© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2019
Diana Morschhäuser, Wilhelm Fischer und Michael JakobPraxis der Herzschrittmacher-Nachsorgehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57828-5_9

9. Troubleshooting

Diana Morschhäuser1 , Wilhelm Fischer2 und Michael Jakob3
(1)
München, Key Account Manager München, München, Deutschland
(2)
Klinik Schongau, Schongau, Deutschland
(3)
Ärztekammer des Saarlandes, Ethikkommission Ärztekammer des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
 
9.1 Schrittmacher-EKG-Analyse
9.1.1 Stimulation
9.1.2 Lagetyp
9.1.3 Sensing
9.1.4 Frequenz
9.1.5 Zeitintervalle
9.2 Auffällige EKG-Befunde
9.2.1 T-Negativität
9.2.2 Tremor
9.2.3 Bewegungsartefakte
9.2.4 Elektromagnetische Einkopplungen
9.2.5 Signale der Impedanzmessung bei AMV-Sensoren
9.3 Wahrnehmungsprobleme
9.3.1 Undersensing
9.3.2 Oversensing
9.3.3 Fallstrick: Automatischer Sensingtest
9.4 Stimulationsprobleme
9.4.1 Exitblock
9.5 Tachykardien bei Schrittmacherpatienten
9.5.1 Spontane Tachykardien
9.5.2 Schrittmacherbeteiligte Tachykardien
9.6 Frequenzabfallreaktion
9.7 Fallstricke
9.7.1 Schrittmacher und Monitorüberwachung
9.7.2 Fallstricke bei der Nachsorge
9.8 Zusammenfassung
9.8.1 Checkliste
Literatur

Die Funktionalität heutiger Schrittmachersysteme erlaubt neben der einfachen Impulsabgabe eine differenzierte Analyse von Rhythmusstörungen und eine automatische Begrenzung der ventrikulären Stimulationsfrequenz der Mehrkammersysteme bei atrialen Arrhythmien und gestörter AV-Überleitung. Terminierung von PMTs, Moduswechsel bei intrinsischer Überleitung sowie Sicherheitsstimulation und eine Vielzahl von aggregatspezifischen Sonderfunktionen sind implementiert und teilweise schon bei Implantation automatisch aktiviert. Die Diagnose einer fehlerhaften Schrittmacherfunktion ist ohne Kenntnis dieser komplexen Algorithmen nicht möglich. Ein im Oberflächen-EKG auf den ersten Blick offensichtlich unerwünschtes Schrittmacherverhalten entpuppt sich bei Kenntnis der Komplexität der Algorithmen nicht als Fehlfunktion, sondern als Normalbefund – aus Sicht des Schrittmachers –, definiert durch die vorgegebene Programmierung.

Wirkliche Schrittmacherfehlfunktionen sind selten. In den meisten Fällen liegt bei unerwünschtem Schrittmacherverhalten eine Fehlinterpretation des EKGs oder eine nicht erkannte Fehlprogrammierung vor.

Dieses Kapitel soll exemplarisch zeigen, wie EKGs von Patienten mit Schrittmachern unter Berücksichtigung von Programmierung und Plausibilität analysiert werden können.

Fragen zur EKG-Analyse

  • Welche Ableitungen sind dargestellt (◘ Abb. 9.1)?

  • Liegt Eigenrhythmus vor?

  • Vorhof- oder Kammerstimulation?

  • Wie verläuft die Erregungsausbreitung?

  • Welche Betriebsart könnte vorliegen? (VVI, AAI, DDD, VDD)

  • P-Wellenmorphologie, AV-Zeit, QRS-Breite, ST-Strecke

  • Ist das EKG artefaktfrei?

  • Sind Netzfilter und/oder „Muskelfilter“ (meistens 35 Hertz) eingeschaltet worden (► Abb. 4.​1)?

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Abb. 9.1

a, b a: EKG Abl. I – Verdacht auf Vorhoftachykardie; b: EKG Abl. II zeigt einen Sinusrhythmus (mit SVES)

9.1 Schrittmacher-EKG-Analyse

Eine systematische EKG-Analyse ohne Kenntnis von Programmierung und Stimulationsmodus sollte die in der Übersicht formulierten Überlegungen berücksichtigen.

9.1.1 Stimulation

Wo wird stimuliert, im Vorhof, im Ventrikel oder in Vorhof und Ventrikel? Gibt es ein konstantes Intervall zwischen intrinsischer P-Welle und ventrikulärem Stimulus? (Liegt also eine sog. „VAT-Stimulation“ vor?) Sind alle Stimuli effektiv, d. h. erfolgt nach einem Stimulus eine Depolarisation? Wird eine ineffektive Stimulation bei Impulsabgabe zum Zeitpunkt der intrinsischen Refraktärphase beobachtet? Könnte eine Pseudofusion, Fusion oder Pseudopseudofusion vorliegen?

9.1.2 Lagetyp

Bestimmung des Stimulationsortes aus den Extremitätenableitungen I, II, III
  • überdrehter Linkstyp mit Linksschenkelblock bei rechtsapikaler Stimulation (◘ Abb. 1.​26),

  • Rechtstyp bis überdrehter Rechtstyp mit relativ schmalem Kammerkomplex bei Stimulation am Septum bzw. im rechtsventrikulären Ausflusstrakt (◘ Abb. 1.​27),

  • Rechtstyp bis überdrehter Rechtstyp mit Rechtsschenkelblock bei Stimulation im linken Ventrikel (◘ Abb. 9.2),

  • unterschiedliche Lagetypen und kaum verbreiterter Kammerkomplex bei biventrikulärer Stimulation.

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Abb. 9.2

Oberflächen-EKG, Rechtsschenkelblock bei links-ventrikulärer Sondenlage via offenem Foramen ovale. Aus: Fischer und Ritter (2002)

9.1.3 Sensing

Werden P-Wellen und R-Wellen, einschließlich Extrasystolen regelrecht wahrgenommen (Inhibierung des atrialen oder ventrikulären Stimulus)? Liegt z. B. eine VAT-Stimulation vor? Könnte z. B. bei intrinsischer Überleitung ein atrialer Sensingverlust durch eine lang programmierte AV-Zeit (kein ventrikulärer Stimulus) kaschiert sein?

9.1.4 Frequenz

Hohe atriale Stimulationsfrequenz

Ist die Stimulationsfrequenz (z. B. AAIR; DDDR-Modus) erhöht (z. B. >80/min), können eine sensorgesteuerte Frequenz, Frequenzglättungs- oder Beschleunigungsalgorithmen in Betracht gezogen werden.

