ; Atrial Refractory Extension; PMT-Prävention; VES-synchrone atriale Stimulation

Als grundsätzliche Maßnahmen wird man versuchen, die PVARP (postventrikuläre atriale Refraktärperiode) etwas länger als die gemessene retrograde Leitungszeit (VP-Intervall = Ventrikelereignis, meistens Ventrikelstimulus, bis retrogrades P) zu programmieren. Die Programmierung einer langen PVARP bedeutet aber auch eine Limitierung der maximal erreichbaren Grenzfrequenz (► Abschn. 1.​9).

Eine andere Lösung bieten PMT-Prophylaxefunktionen, die ohne eine permanente Verlängerung der PVARP einen effektiven Schutz gegen PMTs bieten.

Bei typischen Ereignissen, die eine PMT initiieren können, werden folgende Algorithmen zur PMT-Prophylaxe angeboten:

PVARP-Verlängerung nach VES

Bei vielen Aggregaten startet nach einer VES eine einmalige PVARP-Verlängerung. Bei vorhandener retrograder Leitung fällt die retrograde P-Welle in das Zeitfenster der PVARP und wird nicht mehr zur Triggerung des Ventrikels verwendet, sodass keine PMT entsteht (◘ Abb. 2.13).
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Abb. 2.13

Präventionsmethode für die Vermeidung von PMTs bei VES. Die Detektion einer VES löst die Verlängerung der PVARP aus (PVARP nach VES ca. 450–500 ms). Die retrograde Leitung fällt in die PVARP und wird nicht für die Triggerung des Ventrikels verwendet. Eine PMT wird verhindert

PVARP-Verlängerung bei anderen Ereignissen

Auch für andere Ereignisse, die eine retrograde Leitung verursachen können, bieten manche Schrittmachermodelle eine einmalige PVARP-Verlängerung an:
  • nach einer supraventrikulären Extrasystole (SVES),

  • bei Entfernung des Magneten,

  • bei Umprogrammierung des Modus,

  • am Ende des Reizschwellentest,

  • beim Re-Switch am Ende einer Mode-Switch- Episode.

VES-synchrone atriale Stimulation

Eine andere Möglichkeit ist, zeitgleich mit der VES einen atrialen Stimulus abzugeben. Damit ist das Vorhofmyokard für eine retrograde Leitung refraktär. Allerdings kann es hierbei zu einer fast simultanen Kontraktion von Vorhöfen und Ventrikel kommen (◘ Abb. 2.14).
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Abb. 2.14

Zwei verschiedene Beispiele zeigen, dass zeitgleich mit der VES eine atriale Stimulation ausgelöst wird. Damit ist das Vorhofmyokard für eine retrograde Leitung refraktär

Automatische Umprogrammierung/Verkürzung des AV-Intervalls

Wenn repetitive PMTs auftreten, wird das aktuelle PV-Intervall automatisch konsekutiv verkürzt mit dem Ziel, dass die rückwärtig geleitete Depolarisation auf einen refraktären Vorhof trifft und somit der Reentry-Kreis unterbrochen wird bzw. nicht mehr in Gang kommt. Möglicherweise nachteilig in einer solchen Situation ist das unphysiologisch kurze PV-Intervall.

PMT-Detektion und -Terminierung

Andere Bezeichnungen: PMT-Schutz , PMT-Intervention , PMT-Optionen.

Unterschiedliche, firmenspezifische Algorithmen zur Detektion und Terminierung von PMTs kommen zur Anwendung:
  • Es wird bei einer definierten Anzahl ventrikulär stimulierter Zyklen an der oberen Grenzfrequenz einmalig eine PVARP-Verlängerung durchgeführt. Liegt eine PMT vor, fällt dadurch die rückwertige atriale Depolarisation in die PVARP, sodass der Reentry-Kreis unterbrochen wird. Handelt es sich um eine Sinustachykardie, fällt lediglich einmalig die getriggerte ventrikuläre Stimulation aus (◘ Abb. 2.15).

  • Ein weiterer Algorithmus differenziert eine Sinustachykardie von einer PMT durch Vergleich der ventrikuloatrialen (VA) Überleitungszeiten. Erkennt der Schrittmacher während der Tachykardie für eine definierte Zyklenzahl stabile VA-Zeiten, moduliert (verkürzt oder verlängert) er das PV-Intervall. Bleibt die VA-Zeit jetzt weiterhin stabil, handelt es sich um eine PMT. Verändert sich die VA-Zeit, handelt es sich um einen schnellen Sinusrhythmus. Die Terminierung einer PMT erfolgt jetzt nach PVARP-Verlängerung. Die retrograde Vorhofdepolarisation fällt in die PVARP, die Triggerung des Ventrikels fällt aus (◘ Abb. 2.162.17 und 2.18). Eine weitere Möglichkeit für die Terminierung der PMT ist die Inhibierung des ventrikulären Impulses (Tracking fällt aus).

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Abb. 2.15

Beendigung der PMT durch einmalige Verlängerung der PVARP

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Abb. 2.16

Nach Verkürzung des PV-Intervalls identische VP-Zeit (P’ = retrograde Vorhofdepolarisation) als Hinweis für eine PMT. Nachfolgend Verlängerung der PVARP zur Terminierung der PMT

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Abb. 2.17

Algorithmus zur Differenzierung von Sinustachykardie vs. PMT . Das verlängerte VP-Intervall spricht für eine Sinustachykardie (P = P-Welle); keine Verlängerung der PVARP

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Abb. 2.18

Beispiel für PMT-Schutzalgorithmus: Der Schrittmacher erkennt und terminiert eine PMT. (AVI = AV-Intervall). Mit freundlicher Genehmigung der Sorin Group Deutschland GmbH

Eine PMT ist eine schnelle ventrikuläre Stimulation mit einer 1:1-VA-Leitung und einer anschließenden AV-sequenziellen Stimulation. Im Oberflächen-EKG ist die retrograde P-Welle oft anhand der Negativität der Depolarisation in Ableitung II und III zu erkennen.

