© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2019
Diana Morschhäuser, Wilhelm Fischer und Michael JakobPraxis der Herzschrittmacher-Nachsorgehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57828-5_1

1. Grundlagen

Diana Morschhäuser1 , Wilhelm Fischer2 und Michael Jakob3
(1)
München, Key Account Manager München, München, Deutschland
(2)
Klinik Schongau, Schongau, Deutschland
(3)
Ärztekammer des Saarlandes, Ethikkommission Ärztekammer des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
 
1.1 Schrittmacheraufbau
1.1.1 Einkammerschrittmacher
1.1.2 Zweikammerschrittmacher
1.1.3 Biventrikulärer Schrittmacher
1.1.4 Sondenloser Herzschrittmacher (Leadless Pacemaker)
1.2 Schrittmachersonden
1.3 Konfiguration unipolar/bipolar
1.3.1 Unipolare Konfiguration
1.3.2 Bipolare Konfiguration (◘ Abb. )
1.4 Parameter Stimulation /Wahrnehmung
1.4.1 Stimulation
1.4.2 Wahrnehmung (Sensing/Detektion)
1.5 Internationale Kodierung von Schrittmachern und Sonden
1.6 Schrittmacher-EKG
1.6.1 Schrittmacherstimulus
1.6.2 Pseudofusionen – Fusionen – Pseudopseudofusionen
1.6.3 Lagetyp
1.7 Zeitintervalle  – Frequenzen – Refraktärzeiten
1.7.1 Stimulationsintervall
1.7.2 Auslöseintervall
1.7.3 Grundintervall /Grundfrequenz
1.7.4 AV-Intervall
1.7.5 Frequenzhysterese
1.7.6 Maximale Sensorfrequenz
1.7.7 Maximalfrequenz/obere Grenzfrequenz
1.7.8 Ausblendzeit (Blanking )
1.7.9 Refraktärperioden
1.7.10 Übersicht der Zeitintervalle und Refraktärzeiten in VVI-, AAI- und DDD-Herzschrittmachern
1.8 Stimulationsbetriebsarten
1.8.1 Ventrikuläre Schrittmachersysteme
1.8.2 Atriale Schrittmachersysteme
1.8.3 Zweikammersystem mit Single Lead
1.8.4 Zweikammerschrittmacher
1.9 VVIR: chronotrope Inkompetenz bei Bradyarrhythmia absoluta  – Limitierung der ventrikulären Maximalfrequenz bei totalem AV-Block
1.9.1 Limitierung durch Maximalfrequenz – Wenckebach-Verhalten
1.9.2 Limitierung durch TARP – 2:1-(n:1)-Blockverhalten
Literatur

1.1 Schrittmacheraufbau

Der Schrittmacher ist ein elektronischer Impulsgeber, der den Herzmuskel bei zu langsamem Herzschlag stimuliert und depolarisiert. Herzschrittmacher beobachten die Herzfrequenz und geben bei Bedarf Stimulationsimpulse ab. Mittels Programmierung können die Schrittmacherfunktionen an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst werden.

Das Gehäuse des Schrittmachers besteht aus biokompatiblen Titan. Innerhalb des Schrittmachergehäuses befinden sich eine Batterie und ein Microcomputer. Der Microcomputer kontrolliert die gesamte Funktion des Herzschrittmachers. Er erzeugt elektrische Impulse und gibt diese zeitlich gesteuert an das Herz ab (◘ Abb. 1.1).
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Abb. 1.1

Schrittmachergehäuse und Innenleben

Für die Energieversorgung haben sich überwiegend die langlebigen Lithium-Jod-Batterien, wie auch in neuerer Zeit die Niedrigimpedanzbatterien (z. B. Hybrid-Carbonfluorid [CFx]-Lithium-Silber-Vanadiumoxid-Batterien oder Lithium-Mangandioxid-Batterien) durchgesetzt. Die Batterielaufzeit kann jedoch beträchtlich variieren. Je nach programmierter Energieabgabe (Output), internem Stromverbrauch und Batteriekapazität beträgt sie zwischen 5 und 15 Jahre. Sonden stellen die Verbindung zwischen Herzschrittmacher und Herz dar und werden in der Regel bei der Implantation über die Venen zum Herzen vorgeschoben und dort positioniert. Das distale Ende der Sonde liegt je nach Schrittmachertyp im rechten Vorhof und/oder im Ventrikel. Für die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) ist zusätzlich noch eine Sonde für den linken Ventrikel erforderlich. Die proximalen Enden der Sonden, die Sondenstecker, werden mit dem Schrittmacherkonnektor des Herzschrittmachers verbunden.

Um einen problemlosen Austausch der Herzschrittmacher bei Batterieerschöpfung zu ermöglichen, wurde der Schrittmacherkonnektor Anfang der 1990er-Jahre genormt (IS-1-Anschluss – 3,2 mm Durchmesser). Allerdings gibt es immer noch vereinzelt langlebige alte Sonden und Schrittmachermodelle mit 5- oder 6-mm-Konnektoranschlüssen. Hier ist bei einem Schrittmacheraustausch die Adaptation der Sonde auf den IS-1-Anschluss erforderlich (◘ Abb. 1.2).
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Abb. 1.2

Entwicklung der Schrittmachergehäuse: von den Anfängen der Schrittmachertherapie bis 2010. Dieses Bild ist eine Fotomontage und zeigt nur ungefähre Größenverhältnisse. (Fotomontage wurde erstellt aus Schrittmachern der Firmen Biotronik, Boston, Intermedics, Medtronic, Sorin, St. Jude)

1.1.1 Einkammerschrittmacher

Vorhofschrittmacher (◘ Abb. 1.3)

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Abb. 1.3

Vorhofschrittmacher verfügt über eine Sonde im rechten Vorhof. Aus: Fischer und Ritter (2002)

Ventrikelschrittmacher (◘ Abb. 1.4)

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Abb. 1.4

Ventrikelschrittmacher verfügt über eine Sonde im rechten Ventrikel. Aus: Fischer und Ritter (2002)

1.1.2 Zweikammerschrittmacher

Zweikammerschrittmacher (DDD/DDI) (◘ Abb. 1.5)

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Abb. 1.5

DDD/DDI-Schrittmacher verfügt über jeweils eine Sonde im rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Aus: Fischer und Ritter (2002)

VDD-Single-Lead-Schrittmacher (◘ Abb. 1.6)

Der VDD-Schrittmacher stellt eine Sonderform des Zweikammerschrittmachers dar. Ein spezielles Single-Lead-System, das im rechten Ventrikel befestigt wird, verfügt auf Höhe des rechten Vorhofes über zwei Elektrodenringe. Über diese (flottierenden) Elektrodenringe können atriale Signale wahrgenommen werden. Im Ventrikel kann das System unipolar oder bipolar konfiguriert sein.
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Abb. 1.6

Schematische Darstellung eines VDD-Schrittmachers

1.1.3 Biventrikulärer Schrittmacher

Der biventrikuläre Schrittmacher verfügt neben einer rechtsventrikulären Sonde noch zusätzlich über eine linksventrikuläre Sonde (mit oder ohne Vorhofsonde). Diese Schrittmacher finden Anwendung in der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT). Ziel hierbei ist es, die Kontraktion der rechten und linken Herzkammer zu synchronisieren und damit die Hämodynamik zu verbessern (◘ Abb. 1.7). Auf die kardiale Resynchronisationstherapie wird in diesem Buch nicht näher eingegangen.
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Abb. 1.7

Schematische Darstellung eines biventrikulären Schrittmachers

1.1.4 Sondenloser Herzschrittmacher (Leadless Pacemaker)

Der sondenlosen Herzschrittmacher wurden im Jahr 2013 eingeführt. Es handelt sich hierbei um eine kleine zylinderförmige Kapsel mit integriertem Mikroprozessor, Batterie, Elektroden und Befestigungsmechanismus. Der sondenlose Herzschrittmacher wird über die Vena Femoralis mit Hilfe eines Katheters in den rechten Ventrikel vorgeschoben und dort fixiert. Für die Befestigung im rechten Ventrikel stehen aktuell zwei Verfahren zur Verfügung. Ein Modell kann über eine feststehende Schraube am distalen Ende des sondenlosen Herzschrittmachers eingeschraubt werden. Eine zweite Möglichkeit für die Befestigung bietet ein Modell mit kleinen Fixierungsankern.

Zurzeit können die Leadless Pacemaker nur im rechten Ventrikel als ventrikulärer Einkammerschrittmacher eingesetzt werden (◘ Abb. 1.8 und 1.9).
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Abb. 1.8

Sondenloser Herzschrittmacher Micra. Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Medtronic GmbH

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Abb. 1.9

Sondenloser Herzschrittmacher Nanostim. Mit freundlicher Genehmigung der Fa. Abbott GmbH & Co. KG

Es stehen damit zwei Arten von ventrikulären Einkammerschrittmachern zur Verfügung:
  • der transvenöse Herzschrittmacher mit einer Ventrikelsonde und

  • der sondenlose Herzschrittmacher mit integrierten Elektroden.

Beide Systeme haben Vor- und Nachteile. Der sondenlose Herzschrittmacher ist z. B. eine gute Alternative, wenn der venöse Zugangsweg für transvenöse Sonden nicht möglich ist.

Eine wichtige Weiterentwicklung wären sondenlose Herzschrittmacher als Zwei- und Dreikammerschrittmacher.

Inwieweit sich die Leadless Pacemaker als Standardherzschrittmacher weiterentwickeln und die transvenösen Herzschrittmacher ersetzen, bleibt abzuwarten.

1.2 Schrittmachersonden

Um eine Verwechslung mit Elektroden aus der Elektrochemie zu vermeiden (positive Elektrode Anode, negative Elektrode Kathode) wird im weiteren Text statt von Schrittmacherelektroden nur von Schrittmachersonden bzw. Sonden gesprochen.

Die Anforderungen an heutige Schrittmachersonden/Schrittmacherelektroden sind hohe Langzeitstabilität, gutes Handling und gute elektrische Eigenschaften. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, unterscheiden sich die Sonden bzgl. Isolationsmaterial, Befestigungsmechanismus, Polarität und Steroidfreisetzung.

Beim Isolationsmaterial werden im Wesentlichen nur zwei Materialien verwendet – Silikon und Polyurethane. Silikonisolierungen zeigen eine hohe Langzeitstabilität und Flexibilität. Sonden mit Polyurethanisolierungen sind beliebt aufgrund ihrer besseren Gleitfähigkeit und des geringeren Sondendurchmessers im Vergleich zu Silikonsonden. Nachteilig gegenüber Silikon zeigte sich hingegen in der Vergangenheit die hohe Isolationsbruchgefahr von bipolaren Polyurethansonden zwischen Innen- und Außenleiter. Heute werden andere Polyurethane verwendet, die bessere Langzeitergebnisse erwarten lassen. Um die Vorteile beider Materialien zu vereinen, stehen mittlerweise Silikonsonden mit einem Polyurethancoating zur Verfügung oder es werden für die Isolation auch Materialkombinationen aus Silikon und Polyurethan verwendet.

Für die Befestigung der Sonde im Myokard kommt entweder die passive Methode mittels Anker oder die aktive Methode mittels feststehender oder herausdrehbarer Schraube zur Anwendung. Beide Verfahren bieten Vor- und Nachteile. Die passive Fixierung zeichnet sich durch ein geringeres Verletzungspotenzial gegenüber der aktiven Fixierung aus. Allerdings benötigt die Ankersonde myokardiale Trabekel und ist demzufolge bzgl. des Befestigungsortes limitiert. Mit Schraubsonden eröffnet sich die freie Auswahl des Stimulationsortes (◘ Abb. 1.10 und 1.11).
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Abb. 1.10

Distales Ende einer Ankersonde. Mit freundlicher Genehmigung der Sorin Group Deutschland GmbH

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Abb. 1.11

Distales Ende einer Schraubsonde. Mit freundlicher Genehmigung der Biotronik SE & Co. KG

Bezüglich der Polarität werden uni- und bipolare Sonden unterschieden. Unipolare Sonden verfügen nur über einen Zuleitungsdraht in der Sonde, während bipolare Sonden über zwei Zuleitungsdrähte verfügen. Da die Vorteile der bipolaren Sonden überwiegen (► Abschn. 1.3; ► Kap. 9), werden bei Neuimplantationen in der Regel bipolare Sonden implantiert.

Um den postoperativen Reizschwellenanstieg und die chronische Reizschwelle zu verringern, gibt es steroidfreisetzende Sonden . Diese Sonden verfügen über ein Steroiddepot am distalen Ende, das eine zeitlich begrenzte Freisetzung von entzündungshemmendem Steroid ermöglicht.