Hohe ventrikuläre Stimulationsfrequenz

Einkammersystem (VVI (R)). Ist beim Einkammermodus bei Vorhofflimmern die ventrikuläre Stimulationsfrequenz erhöht (z. B. >80/min), können eine sensorgesteuerte Frequenz, Frequenzglättungs- oder Beschleunigungsalgorithmen als Ursache in Frage kommen.

Zweikammersystem (DDD (R)). Hohe ventrikuläre Stimulationsfrequenzen bei intrinsischer Vorhoffrequenz können zurückzuführen sein auf folgende Ursachen:
  • Sinusrhythmus bis zur Maximalfrequenz,

  • atriale Tachyarrhythmie ohne aktivierten Mode-Switch,

  • Vorhoftachykardie mit 2:1-Blanking,

  • ausbleibender Mode-Switch bei intermittierendem Sensingverlust während Vorhofflimmern. Wechsel zwischen ventrikulärer Stimulation an der Maximalfrequenz und der Fallbackfrequenz.

9.1.5 Zeitintervalle

  • Sind die Zeitintervalle identisch, z. B. Stimulationsintervall, Auslöseintervall? Entspricht das Stimulationsintervall dem Auslöseintervall oder könnte eine Frequenzhysterese programmiert sein?

  • Sind AV- und PV-Intervall unterschiedlich, weil z. B. eine AV-Korrektur programmiert ist? Gibt es Hinweise für eine AV-Hysterese?

  • Fehlen gelegentlich nach einer stimulierten oder intrinsischen P-Welle eine intrinsische ventrikuläre Depolarisation und der ventrikuläre Stimulus, sodass eine kurze ventrikuläre Pause entsteht? Könnte es sich um einen Spezialalgorithmus zur Vermeidung der rechtsventrikulären Stimulation handeln (► Abschn. 3.​4.​2)?

  • Findet sich eine AV-sequenzielle Ventrikelstimulation mit auffallend kurzer AV-Zeit zwischen 90 und 110 ms? Könnte es sich um eine ventrikuläre Sicherheitsstimulation handeln (◘ Abb. 2.​5)?

9.2 Auffällige EKG-Befunde

9.2.1 T-Negativität

  • Memory-Effekt (◘ Abb. 9.3),

  • Ischämiezeichen.

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Abb. 9.3

Vom behandelnden Arzt kam die Anfrage, „ob die T-Negativierungen aufgefallen sind. Der Patient ist beschwerdefrei“. Es handelt sich um einen „Cardiac memory“-Effekt bei einem Schrittmacherpatienten, nicht um eine Myokardischämie

T-Wellen-Inversionen nach ventrikulärer Stimulation beim nicht-stimulierten Ventrikel werden als (Cardiac) Memory-Effekt bezeichnet. Sie dürfen beim Schrittmacherpatienten nicht als Myokardischämie interpretiert werden (◘ Abb. 9.3).

Anders muss die T-Negativität bewertet werden, wenn ein tief negatives Q (als Nekrosezeichen bei Zustand nach Myokardinfarkt) vorausgeht (◘ Abb. 9.4).
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Abb. 9.4

Das tiefe Q in II, III, aVF gehört nicht zu einem „Cardiac memory“-Effekt, hier handelt es sich um einen Zustand nach Myokardinfarkt

9.2.2 Tremor

Tremorartefakte können die Interpretation des EKGs bei Patienten mit Morbus Parkinson erheblich erschweren (◘ Abb. 9.5).
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Abb. 9.5

ab a: EKG bei einer Patientin mit Morbus Parkinson und Schrittmacher (hier ohne Stimulation) täuscht aufgrund des Muskeltremors eine Vorhoftachyarrhythmie vor; b: Tremorfreies EKG zeigt bei derselben Patientin einen Sinusrhythmus

9.2.3 Bewegungsartefakte

Bewegungsartefakte beim Telemetrie-EKG: Es liegt keine ventrikuläre Tachykardie vor (◘ Abb. 9.6).
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Abb. 9.6

Bewegungsartefakte im Telemetrie-EKG ausgelöst durch Zähneputzen

9.2.4 Elektromagnetische Einkopplungen

Externe elektromagnetische Einkopplungen (verursacht durch das EKG-Gerät ohne Beeinflussung des Schrittmachers) zeigen neben den Schrittmacherstimuli Stimulationsartefakte, die regelmäßig oder unregelmäßig auftreten und den Rhythmus nicht beeinflussen (◘ Abb. 9.7).
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Abb. 9.7

Zusätzlich zu den Schrittmacherstimuli (Vorhof- und Ventrikelstimuli) finden sich Artefakte, die vom EKG-Gerät selbst verursacht wurden

9.2.5 Signale der Impedanzmessung bei AMV-Sensoren

Schrittmacher mit Atemvolumensensor (AMV) senden zur Impedanzmessung niedrigamplitudige Signale (im μA-Bereich) aus, die bei entsprechender Verstärkung durch das EKG-Gerät auf dem Oberflächen-EKG sichtbar werden (◘ Abb. 9.8).
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Abb. 9.8

Hochempfindliche EKG-Geräte können bei Schrittmacheraggregaten, die eine Impedanzmessung für die Atemminutenvolumen-Äquivalentmessung durchführen, eine Überlagerung des normalen EKGs mit hochfrequenten Artefakten zeigen

9.3 Wahrnehmungsprobleme

9.3.1 Undersensing

Wenn kardiale Signale vom Herzschrittmacher nicht detektiert werden, liegt ein Undersensing (Entranceblock ) vor (Ausnahme: Blankingzeiten des Schrittmachers). Es kann sich um ein intermittierendes oder permanentes Problem handeln. Gründe hierfür sind z. B. zu hoch programmierte Empfindlichkeitsschwelle, Sondendefekt (Isolationsdefekt, Leiterbruch etc.), Sondendislokation, Softwaredefekt, Störfrequenzstimulation und Magnetauflage.

EKG: Intrinsische Depolarisationen, die eine Impulsabgabe in Vorhof und/oder Kammer nicht inhibieren.