Zusammenfassung der Terminierungsalgorithmen

  • Verlängerung der PVARP für einen Zyklus nach einer definierten Anzahl stimulierter Zyklen an der Maximalfrequenz/PMT-Frequenz

  • Einmalig keine ventrikuläre Triggerung der intrinsischen Vorhofdepolarisation (Unterbrechung des Trackings für einen Zyklus)

  • PVARP-Verlängerung nach Ausschluss einer Sinustachykardie

2.2.2 Vorhofarrhythmien mit hochfrequenter Ventrikelstimulation – Mode-Switch

für Mode-Switch

Andere Bezeichnungen: Automatic Mode-Switch (AMS ); Fallback Mode-Switch (FMS ); atriale Tachy-Reaktion ( ATR ); Mode Switching.

Ein DDD-Schrittmacher triggert bei AV-Überleitungsstörungen Vorhoffrequenzen nach Ablauf des PV-Intervalls 1:1 auf den Ventrikel bis zur Maximalfrequenz. Pathologisch schnelle Vorhofarrhythmien oberhalb der Maximalfrequenz sollten nicht längerfristig bis zur Maximalfrequenz ventrikulär getriggert werden, da eine permanente ventrikuläre Stimulation an der Maximalfrequenz für die Dauer der Vorhofarrhythmie oft schlecht toleriert wird.

Der Mode-Switch-Algorithmus kann nur bei AV-Überleitungsstörungen die ventrikuläre Stimulationsfrequenz begrenzen. Intrinsische Überleitungen, die zu hohen ventrikulären Frequenzen führen, kann der Mode-Switch nicht beeinflussen.

Um eine anhaltende ventrikuläre Stimulation an der Maximalfrequenz, verursacht durch Vorhofarrhythmien, zu vermeiden, führen Mode-Switch-Algorithmen einen Moduswechsel durch, der die ventrikuläre Stimulationsfrequenz begrenzt.

Während der Mode-Switch-Phase wird unter Ruhebedingungen mit der Grundfrequenz bzw. Fallbackfrequenz, während einer Belastung sinnvollerweise mit der Sensorfrequenz, stimuliert.

Stimulationsmodi können VDI(R) oder DDI(R) sein. Nach Terminierung der schnellen Vorhofarrhythmien erfolgt der Re-Switch in den DDD(R)-Modus (◘ Abb. 2.19).
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Abb. 2.19

Mode-Switch-Episode: Plötzliche ein-setzende Vorhoftachykardie wird hier für 3 Zyklen auf den Ventrikel getriggert. Anschließend erfolgt mit dem hier gezeigten Mode-Switch-Algorithmus der sofortige Switch in den VDI-Modus mit etwas erhöhter Basisfrequenz. Andere Algorithmen zeigen meist ein langsames Herunterführen der Ventrikelfrequenz. Mit freundlicher Genehmigung der Biotronik SE & Co. KG, Berlin

Die verschiedenen Mode-Switch-Algorithmen werden durch unterschiedliche Bedingungen aktiviert:
  • Wie ist eine Vorhofarrhythmie für den Algorithmus definiert?

  • Erfolgt der Moduswechsel sofort („beat to beat“) oder verzögert?

  • In welchem Modus wird während der Mode-Switch-Phase stimuliert? VDI (R)/DDI(R)?

  • Wie ist das Ende einer Vorhofarrhythmie definiert?

Im Folgenden werden die wesentlichen Merkmale der verschiedenen Mode-Switch-Kriterien in den aktuellen Schrittmachersystemen vorgestellt (◘ Tab. 2.1):
Tab. 2.1

Mode-Switch-Algorithmen von Zweikammermodellen

Hersteller/Modell

Mode-Switch-Kriterium

Moduswechsel bei Übergang in den Mode-Switch

Re-Switch

Abbott∗∗/Zephyr

Frequenzkriterium:

Mittlere Vorhoffrequenz >TDR

DDD–DDI(R)

DDDR–DDI(R)

Mittlere Vorhoffrequenz <TDR

Biotronik/Enitra

X aus Y Kriterium:

X aus 8 atriale Zyklen >Interventionsfrequenz

DDD–DDI(R)

DDDR–DDIR

Z aus 8 atriale Zyklen <Interventionsfrequenz

Boston/Altrua

Zählerkriterium:

X Zyklen >ATR-Auslösefrequenz

DDD(R)–VDI(R)/DDI(R)

X Zyklen

<ATR-Auslösefrequenz

Medtronic/Advisa

2 atriale Ereignisse pro ventrikulärem Zyklus; Dauer 32 Zyklen

Medianwert der letzten 12 atrialen Intervalle ist kürzer als das programmierte AT/AF-Intervall

DDD–DDI(R)

DDDR–DDI(R)

5 konsekutive Zyklen <AT/AF-Frequenz

Micro Port∗/Kora

Sudden Onset mit X aus Y Kriterium

(28 Zyklen aus 32 oder 36 Zyklen aus 64)

DDD–DDI(R)

DDDR–DDIR

12 konsekutive Zyklen <107 min−1

Vitatron/T-Serie

Sudden Onset mit Beat-to-Beat-Switch: ein atriales Ereignis über dem physiologischen Band führt zum Mode-Switch

DDD–DDI

DDDR–DDIR

2 Ereignisse innerhalb des physiologischen Bandes

TDR = Tachykardie-Erkennungsfrequenz; ATR = atriale Tachy-Reaktion

∗Fa. Micro Port hat 2017 die CRM Sparte von Liva Nova (ehemals Sorin) übernommen

∗∗Fa. Abbott hat St. Jude Medical 2017 übernommen

Frequenzkriterium

Die atriale Frequenz überschreitet für eine bestimmte Zyklenzahl die atriale Tachykardie-Erkennungsfrequenz. (Andere Bezeichnungen: Interventionsfrequenz, ATR-Auslösefrequenz, AT/AF-Frequenz, atriale Tachykardie-Detektionsfrequenz [ATDR] etc.).