Für die Konzeption bedingt MRI-fähiger Sonden haben die Hersteller unterschiedliche Ansätze verfolgt. Es wurden entweder die ferromagnetischen Anteile reduziert, ein spezieller Filter in die Sondenspitze eingebaut oder die Wickelung der Leiter geändert (► Abschn. 2.​10).

1.3 Konfiguration unipolar/bipolar

1.3.1 Unipolare Konfiguration

Unipolare Stimulation

Bei der unipolaren Stimulation fließt der Strom durch den Zuleitungsdraht der Sonde zum Myokard und fließt über das Gewebe zurück zum Schrittmachergehäuse. Das elektrische Feld erstreckt sich sowohl intrakardial als auch extrakardial bis zum Schrittmachergehäuse, sodass die Gefahr der Pektoralisstimulation gegeben ist. Vorteilhaft ist die gute Erkennung des unipolaren Stimulus im EKG (◘ Abb. 1.12).
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Abb. 1.12

Bei der unipolaren Konfiguration arbeitet die Sondenspitze als negative Elektrode (Kathode –) und das Schrittmachergehäuse als positive Elektrode (Anode +). Aus: Fischer und Ritter (2002)

Unipolare Wahrnehmung

Für die Wahrnehmung von Signalen wird die Potenzialdifferenz zwischen Kathode und Anode gemessen. Da die unipolare Wahrnehmung sich über eine große extrakardiale Fläche erstreckt, ist sie demzufolge störanfällig für Myosignale und externe Signale. So können z. B. die Myosignale der Pektoralismuskulatur fälschlicherweise als herzeigene Signale erkannt werden und eine Impulsabgabe inhibieren. Genau das Gleiche gilt für externe elektrische, elektromagnetische oder magnetische Störquellen. Die unipolare Wahrnehmung ist bzgl. Störanfälligkeit der bipolaren Wahrnehmung erheblich unterlegen.

1.3.2 Bipolare Konfiguration (◘ Abb. 1.13)

Bipolare Stimulation

Der Strom fließt durch den Zuleitungsdraht der Sonde zum distalen Ende der Elektrode (Kathode). Beim Herzschrittmacher geht man üblicherweise von einer kathodalen Stimulation aus. Von dort fließt der Strom über das Myokard zur proximalen Elektrode (Anode) und weiter über den zweiten Zuleitungsdraht der Sonde zum Schrittmachergehäuse zurück. Das elektrische Feld erstreckt sich im Wesentlichen nur über den intrakardialen Bereich. Aus diesem Grunde wird das Risiko der Skelettmuskelstimulation verringert.
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Abb. 1.13

Bei der bipolaren Konfiguration arbeitet die Sondenspitze als negative Elektrode (Kathode –) und der proximale Sondenring als positive Elektrode (Anode +). Der Abstand von distaler zu proximaler Elektrode sollte ≤20 mm betragen. Aus: Fischer und Ritter (2002)

Im Oberflächen-EKG, Langzeit-EKG und auf den meisten EKG-Monitoren ist der bipolare Stimulus oft schlecht zu erkennen (◘ Abb. 1.14).
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Abb. 1.14

a,b a: Bei der unipolaren Stimulationsweise sind die Schrittmacherstimuli im Oberflächen-EKG in der Regel gut zu sehen. b: Bei der bipolaren Stimulation lassen sich die Schrittmacherstimuli trotz ausgeschalteter EKG-Filter (Netz- und Muskelfilter) manchmal kaum erkennen. (A = atrialer Schrittmacherstimulus; V = ventrikulärer Schrittmacherstimulus). Aus: Fischer und Ritter (2002)

Bipolare Wahrnehmung

Bei der bipolaren Wahrnehmung wird die Potenzialdifferenz zwischen Kathode und Anode gemessen. Durch den geringen Elektrodenabstand und die intrakardiale Lage von Kathode und Anode ist das Risiko der Wahrnehmung von externen – nicht herzeigenen – Signalen vernachlässigbar.

1.4 Parameter Stimulation /Wahrnehmung

1.4.1 Stimulation

Energie

Die Energie , die für die Abgabe eines Stimulationsimpulses benötigt wird, wird von folgenden drei Parametern beeinflusst:
  • programmierte Impulsamplitude,

  • programmierte Impulsdauer,

  • Impedanz des gesamten Systems (Schrittmachersystem und Gewebe).

Sie berechnet sich nach der Formel:

Energieabgabe [μJ]=Impulsamplitude2 [V] × Impulsdauer [ms]/Impedanz [kOhm]

$$ E={U}^2\times t/R $$

Wie aus der Formel ersichtlich, geht die Impulsamplitude bzw. Spannungsamplitude im Quadrat in die Berechnung des Energiebedarfs ein. Die programmierte Impulsamplitude liegt im Voltbereich und beträgt in der Regel zwischen 1,5–3,5 Volt. Die Impulsdauer gibt die Breite des Stimulationsimpulses in Millisekunden (ms) an. Sie geht linear in die Berechnung des Energiebedarfs ein. Der Wert der programmierten Impulsdauer liegt in der Regel zwischen 0,2–0,6 ms.

Aufgrund der Formel wird deutlich, dass z. B. bei Erhöhung der Impulsdauer auf das Doppelte des Ausgangswerts die Energieabgabe auch auf das Doppelte ansteigt, während bei Veränderung der Spannungsamplitude auf das Doppelte die Energieabgabe auf das 4fache steigt. Dieser Zusammenhang ist wichtig im Hinblick auf eine energiesparende Einstellung des Schrittmachersystems.

Als dritte Größe geht die Impedanz (R), der Widerstand des gesamten Systems in die Energieberechnung ein. Diese Gesamtimpedanz umfasst die Impedanz des Schrittmachersystems sowie des Gewebes und beträgt bei intakten Sonden ca. 300–1500 Ohm („Hochimpedanzsonden“ können Impedanzwerte >1000 Ohm aufweisen). Die Impedanz wird beeinflusst durch Leitermaterial der Sonde, aktive Elektrodenoberfläche, Übergangswiderstand von Elektrode zu Gewebe und Gewebewiderstand. Sie kann auch ungünstig beeinflusst werden durch technische Defekte des Schrittmachersystems (z. B. Sondenbrüche oder Isolationsdefekte) und andere Störungen (z. B. Myokardnekrosen, Elektrolytentgleisungen, Stoffwechselentgleisungen, Medikamente).

Reizschwelle

Die Reizschwelle gibt die minimale Energie an, die noch eine Depolarisation des Myokards auslösen kann. Die Bestimmung der Reizschwelle ist wichtig, um eine energiesparende Einstellung zu ermöglichen und evtl. Komplikationen, die mit einer Erhöhung der Reizschwelle einhergehen, rechtzeitig zu erkennen. Für die Bestimmung der Spannungsreizschwelle wird bei einer gewählten Impulsdauer die minimale Impulsamplitude (Spannungsamplitude in V) festgestellt, die noch eine Herzaktion auslösen kann.

In ◘ Abb. 1.15 ist die Reizzeit-Spannungskurve dargestellt. Sie zeigt die Beziehung zwischen Impulsamplitude und Impulsdauer . Bei Amplituden- und Impulswerten, die oberhalb der Kurve programmiert werden (die Reizschwelle ist dabei überschritten), wird eine Depolarisation ausgelöst. Werden Werte unterhalb dieser Kurve programmiert, so ist die Stimulation ineffektiv. Es wird ersichtlich, dass mit Erhöhung der Impulsdauer die Spannungsamplitude reduziert werden kann, um noch eine Reizantwort auszulösen, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Bei Erhöhung der Impulsdauer über 1,2–2 ms hinaus, lässt sich die Stimulationsamplitude nicht mehr weiter reduzieren, ohne dass die Reizschwelle unterschritten würde. Wir haben die Rheobase erreicht. Sie ist die kleinste Impulsamplitude, die (auch bei max. Impulsdauer) gerade noch eine Reizantwort auslöst.
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Abb. 1.15

Reizzeit-Spannungskurve. Die Rheobase ist die niedrigste Impulsamplitude , mit der gerade noch eine Depolarisation ausgelöst werden kann. Die Chronaxie entspricht der Reizschwellen-Impulsdauer bei doppeltem Rheobasewert

Die Chronaxie entspricht der Reizschwellen-Impulsdauer bei doppeltem Rheobasewert. Vom energetischen Gesichtspunkt aus betrachtet sollte die Impulsdauer nahe der Chronaxie eingestellt werden. Der Energieverbrauch ist, wie aus ◘ Abb. 1.16 hervorgeht, im Bereich der Chronaxie (Impulsdauer ca. 0,3–0,4 ms) am niedrigsten. Aus diesem Grund ist die werksseitige Einstellung (Nominalwert) der Impulsdauer bei Auslieferung des Aggregats nahe dem Chronaxiewert vorprogrammiert.
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Abb. 1.16

Energiekurve . Der Energieverbrauch nahe der Chronaxie ist am niedrigsten

1.4.2 Wahrnehmung (Sensing/Detektion)

Mittels der Sonden im Herzen werden die herzeigenen Signale wahrgenommen. Während die Stimulation im Voltbereich (V) liegt, weisen die wahrgenommenen Signale nur Amplituden im Millivoltbereich auf (mV). Die Signalamplituden der intrakardialen Vorhofsignale zeigen in der Regel Werte von ca. 2–5 mV. Die Signalamplitude n im Ventrikel liegen in der Regel zwischen 10–20 mV.

Signalverarbeitung durch den Schrittmacher

In den Schrittmachern sind Eingangsfilter eingebaut. Diese filtern die intrakardialen P- und R-Wellen anhand von 3 Eigenschaften:
  • Frequenzspektrum,

  • Anstiegssteilheit (mV/ms) „slew rate“,

  • Signalamplitude (mV).

Frequenzspektrum

Schrittmacher verwenden Bandpassfilter, die abhängig von Modell und Hersteller ihre größte Eingangsverstärkung etwa zwischen 18 und 150 Hz haben (Bereich von P- und R-Wellen). Der Schrittmacher ist demnach in diesem Bereich maximal empfindlich. Das heißt, Signale, die >150 Hz oder <18 Hz liegen, müssen eine wesentlich höhere Signalamplitude aufweisen, um vom Schrittmacherfilter durchgelassen zu werden.

Die Grafik in ◘ Abb. 1.17 zeigt vereinfacht einen Bandpassfilter, wie er für die Signaldifferenzierung in Herzschrittmachern integriert ist. Signale mit ausreichender Amplitude, innerhalb des Bandpasses zwischen ca. 18–150 Hz, werden wahrgenommen, während Signale außerhalb dieser Frequenzen nur mit entsprechend höheren Amplituden den Bandpassfilter passieren können. P-Wellen, R-Wellen sowie VES liegen meistens innerhalb der Grenzen, aber auch unser Stromnetz mit 50 Hz als mögliche Störquelle. Störsignale wie Muskelsignale, T-Wellen oder Far-Field-Signale von R-Wellen im Vorhof, bzw. externe Störfelder liegen größtenteils außerhalb der Eingangsverstärkergrenzen. Sie können aber in den Bandpassfrequenzbereich hineinragen und damit Oversensing verursachen.
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Abb. 1.17

Bandpassfilter von Herzschrittmachern

Es gibt bisher noch keinen Schrittmacher, der morphologisch sicher zwischen Nutz- und Störsignal unterscheidet. Für die heute verwendeten Bandpassfilter gilt, dass jedes Signal, das den Eingangsfilter überschwellig passiert, wie ein Herzsignal gewertet wird. Zudem dämpft der Bandpassfilter das Nutzsignal wesentlich stärker als das Störsignal.