Undersensing im Ventrikel

Es fallen QRS-Komplexe auf, die vom Schrittmacher nicht detektiert werden, da der Schrittmacher mit seinem programmierten/berechneten Intervall stimuliert. Fallen die Stimulationen in die absolute Refraktärphase des Ventrikelmyokards, sind sie ineffektiv. Bei Stimulationen außerhalb der absoluten Refraktärphasen können einzelnen Depolarisationen ausgelöst werden (◘ Abb. 9.9a). Im ungünstigsten Fall – bei Stimulation in die vulnerable Phase – kann es zu ventrikulären Tachyarrhythmien (◘ Abb. 9.9b) bis hin zu Kammerflimmern kommen.
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Abb. 9.9

ab a: Undersensing von ventrikulären intrinsischen Signalen führt zu einer starrfrequenten Stimulation im Ventrikel. Die ersten 2 Stimulationen und die 4. Stimulation sind nicht effektiv, weil sie in die Refraktärzeit des Myokards fallen. Der 3. und 5. Stimulus fallen außerhalb der Refraktärzeit ein und lösen eine Depolarisation aus. Aus: Fischer und Ritter (2002); b: Ventrikuläre Tachykardie nach Undersensing und Stimulation in die vulnerable Phase (T-Welle)

Differenzialdiagnostisch können kurz gekoppelte ventrikuläre Extrasystolen, die in die ventrikuläre Refraktärzeit fallen und aus diesem Grunde das Timing nicht zurücksetzen, im Oberflächen-EKG als Undersensing missinterpretiert werden.

Undersensing im Vorhof bei AAI-Systemen

Undersensing im Vorhof bei einem AAI-Schrittmacher führt analog dem Undersensing im Ventrikel zur starrfrequenten Stimulation.

Undersensing im Vorhof bei DDD-Systemen und intrinsischer AV-Überleitung

Atriales Undersensing kann in der Betriebsart DDD unentdeckt bleiben, wenn bei lang programmiertem AV-Intervall eine intrinsische AV-Überleitung vorliegt, die kürzer ist als das programmierte AV-Intervall. Eine weitere Voraussetzung dafür ist, dass die ventrikuläre intrinsische Frequenz höher ist als die programmierte Grundfrequenz, d. h., bevor das Stimulationsintervall für den Vorhof (VA-Intervall) abgelaufen ist, nimmt der Schrittmacher eine R-Welle wahr und setzt die Zeitintervalle für den Schrittmacher zurück (◘ Abb. 9.10). Da keine P-Wellen vor den R-Wellen wahrgenommen werden, speichert der Schrittmacher die R-Welle als ventrikuläre Extrasystole.
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Abb. 9.10

Atriales Undersensing mit intrinsischer AV-Überleitung und DDD-Schrittmacher. Intrinsische P-Wellen werden nicht erkannt (kein „P“, QRS-Komplex „R“ wird vom Schrittmacher als VES interpretiert)

Eine ventrikuläre Extrasystole ist für den Schrittmacher definiert als eine detektierte, intrinsische ventrikuläre Depolarisation, der weder eine intrinsische Vorhofaktion noch ein atrialer Stimulationsimpuls vorausgeht. Ein atriales Undersensing bei intrinsischer Überleitung fällt oft erst bei der Nachsorge während des atrialen Sensingtests auf und kann mittels markerannotiertem intrakardialem EGM dokumentiert werden. Im Speicher findet sich oft ein extrem hoher Anteil von VES.

Undersensing im Vorhof bei DDD-Systemen und AV-Blockierungen

Ein atriales Undersensing im DDD-Modus und AV-Block führt zu einer AV-sequentiellen Ventrikelstimulation (◘ Abb. 9.11). Im VDD-Modus zeigt das Oberflächen-EKG das Bild einer VVI-Stimulation (◘ Abb. 9.12).
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Abb. 9.11

Atriales Undersensing mit AV-Blockierung und DDD-Modus, Frequenz 30 ipm

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Abb. 9.12

Atriales Undersensing mit AV-Blockierung und VDD-Modus, Frequenz 30 ipm

Sensingausfall bei langer Ausblendzeit

Fallen intrinsische Signale in die Ausblendzeit, kann der Schrittmacher diese Signale nicht wahrnehmen, unabhängig von der Signalamplitude. So kann z. B. Vorhofflattern unerkannt bleiben, wenn jedes zweite Vorhofflattersignal in das postventrikuläre atriale Blanking (PVAB) fällt. In dieser Situation liegt bei Patienten mit fehlender Überleitung ein 2:1-Blockverhalten vor. Da in der Regel die Frequenz der detektierten atrialen Depolarisationen (nur jede 2.) unter der Mode-Switch-Frequenz liegt, wird trotz atrialer Tachykardie kein Mode-Switch durchgeführt (◘ Abb. 9.13).
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Abb. 9.13

2:1-Blanking: Postventrikuläres atriales Blanking (PVAB) auf 150 ms programmiert. Jede 2. P-Welle (Frequenz 240 min−1) fällt in die PVAB. Jede 2. P-Welle wird erkannt und triggert eine ventrikuläre Stimulationsfrequenz von 120 ipm. Der Mode-Switch kann nicht durchgeführt werden, da nur jede 2. P-Welle erkannt wird und für den Schrittmacher eine Vorhoffrequenz von 120/min vorliegt

Problemlösungen bei Undersensing

Empfindlichkeitswert anpassen, ggf. Wahrnehmung auf bipolar umprogrammieren und Ausblendzeiten bzw. Refraktärzeiten optimieren. Wenn auch mit maximaler Empfindlichkeit und optimierten Ausblendzeiten bzw. Refraktärzeiten keine intrinsischen Signale detektiert werden, muss eine Sondenrevision erfolgen.

9.3.2 Oversensing

Es handelt sich um eine Wahrnehmung unerwünschter kardialer oder extrakardialer Signale am atrialen oder ventrikulären Eingang.

Myosignale

Die Wahrnehmung von Myosignalen wird fast ausschließlich bei unipolaren Systemen beobachtet, wobei unterschiedliche EKG-Phänomene bei Ein- oder Zweikammersystemen zu beobachten sind.

Bei Einkammersystemen (Vorhof oder Ventrikel) werden die Myosignale als intrinsische Depolarisationen interpretiert und setzen das Timing des Schrittmachers zurück, d. h. die Impulsabgabe wird inhibiert. Entweder tritt jetzt ein Eigenrhythmus unterhalb der programmierten Grundfrequenz auf oder es resultiert für die Dauer des Oversensings eine Asystolie.

Bei Zweikammersystemen ist die Reaktion des Schrittmachers abhängig davon, ob ein Oversensing am atrialen oder am ventrikulären Kanal auftritt.

