© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2019
Diana Morschhäuser, Wilhelm Fischer und Michael JakobPraxis der Herzschrittmacher-Nachsorgehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57828-5_4

4. Basisnachsorge

Diana Morschhäuser1 , Wilhelm Fischer2 und Michael Jakob3
(1)
München, Key Account Manager München, München, Deutschland
(2)
Klinik Schongau, Schongau, Deutschland
(3)
Ärztekammer des Saarlandes, Ethikkommission Ärztekammer des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
 
4.1 Apparative Ausstattung
4.2 Anamnese
4.3 Klinische Untersuchung
4.4 Ruhe-EKG
4.5 Schrittmacherabfrage der programmierten Daten und Übersicht
4.5.1 Schrittmacherabfrage mit RF-Telemetrie
4.6 Batteriestatus
4.7 Analyse der Diagnostik/Statistik /Holter
4.8 Sondenstatus
4.9 Sensingtest
4.9.1 Manueller Sensingtest
4.9.2 Halbautomatischer Sensingtest
4.9.3 Vollautomatischer Sensingtest
4.10 Reizschwellentest
4.10.1 Ventrikulärer Reizschwellentest
4.10.2 Atrialer Reizschwellentest
4.11 Nachsorge abschluss
Literatur

Aufgaben der Nachsorge

  • Anamnese

  • Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Schrittmachersystems und Integrität der Sonden

  • Überprüfung des Batteriestatus

  • Energieoptimierung

  • Diagnose und Management von Fehlprogrammierungen bzw. Fehlfunktionen

  • Individuelle Optimierung der programmierbaren Parameter mit Aktivierung der zur Verfügung stehenden Diagnostik- und Therapieoptionen

  • System-Upgrading (Zweikammer-, CRT-System, Defibrillator)

4.1 Apparative Ausstattung

Für die Schrittmachernachsorge ist Folgendes notwendig:
  • Programmiergerät mit aktueller Software,

  • Mehrkanal-EKG (Monitor und Aufzeichnung)

  • Testmagnet,

  • Notfallausrüstung zur kardiopulmonalen Reanimation, einschließlich eines einsatzbereiten externen Defibrillators.

Für eine störungsfreie Aufzeichnung des EKGs sollte ein möglichst elektrisch abgeschirmter Raum gewählt werden, um auf Muskel- und Netzfilter verzichten zu können. Die Filter des EKG-Gerätes – Muskel- (hier 35 Hz) und Netzfilter (50 Hz) – können die Identifizierung des Schrittmacherstimulus im EKG bei bipolarer Programmierung erheblich erschweren, sodass eine korrekte Beurteilung des EKG oft unmöglich ist (◘ Abb. 4.1). Je nach Fragestellung können Belastungs-EKG, Langzeit-EKG sowie Röntgen- oder Echokardiographie-Untersuchungen notwendig werden.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig1_HTML.png
Abb. 4.1

a–c Die Filter des EKG-Gerätes, Muskelfilter (als Filter bezeichnet, 35 Hz) und Netzfilter (50 Hz), können bewirken, dass bei bipolaren Systemen ein Schrittmacherstimulus im EKG überhaupt nicht mehr erkannt und so die Beurteilung des EKG erschwert wird und eine Fehlinterpretation möglich ist. a: ohne Filter; gute Erkennung des Stimulus; b: mit Netzfilter (50 Hz), Stimulus kleiner als in a, aber noch gut erkennbar; c: mit Netzfilter (50 Hz) und zusätzlich Muskelfilter (Filter 35 Hz); Stimulus kaum erkennbar. Aus: Fischer und Ritter (2002)

4.2 Anamnese

Die Schrittmacherkontrolle beginnt mit einer Anamneseerhebung.

Wichtige Fragen zur Anamnese

  • Sind Beschwerden aufgetreten, wie Schwindel, Synkopen, Ruhe- oder Belastungsdyspnoe, Angina pectoris, Nykturie?

  • Sind Herzrasen, Herzstolpern oder Palpitationen aufgetreten?

  • Gibt es Anzeichen für ein Schrittmachersyndrom?

  • Sind Zwerchfellzucken, Muskelzucken der Brustmuskulatur aufgetreten?

  • Wie ist die aktuelle Medikation?