Zählerkriterium

X- aus Y-Kriterium: Im fortlaufenden Speicher der letzten Y atrialen Zyklen müssen X-Zyklen über der atrialen Tachykardie-Erkennungsfrequenz 1 liegen, z. B. 5 aus 8 Zyklen.

Sudden Onset -/Vorzeitigkeitskriterium

Beim physiologischen Frequenzband werden Frequenzen, die um eine permanent aktualisierte mittlere Vorhoffrequenz maximal ±15 min−1 abweichen, als physiologisch betrachtet. Tritt ein atriales Ereignis über dem Frequenzband auf, wird es als unphysiologisch klassifiziert.

Fällt ein atriales Ereignis mit einer bestimmten Vorzeitigkeit (z. B. kürzer als 75 % oder 62,5 % vom letzten PP-Intervall) ein, wird es als unphysiologisch klassifiziert.

In ◘ Tab. 2.1 sind die unterschiedlichen Mode-Switch-Algorithmen von Zweikammermodellen verschiedener Herzschrittmacherfirmen aufgeführt.

2.3 Algorithmen zur Vermeidung von Vorhoftachyarrhythmien/Präventionsalgorithmen

Verschiedene Zweikammermodelle bieten die Möglichkeit, Präventionsalgorithmen zu programmieren. Ziel dieser Algorithmen ist es, Vorhofarrhythmien zu vermeiden bzw. die Anzahl und Dauer der Arrhythmien (AF Burden) zu verringern. Die vorliegenden Studienergebnisse sind allerdings enttäuschend.

Folgende Optionen stehen zur Verfügung:

2.3.1 Overdrive-Algorithmus

Andere Bezeichnungen: Pace Conditioning ; Atrial Pace Preference (APP); Dynamic Atrial Overdrive (DAO); atriale Stimulationspräferenz (APP); DDD-Überstimulation (DDD+); atriale Überstimulation.

Ziel dieses Algorithmus ist es, den Vorhof immer nur wenig über der Eigenfrequenz zu stimulieren. Sobald eine P-Welle wahrgenommen wird, hebt der Schrittmacher die Stimulationsfrequenz an und führt sie anschließend wieder langsam auf die Grundfrequenz oder berechnete Interventionsfrequenz zurück.

2.3.2 Postextrasystolische Pausensuppression (PEPS )

Andere Bezeichnungen: Atriale Frequenzstabilisierung (ARS); PAC-Response ; Pausenunterdrückung.

Lange Sinuspausen nach einer atrialen Extrasystole können atriale Tachykardien auslösen. Die postextrasystolische Pausensuppression verhindert durch ein verkürztes Auslöseintervall nach atrialer Extrasystolie lange Sinuspausen.

2.3.3 Frequenzbeschleunigung bei häufigen AES

Andere Bezeichnungen: PAC-Suppression ; Pro-act.

Bei häufigen Extrasystolen wird die Stimulationsfrequenz schrittweise angehoben, bis keine Extrasystolen mehr auftreten oder bis die (programmierbare) maximale Frequenzbeschleunigung erreicht ist. Anschließend führt der Schrittmacher die Frequenz langsam herunter. Bei Neuauftreten von Extrasystolen wird die Frequenz wieder angehoben.

2.3.4 Post Mode-Switch Overdrive Pacing (PMOP )

Dieser Algorithmus führt nach spontaner Beendigung einer Mode-Switch- Episode zu einer atrialen Stimulation über der intrinsischen Vorhoffrequenz (mit einer programmierbaren Frequenz und Dauer).

2.3.5 Atriale Flatter-Reaktion

Andere Bezeichnungen: Obere Grenzfrequenz im Atrium ; nicht konkurrierende atriale Stimulation NCAP.

Mit dieser Funktion soll verhindert werden, dass nach Wahrnehmung eines atrialen Ereignisses in der PVARP eine vorzeitige atriale Stimulation in die vulnerable Phase erfolgt. Mit dem detektierten Vorhofereignis in der PVARP wird ein minimales Intervall gestartet dass umgerechnet der programmierten oberen atrialen Grenzfrequenz bzw. atrialen Flatter Reaktion etc. entspricht. Wenn z. B. eine Frequenz von 240 ipm programmiert wurde, darf der Schrittmacher den Vorhof erst nach 250 ms stimulieren.

2.4 Algorithmen zur Terminierung von Vorhofarrhythmien

2.4.1 Automatische antitachykarde Stimulation

Liegen bei einem Patienten stimulierbare Vorhofarrhythmien vor, wird automatisch versucht, mit einer höheren Vorhofstimulationsfrequenz (ATP ) die Arrhythmie überzustimulieren, um die Tachykardien zu beenden. ATP kann als Burst oder RAMP mit einer definierten Anzahl von Sequenzen programmiert werden. Der Algorithmus initiiert ein ATP so lange, bis die Arrhythmie erfolgreich terminiert ist oder die maximale programmierte Anzahl der Sequenzen abgegeben wurde (◘ Abb. 2.20).
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Abb. 2.20

Automatische Burstabgabe bei Vorhofflattern. Mit freundlicher Genehmigung der Medtronic GmbH, Meerbusch

2.4.2 Anwender-ausgelöste antitachykarde Stimulation

Andere Bezeichnungen: Nicht-invasive programmierte Stimulation (NIPS ); EP-Studien ; programmierte elektrische Stimulation (PES).