Bei Oversensing im ventrikulären Kanal erfolgt eine Inhibierung der Impulsabgabe sowohl im Vorhof als auch im Ventrikel für die Dauer des Oversensings (◘ Abb. 9.14).
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Abb. 9.14

Myosignal-Oversensing im Ventrikel bei VVI/VDD/DDI/DDD-Systemen. Aus: Fischer und Ritter (2002)

Bei Oversensing im atrialen Kanal erfolgt eine ventrikuläre Stimulation für die Dauer des Oversensings in der Regel an der oberen Grenzfrequenz (◘ Abb. 9.15). Je nach Programmierung ist auch ein Mode-Switch möglich, weil für den Schrittmacher eine atriale Tachyarrhythmie vorliegt. Nach Durchführung des Mode-Switch kann im Oberflächen-EKG ein Sinusrhythmus mit AV-Überleitung ohne Schrittmacherstimulus beobachtet werden, wenn die Sinusfrequenz über der Fallbackfrequenz liegt. Bei langsamen Sinusfrequenzen bzw. AV-Überleitungsstörungen zeigt das Oberflächen-EKG eine VVI-Stimulation.
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Abb. 9.15

Myosignal-Oversensing im Vorhof bei DDD-Systemen bei Anspannung des M. pectoralis führt hier initial zur VAT-Stimulation an der oberen Grenzfrequenz. Zusätzlich wird durch die AV-Desynchronisation eine PMT gestartet, sodass die hohe ventrikuläre Stimulationsfrequenz anhält, obwohl kein Myosignal-Oversensing mehr vorliegt. Aus: Fischer und Ritter (2002)

Die Provokation von Oversensing durch Myosignale erfolgt mit laufender intrakardialen EKG-Aufzeichnung und Markerannotation (◘ Abb. 9.16). Um Oversensing durch Myosignale zu provozieren, kann der Patient z. B. für einige Sekunden beide Hände ineinander gehakt auseinanderziehen und/oder anschließend beide Hände für mehrere Sekunden gegeneinander drücken.
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Abb. 9.16

Gespeicherte Episode mit Myosignal-Oversensing im Ventrikel

Problemlösung: Bipolare Wahrnehmung und/oder Sensingschwelle unempfindlicher programmieren .

R-Wellen Far-Field-Sensing (FFS )

Während intrinsische P-Wellen aufgrund ihrer niedrigen Signalamplitude praktisch nie ein Übersprechen auf den Ventrikel verursachen können, kann es jedoch umgekehrt zu R-Wellen Far-Field-Sensing im Vorhof kommen. Da die R-Welle (stimuliert oder intrinsisch) für den Schrittmacher als ein intrinsisches atriales Signal interpretiert wird, muss er auf dieses Signal entsprechend der aktuellen Programmierung reagieren.

Beim AAI-System führt R-Wellen Far-Field-Sensing zu einer Stimulationsfrequenz unterhalb der programmierten Frequenz, wenn das R-Wellen-Far-Field-Signal außerhalb der atrialen Refraktärzeit auftritt (◘ Abb. 9.17 und 9.18). Die atriale Refraktärzeit wird mit Abgabe eines atrialen Stimulus oder bei Detektion einer intrinsischen Vorhofdepolarisation gestartet, ein R-Wellen Far-Field-Sensing innerhalb der atrialen Refraktärzeit beeinflusst das Timing nicht. Bei einem Eigenrhythmus über der programmierten Grundfrequenz kann ein FFS aus dem Oberflächen-EKG nicht diagnostiziert werden (◘ Abb. 9.19).
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Abb. 9.17

FFS im AAI-Modus bei Vorhofstimulation. Programmierte atriale Refraktärperiode (ARP) 200 ms. AS = atriale Wahrnehmung; AP = atriale Stimulation. Aus: Fischer und Ritter (2002)

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Abb. 9.18

AAI-System mit R-Wellen Far-Field-Sensing mit Wahrnehmung des QRS-Komplexes nach Überleitung innerhalb (S) und außerhalb der Refraktärzeit. Wahrnehmung außerhalb der Refraktärzeit (S ohne Klammer ↑) setzt das Timing zurück

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Abb. 9.19

R-Wellen Far-Field-Sensing bei AAI-System und Spontanfrequenz über der Grundfrequenz. In diesem Fall hat das Oversensing keine Konsequenz, da Eigenrhythmus im Vorhof besteht

Im DDD-Modus können ein R-Wellen Far-Field-Sensing (◘ Abb. 9.20a, b) oder eine regelmäßige retrograde Leitung einen inadäquaten Mode-Switch verursachen, wenn das Mode-Switch-Kriterium erfüllt ist, da diese Signale für den Schrittmacher tachykarde Vorhofeigenaktionen darstellen. Voraussetzung dafür, dass die Mode-Switch-Situation im Oberflächen-EKG diagnostiziert werden kann, ist das Vorliegen einer höhergradigen AV-Blockierung, da bei Sinusrhythmus über der aktuellen Basisfrequenz und intrinsischer Überleitung der Schrittmacher zwar im Mode-Switch arbeitet, aber die intrinsische Überleitung nicht beeinflussen kann. Bei Spontanfrequenzen über der Grundfrequenz und intrinsischer Überleitung führt der Schrittmacher zwar intern einen Mode-Switch durch, eine Rhythmusänderung im Oberflächen-EKG ist aber natürlich nicht zu beobachten.
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Abb. 9.20

ab a: Regelmäßiges R-Wellen Far-Field-Sensing (AS) nach VP z. Bei AS VS ventrikuläre Extrasystole zum Zeitpunkt der intrinsischen Vorhofdepolarisation; b: Mode-Switch nach R-Wellen Far-Field-Sensing. VAT-Stimulation mit regelmäßigem Far-Field-Sensing

Problemlösung: Verlängerung des postventrikulären atrialen Blankings (PVAB) und/oder evtl. Umprogrammierung der atrialen Empfindlichkeit (◘ Abb. 9.50 und 9.51).