4.3 Klinische Untersuchung

Die körperliche Untersuchung des Patienten umfasst eine Blutdruckmessung, die Inspektion der Schrittmachertasche, die Auskultation von Herz und Lungen und die Inspektion der Beine (Beinödeme). Bei der Inspektion der Schrittmachertasche sollte auf Rötungen, Schwellungen und Zeichen einer drohenden Perforation geachtet werden (◘ Abb. 4.2). Ist der Schrittmacher nicht korrekt in der Tasche fixiert, kann dies zum Twiddler-Syndrom (Schrittmacher kann in der Tasche gedreht werden, ◘ Abb. 8.​5) oder auch zur Verlagerung in die Axilla führen.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig2_HTML.jpg
Abb. 4.2

Drohende Schrittmacherperforation

4.4 Ruhe-EKG

Das Ruhe-EKG gibt Aufschluss darüber, ob ein Schrittmacherrhythmus, Eigenrhythmus oder ein Wechsel zwischen Eigen- und Schrittmacherrhythmus vorliegt. Schrittmacherprobleme können oft schon im Oberflächen-EKG erkannt werden.

4.5 Schrittmacherabfrage der programmierten Daten und Übersicht

Jede Herzschrittmacherfirma bietet ein ihr eigenes spezifisches Programmiergerät an bzw. ein zweites für ältere Schrittmachermodelle. Die Programmiergeräte erlauben die Darstellung eines Oberflächen-EKGs und stellen eine bidirektionale Verbindung über den Programmierkopf mit dem Schrittmacheraggregat her. Außerdem verfügen sie über einen integrierten Drucker (◘ Abb. 4.3 und 4.4).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig3_HTML.png
Abb. 4.3

Übersichtsbildschirm. Mit freundlicher Genehmigung der St. Jude Medical GmbH

../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig4_HTML.jpg
Abb. 4.4

Aktuelle Programmiergeräte der verschiedenen Firmen

Für die Abfrage eines Schrittmachers ist es in der Regel notwendig, den Programmierkopf über den Schrittmacher zu positionieren.

Ist das Programm aktiviert, erfolgt die Abfrage weitgehend automatisch. Es sollten die programmierten Parameter, Statistiken, Sondenimpedanzen, Batteriestatus eingelesen und gespeichert bzw. ausgedruckt werden.

4.5.1 Schrittmacherabfrage mit RF-Telemetrie

Andere Bezeichnungen: ZIP-Telemetrie ; SafeSync .

Der Trend bei der Schrittmacherabfrage und Programmierung geht in Richtung telemetrische Abfrage (RF-Telemetrie) im Abstand von ca. 2–5 m vom Programmiergerät entfernt. Damit lassen sich z. B. bei ICD-Implantationen Schockauslösung und -terminierung außerhalb des OP-Gebietes (ohne Auflegen des Programmierkopfes) durchführen. Eine patientenindividuelle Programmierung des Herzschrittmachers und Defibrillators kann noch während der Implantation erfolgen. Vorteilhaft bei den Nachsorgen mittels RF-Telemetrie ist zudem, dass keine Gefahr mehr besteht, dass der Programmierkopf verrutscht oder gar herabfällt und damit der Telemetriekontakt verloren geht.

4.6 Batteriestatus

Für die Schrittmachertherapie werden entweder Lithiumjodidbatterien verwendet oder Niedrigimpedanzbatterien (z. B. Silber Vanadium Oxid-CFx oder Lithium Mangandioxid), die kurzzeitig höhere Ströme liefern können (z. B. notwendig für neue telemedizinische Übertragungen). Nach der Schrittmacherabfrage stehen in der Regel die Batteriestatusinformationen auf der Start- oder Übersichtsseite zur Verfügung.

Je nach Batterietyp und Hersteller werden für die Beurteilung des Batteriestatus unterschiedliche Indikatoren herangezogen. Bei herkömmlichen Lithiumjodidbatterien sind diese Indikatoren z. B. die Batterieimpedanz, Batteriespannung, Magnetfrequenz oder auch die kalkulierte Restlaufzeit. Anders bei den Niedrigimpedanzbatterien – hier steht in der Regel nur noch die vom Schrittmacher kalkulierte Restlaufzeit zur Verfügung. Für die Kalkulation der Restlaufzeit liegen der Ruhestromverbrauch, die programmierten Stimulationsparameter, der aktuelle Stimulationsanteil bzw. die Anzahl der abgegebenen Stimuli zu Grunde. Bei Schrittmachern, die sich dem Austauschkriterium nähern, sollte jedoch nicht nur die kalkulierte Restlaufzeit, sondern die Empfehlungen des Herstellers bzgl. verkürzter Nachsorgeintervalle beachtet werden, weil die berechnete Restlaufzeit bei zunehmender Batterieerschöpfung oft ungenau wird.