Viele Schrittmacher verfügen mittlerweile über die Möglichkeit eine Überstimulation im Vorhof durchzuführen. Diese Funktion wird vom Arzt aktiviert und Überstimulationsfrequenz und Sequenzen werden individuell programmiert (◘ Abb. 2.21 und 2.22).
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Abb. 2.21

Vorhofflattern. Mit freundlicher Genehmigung der Medtronic GmbH, Meerbusch

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Abb. 2.22

Terminierung von Vorhofflattern mit Burststimulation. Mit freundlicher Genehmigung der Medtronic GmbH, Meerbusch

2.5 Automatische Empfindlichkeitsanpassung

Andere Bezeichnungen: Selbstregulierende Empfindlichkeit; Autosensing ; Autosensitivity; Sensing Assurance ; Automatische Verstärkungsanpassung AGC (Automatic Gain Control ); SenseAbility.

Diese Funktion bietet eine automatische Anpassung der programmierten Empfindlichkeit (in Vorhof und Ventrikel) unter Beachtung der kontinuierlich gemessenen intrinsischen Signalamplituden. Es wird entweder ein Mittelwert über eine bestimmte Anzahl von wahrgenommenen intrinsischen Zyklen gebildet oder eine Beat-to-Beat-Messung durchgeführt. Der Empfindlichkeitswert wird dann kontinuierlich, in Abhängigkeit von der eingestellten Sicherheitsmarge (2:1, 3:1, 4:1 …), auf die Hälfte, ein Drittel oder ein Viertel der gemessenen Signalamplituden angepasst. Das bedeutet z. B., wenn das mittlere bzw. gemessene R-Wellensignal 12 mV beträgt, erfolgt bei einer Sicherheitsmarge von 3:1 eine Empfindlichkeitseinstellung auf 4 mV. Eine weitere Möglichkeit ist die stufenweise Anpassung des Empfindlichkeitswertes z. B. erst auf die Hälfte des gemessenen Wertes und anschließend auf ein Viertel des gemessenen Signals. Wenn der Schrittmacher stimuliert, wird die Empfindlichkeit je nach Schrittmachermodell entweder sofort oder in diskreten Schritten auf eine sehr hohe Empfindlichkeit, d. h. niedrigen Wert, eingestellt (z. B. bei bipolarem Sensing im Ventrikel auf 1,5 mV). Grund für dieses Verhalten ist, dass neben dem Ausbleiben des Eigenrhythmus auch ein Undersensing für die Stimulation verantwortlich sein kann – deshalb hier max. Empfindlichkeit!

Andere Algorithmen messen neben dem Nutzsignal auch das Störsignal. Auf Basis dieser Messung wird die Empfindlichkeit automatisch angepasst, im Bereich zwischen Störsignal und Nutzsignal.

Je nach Geschwindigkeit der Empfindlichkeitsanpassung kann Over- oder Undersensing auftreten.

2.6 Automatische Anpassung der ventrikulären Impulsamplitude

Ist eine automatische Anpassung der Impulsamplitude im Ventrikel aktiviert, überprüft der Schrittmacher automatisch in regelmäßigen Abständen die Reizschwelle und passt die Impulsamplitude mit einer definierten Sicherheitsmarge an den gemessenen Schwellenwert an.

Hierfür stehen zwei Optionen zur Verfügung:
  • periodische Anpassung der Impulsamplitude ,

  • Beat-to-Beat-Anpassung der Impulsamplitude .

Beiden Verfahren gemeinsam ist, dass sie die Effektivität der Stimulation bzw. das evozierte Potenzial („evoked response “) in einem Beobachtungsfenster von ca. 60 ms nach der ventrikulären Stimulation überprüfen. Diese Kontrolle erfolgt entweder in definierten Zeitintervallen während eines Reizschwellentests (z. B. alle 4, 8, 12 oder 24 h etc.) oder kontinuierlich („beat to beat“). Sobald nach einem Stimulus kein evoziertes Potenzial innerhalb des Beobachtungsfensters wahrgenommen wird, stimuliert der Schrittmacher am Ende dieses Zeitfensters mit einem Sicherheitsstimulus mit hoher Impulsamplitude.

2.6.1 Periodische Anpassung der Amplitude

Andere Bezeichnungen: Capture Management ; Autothreshold ; ventrikuläre Amplitudensteuerung; Pace Safe RV .

Bei dieser Form der automatischen Reizschwellenermittlung startet ein Amplitudenreizschwellentest in regelmäßigen Abständen (z. B. alle 4, 8, 12 h etc.). Während des Reizschwellentests wird die Effektivität jedes einzelnen Stimulus anhand des evozierten Potenzials überprüft. Wenn der Schrittmacher nach einem Stimulus kein evoziertes Potenzial erkennt, ist die Reizschwelle erreicht. Der Schrittmacher gibt kurz angekoppelt an den ineffektiven Stimulus einen Sicherheitsimpuls ab. Anschließend erfolgt die Anpassung der Impulsamplitude mit einer entsprechenden Sicherheitsmarge auf einen deutlich höheren Wert (z. B. doppelter Reizschwellenwert). Dieses Verfahren dient vor allem der Patientensicherheit bei schwankenden Reizschwellen und weniger der Energieeinsparung.