Wahrnehmung ventrikulärer Signale im Vorhof:
  • AAI-System: Verlängerung des Stimulationsintervalls (Abfall der Stimulationsfrequenz)

  • DDD-System:
    • innerhalb der PVARP evtl. falsch positiver Mode-Switch

    • außerhalb der PVARP evtl. PMT

T-Wellen-Oversensing

Ein T-Wellen-Oversensing ist bei Schrittmachern mittlerweile sehr selten geworden, bei ICD -Patienten stellt es wegen der empfindlicheren Programmierung der ventrikulären Sensingschwellen manchmal noch ein ernstes Problem dar (◘ Abb. 9.21 und 9.22).
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Abb. 9.21

T-Wellen-Oversensing (VS) setzt das Auslöseintervall zurück und senkt damit die ventrikuläre Stimulationsfrequenz. Im 1. Zyklus wird die T-Welle innerhalb der ventrikulären Refraktärzeit wahrgenommen (VR) und startet das Timing nicht neu

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Abb. 9.22

Intermittierendes T-Wellen-Oversensing im ventrikulären Sicherheitsfenster (/) mit verkürztem AV-Intervall (ca. 100–110 ms) bei ventrikulärer Sicherheitsstimulation oder AV-Crosstalk des atrialen Impulses. Eine eindeutige Zuordnung ist aus dem Oberflächen-EKG nicht möglich

T-Wellen-Oversensing außerhalb der ventrikulären Refraktärzeit bei VVI-Systemen führt dazu, dass ventrikuläre Stimulationsfrequenzen oder intrinsische Ventrikelfrequenzen unterhalb der programmierten Grundfrequenz beobachtet werden können. Bei intrinsischen Ventrikelfrequenzen über der Grundfrequenz ist die Diagnose aus dem Oberflächen-EKG nicht möglich. Die Diagnose ist im intrakardialen EGM mit Markerannotation jedoch leicht zu stellen (◘ Abb. 9.21).

Lösung

Umprogrammierung der ventrikulären Empfindlichkeit und/oder Refraktärzeit.

Störfrequenz

◘ Abb. 9.23 zeigt einen DDD-Schrittmacher mit Detektion elektromagnetischer Signale im atrialen Kanal. Der Schrittmacher geht in einen Störmodus über und stimuliert den Ventrikel im VDI-Modus.
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Abb. 9.23

Störsignale auf der atrialen Sonde (Ai atrial inhibiert) mit VDI-Stimulation (V)

AV-Crosstalk (atriales Übersprechen)

◘ Abb. 9.24 zeigt die Detektion eines Signals am ventrikulären Eingang nach Ablauf der Ausblendzeit und vor Ablauf des ventrikulären Sicherheitsstimulationsintervalls. Das AV-Intervall ist auffallend kurz (ca. 100–110 ms) wegen ventrikulärer Sicherheitsstimulation bei AV-sequenziellen Systemen (► Abschn. 2.​1).
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Abb. 9.24

Auffallend kurzes AV-Intervall wegen ventrikulärer Sicherheitsstimulation bei Crosstalk. Zusätzlich atrialer Exitblock und VA-Leitung

9.3.3 Fallstrick: Automatischer Sensingtest

Die Programmierung der Empfindlichkeit auf dem Boden der im Sensingtest ermittelten Signalamplituden kann zu erheblichen Fehlprogrammierungen führen, wenn eine klare Zuordnung der gemessenen Signalamplituden zu intrinsischen Depolarisationen nicht möglich ist. ◘ Abb. 9.25 zeigt, dass die Signalamplitude der VES doppelt so hoch ist wie die Amplitude der normalen intrinsischen Depolarisation. Eine 2:1-programmierte Wahrnehmungsschwelle würde dazu führen, dass der normale QRS-Komplex kaum detektiert werden könnte.
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Abb. 9.25

Sensingtest im Ventrikel: R-Wellen 7,5 mV; VES-Signal: 13 mV. Hier wird deutlich, dass R-Wellen und VES unterschiedliche Werte aufweisen können. Für die Programmierung muss der niedrigste Wert berücksichtigt werden

Manche Schrittmachermodelle geben nur die Signalamplitude der ersten gemessenen intrinsischen Depolarisation an, sodass eine klare Zuordnung, welches Signal gemessen wurde, nicht möglich ist.

9.4 Stimulationsprobleme

9.4.1 Exitblock

Ein Exitblock (auch als Capture-Verlust oder ineffektive Stimulation bezeichnet) liegt vor, wenn ein Schrittmacherimpuls keine Depolarisation auslöst. Als Ursachen kommen in Betracht:
  • Impuls mit unterschwelliger Energie ,

  • Passagere Reizschwellenerhöhung des Myokards,

  • Stimulation in die Refraktärzeit des Myokards,

  • Fehlende Sondenkonnektion,

  • Sondenprobleme,

  • Batterieerschöpfung,

  • Hard- und Softwaredefekte.

Das EKG zeigt Stimuli ohne nachfolgende atriale oder ventrikuläre Depolarisationen. Bei Exitblock auf Vorhofebene können intrinsische Vorhofaktionen auftreten, die bei korrekter Wahrnehmung außerhalb der Refraktärzeit das Timing zurücksetzen. Bei Exitblock auf ventrikulärer Ebene ohne Eigenrhythmus droht die Asystolie (◘ Abb. 9.26 und 9.27).
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Abb. 9.26

Ventrikulärer Exitblock bei korrektem Sensing. QRS-Komplexe in der Refraktärzeit (VR) starten das Timing nicht neu

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Abb. 9.27

Exitblock bei Batterieerschöpfung. Stimulationsfrequenz etwa 12 Stimuli/min ↑

9.5 Tachykardien bei Schrittmacherpatienten

Angaben und Klagen seitens des Patienten über Attacken von Herzrasen sind anhand der anamnestischen Angaben nur schwer zu klassifizieren.

Prinzipiell können unterschieden werden:

9.5.1 Spontane Tachykardien

Tachykardien, bei denen der Schrittmacher an der Auslösung und Perpetuierung nicht beteiligt ist (◘ Abb. 9.28 und 9.29):
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Abb. 9.28

Laut Diagnose des Schrittmacheralgorithmus handelt es sich um eine PMT. Tatsächlich liegt eine atriale Tachykardie (Frequenz ca. 120 min−1) vor, da die Tachykardie nicht durch Verlängerung der PVARP und Ausbleiben der ventrikulären Impulsabgabe beendet wird. AS = atriales Sensing; (AS) = atriales Sensing in der Refraktärzeit; VS = ventrikuläres Sensing; VP-MT = ventrikuläre Stimulation an der Maximalfrequenz

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Abb. 9.29

R-Wellen Far-Field-Sensing und ventrikuläre Tachykardie

  • atriale (Vorhofflimmern, Vorhofflattern, fokale Tachykardien, Sinusknoten-Reentry),

  • AV-nodale,

  • AV-Reentry,

  • ventrikuläre.