Anstiegssteilheit („slew rate“)

Die Anstiegssteilheit („slew rate“) entspricht der Spannungsänderung pro Zeiteinheit (dV/dt) und wird in Volt pro Sekunde angegeben (V/s). Die Anstiegssteilheit kann intraoperativ gemessen werden und sollte für R-Wellen und P-Wellen mind. 0,5 V/s betragen. T-Wellen weisen eine geringe Anstiegssteilheit auf und werden deshalb in der Regel vom Schrittmacher herausgefiltert (◘ Abb. 1.18 und 1.19).
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Abb. 1.18

Slew-rate -QRS

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Abb. 1.19

Slew-rate-T-Welle

Signalamplitude

Wenn das Signal den Eingangsfilter passiert, muss es noch eine bestimmte Signalamplitude (Spannungsamplitude des herzeigenen Signals) erreichen. Wenn der programmierte Wert für die Signalamplitude z. B. 4 mV beträgt, können nur Signale detektiert werden, die >4 mV sind. Signale, die <4 mV sind, fallen unter die Wahrnehmungsschwelle und werden demzufolge nicht berücksichtigt. Je niedriger die Wahrnehmungsschwelle programmiert wird, umso mehr Signale können detektiert werden und umso empfindlicher ist die Programmierung. Wenn die Wahrnehmungsschwelle sehr hoch programmiert ist, ist die Signalerkennung des Schrittmachers unempfindlicher (◘ Abb. 1.20).
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Abb. 1.20

R-Welle wird im Ventrikel korrekt wahrgenommen, weil das Signal über der ventrikulären Wahrnehmungsschwelle liegt (hier 4 mV), das Signal der T-Welle liegt unter dieser Wahrnehmungsschwelle und wird nicht detektiert

Undersensing /Entranceblock

Wenn die herzeigenen (P-/R-Wellen) Signale unter der programmierten Wahrnehmungsschwelle liegen, spricht man von einem Undersensing. Der Schrittmacher ist zu unempfindlich eingestellt (◘ Abb. 1.21).
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Abb. 1.21

Ventrikuläres Undersensing: R-Wellensignal liegt unter der Wahrnehmungsschwelle des Ventrikels (hier 10 mV). Die ventrikuläre Wahrnehmung ist zu unempfindlich eingestellt

Oversensing

Wenn der Schrittmacher eine zu niedrige Wahrnehmungsschwelle aufweist, werden zwar die herzeigenen Signale (P-/R-Wellen) gut erkannt, aber auch zusätzlich unerwünschte Signale wie z. B. T-Wellen, Myosignale der Brustmuskulatur oder Signale von externen Störquellen. In diesem Fall spricht man von einem Oversensing (◘ Abb. 1.22).
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Abb. 1.22

Ventrikuläres Oversensing: R-Wellensignal liegt über der Wahrnehmungsschwelle (hier 1 mV), allerdings unerwünschterweise auch T-Welle und Störsignale . Die ventrikuläre Wahrnehmung ist zu empfindlich eingestellt

1.5 Internationale Kodierung von Schrittmachern und Sonden

NASPE/BPEG-Schrittmachercode

Für die eindeutige Klassifizierung der verschiedenen Schrittmachersysteme dient der seit 1988 geltende und 2002 revidierte NBG-Code (NASPE/BPEG Generic Pacemaker Code; NASPE: North American Society of Pacing and Electrophysiology; BPEG: British Pacing and Electrophysiology Group). Hierbei handelt es sich um einen 5-Buchstaben-Code. In der Regel werden aber nur die ersten 3–4 Buchstaben verwendet (◘ Tab. 1.1 und 1.2).
Tab. 1.1

Revidierter NBG-Code (NASPE/BPEG Generic Pacemaker Code; NASPE: North American Society of Pacing and Electrophysiology; BPEG: British Pacing and Electrophysiology Group) für die antibradykarde, frequenzadaptive und multifokale Stimulation. Aus: Bernstein et al. (2002)

I

Ort der Stimulation

II

Ort der Wahrnehmung

III

Betriebsart

IV

Frequenzadaptation

V

Multifokale Stimulation

0 = Keine

0 = Keine

0 = Keine

0 = Keine

0 = Keine

A = Atrium

A = Atrium

T = Getriggert/tracking

R = Frequenzadaptation („rate response“)

A = Atrium

V = Ventrikel

V = Ventrikel

I = Inhibiert

V = Ventrikel

D = Dual A+V

D = Dual A+V

D = Dual T+I

D = Dual A+V

S = Single Chamber

Herstellerbezeichnung

1. Buchstabe: Kennzeichnet Ort der Stimulation: A = Atrium, V = Ventrikel, D = Atrium und Ventrikel; 2. Buchstabe: Kennzeichnet Ort der Wahrnehmung: A = Atrium, V = Ventrikel, D = Atrium und Ventrikel; 3. Buchstabe: Kennzeichnet Betriebsart: 0 = Keine. In dieser Betriebsart ist der Schrittmacher blind geschaltet und kann nur mit seinem programmierten Intervall, unbeachtet herzeigener Signale, stimulieren. T = Getriggert/tracking

Im AAT- oder VVT-Modus bedeutet getriggert, dass der Schrittmacher mit der Wahrnehmung eines Ereignisses einen Stimulus abgibt. Im DDD/VDD-Modus heißt getriggert (tracking), dass mit Wahrnehmung einer Vorhofdepolarisation der Ventrikel nach Ablauf eines programmierbaren AV-Intervalls stimuliert wird. (I = Inhibiert: In dieser Betriebsart stimuliert der Schrittmacher nur im Bedarfsfall. Das heißt, wenn herzeigene Signale in ausreichender Frequenz vorliegen, ist der Schrittmacher inhibiert, ansonsten stimuliert er. D = Inhibiert und getriggert/tracking)

4. Buchstabe: Kennzeichnet, ob der Schrittmacher über eine frequenzadaptive Funktion verfügt; 5. Buchstabe: Kennzeichnet, ob der Schrittmacher über eine multifokale (biatriale und/oder biventrikuläre) Stimulation verfügt

Tab. 1.2

Bedeutung der unterschiedlichen Kodierung im Einzelnen

AAI

Atrial stimuliert und wahrgenommen, Betriebsart inhibiert

VVI

Ventrikulär stimuliert und wahrgenommen, Betriebsart inhibiert

DDI

Atrial und ventrikulär stimuliert und wahrgenommen, Betriebsart atrial und ventrikulär inhibiert

DDD

Atrial und ventrikulär stimuliert und wahrgenommen, Betriebsart inhibiert und getriggert

VDD

Ventrikulär stimuliert und wahrgenommen, atrial nur wahrgenommen (keine atriale Stimulation), Betriebsart inhibiert und getriggert

„VDDR“

Frequenzadaptation bei VDD: Schrittmacher arbeitet entweder im VDD- oder VVIR-Modus (R-Funktion nur sinnvoll im Fall eines Mode-Switches wegen Vorhofflimmern)

A00

Starrfrequente atriale Stimulation mit fester Frequenz (z. B. bei Magnetauflage)

V00

Starrfrequente ventrikuläre Stimulation mit fester Frequenz (z. B. bei Magnetauflage)

D00

Starrfrequente atriale und ventrikuläre Stimulation (z. B. bei Magnetauflage)

AAIR, VVIR, DDIR, DDDR

Wie AAI/VVI/DDI/DDD plus Frequenzadaptation

VVIRV

Wie VVIR mit biventrikulärer Stimulation

DDDRA

Wie DDDR mit biatrialer Stimulation

DDDRV

Wie DDDR mit biventrikulärer Stimulation

DDD0V

Wie DDD mit biventrikulärer Stimulation

SSI

Single chamber (AAI oder VVI) stimuliert und wahrgenommen, Betriebsart inhibiert (Herstellerbezeichnung)

AAT/VVT

Im Vorhof bzw. im Ventrikel stimuliert, wahrgenommen und getriggert (in der Regel nicht permanent programmiert)

NASPE/BPEG-Schrittmachersonden-Code (NBL)

Für die Klassifizierung der Schrittmachersonden hat sich die Klassifizierung in ◘ Tab. 1.3 durchgesetzt.
Tab. 1.3

NASPE/BPEG-Schrittmachersonden-Code. NASPE North American Society of Pacing and Electrophysiology, BPEG British Pacing and Electrophysiology Group. Aus: Bernstein und Parsonnet (1996)

Sondenkonfiguration

Befestigungsmechanismus

Isolation

Steroidfreisetzung

U = Unipolar

A = Aktiv

P = Polyurethan

S = Steroid

B = Bipolar

P = Passiv

S = Silikon

N = Nicht-steroid

M = Multipolar

0 = Keine

D = Dual/beide Materialien (P+S)

0 = Keine

Markerannotationen im Schrittmacher-EKG

Für die eindeutige Bezeichnung von stimulierten und wahrgenommenen Ereignissen im Vorhof und Ventrikel steht eine internationale Nomenklatur zur Verfügung. Die Schrittmacherhersteller verwenden aber in der Darstellung von intrakardialen EKGs meistens eine firmenspezifische Nomenklatur. Speziell beim Sensing differenzieren die Hersteller noch zusätzlich zwischen wahrgenommenen Ereignissen außerhalb und innerhalb von Refraktärzeiten. Dies erleichtert die EKG-Analyse. In ◘ Tab. 1.4 werden die wichtigsten Markerannotationen aufgeführt.
Tab. 1.4

Nomenklatur der stimulierten und wahrgenommenen Ereignisse im Schrittmacher-EKG

Ereignis

Internationale Nomenklatur

Firmennomenklatur

Atriale Stimulation

A

AP, Ap (atriales Pacing)

P-Welle, atriale Eigenaktion

P

AS, As (atriales Sensing)

Ar/(AS)/Ars/As (FFP)/As (PVARP)

(atriales Sensing in der Refraktärperiode)

Ventrikuläre Stimulation

V

VP, Vp (ventrikuläres Pacing)

R-Welle, ventrikuläre Eigenaktion

R

VS, Vs (ventrikuläres Sensing)

Vr/(VS)/Vrs

(ventrikuläres Sensing in der Refraktärperiode)

Im Schrittmacher-EKG stellen sich die Marker meistens folgendermaßen dar:
  • Großer Markerimpuls für stimulierte Ereignisse.

  • Mittlerer Markerimpuls für wahrgenommene Signale.

  • Kleiner Markerimpuls für wahrgenommene Signale in der Refraktärphase.

Meistens stellen sich die atrialen Markerimpulse von der EKG-Grundlinie senkrecht nach oben und die ventrikulären Marker senkrecht nach unten dar (◘ Abb. 1.23).
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Abb. 1.23

Darstellung der Markerimpulse: Die Nomenklatur der Markerimpulse ist beispielhaft und kann in Abhängigkeit vom Aggregat differieren (Tab. 1.4)

1.6 Schrittmacher-EKG

1.6.1 Schrittmacherstimulus

Die Stimulation ist im Schrittmacher-EKG als senkrechte Linie, genannt Spike oder Stimulus, zu erkennen. Eine bessere Sichtbarkeit des Stimulus bietet hierbei die unipolare Konfiguration im Vergleich zur bipolaren Konfiguration (◘ Abb. 1.14). Nach einem Vorhofstimulus erscheint eine P-Welle und nach einem Ventrikelstimulus ein etwas verformter und verbreiterter Kammerkomplex. Diese Deformation des QRS-Komplexes wird verursacht durch die unphysiologische Erregungsausbreitung über die Muskulatur vom rechten zum linken Ventrikel, sodass die Depolarisation des linken Ventrikels etwas später erfolgt (ähnlich wie bei einem Linksschenkelblock). Auch die T-Welle des ventrikulär stimulierten Komplexes ist im Vergleich zum nicht-stimulierten verändert (◘ Abb. 1.24).
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Abb. 1.24

Atrialer und ventrikulärer Stimulus mit effektiver Depolarisation

1.6.2 Pseudofusionen – Fusionen – Pseudopseudofusionen

Wenn im EKG ein Stimulus mit einer intrinsischen Aktion zeitgleich auftritt, ist die Frage zu klären, ob die Stimulation die Depolarisation komplett partiell (Fusion ) auslöst oder rein zufällig mit der intrinsischen Depolarisation zusammenfällt und nicht auslöst (Pseudofusion ). Folgende QRS-Morphologien können bei Schrittmacher EKGs beobachtet werden:

Im Ventrikel

Ausschließlich intrinsische Depolarisation.

Pseudofusion

Sie ist dadurch charakterisiert, dass der ventrikuläre Stimulus ineffektiv ist, zeitgleich mit der intrinsischen Depolarisation einfällt und die Depolarisation des Myokards nicht beeinflusst. Der Pseudofusionsschlag zeigt die gleiche Morphologie wie der spontane QRS-Komplex.

Fusion

Bei ihr wird die ventrikuläre Depolarisation gemeinsam, sowohl von der Stimulation als auch von der intrinsischen Depolarisation, ausgelöst. Der QRS-Komplex ist eine Kombination aus intrinsischer Erregung und ventrikulärer Stimulation (◘ Abb. 1.25), was sich in einer geringfügigen Veränderung des QRS-Komplexes und/oder der T-Welle gegenüber der intrinsischen Morphologie zeigt.
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Abb. 1.25

a-e a: Spontaner QRS-Komplex; b: Pseudofusion : Stimulationsimpuls hat keinen Effekt auf die Depolarisation, die komplett intrinsisch ausgelöst wurde. QRS-Komplex und T-Welle sind identisch mit dem spontanen QRS-Komplex; c: Fusionssystole: das ventrikuläre Myokard wird depolarisiert durch Stimulus und spontaner Erregung. QRS-Komplex und T-Welle haben eine Konfiguration, die zwischen spontanem und stimuliertem Komplex liegen; d: Reine ventrikuläre Stimulation; e: Pseudopseudofusion im DDD-Modus: QRS-Komplex wird im Ventrikel nicht detektiert, da er in die ventrikuläre Ausblendzeit fällt: der atriale Stimulus erscheint im Oberflächen-EKG kurz vor dem QRS-Komplex. Es folgt ein ventrikulärer Stimulus im Abstand des programmierten AV-Intervalls. Ursache in diesem Beispiel ist ein atriales Undersensing. (Die P-Welle wird nicht detektiert)

Ausschließlich ventrikuläre Stimulation

Sie löst die Depolarisation komplett aus.