Bei beiden Batterietypen nimmt mit zunehmender Laufzeit die Batteriespannung ab. Bei den Lithiumjodidbatterien steigt zudem die Batterieimpedanz (◘ Abb. 4.5) anfänglich kontinuierlich an und nimmt kurz vor dem Austauschkriterium abrupt zu, sodass dann ein verlässlicher Austauschzeitpunkt nicht sicher kalkuliert werden kann.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig5_HTML.png
Abb. 4.5

Beispiel einer Batterieentladekurve

Da die Magnetfrequenz (◘ Tab. 4.1) bei den meisten Schrittmachern erst kurz vor ERI („elective replacement indicator“) bzw. stufenweise abfällt, sollte für die Beurteilung der Restlaufzeit immer zusätzlich die Batteriespannung, die Batterieimpedanz oder die vom Schrittmacher kalkulierte Restlaufzeit zu Rate gezogen werden.
Tab. 4.1

Magnetfrequenz von BOL bis EOL: Verschiedene Magnetfrequenzen von aktuellen Modellen einzelner Hersteller (beispielhaft)

Firma/Modell

BOS/BOL

Magnetfrequenz [ipm]

ERI/ERT/RRT

Magnetfrequenz [ipm]

EOS/EOL

Magnetfrequenz [ipm]

Biotronik/Evia

90

80

Boston Scientific

(Guidant)/Altrua

100

85

MicroPort (Sorin/Ela)/Reply

96

80

69

MicroPort (Sorin)/Neway

Einkammerschrittmacher 80

Zweikammerschrittmacher 90

Einkammerschrittmacher 73

Zweikammerschrittmacher 83

Medtronic/Advisa

85

65

Abbott (St. Jude Medical)/Zephyr

98,6

86,3

66

Vitatron/T70

100

86

BOS = Begin of Service; BOL = Begin of Life; ERI = Elective Replacement Indication; RRT = Recommended Replacement time; ERT = Elective Replacement time; Empfohlene Austauschindikation; EOS = End of Service; EOL = End of Life

Die definitiven Austauschkriterien für die einzelnen Schrittmachertypen können dem jeweiligen Schrittmacherhandbuch/-Datenblatt bzw. im Internet oder der Typenkartei (Internetadressen bzw. Literatur im Anhang) entnommen werden.

Mit Erreichen von ERI sollte der Schrittmacher ausgetauscht werden. Der Schrittmacher verfügt noch über eine Restlaufzeit bis EOS , diese sollte jedoch bei abhängigen Patienten unter keinen Umständen ausgenutzt werden.

Die meisten Schrittmacher wechseln mit Erreichen von ERI/RRT in einen stromsparenden Modus (z. B. VVI bei DDD-Schrittmachern, Abschalten der Frequenzadaptation und der Speicherfunktionen etc.).

4.7 Analyse der Diagnostik/Statistik /Holter

Jeder Schrittmacher bietet mittlerweile umfangreiche Diagnosefunktionen , Statistiken bzw. Holterdaten an. Abhängig vom Schrittmachertyp liefert die Diagnostik Informationen über den prozentualen Stimulations- und Wahrnehmungsanteil, AV-Überleitung, gespeicherte Arrhythmien oder PMTs. Zusätzlich bieten einige Modelle Monitorfunktionen für Sensingwerte, Reizschwellenwerte und Sondenimpedanzen. Multifunktionale Systeme geben aufgrund von Plausibilitätsanalysen der gesammelten Daten Hinweise auf Schrittmacherprobleme und schlagen evtl. problembezogenes Umprogrammieren vor.

Die Analyse und Interpretation der gespeicherten Daten sind fundamentale Bestandteile der Schrittmacherkontrolle.

Es ist empfehlenswert, sämtliche abgefragten Daten auszudrucken, bzw. auf einem Datenträger zu sichern, da sie nach Programmierung evtl. gelöscht werden.

4.8 Sondenstatus

Während der Erstabfrage werden schon bei der Mehrzahl der Schrittmacher die Sondenimpedanzen mit der programmierten Stimulationspolarität (meistens unipolar) gemessen und angezeigt.