◘ Abb. 9.29 zeigt laut Schrittmacherangabe eine ATR (atriale Tachyreaktion = Mode-Switch). Tatsächlich liegt zum Zeitpunkt der Diagnose keine atriale Tachykardie vor, sondern R-Wellen Far-Field-Sensing bei normalem Sinusrhythmus. Die unmittelbar darauf spontan startende ventrikuläre Tachykardie (Zykluslänge 300 ms) wird vom Algorithmus des Schrittmachers nicht diagnostiziert. Die ventrikuläre Tachykardie zeigt im Verlauf später eine 2:1-VA-Überleitung. Nach durchgeführtem Mode-Switch terminiert sich die Tachykardie spontan. Während der Mode-Switch-Phase stimuliert der Schrittmacher im VDIR-Modus mit regelmäßiger 1:1-VA-Leitung.

9.5.2 Schrittmacherbeteiligte Tachykardien

  • Hochfrequente Ventrikelstimulation durch Tracking von atrialen Tachyarrhythmien oder Tracking von Myosignalen oder Far-Field-Sensing im atrialen Kanal,

  • Schrittmacher-Reentry-Tachykardie/PMT (schrittmachervermittelte Tachykardie),

  • Tachykardien, die nach inadäquater Impulsabgabe in die vulnerable Phase (z. B. bei Undersensing) durch den Schrittmacher ausgelöst werden: atrial, ventrikulär, nodal und atrio-ventrikulärer Reentry,

  • Tachykardien bei Hard- und Softwaredefekten,

  • Tachykardien bei überschießender Sensorreaktion.

Im Folgenden werden Beispiele für die schrittmacherbeteiligten Tachykardien aufgeführt.

Tracking von atrialen Tachyarrhythmien und Myosignalen

(◘ Abb. 9.30 und 9.31)
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Abb. 9.30

Kurze atriale Tachykardie

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Abb. 9.31

Hohe ventrikuläre Stimulationsfrequenz an der Maximalfrequenz (MS) durch Myosignal-Oversensing im Vorhof (P)

Inadäquat hohe ventrikuläre Stimulationsfrequenz bei:
  • Tracking von atrialen Arrhythmien,

  • Tracking von atrial gesensten Myosignalen.

Beim DDD-System führen Vorhofflimmern, Far-Field-Sensing oder Myosignal-Oversensing zu einer Stimulation bis zur Maximalfrequenz, solange ein Mode-Switch in einen VDI(R)- oder DDI(R)-Modus nicht erfolgt ist. Je nach aggregatspezifischem Algorithmus kann der Switch beat-to-beat oder verzögert erfolgen, sodass für eine unterschiedlich lange Zeit eine Stimulation an der oberen Grenzfrequenz beobachtet werden kann. Intermittierendes Undersensing der Signale bei Vorhofflimmern kann dazu führen, dass die Dauer der Stimulation an der oberen Grenzfrequenz verlängert wird, weil das Mode-Switch-Kriterium (Dauer der Tachykardie) verzögert erreicht wird.

Schrittmacher-Reentry-Tachykardien /PMT (schrittmachervermittelte Tachykardien)

Hohe ventrikuläre Stimulationsfrequenz, in der Regel an der Maximalfrequenz, bei DDD/VDD-Systemen und Vorliegen einer retrograden Leitung (► Abschn. 2.​2.​1).

Der ventrikuläre Impuls führt nach rückwärtiger Leitung durch den AV-Knoten (VA-Leitung) zu einer Depolarisation des Vorhofs. Diese Depolarisation wiederum triggert einen ventrikulären Impuls, der wiederum rückwärtig geleitet wird und eine neuerliche Vorhofdepolarisation auslöst. Dieser Reentry-Kreis wird solange unterhalten, bis entweder die rückwärtige Leitung unterbrochen wird oder ein schrittmacherspezifischer Algorithmus die ventrikuläre Stimulation auslässt und somit die rückwärtige Leitung unterbricht. Die Bedingungen für die Diagnose einer PMT seitens des Schrittmachers und deren auslösende Mechanismen sind in der Übersicht zusammengefasst.

Diagnose und auslösende Mechanismen einer PMT

  • Diagnose:
    • Längere Stimulation an der oberen Grenzfrequenz

    • Regelmäßige, identische VA-Depolarisationssequenz (X aus Y)

    • Regelmäßige atriale Depolarisation mit extremer Vorzeitigkeit

  • Mechanismen:
    • Atrialer Sensingverlust

    • Atrialer Exitblock

    • Atriales Oversensing

    • Atriale Extrasystolie

    • Langes AV-Delay

    • VES

    • Far-Field-Sensing

Die Messung der retrograden Leitungszeit ist entweder im Oberflächen-EKG nach Auslösen einer PMT möglich oder durch Darstellung der VA-Leitung mit retrogradem Leitungstest und Annotation des intrakardialen EKGs (◘ Abb. 9.32).
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Abb. 9.32

ab a: Ineffektive atriale Stimulation mit regelmäßiger VA-Leitung; b: zeigt das intrakardiale EKG von a mit gut erkennbarer retrograder Vorhofdepolarisation und atrialem Exitblock bei bipolarer Stimulation

Fallstrick automatische Messung der retrograden Leitung (VA-Leitung)

Die Dauer der gemessenen retrograden Leitung wird vom Schrittmacher nicht immer korrekt – bei gleichzeitigem Vorliegen eines R-Wellen Far-Field-Sensings (FFS) – angegeben (◘ Abb. 9.33 und 9.34).
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Abb. 9.33

Halbautomatischer Test: Der Schrittmacher misst retrograde Leitungszeiten, die kürzeste 176 ms und die längste 277 ms

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Abb. 9.34

Ursache für die unterschiedlichen Zeiten ist im vorliegenden Fall ein R-Wellen Far-Field-Sensing neben der VA-Leitung (ca. 270 ms), FFS (ca. 176 ms)

Tachykardie durch inadäquate Sensorfunktion

Es kommt zu einem überschießenden Frequenzanstieg bei minimaler Belastung oder einem verzögerten Frequenzabfall nach Belastung aufgrund einer inadäquaten Sensorreaktion (◘ Abb. 9.35).
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Abb. 9.35