2.6.2 Beat-to-Beat -Anpassung der Amplitude

Andere Bezeichnungen: Autocapture ; Automatic Threshold Monitoring (ATM ); Active Capture Control (ACC ); Automatic Capture; ventrikuläre Amplitudensteuerung

Dieses Verfahren überprüft kontinuierlich die Effektivität jedes einzelnen ventrikulären Stimulus. Dadurch ist es möglich, die Impulsamplitude mit einer geringen Sicherheitsmarge über dem gemessenen Reizschwellenwert zu programmieren (z. B. 0,5 V über der gemessenen Reizschwelle).

Liegt eine ineffektive Stimulation vor, erfolgt kurz angekoppelt ein Sicherheitsimpuls entweder mit hoher Amplitude oder verlängerter Impulsdauer. Je nach Schrittmachermodell startet nach dem ersten oder zweiten ineffektiven Stimulus ein automatischer Reizschwellentest, bei dem die neue Reizschwelle ermittelt wird. Die Impulsamplitude wird anschließend an die neue Reizschwelle angepasst. Bei permanenter effektiver Stimulation überprüft der Schrittmacher in regelmäßigen Abständen (z. B. alle 8 h), ob inzwischen eine niedrigere Reizschwelle vorliegt, um die Impulsamplitude entsprechend niedriger zu programmieren.

Vorteile der kontinuierlichen Messung („beat to beat“) sind die Patientensicherheit und eine Laufzeitverlängerung aufgrund des geringen Energieverbrauches bei niedrigen Impulsamplituden.

Diese Algorithmen zeichnen in der Regel den Verlauf der Reizschwelle kontinuierlich auf. Die gespeicherten Daten geben Auskunft darüber, ob bei dem Patienten stabile oder schwankende Reizschwellen vorliegen.

2.7 Automatische Anpassung der atrialen Impulsamplitude

Ist eine automatische Anpassung der Impulsamplitude im Vorhof aktiviert, überprüft der Schrittmacher selbstständig in regelmäßigen Abständen die Reizschwelle und passt die Impulsamplitude mit einer definierten Sicherheitsmarge an den gemessenen Schwellenwerten an.

Für den Reizschwellentest muss eine Testfrequenz oberhalb der aktuellen Sinusfrequenz programmiert werden.

Für die automatische Messung der atrialen Reizschwelle stehen drei Verfahren zur Verfügung:

2.7.1 Überprüfung der atrialen Reizschwelle mit Hilfe der intrinsischen AV-Überleitung

Andere Bezeichnungen: AV Conduction Mode (AVC); Pace Safe RA.

Bei intakter AV-Überleitung führt eine effektive Vorhofstimulation zu einer intrinsischen Kammerdepolarisation. Mit der Kammerdepolarisation kann der Algorithmus indirekt auf eine effektive Stimulation des Vorhofs schließen. Während des automatischen Reizschwellentests werden pro Reizschwellenstufe jeweils 2 Impulse abgegeben: zuerst der Testimpuls mit reduzierter Amplitude und kurz danach ein zweiter Impuls mit der programmierten Ausgangsamplitude. Ist der Testimpuls effektiv, detektiert der Schrittmacher eine ventrikuläre Wahrnehmung am Ende der erwarteten intrinsischen Überleitungszeit. Ist dieser Testimpuls ineffektiv, führt der zweite Impuls zur Depolarisation des Vorhofes und die übergeleitete Kammerdepolarisation wird später detektiert. Die verspätet detektierte ventrikuläre Depolarisation wird als Ineffektivität des Testimpulses erklärt (◘ Abb. 2.23).
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Abb. 2.23

Automatische atriale Amplitudenanpassung – Effektive Vorhofstimulation (CAP Capture) und intakte AV-Überleitung führen zum Auftreten eines VS. Jedem Testimpuls (z. B. 70 ms später) folgt ein Backup-Impuls im Vorhof (Backup AP) mit einer höheren Amplitude. Ein ineffektiver Testimpuls („loss of capture“, LOC) führt zu einer verlängerten AP-VS-Zeit (hier z. B. 70 ms später). Mit freundlicher Genehmigung der Medtronic GmbH, Meerbusch

2.7.2 Überprüfung der atrialen Reizschwelle mit Hilfe intrinsischer Vorhofsignale

Andere Bezeichnungen: Atrial Capture Management (ACM); Atrial Chamber Reset ( ACR); automatische Reizschwellenermittlung im Vorhof ; atriale Amplitudensteuerung (ATM); atrialer Kammerreset.

Eine effektive Stimulation im Vorhof mit einer Frequenz oberhalb der Sinusfrequenz führt zu einer Unterdrückung des Sinusrhythmus. Sobald mit der Reduktion der Stimulationsamplitude der Teststimulus ineffektiv wird, detektiert der Schrittmacher intrinsische Vorhofdepolarisationen. Dann ist für den Schrittmacher die Reizschwelle unterschritten.

Bei Sinusarrest und ineffektivem Testimpuls (Unterschreiten der Reizschwelle) erfolgt nach Ablauf des AV-Intervalls die ventrikuläre Stimulation. Wenn danach eine retrograde Vorhofdepolarisation auftritt, interpretiert der Algorithmus dies als Unterschreiten der Reizschwelle (◘ Abb. 2.24).
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Abb. 2.24

Automatische atriale Amplitudenanpassung – Prinzip des atrialen Kammerreset: Ein effektiver atrialer Stimulus unterdrückt den Sinusrhythmus, ein ineffektiver nicht, daher folgt ein atrial wahrgenommenes Ereignis nach ineffektiver atrialer Stimulation im Sinusrhythmus. Mit freundlicher Genehmigung der Medtronic GmbH, Meerbusch

2.7.3 Überprüfung der atrialen Reizschwelle mit Hilfe des evozierten Potenzials

Andere Bezeichnung: ACap Confirm .