Wenn eine bipolare Sonde vorliegt, empfiehlt es sich, sowohl die unipolare als auch die bipolare Sondenimpedanz zu ermitteln. So kann die Integrität beider Zuleitungsdrähte der Sonde getestet werden. In der Regel ist die Stimulationspolarität bei bipolaren Sonden wegen der besseren Sichtbarkeit im Oberflächen- und Langzeit-EKG unipolar programmiert. Während der Abfrage werden demnach meistens die unipolaren Sondenimpedanzen angezeigt. Für die Ermittlung der bipolaren Stimulationsimpedanz muss die Stimulationspolarität auf bipolar umprogrammiert werden.

Vor der Umprogrammierung in die bipolare Stimulationspolarität sollte überprüft werden, ob tatsächlich eine bipolare Sonde angeschlossen ist. Die Umprogrammierung eines schrittmacherabhängigen Patienten mit einer funktionell unipolaren Sonde in den bipolaren Modus kann eine ineffektive Stimulation (Exitblock) und damit eine Asystolie verursachen.

Intakte Sonden weisen eine Sondenimpedanzvariation von ca. 300–1500 Ohm auf. Werte <300 Ohm lassen in der Regel einen Isolationsdefekt vermuten, Werte >1500 Ohm einen Leiterbruch oder ein Konnektionsproblem zwischen Schrittmacherkonnektor und Sondenstecker (Ausnahme: „Hochimpedanzsonde“ , diesbzgl. Herstellerangaben).

Bei bipolaren Sonden kann der Fall eintreten, dass die unipolare Impedanz innerhalb der Toleranzschwellen liegt, während der bipolare Messwert außerhalb des Toleranzbereiches liegt. Wenn bei der bipolaren Stimulationskonfiguration die Impedanzen <300 Ohm liegen, kann dies auf einen Isolationsdefekt zwischen den beiden Leitern hindeuten. Eine zu hohe Impedanz lässt in diesem Falle auf einen Sondenbruch des äußeren Zuleitungsdrahtes (der zum proximalen Pol führt) oder auf ein Konnektionsproblem im Schrittmacherkonnektor schließen.

Zu beachten ist nicht nur der Absolutwert der Sondenimpedanz, sondern mehr noch eine Zunahme oder Abnahme unter vergleichbaren Bedingungen (z. B. gleiche Energieabgabe ). Darüber hinaus können sich die intraoperativ gemessenen Werte (über „Pacing System Analyzer“) deutlich von den Werten unterscheiden, die mittels des aggregatspezifischen Programmiergerätes ausgemessen werden. Intermittierend auftretende Impedanzänderungen bedürfen einer genauen Analyse (◘ Abb. 4.6).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig6_HTML.png
Abb. 4.6

Sondenimpedanzen uni- bzw. bipolar

4.9 Sensingtest

Der Sensingtest überprüft die Wahrnehmungseigenschaften des Schrittmachers.

Bei jeder Schrittmacherkontrolle sollte in Ventrikel und/oder Vorhof ein Wahrnehmungstest durchgeführt werden.

Voraussetzung für einen Sensingtest ist, dass atriale und ventrikuläre intrinsische Depolarisationen vorliegen. Es empfiehlt sich z. B. bei fehlendem Eigenrhythmus die Grundfrequenz temporär auf ca. 30–40 min−1 umzuprogrammieren. Falls kein Eigenrhythmus vorliegt, kann durch eine kurzzeitige Belastung (Anheben der Beine oder des Oberkörpers bzw. Muskelanspannung der Arme etc.) eine Frequenzanhebung verursacht werden. Schlagen diese Versuche fehl, kann das Sensing in der Regel nicht überprüft werden.

Je nach Schrittmachermodell kann die Bestimmung der Sensingwerte manuell, halbautomatisch oder komplett automatisch erfolgen.

4.9.1 Manueller Sensingtest

Ventrikuläre Wahrnehmung beim Einkammerschrittmacher

Für die manuelle Bestimmung der ventrikulären Signalamplitude ist der Modus VVI mit einer Grundfrequenz von 30 ipm empfehlenswert. Ist die intrinsische ventrikuläre Frequenz >30 min−1, wird der programmierte Empfindlichkeitswert schrittweise (in 1–2 mV-Schritten) erhöht. Bei jeder eingestellten Empfindlichkeitsstufe ist erkennbar, ob der Schrittmacher die ventrikulären Eigenaktionen wahrnimmt, dadurch inhibiert ist und demzufolge keine Stimulationen abgibt (◘ Abb. 4.7). Liegt bei der aktuell eingestellten Empfindlichkeitsstufe keine Wahrnehmung mehr vor (Schrittmacher stimuliert mit der Grundfrequenz; ◘ Abb. 4.8), entspricht der zuvor getestete Empfindlichkeitswert der Sensingschwelle.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig7_HTML.png
Abb. 4.7