Pseudopseudofusion

Sie ist definiert als ein zufälliges Auftreten einer atrialen Impulsabgabe zeitgleich mit einer intrinsischen Ventrikeldepolarisation. Für eine solche Situation kommen folgende Möglichkeiten in Betracht (◘ Abb. 1.26 und 1.27):
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Abb. 1.26

Pseudopseudofunktion im AAI/A00-Modus, Frequenz 94 ipm: Der atriale Stimulus ist im Atrium effektiv, er fällt im Oberflächen-EKG zufällig (je nach Stimulationsfrequenz) mit dem vorhergehenden Eigen-QRS-Komplex zusammen. (A = atrialer Stimulus)

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Abb. 1.27

a, b Pseudofusionsschläge (a: Pseudofusion ; b: intrinsischer Rhythmus)

  • AAI/A00-Modus : Bei hohen Stimulationsfrequenzen und langer intrinsischer AV-Überleitung (◘ Abb. 1.26) fällt der atriale Stimulus zufällig mit der vorherigen, intrinsischen Ventrikeldepolarisation zeitgleich ein.

  • DDD-Modus : Vorhofsensingverlust mit intrinsischer Überleitung. Zufälliges Auftreten der atrialen Impulsabgabe mit einer ventrikulären Extrasystole.

Ob beim DDD-Modus nach einer Pseudopseudofusion eine ventrikuläre Impulsabgabe erfolgt, ist abhängig davon, ob und zu welchem Zeitpunkt der QRS-Komplex detektiert wird (Sicherheitsfenster, ► Abschn. 2.​1).

Im Vorhof

Im Vorhof kann unterschieden werden zwischen intrinsischen und stimulierten P-Wellen. Bei der Pseudofusion fällt der Vorhofstimulus zufällig mit der intrinsischen P-Welle zusammen und hat keinen Effekt auf die Morphologie der P-Welle und die Depolarisation des Vorhofmyokards.

1.6.3 Lagetyp

Je nach Sondenlage im Herzen kann die Morphologie des stimulierten Komplexes variieren. Dies zeigt sich insbesondere bei unterschiedlichen Platzierungen der Ventrikelsonde in der Herzkammer. Liegt die Ventrikelsonde apikal, erscheint im EKG ein linksschenkelblockartig verbreiterter QRS-Komplex (◘ Abb. 1.28). Wenn die Ventrikelsonde im hohem Septum platziert wird, dann erscheint kein Linkslagetyp und die Erregungsausbreitung kann ähnlich der natürlichen Überleitung einen schmalen QRS-Komplex aufweisen (◘ Abb. 1.29; ► Abschn. 9.​1).
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Abb. 1.28

Ventrikelstimulationen bei apikaler Sondenlage zeigen eine linksschenkelblockartige Verbreiterung des QRS-Komplexes

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Abb. 1.29

Ventrikelstimulationen bei Sondenlage im hohen ventrikulären Septum, kein Linkslagetyp, QRS-Komplex schmaler

1.7 Zeitintervalle  – Frequenzen – Refraktärzeiten

Der Schrittmacher startet mit jedem wahrgenommenen oder stimulierten Ereignis eine Vielzahl von verschiedenen Intervallen, die der Steuerung des Schrittmachers und der verschiedenen Funktionen und Algorithmen dienen.

Zwischen Frequenz und Intervall, bzw. für die Umrechnung von Frequenzen in Intervalle, gilt folgende Beziehung:

$$ Frequenz\ \left( ipm\  oder\  mi{n}^{-1}\right)=\frac{60.000\ \left(\mathrm{ms}\right)}{Intervall\ (ms)} $$

$$ Intervall\ (ms)=\frac{60.000\ \left(\mathrm{ms}\right)}{\ \mathrm{Frequenz}\ \left( ipm\  oder\ {\min}^{-1}\right)} $$

So entspricht z. B. die Frequenz von 60 Impulsen pro Minute (ipm) bzw. die intrinsische Frequenz von 60 (min−1) einem Intervall von 1000 ms (Umrechnungstabelle Anhang).

Es folgen die wichtigsten Zeitintervalle:

1.7.1 Stimulationsintervall

Zeitspanne zwischen zwei Stimulationen am gleichen Stimulationsort (◘ Abb. 1.30). Das Stimulationsintervall kann das Grundintervall sein, ein getriggertes Intervall oder das vom Schrittmacher aufgrund eines Algorithmus berechnete Intervall (z. B. berechnetes Intervall für die Frequenzanpassung, Frequenzglättung, Überstimulation etc.).
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Abb. 1.30

Stimulationsintervall im Ventrikelschrittmacher. (V = Ventrikelstimulus)

1.7.2 Auslöseintervall

Andere Bezeichnungen: Erwartungsintervall , Escapeintervall

Das Auslöseintervall startet mit einer Eigenaktion oder mit einem Stimulationsimpuls. Jede weitere wahrgenommene Eigenaktion setzt das Auslöseintervall zurück. Liegt keine Eigenaktion vor Ablauf des Auslöseintervalls vor, gibt der Schrittmacher am Ende des Auslöseintervalls einen Stimulationsimpuls ab. Die Dauer des Auslöseintervalls ist identisch mit dem Stimulationsintervall, wenn keine Frequenzhysterese programmiert ist.

Das Auslöseintervall bei Einkammersystemen startet beim Vorhofschrittmacher mit einem atrialen und beim Ventrikelschrittmacher mit einem ventrikulären Ereignis (◘ Abb. 1.31 und ◘ 1.32).
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Abb. 1.31

Auslöseintervall im Ventrikelschrittmacher – Auslöseintervall startet mit der Wahrnehmung eines ventrikulären Ereignisses (R-Welle oder VES). Wenn kein ventrikuläres intrinsisches Signal während der Dauer des Auslöseintervalls detektiert wird, stimuliert der Schrittmacher am Ende des Auslöseintervalls im Ventrikel. (R = R-Welle; V = Ventrikelstimulus)

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Abb. 1.32

Auslöseintervall im Vorhofschrittmacher – Auslöseintervall startet mit der Wahrnehmung eines atrialen Ereignisses (P-Welle oder AES). Wenn kein atriales intrinsisches Signal während der Dauer des Auslöseintervalls detektiert wird, stimuliert der Schrittmacher am Ende des Auslöseintervalls im Vorhof. (P = P-Welle; A = Vorhofstimulus)

Zweikammersysteme können vorhofgesteuert, ventrikulär gesteuert sein oder die Steuerung wechseln, z. B. bei VES. Dabei tritt im Falle einer atrialen Zeitsteuerung ein Wechsel zur ventrikulären Zeitsteuerung ein (kombinierte Steuerung) (◘ Abb. 1.51 und ◘ 1.52).

1.7.3 Grundintervall /Grundfrequenz

Andere Bezeichnung für Grundintervall: Basisintervall ; Interventionsintervall

Andere Bezeichnungen für Grundfrequenz: Untere Grenzfrequenz ; Basisfrequenz ; („basic rate“); Interventionsfrequenz ;…

Die Grundfrequenz ist die untere Grenzfrequenz, mit der der Schrittmacher stimuliert, wenn die Eigenfrequenz des Herzens diese unterschreitet. Das Grundintervall ist das Zeitintervall zwischen zwei Stimuli an der Grundfrequenz.

1.7.4 AV-Intervall

Andere Bezeichnungen: AV-Delay ; AV-Zeit ; AV-Verzögerung

Das AV-Intervall bestimmt das Zeitintervall beim Zweikammerschrittmacher, nach dem der Ventrikel bei fehlender intrinsischer AV-Überleitung stimuliert werden muss. Es wird hierbei zwischen wahrgenommenen und stimulierten Aktionen im Vorhof unterschieden. Diese zeitliche Differenz (in etwa Spike-P-Abstand genauer: Differenz im intrakardialen EKG zwischen AP-VS und AS-VS)) sollte bei der Programmierung berücksichtigt werden, damit das hämodynamisch wirksame atrioventrikuläre Intervall sowohl für stimulierte als auch für wahrgenommene Vorhofaktionen identisch ist.

AV-Intervall nach Vorhofwahrnehmung

Andere Bezeichnungen: PV-Intervall (PVI); PV-Zeit ; AV-Sense; wahrgenommenes AV-Intervall ; Sensed AV; SAV.

Das AV-Intervall nach Vorhofwahrnehmung entspricht der Zeitdauer zwischen wahrgenommenem Vorhof und stimuliertem Ventrikel (PVI). Ein wahrgenommenes ventrikuläres Ereignis innerhalb dieses PV-Intervalls inhibiert die ventrikuläre Impulsabgabe. Liegt keine detektierte ventrikuläre Depolarisation innerhalb des PV-Intervalls vor, stimuliert der Schrittmacher den Ventrikel am Ende des PV-Intervalls (◘ Abb. 1.33).
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Abb. 1.33

AV-Intervall nach Vorhofwahrnehmung (PVI): liegen intrinsische AV-Überleitungen innerhalb des PVI vor, ist der Ventrikel inhibiert. Ohne Eigenüberleitung triggert das PVI eine ventrikuläre Stimulation. (P = P-Welle; R = R-Welle; V = Ventrikelstimulus)

AV-Intervall nach Vorhofstimulation

Andere Bezeichnungen: AV-Delay (AVD); AV-Zeit ; AV-Verzögerung ; AV-Pace ; Stimuliertes AV-Intervall ; Paced AV; PAV.

Das AV-Intervall nach Vorhofstimulation entspricht der Zeitdauer zwischen stimuliertem Vorhof und stimuliertem Ventrikel (AVI). Ein wahrgenommenes ventrikuläres Ereignis innerhalb des AV-Intervalls nach Vorhofstimulation inhibiert die ventrikuläre Impulsabgabe (Ausnahme s. ► Abschn. 2.​1: Ventrikuläre Sicherheitsstimulation). Liegt keine detektierte ventrikuläre Depolarisation innerhalb dieses AV-Intervalls vor, stimuliert der Schrittmacher den Ventrikel am Ende des AV-Intervalls (◘ Abb. 1.34).
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Abb. 1.34

AV-Intervall nach Vorhofstimulation AVI. Liegen intrinsische AV-Überleitungen innerhalb des AVI vor, wird die ventrikuläre Stimulationsabgabe inhibiert. Ohne Eigenüberleitung erfolgt nach Ablauf des AVI eine ventrikuläre Stimulation. (A = Vorhofstimulus; R = R-Welle; V = Ventrikelstimulus)

AV-Korrektur

Andere Bezeichnungen: AV-Differenz ; Pace-Sense Offset ; Sense-Kompensation ; AV-Korrektur nach Detektion; AV-Verlängerung.

Mit der Stimulation im Vorhof startet das AV-Intervall und die Erregungsausbreitung über intra- und interatriale Leitungsbahnen. Es erfolgt, bezogen auf den atrialen Stimulus, verzögert die Depolarisation des Vorhofes. Im Unterschied dazu ist bei Detektion des atrialen Ereignisses das Vorhofmyokard schon zu einem Teil depolarisiert, sodass das PV-Intervall zu diesem Zeitpunkt gestartet wird. Um zu gleichen zeitlichen Abläufen der Vorhof- und Kammerkontraktion zu gelangen, muss also das PVI kürzer als das AVI sein.

Diese Zeitdifferenz zwischen atrialem Stimulus und wahrgenommener Vorhofaktion berücksichtigt die AV-Korrektur. Da die P-Welle im Oberflächen-EKG eine Summe von Signalen darstellt, wird das intraatriale Signal meistens nicht am Beginn der P-Welle, sondern abhängig von der Sondenlage und der Erregungsleitung erst etwas später erkannt (z. B. erstes Drittel der P-Welle). Die AV-Korrektur ist also die zeitliche Differenz zwischen AVI (AV-Intervall nach Vorhofstimulation) und PVI (AV-Intervall nach Vorhofwahrnehmung) und entspricht im Oberflächen-EKG in etwa dem Abstand vom atrialen Stimulus bis zum ersten Drittel der P-Welle (◘ Abb. 1.35).
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Abb. 1.35

a, b a: Darstellung der AV-Korrektur (A = Vorhofstimulus; P = P-Welle; V = Ventrikelstimulus); b: Abhängig von der Sondenlage und der Erregungsleitung im Vorhof kann die intrakardiale Vorhofwahrnehmung im Oberflächen-EKG im Bereich der P-Welle differieren. (A = atrialer Kanal; V = ventrikulärer Kanal; AS = intrakardiale Vorhofwahrnehmung; VS = intrakardiale Ventrikelwahrnehmung)

1.7.5 Frequenzhysterese

Andere Bezeichnungen: Hysterese ; Sinuspräferenz ; Hysteresekorrektur.