Vor Aktivierung dieses Algorithmus wird ein Setup empfohlen bei der die Sensitivität des Evozierten Potenzials nach atrialer Stimulation im Vorhof überprüft wird. Liegt ein ausreichend hohes evoziertes Potenzial vor, kann die Aktivierung dieser Automatischen Amplitudenanpassung empfohlen werden.

Für die Reizschwellenbestimmung wird eine etwas höhere Testfrequenz verwendet als der intrinsische Rhythmus. Die Impulsamplitude wird während des Tests schrittweise gesenkt bis nach Abgabe eines atrialen Stimulationsimpulses kein evoziertes Potenzial mehr messbar ist. Dann ist die Reizschwelle unterschritten und es folgt kurz angekoppelt ein atrialer Backup Impuls mit höherer Impulsenergie.

2.8 Automatische Sondenüberwachung

Die automatische Sondenüberwachung misst kontinuierlich die Sondenimpedanz und wird zumeist bei den Diagnosefunktionen als Sondenimpedanztrend dargestellt. Dieser Impedanztrend gibt Aufschluss über die Funktionalität der Sonde. Stabile Impedanzwerte lassen eine korrekte Funktion der Sonde vermuten. Dagegen können sinkende Impedanzen Zeichen für einen Isolationsdefekt und stark steigende Impedanzen Zeichen für einen Leiterbruch sein.

Neben dieser Diagnosefunktion bieten manche Schrittmachermodelle zusätzlich eine Sicherheitsfunktion. Wenn z. B. bei programmierter bipolarer Sondenkonfiguration die Messwerte außerhalb der zulässigen Grenzwerte liegen (in der Regel <300 Ohm bzw. >1500 Ohm; Ausnahme: Hochimpedanzsonden), schaltet der Schrittmacher automatisch auf die unipolare Sondenkonfiguration um.

2.9 Störmodus

Andere Bezeichnungen: Rauschreaktion; Noiseschutz ; Interferenzschutz ; RV-Integritätszähler.

Elektromagnetische Interferenzen können den Schrittmacher inhibieren oder eine starrfrequente Stimulation im V00/A00/D00-Modus mit hoher Frequenz bewirken. Als Schutz vor diesem Fehlverhalten bieten viele Schrittmacher einen Störmodus an. Dabei dient der letzte Teil der atrialen/ventrikulären Refraktärperiode (ARP/VRP) oder ein kurzes Intervall im Anschluss an die ARP/VRP der Erkennung von Störsignalen. Ereignisse, die in dieses „Störerkennungsfenster“ einfallen (ca. 50–150 ms je nach Modell), starten erneut ein Störerkennungsfenster (◘ Abb. 2.25). Bei anhaltender Störung stimuliert der Schrittmacher starrfrequent mit der Interventionsfrequenz (Grundfrequenz oder berechnete Stimulationsfrequenz). Bei abhängigen Patienten verhindert der Modus die Asystolie, bei Patienten mit Eigenrhythmus können Parasystolie oder höhergradige ventrikuläre Rhythmusstörungen induziert werden.
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Abb. 2.25

Störmodus: Myosignale innerhalb des Störerkennungsfensters starten ein neues Störerkennungsfenster. Bei Persistenz der Störsignale stimuliert der Schrittmacher im starrfrequenten Modus

2.10 MRT-Untersuchungen bei Patienten mit Herzschrittmachern

Die Magnetresonanztherapie (MRT oder MRI, kurz MR) ist als unverzichtbares bildgebendes Verfahren mit hoher Auflösung und ausgezeichneter Bildqualität Standard. Für Schrittmacherträger mit konventionellen Herzschrittmachersystemen (nicht für MR-Untersuchungen zugelassen) galt dieses Untersuchungsverfahren lange als kontraindiziert aufgrund vieler möglicher Gefahren. Diese können z. B. sein (Fischer et al. 2012; ► http://​www.​fgs-mbh.​de/​downloads/​mrt.​pdf).
  • Magnetmodus,

  • Notfallmodus,

  • Auslösen von Kammerflimmern wegen asynchroner Stimulation,

  • Beschädigung des Reedschalters,

  • Erwärmung der Sondenspitze u. v. m.

Ein aktuelles Konsensuspapier (Sommer et al. 2017) erlaubt mittlerweile eine MRT-Untersuchung bei konventionellen SM-Systemen, wenn diese mit einen vertretbaren Risiko einhergeht und wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis zugunsten der MRT-Untersuchung ausfällt. Diese Einzelfallentscheidung sollte interdisziplinär zwischen Zuweiser, Kardiologen und Radiologen getroffen werden, weil es sich in diesen Fall um eine zulassungsüberschreitende Anwendung (Off-Label Use) handelt.

Eine Indikation kann nur dann vorliegen, wenn es keine adäquate bildgebende Alternative gibt und die Risiken mit der MRT-Untersuchung für den jeweiligen Einzelfall mit einen vertretbaren Risiko einhergehen.

2.10.1 MRT-Untersuchungen mit konventionellen nicht bedingt MR-sicheren Herzschrittmachern

Folgende Komplikationen können auftreten:
  • Beschädigung des SM-Systemes bis zum Totalausfall,

  • Elektrodenerwärmung, die eine ineffektive Stimulation zur Folge haben kann,

  • SM-Inhibierung mit Asystolie,

  • Auslösung von lebensbedrohlichen Tachykardien etc.

Vorbereitung für die MRT-Untersuchung und Umprogrammierung des Aggregates

Wenn eine MRT-Untersuchung bei konventionellen Schrittmacherträgern indiziert ist wurde, muss der Schrittmacher für die Dauer der Untersuchung in einen Modus umprogrammiert werden, der für den Patientenstatus am besten geeignet ist.