Manueller Sensingtest im Ventrikel mit VVI 30 und 7 mV Sensing. R-Wellen werden korrekt wahrgenommen und inhibieren den Schrittmacher

../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig8_HTML.png
Abb. 4.8

Manueller Sensingtest im Ventrikel mit VVI 30 ipm und 10 mV Sensing. R-Wellen werden nicht erkannt, der Schrittmacher stimuliert mit einer Frequenz von 30 ipm

Atriale Wahrnehmung beim Einkammerschrittmacher

Die manuelle Testung der atrialen Wahrnehmung erfolgt im AAI-Modus (alternativ auch im AAT-Modus) mit einer programmierten Grundfrequenz von 30 ipm. Liegt ein Sinusrhythmus vor, wird der atriale Empfindlichkeitswert so lange erhöht, bis ein Wahrnehmungsverlust eintritt und ein atrialer Stimulationsimpuls im EKG auftritt, da die Wahrnehmungsschwelle überschritten ist (◘ Abb. 4.9 und 4.10). Die korrekte Bestimmung des P-Wellensignals setzt in diesem Falle voraus, dass kein höheres R-Wellen Far-Field-Signal vorliegt als das P-Wellensignal.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig9_HTML.png
Abb. 4.9

Manueller Sensingtest im Vorhof im AAI-Modus mit intakter AV-Überleitung bei 3 mV. Da keine Stimuli im Vorhof abgegeben werden, erkennt der Schrittmacher alle P-Wellen

../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig10_HTML.png
Abb. 4.10

Manueller Sensingtest im Vorhof im AAI-Modus mit intakter AV-Überleitung, Sensingverlust bei 4 mV: Stimulation im Vorhof mit 30 ipm

Bei komplettem Sinusarrest können beim AAI-Schrittmacher Signale erfasst werden, die einem R-Wellen Far-Field-Sensing (oder einem retrograden P je nach zeitlichem Abstand nach dem QRS-Komplex) entsprechen und nicht der intrinsischen (antegraden) P-Welle (◘ Abb. 4.11).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig11_HTML.png
Abb. 4.11

Modus AAI, programmierte Frequenz 30/min: das Signal der 2. annotierten P-Welle stammt wahrscheinlich von einer retrograden Leitung bei Sinusarrest. Aus: Fischer und Ritter (2002)

Ventrikuläre Wahrnehmung beim Zweikammerschrittmacher

Hierbei empfiehlt sich dasselbe Vorgehen wie beim VVI-Schrittmacher: Für die manuelle Bestimmung der ventrikulären Wahrnehmung beim Zweikammerschrittmacher wird der Modus VVI mit einer Grundfrequenz von 30 ipm eingestellt; weiteres Vorgehen wie beim Einkammerschrittmacher. Oft lässt sich im VVI-Modus der ventrikuläre Eigenrhythmus des Patienten besser darstellen, da im DDD-Modus ein ventrikuläres Signal nur wahrgenommen werden kann, wenn innerhalb des programmierten AV-Intervalls eine intrinsische AV-Überleitung vorliegt. Bei zu kurzem AV-Intervall erfolgt die ventrikuläre Impulsabgabe vor der intrinsischen Depolarisation.

Atriale Wahrnehmung beim Zweikammerschrittmacher

Hier bietet sich der DDD/VDD-Modus mit kurzem PV-Intervall (z. B. 30–50 ms) und einer Grundfrequenz von 30 ipm an. Bei vorhandenem Sinusrhythmus kann eine Ventrikelstimulation nur erfolgen, wenn die intrinsische Vorhofdepolarisation erkannt wurde. Der atriale Empfindlichkeitswert wird jetzt schrittweise erhöht. Sobald nach Erhöhung des Empfindlichkeitswerts den P-Wellen keine kurz angekoppelten Ventrikelstimulationen mehr folgen, ist die Sensingschwelle überschritten und der zuvor verwendete Empfindlichkeitswert entspricht der Sensingschwelle.