Die Frequenzhysterese verlängert das Auslöseintervall mit dem Ziel, dem intrinsischen Rhythmus den Vorrang einzuräumen (◘ Abb. 1.36; weitere Erläuterungen ► Abschn. 3.​4).
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Abb. 1.36

Frequenzhysterese des Vorhofschrittmachers verlängert das Auslöseintervall mit dem Ziel, den intrinsischen Rhythmus zu fördern. Auslöseintervall (AI) = Stimulationsintervall (SI) + ystereseintervall (HY). (P = P-Welle; V = Ventrikelstimulus)

1.7.6 Maximale Sensorfrequenz

Die maximale Sensorfrequenz ist die maximale Stimulationsfrequenz, mit der ein Schrittmacher aufgrund der Sensorinformation frequenzadaptiv stimulieren kann. Das heißt, wenn die Stimulationsfrequenz mit Hilfe eines Sensors an die Belastung des Patienten angepasst wird, stellt die maximale Sensorfrequenz die Begrenzung nach oben dar.

Die möglichst physiologische Einstellung der Sensorparameter spielt eine Rolle bei chronotrop inkompetenten Patienten, z. B. bei SSS, Zweiknotenerkrankung oder bei bradyarrhythmischem Vorhofflimmern und bei chronotrop kompetenten Patienten mit AV-Block zum Zeitpunkt einer Mode-Switch-Situation.

1.7.7 Maximalfrequenz/obere Grenzfrequenz

Andere Bezeichnungen: Maximale Trackingrate ; maximale Trackingfrequenz ; maximale Synchronfrequenz ; Upper rate ; Upper rate limit.

Die Maximalfrequenz ist die maximale Stimulationsfrequenz/Synchronfrequenz, mit der ein Zweikammerschrittmacher (DDD(R) oder VDD (R)), den Ventrikel vorhofgesteuert stimulieren kann. Das bedeutet bei Patienten mit AV-Blockierungen, dass Vorhoffrequenzen die zwischen Grundfrequenz und Maximalfrequenz liegen, die Ventrikelstimulation 1:1 triggern dürfen. Dabei können nur P-Wellen ein PV-Intervall auslösen, die außerhalb der Refraktärzeiten liegen. Vorhoffrequenzen, die über der Maximalfrequenz liegen, triggern entweder verzögert mittels Wenckebach-Verhalten oder im 2:1- bzw. n:1-Blockverhalten die Ventrikelstimulation (► Abschn. 1.9).

Die Programmierung der Maximalfrequenz hat Bedeutung für Patienten mit AV-Blockierungen, falls Belastungsfrequenzen auftreten, die oberhalb der Maximalfrequenzen liegen (► Abschn. 1.9).

Intervall der Maximalfrequenz: Andere Bezeichnung

Minimales Stimulationsintervall; Upper rate interval .

Das Intervall der Maximalfrequenz ist das kürzeste Stimulationsintervall mit dem ein DDD- oder VDD-Schrittmacher vorhofgesteuert den Ventrikel stimulieren darf (◘ Abb. 1.37). Wird die Maximalfrequenz z. B. auf 120 min−1 eingestellt, beträgt das Intervall der Maximalfrequenz 500 ms.
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Abb. 1.37

Intervall der Maximalfrequenz (Intervall Fmax) ist das kürzeste Intervall mit der ein DDD/VDD-System einen Patienten mit AV-Blockierungen stimulieren darf

1.7.8 Ausblendzeit (Blanking )

Ausblendzeiten (Blanking, absolute Refraktärzeit etc.) sind Zeiten, in denen der Schrittmacher in der Regel nichts erkennt im Gegensatz zu den (relativen) Refraktärperioden (s. ► Abschn. 1.7.9).

Ausblendzeiten starten mit stimulierten oder wahrgenommenen Aktionen. Während der Ausblendzeiten ist der Schrittmacher praktisch blind geschaltet und ignoriert Signale, die in dieses Zeitfenster fallen. Es sollen insbesondere Stimulationsimpulse (Voltbereich), die um den Faktor 1000 höher liegen als die herzeigenen Signale (mV-Bereich), als auch deren Nachpotenziale ausgeblendet werden. Ferner dienen sie der Vermeidung von Mehrfachwahrnehmungen desselben Signals sowie der Ausblendung von Crosstalk - und Far-Field-Signalen , die sonst vom Wahrnehmungsschaltkreis des Schrittmachers als Herzsignal fehlinterpretiert werden könnten.

Ausblendzeiten im selben Kanal

Andere Bezeichnungen: Atriale Ausblendzeit (Blanking) nach AS/AP; ventrikuläre Ausblendzeit (Blanking) nach VS/VP; absolute Refraktärperiode ; atriale/ventrikuläre absolute Refraktärzeit; atriale oder ventrikuläre Detektionsausblendzeit.

Stimulierte Aktionen starten im selben Kanal (ventrikuläre Stimuli im ventrikulären Kanal, atriale Stimuli im atrialen Kanal) eine Ausblendzeit wie oben beschrieben. Ausblendzeiten nach wahrgenommenen Ereignissen sollen das Sensing desselben Ereignisses verhindern (◘ Abb. 1.38 und 1.39).
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Abb. 1.38

Ventrikuläre Ausblendzeit nach intrinsischen (R) und stimulierten (V) ventrikulären Ereignissen

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Abb. 1.39

Atriale Ausblendzeit nach stimulierten (A) Vorhofereignissen – bei manchen Modellen auch nach intrinsischen (P) Vorhofereignissen

Ausblendzeiten im anderen Kanal bei Zweikammerschrittmachern

Zusätzlich zu den zuvor beschriebenen Ausblendzeiten, die bei den meisten Schrittmachern programmierbar sind, existieren bei Zweikammerschrittmachern zwei weitere Ausblendzeiten. Diese sind in der Regel programmierbar.

Postatriales ventrikuläres Blanking (PAVB )

Andere Bezeichnung: V-Blanking nach A-Stim./AP.

Der atriale Stimulus (nicht die intrinsische P-Welle) kann unerwünscht vom Eingangsschaltkreis im Ventrikel wahrgenommen werden (atriales Übersprechen, AV-Crosstalk). Deshalb startet mit der atrialen Stimulation eine ventrikuläre Ausblendzeit, das postatriale ventrikuläre Blanking (PAVB), auch Ventrikelblanking genannt. Diese Ausblendzeit spielt eine entscheidende Rolle bei AV-Crosstalk und ventrikulärer Sicherheitsstimulation (◘ Abb. 1.40 und 1.41; ► Abschn. 2.​1 und 9.​3).
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Abb. 1.40

Atriale Stimulation (nicht die intrinsische P-Welle) kann ungewünscht vom Eingangsverstärker im Ventrikel wahrgenommen werden. Die direkte elektrische Laufzeit von atrialer Stimulation zu Ventrikelsonde und die Nachpotenziale können meistens mit einer ventrikulären Blankingzeit von ca. 20–30 ms ausgeblendet werden

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Abb. 1.41

Ventrikuläre Ausblendzeit nach atrialer Stimulation (PAVB – postatriales ventrikuläres Blanking), nicht nach atrialer Wahrnehmung. (A = Vorhofstimulus; P = P-Welle)

Postventrikuläres atriales Blanking (PVAB )

Andere Bezeichnungen: A-Blanking nach V-Stim.; Far-Field-Schutz nach VS/VP ; Atr. Refraktärzeit nach V.Wahrn./V-Stim.

Nach einem ventrikulären Stimulus oder – bei den meisten Schrittmachermodellen auch nach intrinsischer ventrikulärer Depolarisation – startet eine (programmierbare) atriale Ausblendzeit, das postventrikuläre atriale Blanking (PVAB), auch Vorhofblanking genannt (◘ Abb. 1.42 und 1.43).
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Abb. 1.42

a, b a: Direkte elektrische Laufzeit von ventrikulärer Stimulation zu Vorhofeingang in der Regel <20 ms (ohne Bedeutung für die Programmierung); b: Laufzeit des ventrikulären Depolarisationssignals (stimuliert oder intrinsisch) zum Vorhofeingang als R-Wellen Far-Field-Sensing . Die atriale Ausblendzeit PVAB sollte länger als die Laufzeit programmiert werden (z. B. 150–175 ms)

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Abb. 1.43

Atriale Ausblendzeit (PVAB – Postventrikuläres atriales Blanking) nach ventrikulärer Wahrnehmung bzw. Stimulation. (R = R-Welle; V = Ventrikelstimulus)

Im Gegensatz zum ventrikulären Blanking (PAVB), spielen hier die direkte elektrische Laufzeit vom ventrikulären Stimulus zum atrialen Eingang und dessen Nachpotenzial für die Programmierung keine Rolle. Die Erklärung hierfür ist, dass das atriale Blanking (PVAB) aufgrund des möglichen R-Wellen Far-Field-Sensing auf eine deutlich längere Zeit programmiert werden muss. Das Depolarisationssignal des Ventrikels (stimuliert oder intrinsisch) kommt wesentlich später und kann, wenn das Signal hoch genug ist, vom Vorhofeingang detektiert werden und als P-Welle fehlinterpretiert werden (R-Wellen Far-Field-Sensing). Dies ist bei der Programmierung zu berücksichtigen.

Die Dauer des postventrikulären atrialen Blankings beeinflusst die Erkennung von Vorhofarrhythmien und damit die Mode-Switch -Funktion sowie die Vermeidung eines R-Wellen Far-Field-Sensing (► Abschn. 9.​3). Je kürzer das PVAB, desto besser ist die Erkennung von Vorhofarrhythmien, aber umso größer ist die Gefahr für Far-Field-Sensing der R-Welle im Vorhof.

Einzelne neuere Schrittmachermodelle verwenden kürzere atriale Ausblendzeiten , in Kombination mit Algorithmen, die nach einem ventrikulären Ereignis die atriale Wahrnehmungsschwelle temporär erhöhen.

Neue bipolare Vorhofsonden mit einem sehr kurzen Bipolabstand (Spitze-Ring-Abstand) von 1,1 mm lassen eine Reduzierung des R-Wellen Far-Field-Sensing erwarten.

Bei einzelnen Schrittmachermodellen lässt sich nur das PVAB nach ventrikulärer Stimulation und nicht nach intrinsischen ventrikulären Signalen programmieren (► Abb. 9.​50 und ► 9.​51).

1.7.9 Refraktärperioden

Der Schrittmacher kann in diesem Intervall Ereignisse erkennen, die jedoch nicht die Zeitsteuerung (Triggerung oder Inhibierung) des Schrittmachers beeinflussen. Refraktärperioden starten sowohl für den Vorhof als auch für den Ventrikel. Die Wahrnehmung innerhalb der Refraktärzeiten dient u. a. auch der Erkennung von atrialen Arrhythmien (Mode-Switch) und/oder von Störsignalen.