Inadäquate Sensorfrequenz mit AV-sequenzieller Stimulation bei Transport im Rettungswagen über Kopfsteinpflaster

Tachykardie durch Hardwaredefekt ◘ Abb. 9.36

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Abb. 9.36

Ventrikuläre Stimulationsfrequenz um 120/min bei gesichertem Defekt einer Halbleiterdiode

Atriale Tachykardie durch atriale Stimulation nach Undersensing ◘ Abb. 9.37

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Abb. 9.37

Vorhofflattern nach atrialem Undersensing

Vorhofflimmern durch atriale Impulsabgabe bei VES

Siehe ► Abschn. 2.​2.​1 (◘ Abb. 9.38)
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Abb. 9.38

Atriale Impulsabgabe bei ventrikulärer Extrasystole (PVC), um das Auslösen einer PMT zu verhindern, induziert Vorhofflimmern

9.6 Frequenzabfallreaktion

◘ Abb. 9.39 zeigt eine hohe AV-sequenzielle Stimulation nach abruptem Frequenzabfall.
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Abb. 9.39

Frequenzabfallreaktion nach abrupter Bradykardie

9.7 Fallstricke

9.7.1 Schrittmacher und Monitorüberwachung

Die Interpretation des Schrittmacher-EKG durch Monitorsysteme bedarf einer genauen Überprüfung, da falsche Diagnosen systembedingt möglich sind.

Double Counting

Ein oft beobachtetes Phänomen sind falsch positive ventrikuläre Tachykardien bei der Monitorüberwachung durch Double counting z. B. des atrialen Stimulus und des QRS-Komplexes oder des stimulierten Ventrikels und der T-Welle (◘ Abb. 9.40).
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Abb. 9.40

Double counting des atrialen Stimulus und des R-Wellensignal (Herzfrequenz = 80 min−1, Monitor zeigt 160 min−1)

Fehlende Depolarisation

Eine Asystolie kann unbemerkt bleiben, weil der Monitor die Schrittmacherstimuli als Frequenz innerhalb der Alarmgrenzen registriert und fehlende Depolarisation nicht diagnostiziert. (◘ Abb. 9.41 und 9.42).
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Abb. 9.41

Asystolie – bei regelmäßiger Impulsabgabe

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Abb. 9.42

DDD-System mit ventrikulärem Exitblock und ventrikulärem Sensingverlust, korrekte Wahrnehmung der intrinsischen Vorhofaktion

Ventrikulärer Sensingverlust bei Kammerflimmern

◘ Abb. 9.43 zeigt am Monitor Kammerflimmern mit regelmäßigen ventrikulären Impulsabgaben, die nicht durch die Flimmersignale inhibiert werden. Zweimalig findet sich auch eine atriale Stimulation.
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Abb. 9.43

Regelmäßige ventrikuläre Impulsabgabe während Undersensing von Kammerflimmern. Korrekte Alarmierung bei Erkennen der ventrikulären Rhythmusstörung durch den Monitor der Intensivstation

Um die unbemerkte Asystolie bei Schrittmacherpatienten zu vermeiden, empfiehlt es sich, neben dem EKG auch die Pulsoxymetrie und ggf. den (fortlaufend gemessenen) intraarteriellen Blutdruck in die Alarmfunktion des Monitorsystems der Intensivstation mit einzubeziehen.

9.7.2 Fallstricke bei der Nachsorge

  • Fehlende Umprogrammierung der Impulsamplitude durch den Anwender entsprechend der manuellen Reizschwellenbestimmung.

  • Unnötige hohe Stimulationsamplitude durch die Automatik bei fehlerhafter automatischer Reizschwellenmessung (z. B. Sondenproblem, Pseudofusion, tachykarder Eigenrhythmus).

  • Inadäquate Basisfrequenz bei AV-Block III° und chronotroper Kompetenz (unnötigerweise 70 ipm statt 45 ipm).

  • Zu kurzes PVAB: Inadäquater Mode-Switch bei R-Wellen Far-Field-Sensing (◘ Abb. 9.44).

  • Fehlerhafte Reizschwellenmessung bei V00 und Stimulation während der Refraktärzeit (◘ Abb. 9.45).

  • Unipolare Impedanzmessung bei bipolarer Sonde (► Abschn. 4.​9).

  • Wenckebach-Blockierung oder 2:1-Block (◘ Abb. 9.46; ► Abschn. 1.​9) bei niedriger oberer Grenzfrequenz.

  • T-Wellen-Oversensing statt „ventrikulärer Tachykardie“ (◘ Abb. 9.47).

  • Fehlende Sensorsteuerung bei Mode-Switch und AV-Block III° (► Abschn. 1.​7).

  • Störmodus statt Sensingverlust (◘ Abb. 9.48).

  • Fehlende ventrikuläre Sicherheitsstimulation (◘ Abb. 9.49).

  • Nicht-programmierbare PVAB bei intrinsischer AV-Überleitung und Far-Field-Sensing bei zu empfindlicher atrialer Sensingschwelle (◘ Abb. 9.50 und 9.51).

  • Ventrikuläre Stimulation statt intrinsischer Überleitung (► Abschn. 3.​4).

  • Sensormismatch bei chronotroper Kompetenz. Ist die Sensorsteuerung wirklich erforderlich oder wirkt sie möglicherweise arrhythmogen?.

  • Fällt die Schrittmacherfrequenz während des Sensingtests nicht auf den programmierten Wert (z. B. 30 min−1) zurück, könnte Ratesmoothing oder die frequenzadaptive Stimulation noch eingeschaltet sein.

  • Wie ist das tatsächliche atrioventrikuläre Intervall (stimulierte oder intrinsische Vorhofdepolarisation) bei der unterschiedlichen firmenspezifischen Nomenklatur? (AV-Korrektur, AV-Extension).

  • Bei Umprogrammieren von DDD zu AAI (im Falle einer intrinsischen AV-Überleitung) zur Bestimmung der atrialen Reizschwelle wird bei manchen Modellen die Dauer der PVARP (z. B. 200 ms) als ARP übernommen , sodass u. U. die programmierte Testfrequenz wegen R-Wellen-Far-Field-Sensings im atrialen Kanal nicht erreicht wird (ARP auf ca. 400 ms umstellen oder A00-Modus).

  • Wird bei Messung der bipolaren Impedanz die Autocapturefunktion automatisch deaktiviert und beim Programmieren auf unipolare Stimulation nicht automatisch reaktiviert?.