Alternativ könnte bei intakter intrinsischer Überleitung der AAI-Modus verwendet werden. Dabei besteht jedoch das Risiko eines R-Wellen-Oversensings im atrialen Eingang, welches dann als P-Wellensignal interpretiert wird (◘ Abb. 9.​17, 9.​18 und 9.​19).

Das EKG kann beim DDD/VDD-Modus folgendermaßen aussehen:

Intrinsische AV-Überleitung

Bei wahrgenommenen P-Wellen erfolgt die ventrikuläre Stimulation gemäß dem programmierten AV-Intervall (z. B. nach 30–50 ms). Bei Sensingverlust erfolgt eine spontane Überleitung (◘ Abb. 4.12).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig12_HTML.jpg
Abb. 4.12

ab Manueller Sensingtest im Vorhof im DDD-Modus mit kurzem AV-Intervall. Bei Patienten mit intrinsischer Überleitung folgt der nicht-erkannten P-Welle die Eigenüberleitung auf dem Ventrikel. a: Modus DDD, 30 ipm, atriales Sensing 3 mV; das P-Wellensignal wird erkannt und nach Ablauf des AV-Intervalls mit einen ventrikulären Stimulus beantwortet; b: Modus DDD, 30 ipm, atriales Sensing: 4 mV; die P-Welle wird nicht mehr erkannt und kann demzufolge den Ventrikel nicht triggern. Es folgen intrinsische Überleitungen auf den Ventrikel

Kompletter AV-Block

Bei wahrgenommenen P-Wellen erfolgt die ventrikuläre Stimulation gemäß dem programmierten AV-Intervall (z. B. nach 30–50 ms). Bei Sensingverlust erfolgen eine AV-sequentielle Stimulation im DDD-Modus (AP-VP, Doppelstimuli, ◘ Abb. 4.13) und eine ventrikuläre Stimulation im VDD-Modus.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig13_HTML.jpg
Abb. 4.13

Manueller Sensingtest im Vorhof im DDD-Modus mit kurzem AV-Intervall. Intermittierender atrialer Sensingverlust und AV-sequentielle Stimulation bei fehlender Überleitung; Ausnahme: P-Welle vor 2. Kammerkomplex wurde erkannt

Mit Hilfe von Markerannotationen lassen sich diese Tests erleichtern, indem z. B. erkannt wird, wann die Markerannotation „P“ (für detektierte Vorhofaktion) über der P-Welle (im Oberflächen-EKG) verschwindet.

Bei den aktuellen Schrittmacheraggregaten werden die zeitaufwendigen manuellen Tests in der Regel von halbautomatischen oder automatischen Sensingtests ersetzt.

4.9.2 Halbautomatischer Sensingtest

Es wird temporär der gewünschte Modus (AAI, VVI, DDI, DDD/VDD) mit einer Frequenz von 30 ipm eingestellt. Dabei sind verschiedene Verfahrensweisen möglich:
  • Es werden vom Programmiergerät über das Schrittmacheraggregat einzelne P- und R-Wellensignale gemessen oder das 1. im entsprechenden Kanal detektierte Signal (nach Start des Tests) als Messwert angegeben. Beachte: R-Wellen und VES-Signale können unterschiedliche Amplituden aufweisen und zu einer fehlerhaften Interpretation des Sensingtests führen (◘ Abb. 9.​25).

  • Es werden P- und R-Wellensignale gemessen und die Signalamplituden in einem bestimmten Bereich (z. B. R-Wellensignal zwischen 8 und 11 mV) angegeben.

  • Das intrakardiale EKG mit Markerannotation zeigt bei laufenden EKG die Amplituden jeder einzelnen P- und/oder R-Wellen und weist die minimale und maximale Amplitude aus (◘ Abb. 4.14).

../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig14_HTML.png
Abb. 4.14

Halbautomatischer Sensingtest : Es werden neben der Markerannotation zu jedem wahrgenommenen Ereignis die Sensingwerte aufgeführt

Bei den Methoden 2 und 3 zählt der niedrigste Wert für die entsprechende Programmierung, bei Methode 1 ist der niedrigste Wert nicht sicher bestimmbar.

Die Signalamplituden von P- und R-Wellen, die im ungefilterten intrakardialen EKG der Schrittmacher ausgemessen werden, geben nicht die identischen „wahren“ Werte wieder, so wie der Schrittmacher sie (z. B. im gefilterten intrakardialen EKG) erkennt.