ARP  – Atriale Refraktärperiode beim Vorhofschrittmacher

Eine atriale Refraktärperiode (ARP) wird durch ein atriales Ereignis gestartet (◘ Abb. 1.44). Die ARP dient im AAI(R)-Modus auch dem Schutz vor R-Wellen Far-Field-Sensing. Sie sollte entsprechend lang genug gewählt werden, sodass das R-Wellen Far-Field-Signal in die ARP fällt. Detektiert der Schrittmacher ein R-Wellen Far-Field-Sensing außerhalb der ARP, so interpretiert er dieses Signal als P-Welle und startet ein neues Auslöseintervall. Daraus resultiert ein unerwünschter Abfall der Stimulationsfrequenz (► Abschn. 9.​3).
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Abb. 1.44

Atriale Refraktärperiode (ARP) bei Vorhofschrittmacher startet mit stimuliertem oder wahrgenommenem Vorhofereignis. (A = Vorhofstimulus; P = P-Welle)

VRP  – Ventrikuläre Refraktärperiode

In Ein- und Zweikammersystemen lösen ventrikuläre Ereignisse eine ventrikuläre Refraktärperiode (VRP) aus (◘ Abb. 1.45). Diese Refraktärzeit dient dem Schutz vor T-Wellenoversensing und in vielen Schrittmachern zur Erkennung von Störsignal en (Störmodus). Zu beachten ist, dass bei einer zu lang programmierten VRP eine VES in diese Refraktärzeit fallen könnte und das Timing dadurch nicht neu startet. Die folgende Stimulation könnte in die vulnerable Phase der VES fallen und eine ventrikuläre Arrhythmie auslösen.
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Abb. 1.45

Ventrikuläre Refraktärperiode (VRP) startet mit wahrgenommenem oder stimuliertem Ventrikelereignis. (R = R-Welle; V = Ventrikelstimulus)

PVARP  – Postventrikuläre atriale Refraktärperiode bei Zweikammersystemen

Im Vorhof startet nach jedem ventrikulären Ereignis die postventrikuläre atriale Refraktärperiode (PVARP) (◘ Abb. 1.46). Atriale Ereignisse, die in der PVARP erkannt werden, verwendet der Schrittmacher nicht für die Zeitsteuerung (inhibieren, triggern), sie liefern aber wichtige Informationen für die Erkennung und Diagnose von atrialen Tachyarrhythmien und für das Auslösen von Mode-Switch-Algorithmen (► Abschn. 2.​2.​2). Zusätzlich ist die PVARP für die Vermeidung, und die automatische Verlängerung der PVARP für die Terminierung, von Endless-loop-Tachykardien wichtig (► Abschn. 2.​2.​1). Je nach Hersteller kann die PVARP eine fix programmierbare oder eine frequenzabhängige dynamische Refraktärperiode sein.
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Abb. 1.46

PVARP startet nach wahrgenommenem (R) oder stimuliertem (V) Ereignis im Ventrikel

TARP – Totale atriale Refraktärperiode

Die totale atriale Refraktärperiode (TARP) setzt sich aus PV/AV-Intervall und PVARP zusammen (◘ Abb. 1.47). P-Wellen außerhalb der TARP triggern eine ventrikuläre Stimulation bei fehlender intrinsischer AV-Überleitung. P-Wellen, die in die TARP fallen, werden nicht für die Triggerung der ventrikulären Stimulation verwendet. Das heißt, die TARP limitiert die maximal mögliche P-Wellen getriggerte ventrikuläre Stimulationsfrequenz, auch wenn die programmierte ventrikuläre Maximalfrequenz auf höhere Werte programmiert ist. Daraus ergibt sich, dass z. B. bei einer TARP von 500 ms (60.000/500 = 120) die ventrikuläre Stimulationsfrequenz max. 120 ipm erreichen kann (► Abschn. 1.9).
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Abb. 1.47

Totale atriale Refraktärperiode (TARP) setzt sich aus atrioventrikulärem Intervall (AVI oder PVI) und PVARP zusammen. PVI/AV-Intervall nach Vorhofwahrnehmung, AVI/AV-Intervall nach Vorhofstimulation; Postventrikuläre atriale Refraktärperiode (PVARP)

Firmenspezifische Refraktärzeit

  • Die WARAD („window of atrial rate acceleration detection“) ist eine atriale Refraktärperiode bei Zweikammersystemen. Sie ist funktionell vergleichbar mit der PVARP mit dem Unterschied, dass die WARAD mit einem atrialen und nicht mit einem ventrikulären Ereignis gestartet wird (◘ Abb. 1.48). Sie ist eine nicht-programmierbare dynamische Refraktärperiode und passt sich immer an die aktuelle Vorhoffrequenz (stimuliert oder intrinsisch) an, d. h. mit steigender Vorhoffrequenz verkürzt sich die WARAD.
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    Abb. 1.48

    WARAD („window of atrial rate acceleration detection“); Beobachtungsfenster für atriale Arrhythmien. WARAD startet mit wahrgenommenem (P) oder stimuliertem (A) Vorhofereignis

  • Einige Systeme starten mit atrialer Wahrnehmung eine TARP, die sich aus AV-Zeit und PVARP zusammensetzt.

1.7.10 Übersicht der Zeitintervalle und Refraktärzeiten in VVI-, AAI- und DDD-Herzschrittmachern

Zeitintervalle eines VVI-Schrittmachers

Der Ventrikelschrittmacher startet nach ventrikulärer Stimulation im Ventrikel ein Stimulationsintervall, eine ventrikuläre Refraktärperiode und herstellerabhängig auch eine ventrikuläre Ausblendzeit. Im Falle der ventrikulären Wahrnehmung löst der Schrittmacher anstelle eines Stimulationsintervalls ein ventrikuläres Auslöseintervall aus (◘ Abb. 1.49). Das Auslöseintervall kann bei programmierter Frequenzhysterese um den Hysteresebetrag länger sein als das Stimulationsintervall.
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Abb. 1.49

Zeitintervalle und Refraktärzeiten im VVI-Schrittmacher nach intrinsischen (R) und stimulierten (V) ventrikulären Ereignissen. (VRP = ventrikuläre Refraktärperiode; V. BL = ventrikuläres Blanking; AI = Auslöseintervall im Ventrikel; SI = Stimulationsintervall im Ventrikel)

Zeitintervalle eines AAI-Schrittmachers

Der Vorhofschrittmacher startet nach atrialer Stimulation ein Stimulationsintervall, eine nicht programmierbare atriale Ausblendzeit und eine programmierbare atriale Refraktärperiode. Im Falle der atrialen Wahrnehmung (außerhalb der Refraktärperiode) löst der Schrittmacher anstelle eines Stimulationsintervalls ein atriales Auslöseintervall aus (◘ Abb. 1.50). Das Auslöseintervall kann bei programmierter Frequenzhysterese um den Hysteresebetrag länger sein als das Stimulationsintervall.
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Abb. 1.50

Zeitintervalle und Refraktärzeiten im AAI-Schrittmacher. (A. Bl = atriales Blanking; ARP = atriale Refraktärperiode; AI = Auslöseintervall im Vorhof; SI = Stimulationsintervall im Vorhof)

Zeitintervalle eines DDD-Schrittmachers

Der DDD-Schrittmacher startet mit jedem atrialen und ventrikulären Ereignis unterschiedliche Ausblendzeiten, Refraktärzeiten und Intervalle. Abhängig von der Architektur des Schrittmachers startet das Auslöseintervall/Stimulationsintervall mit einem atrialen Ereignis (atriale Steuerung) oder mit einem ventrikulären Ereignis (ventrikuläre Steuerung). Das ventrikuläre Ereignis löst zudem ein VA-Intervall (ventrikuloatriales Intervall) bei ventrikulärer Steuerung aus. Wenn ein atriales Ereignis innerhalb des VA-Intervalls und außerhalb der postventrikulären atrialen Refraktärzeit detektiert wird, löst dies ein PV-Intervall nach Vorhofwahrnehmung aus (◘ Abb. 1.51 und 1.52).
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Abb. 1.51

Zeitintervalle und Refraktärzeiten im DDD-Modus nach atrialem Sensing. Hier ist beispielhaft die atriale Steuerung dargestellt, d. h. die Auslöseintervalle (AI/SI) starten mit dem atrialen Ereignis. (Legende Abb. 1.52)

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Abb. 1.52

Zeitintervalle und Refraktärzeiten im DDD-Modus nach atrialer Stimulation. Hier ist beispielhaft die ventrikuläre Steuerung dargestellt, d. h. die Erwartungsintervalle (AI, SI, VA-Intervall) starten mit dem ventrikulären Ereignis. Bei atrialer Stimulation starten zusätzlich noch PAVB und VSF sowie das Stimulationsintervall. (PVI = AV-Intervall nach atrialer Wahrnehmung; AVI = AV-Intervall nach atrialer Stimulation; PAVB = postatriales ventrikuläres Blanking; VSF = ventrikuläres Sicherheitsfenster; PVAB = postventrikuläres atriales Blanking; V. BL = ventrikuläres Blanking; VRP = ventrikuläre Refraktärperiode; PVARP  = postventrikuläre atriale Refraktärperiode; Intervall Fmax = Intervall der Maximalfrequenz; AI = Auslöseintervall; SI = Stimulationsintervall; VA-Intervall = atriales Erwartungsintervall nach ventrikulärem Ereignis; P, R, A, V: P = P-Welle, R = R-Welle, A = Vorhofstimulus, V = Ventrikelstimulus)

1.8 Stimulationsbetriebsarten

1.8.1 Ventrikuläre Schrittmachersysteme

◘ Abb. 1.53 zeigt die schematische Darstellung eines VVI-Schrittmachers.
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Abb. 1.53

Schematische Darstellung eines VVI-Schrittmachers. Aus: Fischer und Ritter (2002)

V00-Modus : V00

Stimulation im Ventrikel, keine Wahrnehmung im Ventrikel, Betriebsart starrfrequent.

Arbeitsweise

Im V00-Modus stimuliert der Schrittmacher starrfrequent mit dem programmierten Stimulationsintervall im Ventrikel, ohne die Eigenaktionen des Herzens erkennen zu können. Die Stimulation ist nur effektiv, wenn sie außerhalb der Refraktärzeit des Myokards fällt. Impulse, die in den QRS-Komplex bis Anfang der T-Welle fallen, können in der Regel keine Depolarisation auslösen, weil das Myokard noch refraktär ist (◘ Abb. 1.54 und 1.55).
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Abb. 1.54

V00-Stimulation ohne vorhandenen Eigenrhythmus. Schrittmacher stimuliert mit programmiertem Stimulationsintervall. (V = Ventrikelstimulus; SI = Stimulationsintervall)

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Abb. 1.55

V00-Stimulation mit konkurrierendem Eigenrhythmus (Parasystolie). (V = Ventrikelstimulus; SI = Stimulationsintervall)

Cave

Fällt der ventrikuläre Stimulus in die vulnerable Phase (im ansteigenden Teil der T-Welle), können Tachyarrhythmien, im schlimmsten Fall Kammerflimmern ausgelöst werden (◘ Abb. 1.56 und 1.57).
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Abb. 1.56

Die vulnerable Phase befindet sich im ansteigenden Teil der T-Welle. Aus: Fischer und Ritter (2002)

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Abb. 1.57

Stimulation in die vulnerable Phase führt hier zur Induktion von Kammerflimmern

Anwendung

Bei Magnetauflage gehen die meisten VVI-Schrittmacher in den starrfrequenten V00-Modus über. Um eine Stimulation in die vulnerable Phase zu vermeiden, geschieht dies in der Regel mit einer höheren Frequenz (firmenspezifisch), der sog. Magnetfrequenz (Magnettest). Dieser Modus wird üblicherweise nicht permanent programmiert.

VVI-Modus

VVI: Stimulation und Wahrnehmung im Ventrikel, Betriebsart inhibiert.

Arbeitsweise

Dieser Schrittmacher arbeitet nur bei Bedarf. Das heißt, wenn Eigenaktionen im Ventrikel vorliegen, ist der Schrittmacher inhibiert (◘ Abb. 1.58). Wenn keine ventrikulären Eigenaktionen vor Ablauf des Auslöseintervalls detektiert werden, stimuliert der Schrittmacher im Ventrikel (◘ Abb. 1.59).
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Abb. 1.58

VVI-Schrittmacher ist inhibiert, wenn ventrikuläre Eigenaktionen (R) vor Ablauf des Auslöseintervalls (AI) im Ventrikel wahrgenommen werden

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Abb. 1.59

VVI-Schrittmacher stimuliert mit dem Auslöseintervall (AI), wenn keine ventrikulären Eigenaktionen vor Ablauf des Auslöseintervalls vorliegen. (R = R-Welle; V = Ventrikelstimulus)

Stimulationsintervall = Auslöseintervall (wenn keine Frequenzhysterese programmiert ist; ◘ Abb. 1.60).
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Abb. 1.60

VVI-Schrittmacher stimuliert mit dem Stimulationsintervall (SI), wenn keine ventrikulären Eigenaktionen vorliegen. (V = Ventrikelstimulus)

Hauptindikation

Bradyarrhythmie bei permanentem Vorhofflimmern.

Cave

Der VVI-Modus kann bei Patienten mit Sick-Sinus-Syndrom und/oder AV-Blockierungen zu einem Schrittmachersyndrom führen. Das heißt, bei der VVI-Stimulation führt die fehlende Synchronisation der Ventrikel mit den Vorhöfen oder eine retrograde Leitung dazu, dass die atriale Kontraktion gegen die geschlossene Mitral- und Trikuspidalklappe erfolgt und damit einen Rückfluss des Blutes in das venöse System verursacht. Dies äußert sich manchmal in sog. „cannon waves“, d. h. sichtbare venöse Pulsationen im Halsbereich, mit entsprechenden Beschwerden des Patienten (Blutdruckabfall, Kollaps etc.).

VVT-Modus

VVT: Stimulation und Wahrnehmung im Ventrikel, Betriebsart getriggert.