◘ Tab. 2.2 aus dem Konsensuspapier gibt detailliert Auskunft über die Programmierempfehlungen der konventionellen (nicht bedingt MR-sicheren) Herzschrittmachersysteme für eine MR-Untersuchung.
Tab. 2.2

Empfehlungen zu Umprogrammierung und Monitoring bei MR-Untersuchungen von Patienten mit konventionellen Schrittmachern. Aus: Sommer et al. (2017)

Patientenstatus

MRT-Modus

Umprogrammierung prä MRT

Monitoring während MRT

Reprogrammierung post MRT

Absolut SM-abhängig

D00, V00

Orts- und zeitversetzt möglich, aber selber Tag wie MRT

Kardiologe vor Ort präsent

Unmittelbar post MRT

Nicht SM-abhängig, stabile/permanente bradykarde HF

D00, V00

Orts- und zeitversetzt möglich, aber selber Tag wie MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Unmittelbar post MRT

Nicht SM-abhängig, keine stabile/permanente Bradykardie

Option A

0D0, 000

Unmittelbar prä MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Unmittelbar post MRT

Nicht SM-abhängig, keine stabile/permanente Bradykardie

Option B

VVI, DDI

Orts- und zeitversetzt möglich, innerhalb 48 h vor MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Unmittelbar post MRT

2.10.2 MRT-Untersuchungen mit bedingt MR-sicheren Herzschrittmachersystemen

Aktuell ist kein auf dem Markt befindliches Herzschrittmachersystem MR-sicher, aber es gibt mittlerweile bedingt MR-sichere Herzschrittmachersysteme. Bei diesen Systemen wurden Änderungen an den Aggregaten und Sonden vorgenommen, damit sie bedingt MR-tauglich sind.

Je nach Hersteller wurden bei den Sonden entweder die ferromagnetischen Anteile reduziert, ein spezieller Filter in die Sondenspitze eingebaut oder die Wickelung der Leiter geändert. Alle Maßnahmen dienen dem Ziel, eine mögliche unbeabsichtigte Stimulation zu verhindern oder die Erhitzung der Sondenspitze zu reduzieren, um damit mögliche Myokardödeme bzw. -nekrosen an der Sondenspitze zu verhindern.

Bei den Aggregaten wurden u. a. entweder abgeschirmte Schaltkreise verwendet, um eine Störbeeinflussung des Herzschrittmachers zu verhindern, und/oder ferromagnetischen Anteile reduziert, um Vibrationen oder Lageveränderungen durch das statische Magnetfeld zu verhindern. Des Weiteren wurde als Magnetfelddetektor der mechanische Reed-Schalter durch den elektronischen Hall-Sensor ersetzt.

Komplikationen mit bedingt MRT-sicheren Systemen während einer MR-Untersuchung

Auch mit bedingt MR-sicheren Schrittmachersystemen können bei Einhaltung der Herstellerbedingungen Komplikationen während einer MR-Untersuchung auftreten. Beispielsweise könnte bei nicht permanent SM-abhängigen Patienten, bei denen die Stimulation für die MR-Untersuchung ausgeschaltet wird, während der Untersuchung eine Bradykardie oder Pause auftreten oder in Einzelfällen trotz verbesserter Sondentechnologie sich die Elektrodenspitze erwärmen. Bei schrittmacherabhängigen Patienten, die in den asynchronen Modus umprogrammiert werden, könnte eine Stimulation in die vulnerable Phase auftreten, wenn der Eigenrhythmus über die programmierte Stimulationsfrequenz ansteigt.

Bedingungen für MRT-Untersuchungen bei bedingt MR-sicheren Herzschrittmachern

Die Bedingungen für bedingt MR-sichere Herzschrittmachersysteme können je nach Hersteller und Modell variieren. Der aktuelle Stand dieser herstellerabhängigen Bedingungen sollte dem Untersucher bekannt sein und von ihm beachtet werden.

Die heutigen bedingt MR-sicheren Systeme sind für geschlossene zylindrische Kernspintomographen mit einer Feldstärke von 1,5 T und/oder 3 T zugelassen. Untersuchungen mit MR-Geräten mit Feldstärken von <1,5 T sind aktuell für Schrittmacherpatienten nicht zugelassen. Die Herzschrittmacherfirmen aktualisieren und erweitern fortlaufend die Zulassung für neue Herzschrittmachersysteme und rückwärtskompatibel für bestehende Herzschrittmachersysteme.

Eine weitere Bedingung für eine MR-Untersuchung ist die spezifische Absorptionsrate (SAR). Diese liegt je nach Schrittmachermodell zwischen 2 und 4 W/kg Körpergewicht. Weitere Limitierungen sind bzw. können in Abhängigkeit vom SM Aggregat sein:
  • SlewRate der Gradientenfelder (in der Regel ≤200 T/m/s),

  • maximale Untersuchungsdauer,

  • eine Scan-Ausschlusszone (Thorax),

  • Patientenpositionierung im MR-Gerät und

  • Körpergröße.

2.10.3 Vorbereitung für die MRT-Untersuchung und Umprogrammierung in den MRT-Modus

Wenn eine MRT-Untersuchung bei einem Patienten mit bedingt MR-sicherem Schrittmachersystem ansteht, muss der Schrittmacher für die Dauer der Untersuchung in einen MR-sicheren Modus umprogrammiert werden.

Für schrittmacherabhängige Patienten ist ein asynchroner Modus (V00, A00, D00) mit erhöhter Stimulationsfrequenz empfehlenswert (z. B 80 ipm), und für Patienten mit Eigenrhythmus ist das Ausschalten der Schrittmacherstimulation die beste Wahl, falls möglich.