4.9.3 Vollautomatischer Sensingtest

Der automatische Sensingtest führt selbstständig die Messung der P- und R-Wellenamplituden durch. Die gemessenen Werte werden im Holter abgelegt (Autosensinghistogramm, R-, P-Wellen-Trend im Holter). Diese Holteraufzeichnungen können wertvolle Hinweise für Schwankungen der Signalamplitude geben (► Abschn. 6.​5).

4.10 Reizschwellentest

Mit dem Reizschwellentest soll die minimale Energieabgabe getestet werden, die in der Lage ist, das Myokard zu depolarisieren.

In der Regel wird ein Amplitudenreizschwellentest mit fixer Impulsdauer durchgeführt. Die Stimulationsfrequenz muss so gewählt werden, dass sie über dem Eigenrhythmus liegt, um Fusionen oder Pseudofusionen zu vermeiden.

Während des Tests wird die Stimulationsamplitude schrittweise reduziert, entweder manuell oder automatisch, z. B. in 0,1-V-Schritten. Beim automatischen Reizschwellentest kann die Amplitude von Zyklus zu Zyklus verringert oder z. B. alle 6 Zyklen reduziert werden. Die Stimulationsamplitude wird so lange stufenweise reduziert, bis der Stimulus ineffektiv ist und die Depolarisation ausbleibt. Die letzte Amplitude, bei der noch Depolarisation erfolgt, entspricht der Reizschwelle. Das bedeutet, dass bei einer Testung mit 6 Stimuli pro Amplitudenstufe keine effektive Depolarisation vorliegt, wenn auch nur 1 Stimulus unbeantwortet bleibt (◘ Abb. 4.15).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig15_HTML.png
Abb. 4.15

Ventrikulärer Reizschwellentest im VVI-Modus; 0,8 V ist noch effektiv; bei 0,7 V intermittierender Stimulationsverlust – Reizschwelle entspricht 0,8 V; die Reizschwelle entspricht dem Niveau, in dem sämtliche Stimuli effektiv sind

Das Phänomen unterschiedlicher Reizschwellen bei Verringerung der Amplitude im Vergleich zur Erhöhung der Amplitude, wenn der Test unterhalb der Reizschwelle begonnen wird, ist als Wedensky-Effekt bekannt (◘ Abb. 4.16).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig16_HTML.png
Abb. 4.16

Wedensky-Effekt

Alternativ ist die Darstellung der Reizzeit-Spannungskurve (◘ Abb. 4.17) anhand von zwei Messungen (eine mit kurzer und eine mit langer Impulsdauer ) möglich. Dadurch lässt sich die günstigste Einstellung hinsichtlich des Energieverbrauchs (Chronaxie ) und genügender Sicherheitsmarge bestimmen.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig17_HTML.png
Abb. 4.17

Reizzeit-Spannungskurve (Chronaxie Impulsdauer hier: 0,3 ms) und 100 %ige Sicherheitsmarge („Zielwert“). Die Zielwertekurve zeigt die empfohlenen programmierbaren Werte, während die Kurve „Permanent“ die aktuelle Programmierung darstellt

Die Ausgangsenergie der Stimulationsimpulse wird durch die Parameter für Impulsamplitude und Impulsdauer bestimmt. Von der Stimulationsimpulsenergie hängt es ab, ob die Stimulationsimpulse das Myokard wirksam stimulieren. Der zu programmierende Stimulationsimpuls muss die Stimulationsreizschwelle mit einer mind. 100 %igen Sicherheitsmarge übersteigen, da z. B. während körperlicher Aktivität, Mahlzeiten, Schlaf und Medikamenteneinflüssen Schwankungen der Stimulationsreizschwelle beobachtet werden können.

4.10.1 Ventrikulärer Reizschwellentest

Der ventrikuläre Reizschwellentest wird vorzugsweise im V00-, alternativ im D00-Modus mit kurzem AV-Intervall durchgeführt (◘ Abb. 4.18 und 4.19). Die Testfrequenz muss deutlich über der Eigenfrequenz liegen, da im X00-Modus evtl. Testimpulse in die Refraktärzeit des Myokards nach intrinsischer Depolarisation fallen können und deshalb nicht zur Depolarisation führen.
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig18_HTML.jpg
Abb. 4.18

Ventrikulärer Reizschwellentest im VVI-Modus beim abhängigen Patienten, (↓ Reizschwelle unterschritten)