Arbeitsweise

Jede wahrgenommene Kammeraktion löst die Triggerung eines Schrittmacherimpulses in den QRS-Komplex aus. Dieser Impuls ist nicht effektiv (Pseudofusion ), weil er in die Refraktärphase des Ventrikelmyokards fällt. Wenn die Eigenfrequenz langsamer ist als die programmierte Stimulationsfrequenz, stimuliert der Schrittmacher mit dem Stimulationsintervall (◘ Abb. 1.61).
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Abb. 1.61

a, b VVT-Modus: a: Wenn das intrinsische Intervall kürzer als das Stimulationsintervall (SI) ist, triggert jede wahrgenommene R-Welle einen Ventrikelstimulus; b: Wenn die intrinsischen Intervalle länger als das Stimulationsintervall sind, stimuliert der Schrittmacher mit dem Stimulationsintervall (SI)

Anwendung

Dieser Modus kann bei älteren Aggregaten, die noch nicht über einen Sensingtest verfügen, zur Überprüfung der ventrikulären Wahrnehmung verwendet werden. Wenn der Schrittmacher alle QRS-Komplexe mit einem Stimulus markiert, hat er sie folgerichtig alle erkannt.

Eine seltene weitere Einsatzmöglichkeit ist, wenn ein VVI-Schrittmacher bei einem schrittmacherabhängigen Patienten durch externe Störsignale inhibiert wird und dies zu langen ventrikulären Pausen führt. Wenn keine Möglichkeit besteht, die Wahrnehmungsparameter zu optimieren (bipolarer Modus und Wahrnehmung unempfindlicher stellen) oder ein Systemwechsel nicht gewünscht ist, kann die Programmierung des VVT-Modus eine Möglichkeit sein, Asystolien bei Störsignalen zu verhindern. Der Schrittmacher würde dann mit jeder nicht-refraktären Wahrnehmung – Eigenaktion oder Störsignal – einen Stimulus abgeben.

1.8.2 Atriale Schrittmachersysteme

◘ Abb. 1.62 zeigt die schematische Darstellung eines AAI-Schrittmachers.
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Abb. 1.62

Schematische Darstellung eines AAI-Schrittmachers. Aus: Fischer und Ritter (2002)

A00-Modus

A00: Stimulation im Atrium, keine Wahrnehmung im Atrium, Betriebsart starrfrequent.

Arbeitsweise

Im A00-Modus stimuliert der Schrittmacher mit dem programmierten Stimulationsintervall im Vorhof ohne Beachtung der Eigenaktionen des Herzens. Ist das Vorhofmyokard durch eine intrinsische Depolarisation refraktär, ist der einfallende Stimulationsimpuls ineffektiv. Erst nach Ablauf der intrinsischen Refraktärzeit des Myokards (ca. 200–300 ms) kann ein Stimulus eine Depolarisation auslösen (◘ Abb. 1.63 und 1.64).
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Abb. 1.63

A00-Stimulation ohne Eigenrhythmus, der Schrittmacher stimuliert mit dem Stimulationsintervall (SI); atriale Stimulationen (A) sind alle effektiv

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Abb. 1.64

A00-Modus mit konkurrierenden Eigenrhythmus: Der Eigenrhythmus wird vom Schrittmacher nicht beachtet. Die Stimulationen fallen konkurrierend und starrfrequent in den Eigenrhythmus ein. Je nach Zustand und Erregbarkeit des Vorhofmyokards können die Stimulationen eine Depolarisation auslösen oder nicht

Cave

Die starrfrequente Stimulation kann zur Induktion von Vorhofflimmern/-flattern führen.

Anwendung

Bei Magnetauflage gehen AAI-Schrittmacher in der Regel in den starrfrequenten A00-Modus über und stimulieren mit Magnetfrequenz . Dieser Modus wird üblicherweise nicht permanent programmiert. A00 kann für den atrialen Reizschwellentest (bei nicht-AV-blockierten Patienten) angewandt werden bzw. zur Überprüfung des Wenckebach-Punktes (► Abschn. 5.​1).

AAI-Modus

AAI: Stimulation und Wahrnehmung im Atrium, Betriebsart inhibiert.

Arbeitsweise

Dieser Schrittmacher arbeitet nur bei Bedarf. Das heißt, wenn Eigenaktionen im Vorhof erkannt werden, ist der Schrittmacher inhibiert (◘ Abb. 1.65). Wenn keine Eigenaktionen vor Ablauf des Auslöseintervalls detektiert werden, stimuliert der Schrittmacher im Vorhof (◘ Abb. 1.66 und 1.67).
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Abb. 1.65

AAI-Schrittmacher ist inhibiert, wenn atriale Eigenaktionen vor Ablauf des Auslöseintervalls (AI) im Vorhof wahrgenommen werden

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Abb. 1.66

AAI-Schrittmacher stimuliert mit Auslöseintervall, wenn keine atrialen Eigenaktionen vor Ablauf des Auslöseintervalls vorliegen

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Abb. 1.67

AAI-Schrittmacher stimuliert mit Stimulationsintervall, wenn keine atrialen Eigenaktionen vorliegen. Stimulationsintervall≈Auslöseintervall (wenn keine Frequenzhysterese programmiert ist)

Hauptindikation

Sick-Sinus-Syndrom (SSS) bei nachgewiesenem intaktem AV-Knoten.

Normalerweise können QRS-Komplexe bzw. VES von einem Vorhofschrittmacher nicht erkannt werden (◘ Abb. 1.68). Bei klappennaher Implantation der atrialen Sonde und hoher Empfindlichkeitseinstellung des atrialen Kanals ist ein R-Wellen Far-Field-Sensing eher möglich, das der Vorhofschrittmacher als P-Welle interpretiert.
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Abb. 1.68

Die ventrikuläre Extrasystole (VES) wird vom AAI-Schrittmacher nicht beachtet

Vorhofflimmersignal e sind oft so klein, dass sie vom AAI-Schrittmacher intermittierend oder permanent nicht detektiert werden. Dadurch kommt es zu atrialen Stimulationen, die allerdings ineffektiv bleiben (◘ Abb. 1.69).
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Abb. 1.69

Kleine Vorhofflimmersignale werden intermittierend nicht erkannt, demzufolge gibt der AAI-Schrittmacher Stimulationen ab, die ineffektiv bleiben

AAT-Modus : AAT

Stimulation und Wahrnehmung im Atrium, Betriebsart getriggert.

Arbeitsweise

Jede wahrgenommene Vorhofaktion löst die Triggerung eines Schrittmacherimpulses in die P-Welle aus. Dieser Impuls ist nicht effektiv, weil er in die Refraktärphase des Vorhofmyokards fällt. Wenn die Eigenfrequenz langsamer ist als die programmierte Stimulationsfrequenz, stimuliert der Schrittmacher mit dem Stimulationsintervall (◘ Abb. 1.70).
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Abb. 1.70

a, b AAT-Modus – a: Wenn das intrinsische Intervall kürzer als das Stimulationsintervall (SI) ist, triggert jede wahrgenommene P-Welle einen Vorhofstimulus; b: Wenn die intrinsischen Intervalle länger als das Stimulationsintervall sind, stimuliert der Schrittmacher mit dem Stimulationsintervall (SI)

Anwendung

Dieser Modus kann bei älteren Aggregaten, die noch nicht über einen Sensingtest verfügen, zur Überprüfung der atrialen Wahrnehmung verwendet werden (◘ Abb. 1.71). Wenn der Schrittmacher alle P-Wellen mit einem Stimulus markiert, hat er sie folgerichtig alle erkannt.
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Abb. 1.71

AAT-Modus erleichtert die Diagnostik von Vorhofrhythmusstörungen, wie dieses Beispiel zeigt. Im oberen EKG befindet sich der Schrittmacher im AAI-Modus und die P-Wellen sind nicht sicher zu differenzieren. Die Programmierung des AAT-Modus im EKG unten dagegen zeigt die zugrunde liegende Rhythmusstörung auf: Vorhoftachykardie mit 2:1-Überleitung. P-Wellen-Frequenz ca. 120 min−1 und ventrikuläre Frequenz ca. 60 min−1. (A = atrialer getriggerter Stimulus)

1.8.3 Zweikammersystem mit Single Lead

◘ Abb. 1.72 zeigt die schematische Darstellung eines VDD-Schrittmachers.
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Abb. 1.72

Schematische Darstellung eines VDD-Schrittmachers

VDD-Modus

VDD: Stimulation im Ventrikel, Wahrnehmung im Atrium und Ventrikel, Betriebsart inhibiert und getriggert. (Keine Stimulation im Atrium!)

Arbeitsweise

Der Schrittmacher kann in beiden Kammern wahrnehmen, aber nur im Ventrikel, nach Ablauf der AV-Zeit, stimulieren. Vorhofgetriggerte Ventrikelstimulation (◘ Abb. 1.73 und 1.74).
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Abb. 1.73

VDD-Schrittmacher löst nach jeder wahrgenommenen P-Welle einen PV-Intervall (PVI) aus. Wenn innerhalb des PV-Intervalls keine intrinsische R-Welle erkannt wird, triggert dies eine ventrikuläre Stimulation am Ende des PVI

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Abb. 1.74

Wird innerhalb des PV-Intervalls eine intrinsische R-Welle wahrgenommen, ist der VDD-Schrittmacher im Ventrikel inhibiert

Hauptindikation

Dieser Modus ist für AV-Blockierungen mit chronotroper Kompetenz vorgesehen. Eine Single-Lead-Sonde kann im Vorhof detektieren, aber nicht stimulieren. Eine Sinusknotenerkrankung sollte ausgeschlossen sein.

1.8.4 Zweikammerschrittmacher

◘ Abb. 1.75 zeigt die schematische Darstellung eines Zweikammerschrittmachers.
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Abb. 1.75

Schematische Darstellung eines Zweikammerschrittmachers. Aus: Fischer und Ritter (2002)

D00-Modus

D00: Stimulation im Atrium und Ventrikel, keine Wahrnehmung im Atrium und Ventrikel, Betriebsart starrfrequent.

Arbeitsweise

Im D00-Modus stimuliert der Schrittmacher mit programmiertem Stimulationsintervall im Vorhof und Ventrikel mit einem festgelegten AV-Intervall ohne Beachtung der Eigenaktionen des Herzens (◘ Abb. 1.76 und 1.77).
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Abb. 1.76

D00-Stimulation mit konkurrierendem Eigenrhythmus: Der Eigenrhythmus wird vom Schrittmacher nicht beachtet. Die Stimulationen fallen konkurrierend und starrfrequent in den Eigenrhythmus ein

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Abb. 1.77

D00-Stimulation ohne Eigenrhythmus: Der Schrittmacher stimuliert AV-sequenziell im Vorhof und Ventrikel mit festgelegtem AV-Intervall (AVI) und programmierter Stimulationsfrequenz (SI). (A = Vorhofstimulus; V = Ventrikelstimulus)

Cave

Die starrfrequente Stimulation kann im ungünstigsten Fall im Vorhof zur Induktion von Vorhofflimmern und im Ventrikel zum Auslösen von Kammertachykardien oder Kammerflimmern führen.

Anwendung

Bei Magnetauflage gehen DDI/DDD-Schrittmacher in der Regel in den starrfrequenten D00-Modus über und stimulieren mit Magnetfrequenz . Dieser Modus wird üblicherweise nicht permanent programmiert.

DDI-Modus

DDI: Stimulation und Wahrnehmung im Atrium und Ventrikel, Betriebsart inhibiert (keine Triggerung, kein „Tracking“!).

Arbeitsweise

Der DDI-Modus kombiniert die Funktionen eines AAI- und VVI-Schrittmachers. Er startet mit jedem wahrgenommenen oder stimulierten Ereignis im Ventrikel ein Auslöseintervall/Stimulationsintervall für Vorhof und Ventrikel. Im Gegensatz zum DDD-Modus lösen detektierte atriale Signale kein PV-Intervall, also kein „Tracking“ aus.