  • Klagt der Patient über Sensationen während der nächtlichen automatischen Reizschwellenmessung (z. B. wegen unipolarer Stimulation)?.

  • Kurz vor „end of service“ (EOS) kann durch Magnetauflage eine totale Asystolie auftreten, wenn durch Magnetauflage eine höhere Energie für die Impulsabgabe benötigt wird als im vorherigen Stimulationsmodus. Mit Entfernen des Magneten kann durch die niedrigere Energie für die Impulsabgabe eine effektive Stimulation erfolgen (◘ Abb. 9.52).

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Abb. 9.44

Inadäquater Mode-Switch bei R-Wellen Far-Field-Sensing; bei „ATR-FB“ Beginn Mode-Switch. (VP-FB = ventrikuläre Fallbackstimulation)

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Abb. 9.45

Die ersten zwei Stimuli fallen in die Refraktärzeit des Myokards und können dadurch für die Reizschwellenmessung nicht verwendet werden

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Abb. 9.46

Wenckebach-Blockierung bei Vorhoffrequenz über der oberen Grenzfrequenz

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Abb. 9.47

Rhythmus gespeichert als „ventrikuläre Tachykardie“ bei T-Wellen-Oversensing (großes Signal = R-Welle; kleines Signal = T-Welle)

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Abb. 9.48

Das Oberflächen-EKG zeigt Vorhofflattern bei einem AAI-System mit atrialen Impulsabgaben, die offensichtlich nicht durch die intrinsischen Depolarisationen inhibiert werden. Das intrakardiale EKG zeigt, dass die Flatterwellen in der Refraktärzeit (SR) erkannt werden und bei fortlaufender Refraktärzeitwahrnehmung ein Störfrequenzmodus A00 vorliegt

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Abb. 9.49

zeigt im gespeicherten intrakardialen EKG eine klassische Pseudopseudofusion (Ap) (► Abschn. 1.​6) bei einer VES (Vr), die in die Refraktärzeit fällt. Da diese Depolarisation außerhalb der postatrialen ventrikulären Ausblendzeit (PAVB) detektiert wird, müsste eigentlich eine ventrikuläre Sicherheitsstimulation erfolgen. Ursache für das Ausbleiben der Sicherheitsstimulation ist ein Modus, der gelegentlich zur Vermeidung der rechtsventrikulären Stimulation einen AV-Block erlaubt

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Abb. 9.50

Ein R-Wellen Far-Field-Sensing tritt 70 ms nach einem intrinsischen ventrikulären Ereignis auf. Eine programmierbare PVAB („A-Blanking nach V-stim“) wird nur nach ventrikulärer Stimulation gestartet, bei intrinsischer AV-Überleitung beträgt die PVAB bei diesem Modell 50 ms und ist nicht programmierbar. Die atriale Sensitivität beträgt hier 0,5 mV

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Abb. 9.51

Nach Umprogrammierung der atrialen Sensitivität auf eine unempfindlichere Schwelle von 0,5 mV (Abb. 9.50) auf 1,0 mV tritt das R-Wellen Far-Field-Sensing nicht mehr auf. Im ungefilterten intrakardialen EGM lässt sich das R-Wellen Far-Field-Sensing weiterhin erkennen, jetzt ohne Markerannotation, da sie vom Schrittmacherfiltereingang nicht mehr erfasst wird

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Abb. 9.52

Durch Auflegen des Magnetes erfolgt eine kurzzeitige Asystolie aufgrund des in diesen Fall höheren Energiebedarfs im Magnetmodus. Mit Entfernen des Magneten erfolgt wieder eine effektive Stimulation

9.8 Zusammenfassung

9.8.1 Checkliste

Schrittmacher lässt sich nicht abfragen?

  • Richtiges Programmiergerät?

  • EOS überschritten?

  • Magnetfrequenz?

  • Schrittmacherdefekt?

  • Z. n. Defibrillation oder Kardioversion? Strahlentherapie?

Die Magnetauflage kann die restliche Energie im Schrittmacher, der nahe dem EOS ist, vollständig aufbrauchen und zum plötzlichen Stimulationsausfall führen. Voraussetzung für den Übergang in den Magnetmodus ist, dass der Magnetmodus aktiv ist (◘ Abb. 9.52: Magnetauflage mit Asystolie, bei entfernen des Magneten stimuliert der Schrittmacher wieder).

Stimulationsfrequenz zu hoch?

  • PMT? Eine PMT bei DDD/VDD führt in der Regel zu einer ventrikulären Stimulation an der oberen Grenzfrequenz. Fragen:
    • Ist eine PMT-Schutzfunktion aktiviert?

    • Liegen gespeicherte/dokumentierte Episoden von PMT vor?

    • Auslösemechanismus?

    • AV-Intervall zu lang, Myosignal-Oversensing , Exit- oder Entranceblock im Vorhof?

  • Atriale Tachyarrhythmie? Bei DDD-Systemen führt eine atriale Tachykardie zum Tracking bis an die obere Grenzfrequenz. Fragen:
    • Ist der Mode-Switch -Algorithmus aktiviert?

    • Welche Switch-Kriterien wurden programmiert?

    • Sind Mode-Switch-Oszillationen gespeichert?

    • Sind die gespeicherten Mode-Switch-Episoden adäquat?

    • Ist die R-Funktion zum Zeitpunkt der Mode-Switch-Episode aktiviert?

Korrektes Sensing?

  • Provokation von Myosignalen.

  • Sichtbares Undersensing?

  • Oversensing?

  • R-Wellen Far-Field-Sensing.

Stimulation

  • Effektiv?

  • Regelmäßig?

  • Inadäquate Stimulationsfrequenz?

  • Magnetfrequenz?

  • AV-Blockierungen?

  • Pseudofusion, Fusion, Pseudopseudofusion?

  • VAT-Stimulation nach Ablauf der AV-Zeit?

Bradykardie

  • Ruhefrequenz, Hysteresefunktion, Algorithmus zur Vermeidung der rechtsventrikulären Stimulation?

  • Oversensing

  • Ventrikuläres Oversensing bei VVI- oder DDD-Schrittmachern, atrial bei AAI- bzw. T-Wellen Oversensing im Ventrikel (bei VVI-, DDI/DDD-Systemen)

  • Detektion von diskontinuierlichen Störsignalen

Schrittmachertasche

  • Unauffällige Schrittmachertasche?

Temperaturerhöhung

  • Anamnestisch rezidivierend Temperaturerhöhung?