../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig19_HTML.jpg
Abb. 4.19

Ventrikulärer Reizschwellentest im DDD-Modus mit kurzem AV-Intervall beim abhängigen Patienten, (↓ Reizschwelle unterschritten). Wegen kurzem AV-Intervall wird die (atrial stimulierte) P-Welle erst nach dem (ineffektiven) ventrikulären Stimulus sichtbar (∆)

4.10.2 Atrialer Reizschwellentest

Atrialer Reizschwellentest bei intrinsischer Überleitung auf den Ventrikel

Der atriale Reizschwellentest erfolgt bei intakter intrinsischer AV-Überleitung auf den Ventrikel vorzugsweise im A00-Modus. Da die P-Wellen nach dem atrialen Stimulus nicht immer gut im Oberflächen-EKG zu erkennen sind, kann die intrinsische Überleitung auf dem Ventrikel die Information liefern, ob die Stimulation im Vorhof effektiv ist. Sobald während des atrialen Reizschwellentests im AAI-Modus nach atrialem Stimulus keine intrinsische Überleitung folgt, ist die atriale Reizschwelle unterschritten (◘ Abb. 4.20).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig20_HTML.png
Abb. 4.20

ab Atrialer Reizschwellentest im AAI-Modus bei intrinsischer Überleitung – a: Sobald dem atrialen Stimulus während des Tests keine intrinsische Überleitung folgt, ist die atriale Reizschwelle unterschritten (∇); b: Reizschwelle hier: 0,75 V bei 0,35 ms

Bei erhaltener AV-Überleitung kann auch im DDD-Modus mit langem AV-Intervall die atriale Reizschwelle bestimmt werden. Bei Unterschreiten der atrialen Reizschwelle erfolgt eine ventrikuläre Stimulation (◘ Abb. 4.21).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig21_HTML.png
Abb. 4.21

Atrialer Reizschwellentest im DDD-Modus bei erhaltener AV-Überleitung – einer effektiven atrialen Stimulation folgt eine intrinsische Überleitung. Sobald mit schrittweiser Reduzierung der atrialen Impulsamplitude eine ventrikuläre Stimulation folgt, ist die atriale Reizschwelle unterschritten

Atrialer Reizschwellentest bei Patienten mit AV-Blockierungen

Die Messung der atrialen Reizschwelle bei Patienten mit AV-Blockierungen erfolgt im DDD-Modus mit vorzugsweise langem AV-Intervall . Das AV-Intervall sollte so programmiert werden, dass die P-Welle möglichst gut zu identifizieren ist. Maximale Amplitudenvergrößerung des EKG und/oder Aufzeichnung der Brustwandableitungen erleichtern die Identifikation der P-Wellendepolarisation (◘ Abb. 4.22).
../images/184837_3_De_4_Chapter/184837_3_De_4_Fig22_HTML.jpg
Abb. 4.22

Atrialer Reizschwellentest im DDD-Modus bei AV-Blockierungen – sobald keine atriale Depolarisation nach dem atrialen Stimulus zu erkennen ist (∇), ist die Reizschwelle unterschritten

4.11 Nachsorge abschluss

Programmierung

Nach Abschluss sämtlicher Tests und nach Analyse der gespeicherten Daten (► Kap. 6) kann die Anpassung der programmierbaren Parameter erfolgen. Die Anpassung der Parameter wird unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der Nachsorge und den Bedürfnissen des Patienten durchgeführt (Vorschläge zur Programmierung: ► Kap. 7). Zur Sicherheit, ob tatsächlich alle Parameter wie gewünscht geändert worden sind, sollte zum Abschluss noch eine abschließende Abfrage des Aggregats erfolgen.

Report und Speicherung

Nach Programmierung und Abschlusstelemetrie sollte ein Komplettausdruck gemacht werden. Zusätzlich können die Ergebnisse der Nachsorge mittlerweile bei den meisten Schrittmacheraggregaten auch elektronisch gespeichert werden (z. B. als PDF-File). Der Patient erhält einen kleinen Ausdruck über die programmierten Parameter und Messwerte. Zusätzlich werden in der Regel die wesentlichen Daten in den Schrittmacherausweis eingetragen. Die endgültige Programmierung sollte im Abschlussbericht überprüft werden. Für eine bessere Übersicht werden die geänderten Parameter im Ausdruck meistens mit einem Stern etc. gekennzeichnet.

Statistiken und Holter zurücksetzen

Zum Schluss sollten die Statistiken und Holterdaten zurückgesetzt werden, wenn dies nicht schon automatisch, je nach Schrittmachermodell, durchgeführt wird.