Der DDI-Modus ist eine Zweikammerstimulationsform, bei der die Arbeitsweisen in ◘ Abb. 1.78 möglich sind. Generell ist es empfehlenswert, in den Situationen, die in ◘ Abb. 1.78b–e gezeigt werden, die Frequenzanpassung hinzuzuschalten, falls die Eigenfrequenz unter Belastung nicht adäquat ansteigt.
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Abb. 1.78

a–e Mögliche Arbeitsweisen im DDI-Modus. Bei den folgenden detaillierten Erklärungen zu den EKGs wird von einer programmierten Grundfrequenz von 60 ipm ausgegangen: a: Regelrechte Sinusfrequenz ohne AV-Block: Intrinsische ventrikuläre Frequenz >60 min−1: Schrittmacher ist im atrialen und ventrikulären Kanal inhibiert; b: Sinusbradykardie ohne AV-Block: Die intrinsische atriale und ventrikuläre Frequenz <60 min−1 bei regelrechter intrinsischer AV-Überleitung: Im Oberflächen-EKG ergibt sich die Stimulationsform wie im AAI-Modus; c: Sinusbradykardie mit AV-Block: Intrinsische atriale und ventrikuläre Frequenz <60 min−1 bei fehlender intrinsischer AV-Überleitung: Im Oberflächen-EKG ergibt sich eine AV-sequenzielle Stimulationsform (Atrium und Ventrikel stimuliert); d: Regelrechte Sinusfrequenz mit AV-Block: Intrinsische atriale Frequenz >60 min−1, die ventrikuläre Frequenz <60 min−1 bei fehlender intrinsischer AV-Überleitung: Im Oberflächen-EKG ergibt sich die Stimulationsform wie im VVI-Modus (Dissoziation von Vorhof und Kammer, kein Tracking, Schrittmacher arbeitet jetzt wie ein „VVI“-Schrittmacher mit dem Unterschied, dass er die Vorhofeigenaktionen weiter beobachtet (VDI). Dies ist bei AV-Block-Patienten in Belastungsphasen ungünstig, aber während atrialer Tachyarrhythmien erwünscht (e); e: Vorhofflimmern/flattern mit AV-Block: Intrinsische atriale Frequenz tachykard, ventrikuläre Frequenz <60 min−1, bei fehlender intrinsischer AV-Überleitung: Im Oberflächen-EKG ergibt sich die Stimulationsform wie im VVI-Modus: Erwünschte Dissoziation von Vorhof und Kammer während atrialer Tachyarrhythmien, kein Tracking, der Schrittmacher arbeitet jetzt wie ein „VVI“-Schrittmacher mit dem Unterschied, dass er die Vorhofeigenaktionen weiter beobachtet (VDI). Generell ist empfehlenswert, in den Situationen b–e die Frequenzanpassung hinzuzuschalten, falls die Eigenfrequenz unter Belastung nicht adäquat ansteigt

Hauptindikationen

  • Bei Vorhoftachyarrhythmien im DDD-Modus bewirkt der Mode-Switch-Algorithmus den Moduswechsel von DDD(R) zu VDI(R) oder DDI(R).

  • Bei Karotissinussyndrom: DDI plus Frequenzhysterese (z. B. Hysteresefrequenz 40 min−1, Stimulationsfrequenz 70 ipm), falls keine anderen Spezialalgorithmen zur Verfügung stehen.

DDD-Modus

DDD: Stimulation und Wahrnehmung im Atrium und Ventrikel, Betriebsart inhibiert und getriggert (Tracking).

Arbeitsweise

Die Impulsabgabe ist bei Wahrnehmung von intrinsischen Vorhof- und Ventrikelsignalen inhibiert. Er stimuliert die jeweilige Kammer, unter Berücksichtigung der entsprechenden Zeitintervalle, wenn keine Eigenaktionen vorliegen. Er startet mit einem detektierten Vorhofereignis ein PV-Intervall. Erkennt der Schrittmacher vor Ablauf des PV-Intervalls eine Kammeraktion, ist der Ventrikelimpuls inhibiert, ansonsten stimuliert er den Ventrikel am Ende des PV-Intervalls (Tracking). Intrinsische Vorhofaktionen werden bis zur programmierten Maximalfrequenz bei fehlender AV-Überleitung ventrikulär stimuliert.

Die EKGs in ◘ Abb. 1.79 zeigen die unterschiedlichen Arbeitsweisen des DDD-Schrittmachers.
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Abb. 1.79

a–e Mögliche Arbeitsweisen im DDD-Modus

Cave

Unerwünschte schnelle Triggerung auf die Kammer während Vorhofarrhythmien (Mode-Switch ) und Schrittmacher-Reentry-Tachykardien (ELT -Schutz).

Hauptindikationen

AV-Blockierung, Karotissinussyndrom (DDD mit Spezialalgorithmen).

VAT-Betrieb

Dieser Modus wird in der Regel nicht programmiert. Man spricht aber von einer Arbeitsweise im VAT-Betrieb , wenn ein DDD-Schrittmacher durch den Sinusrhythmus vorhofgesteuert den Ventrikel stimuliert (◘ Abb. 1.79d).

Frequenzadaptiver Modus : Beispiel

AAIR/VVIR/DDIR/DDDR

Der 4. Buchstabe R bedeutet, dass die Frequenzadaptation programmiert ist.

Arbeitsweise

Mit Hilfe eines Sensors wird das Aktivitätsniveau des Patienten kontinuierlich ermittelt. Jedem Aktivitätsniveau wird eine Frequenz zugeordnet. Ziel ist es, den Patienten belastungsadäquat mit der physiologischen Frequenz zu stimulieren (Frequenzadaptation).

Hauptindikationen

  • AAIR, DDIR: Sinusknotensyndrom mit chronotroper Inkompetenz und intrinsischer AV-Überleitung.

  • DDDR: Sinusknotensyndrom mit AV-Blockierungen.

  • DDIR/VDIR: automatische Zuschaltung der R-Funktion zum Zeitpunkt der Modeswitch Situation bei sonst chronotrop kompetenten Patienten (Sinusrhythmus) mit AV-Blockierung.

1.9 VVIR: chronotrope Inkompetenz bei Bradyarrhythmia absoluta  – Limitierung der ventrikulären Maximalfrequenz bei totalem AV-Block

Hauptziel im DDD/VDD-Modus ist es, physiologische Sinusfrequenzen bei Patienten mit AV-Blockierungen auf den Ventrikel zu triggern (VAT-Betrieb).

Der Anwender entscheidet hier, bis zu welcher Vorhoffrequenz noch 1:1 auf den Ventrikel getriggert werden soll. In der Regel können Maximalfrequenzen bis zu 140/150 min−1 problemlos programmiert werden. Beachtet werden soll, dass gelegentlich langsame atriale Tachykardien unterhalb der Maximalfrequenz auftreten und dann möglicherweise zu einer länger dauernden hochfrequenten Stimulation führen können.

Eine systembedingte Limitierung erfolgt durch die Wahl des programmierten PV-Intervalls plus der PVARP (PV-Intervall plus PVARP = totale atriale Refraktärperiode, TARP ), unabhängig von der programmierten Maximalfrequenz.

Je nach Programmierung dieser Parameter (PV-Intervall, PVARP, Maximalfrequenz) kann ein Wenckebach-Verhalten oder ein 2:1-(n:1)-Blockverhalten resultieren. Ist die TARP <Intervall Fmax resultiert ein Wenckebach-Verhalten, ist TARP ≥Intervall Fmax ein n:1-Blockverhalten.

1.9.1 Limitierung durch Maximalfrequenz – Wenckebach-Verhalten

Die programmierte Maximalfrequenz bestimmt die obere Frequenzgrenze, mit der ein Zweikammerschrittmacher (DDD/VDD) den Ventrikel triggern darf. Steigt die Vorhoffrequenz über die Maximalfrequenz, bzw. wird das Vorhofintervall kürzer als das Intervall der Maximalfrequenz, kann der Schrittmacher nicht mehr jede P-Welle 1:1 auf den Ventrikel triggern (◘ Abb. 1.80). Er antwortet mit einem Wenckebach-Verhalten. Das bedeutet, der Schrittmacher darf nicht nach Ablauf des programmierten PV-Intervalls den Ventrikel stimulieren, sondern muss warten, bis das Intervall der Maximalfrequenz nach Verlängerung des PV-Intervalls erreicht ist.
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Abb. 1.80

EKG bei Patient mit AV-Block und DDD- oder VDD-Schrittmacher (Schrittmacher stimuliert im Ventrikel). Das Intervall der Vorhoffrequenz (P-P) ist kürzer als das Intervall der Maximalfrequenz (Intervall Fmax). Der Schrittmacher darf nicht nach Ablauf des PV-Intervalls stimulieren, sondern muss das Intervall der Maximalfrequenz berücksichtigen

Mit jedem folgenden Zyklus verlängert sich das PV-Intervall und die folgenden P-Wellen rücken immer näher in Richtung PVARP. Sobald eine P-Welle in die PVARP fällt, wird sie nicht mehr zur Triggerung des Ventrikels verwendet. Es entsteht eine ventrikuläre Pause und die nächste P-Welle triggert wieder regulär nach Ablauf des programmierten PV-Intervalls den Ventrikel. Jetzt wiederholt sich dieser Vorgang erneut. In diesem gezeigten Fall triggern immer 2 P-Wellen die Ventrikelstimulation und die 3. P-Welle fällt in die PVARP. Dies entspricht hier einem 3:2-Wenckebach-Verhalten (weitere Darstellungen zum Wenckebach-Verhalten ◘ Abb. 1.81 und 1.82).
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Abb. 1.81

Wenckebach-Verhalten bei vorhofgetriggerter ventrikulärer Stimulation im DDD- oder VDD-Modus. Die Vorhoffrequenz ist höher als die Maximalfrequenz Fmax. Der Schrittmacher arbeitet dann im Wenckebach-Verhalten. Die getriggerte Ventrikelfrequenz ist durch die programmierte Maximalfrequenz limitiert

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Abb. 1.82

a, b Belastungs-EKG. a: Die ventrikuläre Maximalfrequenz ist auf 130 ipm programmiert worden. Unter Belastung geht der Schrittmacher in das Wenckebach-Verhalten über, sobald die Vorhoffrequenz >130 min−1 erreicht. Aufgrund der Begrenzung der ventrikulären Stimulationsfrequenz auf 130 ipm verlängert sich das PV-Intervall von Zyklus zu Zyklus, bis eine P-Welle – hier jede 4. – in die postventrikuläre atriale Refraktärzeit fällt. Es wird kein ventrikulärer Stimulus abgegeben. Dies führt zu einer ventrikulären Pause bis zur Wahrnehmung der nächsten P-Welle; b: Die Umprogrammierung der Maximalfrequenz auf 150 ipm vermeidet das Phänomen; die Vorhoffrequenz steigt auf 145 min−1, und die 1:1-AV-Assoziation bleibt erhalten. [P = P-Welle (Vorhofeigenaktion); V = ventrikulärer Schrittmacherstimulus]. Aus: Fischer und Ritter (2002)

1.9.2 Limitierung durch TARP – 2:1-(n:1)-Blockverhalten

Bei Zweikammerschrittmachern ergibt sich die totale atriale Refraktärperiode (TARP ) aus der Summe von PV/AV-Intervall und postventrikulärer atrialer Refraktärperiode (PVARP ). Wenn die TARP z. B. 500 ms (PV-Intervall = 200 ms, PVARP = 300 ms) beträgt, entspricht dies einer maximalen Frequenz von 120 min−1 (60.000 ms/500 ms). Vorhoffrequenzen, die in ◘ Abb. 1.83 >120 min−1 liegen, bzw. Vorhofintervalle, die <500 ms sind, können dann nicht mehr 1:1 auf den Ventrikel getriggert werden, selbst wenn die Maximalfrequenz auf 150 ipm programmiert ist. Die maximale ventrikuläre Stimulationsfrequenz, die in diesem Beispiel erreicht werden kann, beträgt 120 ipm. Der Schrittmacher verwendet ab einer Frequenz von >120 min−1 für die Triggerung des Ventrikels nur noch jede 2. P-Welle, weil die jeweils folgende P-Welle in die PVARP fällt und nicht für das Timing verwendet werden darf. Für Patienten mit AV-Blockierungen äußert sich das in einem plötzlichen Abfall der ventrikulären getriggerten Herzfrequenz auf die Hälfte, wenn die intrinsische P-Wellenfrequenz 120 min−1 überschreitet (◘ Abb. 1.84).
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Abb. 1.83

2:1-Block. Jede 2. P-Welle fällt in die PVARP und wird nicht getriggert. Die Ventrikelfrequenz fällt auf die Hälfte der Vorhoffrequenz ab

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Abb. 1.84

2:1-Blockverhalten bei einer AV-sequenziellen Stimulation im DDD- oder VDD-Modus. Sobald die Vorhoffrequenz die 2:1-Frequenz überschreitet, fällt die getriggerte Ventrikelfrequenz auf die Hälfte, weil der Schrittmacher jetzt nur noch jede 2. P-Welle wahrnehmen kann (jede 2. P-Welle fällt in die TARP bzw. PVARP). Die programmierte Maximalfrequenz (hier 150 ipm) hat keine Bedeutung, da sie über der 2:1-Frequenz liegt. Sie kann nicht erreicht werden, weil der Schrittmacher bei P-Wellenfrequenzen >120 min−1 nur noch jede 2. P-Welle erkennen kann und nur das, was er detektiert, auf den Ventrikel triggern kann

Aus diesem Grunde nennt man die Frequenz, deren Intervall der TARP entspricht, die 2:1-Frequenz (2:1-Punkt ).

Die hier genannten Limitierungen der ventrikulären Frequenz haben nur Bedeutung bei Patienten mit AV-Blockierungen, spontane intrinsische Überleitungen hoher Vorhoffrequenzen bei Patienten ohne AV-Blockierung werden natürlicherweise nicht unterbunden.