◘ Tab. 2.3 aus dem Konsensuspapier (Sommer et al. 2017) gibt detailliert Auskunft über die Programmierempfehlungen der bedingt MR-sicheren Herzschrittmachersysteme für eine MR Untersuchung.
Tab. 2.3

Empfehlungen zu Umprogrammierung und Monitoring bei MR-Untersuchungen von Patienten mit bedingt MR-sicheren („MR conditional“) Schrittmachern. Aus: Sommer et al. (2017)

Patientenstatus

MRT-Modus

Umprogrammierung prä MRT

Monitoring während MRT

Reprogrammierung post MRT

Absolut SM-abhängig

D00, V00

Orts- und zeitversetzt möglich, aber selber Tag wie MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Orts- und zeitversetzt möglich, aber selber Tag wie MRT

Nicht SM-abhängig, permanente Bradykardie

D00, V00

Orts- und zeitversetzt möglich, aber selber Tag wie MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Orts- und zeitversetzt möglich, aber selber Tag wie MRT

Nicht SM-abhängig, keine permanente Bradykardie

Option Aa

0D0, 000a

Unmittelbar vor MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Unmittelbar post MRT

Nicht SM-abhängig, keine permanente Bradykardie

Option Bb

VVIb

Orts- und zeitversetzt möglich, innerhalb 48 h vor MRT

Qualifiziertes ärztliches Personal vor Ort; Kardiologe im Stand-by notfallmäßig verfügbar

Orts- und zeitversetzt möglich, innerhalb 48 h nach der MRT

aDer 0D0- oder 000-Modus wird wegen der Minimierung der möglichen Interferenzen mit den MR-Feldern von den Herstellern bedingt MR-sicherer SM empfohlen und ist im MR-Schutzmodus hinterlegt. Der Patient ist während der MR-Untersuchung im 0D0/000-Modus aber nicht gegen spontane symptomatische Bradykardien geschützt. Folglich ist hier eine entsprechende kardiologische Notfallversorgung, insbesondere die Möglichkeit einer zeit- und ortsnahen Reprogrammierung des SM, grundsätzlich zu gewährleisten

bDer VVI-Modus ermöglicht die orts- und zeitversetzte Um- und Reprogrammierung, beinhaltet aber ein prinzipiell erhöhtes Risiko für Interferenzen mit den MR-Feldern (z. B. asynchrone Stimulationen bei Aktivierung des Magnetschalters), ist deshalb nicht Bestandteil des hinterlegten MR-Schutzmodus und somit eine zulassungsüberschreitende Anwendung („off-label use“)

Manuelle Programmierung in den MRT Modus

Abhängig vom Schrittmachermodell muss eine manuelle Umprogrammierung in den MRT-Modus erfolgen. Bei dieser manuellen Umprogrammierung in den MRT-Modus ist es empfehlenswert, die Einstellung in den MR-Modus und die Zurückschaltung in den synchronen Ausgangsmodus zeitnah am besten vor Ort durchzuführen. Idealerweise ist ein Internist/Kardiologe mit dem Programmiergerät im MR-Zentrum vor Ort und kann die Programmierungen durchführen. Problematisch kann es werden, wenn der Patient auf dem Weg vom Kardiologen zum Radiologen unbeaufsichtigt im MR-Modus eingestellt ist. Für dieses Zeitfenster, wenn der Schrittmacher im asynchronen Modus läuft, besteht die Gefahr der Stimulation in die vulnerable Phase und damit das Auslösen von Kammerflimmern.

Automatische MRT-Modus-Programmierung: Firmenbezeichnungen: AutoDetect, Auto MRT, Automatische MRT-Timerfunktion

Eine einfachere Methode ist die Programmierung einer Automatik, falls verfügbar. In diesem Fall wird ein patientenindividueller, vorgewählte MRT-Modus erst in der Umgebung des Kernspintomographfen automatisch aktiviert und bei Verlassen dieses Magnetfeldes automatisch zurückprogrammiert in den vorherigen Ausgangsmodus.

MRI-Aktivator

Eine weitere Lösung neben der Automatik bietet eine Firma mit einem „MRI-Aktivator“. Der Radiologe/Kardiologe kann mit diesem Aktivator den Schrittmacherpatienten unmittelbar vor MR-Untersuchungsbeginn mit einem Knopfdruck in dem vom Kardiologen voreingestellten MR-Modus programmieren. Bei Untersuchungsende kann per Knopfdruck der Modus entsprechend wieder zurückprogrammiert werden.

2.10.4 Überwachung und Beendigung der MRT-Untersuchung

Während der MRT-Untersuchung ist die Überwachung des Patienten mit Pulsoxymetrie und (MRT-tauglichem) EKG erforderlich. Ein funktionsbereiter Defibrillator sollte notfallmäßig vorgehalten werden.

Nach Beendigung der MRT-Untersuchung sollte der Schrittmacher – wenn keine automatische Umschaltung erfolgt – umgehend wieder in den Ausgangsmodus umprogrammiert werden.

Nach MRT-Untersuchungen, egal mit welchen Schrittmachersystem, sollte zeitnah eine Nachsorge (Konsensuspapier oben; Sommer et al. 2017) erfolgen, um die programmierten Parameter bei möglichen Reizschwellenanstiegen oder Sensingschwellenänderungen etc. anzupassen.

Bedingt MRT-sichere SM-Systeme werden von vielen Firmen mittlerweile angeboten und für ältere Systeme nachträglich rückwärtskompatibel zertifiziert.

Eine genaue Information, ob Schrittmachersysteme bedingt MR-sicher sind, bieten Handbücher, Webseiten und Hotlines der Herstellerfirmen. Die folgende Tabelle zeigt einen Überblick über die Webseiten zu den wichtigsten Herzschrittmacherfirmen, bei denen die aktuellen MR-Bedingungen abfragbar sind (◘ Tab. 2.4).