© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2019
Diana Morschhäuser, Wilhelm Fischer und Michael JakobPraxis der Herzschrittmacher-Nachsorgehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57828-5_5

5. Erweiterte Nachsorge

Diana Morschhäuser1 , Wilhelm Fischer2 und Michael Jakob3
(1)
München, Key Account Manager München, München, Deutschland
(2)
Klinik Schongau, Schongau, Deutschland
(3)
Ärztekammer des Saarlandes, Ethikkommission Ärztekammer des Saarlandes, Saarbrücken, Deutschland
 
5.1 Wenckebach-Punkt bestimmung
5.2 Retrograder Leitungstest
5.3 Magnettest
5.4 Inhibitionstest
5.5 Provokationstest
5.6 Belastungstest
5.7 Simulation
5.8 Langzeit EKG Untersuchungen
5.9 Röntgendiagnostik
5.10 Echokardiographie
5.11 Telemonitoring
Literatur

5.1 Wenckebach-Punkt bestimmung

Wenckebach-Punkt

Bei Vorhofstimulation mit steigender Frequenz entspricht der Wenckebach-Punkt derjenigen Frequenz, bei der eine AV-Überleitungsblockierung eintritt. Bei Schrittmacherpatienten mit AAI-Systemen ist es sinnvoll zu überprüfen, ob die AV-Knotenüberleitung auch bei höheren Frequenzen noch intakt ist. Für die Kontrolle der Überleitungsfunktion des AV-Knotens wird die Stimulationsfrequenz schrittweise erhöht (AAI mit TARP von 400 ms oder A00) und die kontinuierliche Überleitung auf den Ventrikel überprüft (◘ Abb. 5.1 und 5.2).
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Abb. 5.1

Wenckebach-Punkt-Bestimmung: atriale Stimulationsfrequenz 110 ipm; die Vorhoffrequenz wird 1:1 auf den Ventrikel übergeleitet

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Abb. 5.2

Wenckebach-Punkt-Bestimmung: Atriale Stimulationsfrequenz 130 ipm; der Wenckebach-Punkt ist überschritten. Die atriale Stimulation wird nicht mehr 1:1 übergeleitet. Es ist eine AV-Blockierung aufgetreten

Die Wenckebach-Punkt-Bestimmung findet in Ruhe statt. Unter körperlicher Belastung liegt der Wenckebach-Punkt meistens höher, da der positiv dromotrope Effekt der adrenergen Stimulation unter Belastung die PQ-Zeit verkürzt. Eine fehlende Verkürzung des AV-Intervalls unter Belastung kann ein Hinweis auf eine latente AV-Überleitungsstörung sein.

5.2 Retrograder Leitungstest

Für die Routinenachsorge besteht keine zwingende Notwendigkeit, einen retrograden Leitungstest durchzuführen. Gibt es jedoch anamnestische Hinweise für tachykarde Rhythmusstörungen oder zeigt der Schrittmacherspeicher entsprechende Hinweise, könnten u. a. Schrittmacher-Reentry-Tachykardien (PMT ) Ursache hierfür sein. Um die retrograden Leitungseigenschaften des AV-Knotens zu testen, sollte der Schrittmacher temporär in den Modus VDI/VDD und auf eine mind. 10 Schläge höhere Frequenz als die aktuelle Vorhoffrequenz programmiert werden.

Mit laufendem EKG kann jetzt überprüft werden, ob eine ventrikuläre Stimulation ohne vorherige atriale Depolarisation (AV-Desynchronisation) zu einer retrograden Leitung und atrialen Depolarisation führt. Im EKG erscheint im Falle einer retrograden Leitung eine fixe gekoppelte atriale Depolarisation nach der ventrikulären Stimulation. Ist dies der Fall, kann die retrograde Leitungszeit gemessen werden. Wenn der Schrittmacher noch nicht über einen automatischen PMT -Schutz verfügt, sollte die PVARP auf einen Wert programmiert werden, der etwas länger ist als die gemessene retrograde Leitungszeit. Lange postventrikuläre atriale Refraktärperioden (PVARP) können bei hohen Frequenzen unter Belastung evtl. eine Wenckebach-Periodik oder einen 2:1-Block begünstigen (► Abschn. 1.​9).

Neben dem manuellen retrograden Leitungstest bieten einige Schrittmacher auch die automatische Messung der retrograden Leitung an (◘ Abb. 5.3 und 5.4).
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Abb. 5.3

Automatische Messung der retrograden Leitungszeiten: Es wird die kürzeste, mittlere und längste VP-Zeit angezeigt. Mit freundlicher Genehmigung der Biotronik SE & Co. KG, Berlin

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Abb. 5.4

Retrograder Leitungstest im VDD-Modus; retrograde Leitung (V–A: 250–257 ms; VP = ventrikuläre Stimulation; AS = Retrograde P Welle). Im ungefilterten atrialen Kanal stellt sich ein R Wellen Far Field Sensing dar, welches in die Ausblendzeit fällt und vom Schrittmacher nicht annotiert wird

5.3 Magnettest

Die Magnetauflage erlaubt auch ohne Programmiergerät näherungsweise Aussagen über den Batteriezustand des Schrittmachers. Mit Magnetauflage gehen die Schrittmacher in der Regel in einen starrfrequenten Stimulationsmodus (mit definierter Magnetfrequenz ) über (V00, A00 oder D00). Die Magnetfrequenz liegt bei Implantation (Begin of Service) üblicherweise zwischen 85–100 ipm (je nach Modell) und nimmt bei Erreichen des Austauschkriteriums („elective replacement indicator“, ERI) deutlich auf ca. 60–80 ipm ab. Mit Erreichen des ERI sollte der Schrittmacher ausgetauscht werden.

Manche Schrittmachermodelle können so programmiert sein, dass bei Magnetauflage keine starrfrequente Stimulation erfolgt. Andere Funktionen bei Magnetauflage können je nach Modell und Programmierung sein: Aufzeichnung eines Holter EGM, Stimulationstest für einzelne Schläge mit reduzierter Energieabgabe , Reizschwellentest (z. B. Variotest) etc.

Wenn keine Unterlagen über das Schrittmacheraggregat vorliegen, kann die gemessene Magnetfrequenz evtl. Informationen liefern, welches Programmiergerät zu verwenden ist (Internetadressen und Literatur im Anhang).

Für die Beurteilung des Batteriezustandes sollten in jedem Fall gemessene Daten herangezogen werden (z. B. Batterieimpedanz, Batteriespannung, Angaben zu ERI etc.), da die aktuelle Magnetfrequenz keine verlässliche Prognose über die Restlaufzeit erlaubt.

5.4 Inhibitionstest

Sinnvollerweise werden das atriale und ventrikuläre Sensing mit einer Frequenz von 30 ipm im AAI/VVI/DDI/VDD oder DDD Modus überprüft. Liegt die intrinsische Herzfrequenz <30 min−1, kann versucht werden, durch Belastung die intrinsische Frequenz >30 min−1 anzuheben (Sensingtest: ► Abschn. 4.​9 ). Eine andere Option erlaubt die Bestimmung des ventrikulären oder atrialen Signals im temporären 0D0 Modus (◘ Abb. 5.5).
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Abb. 5.5

Der Modus kann in manchen Aggregaten temporär auf „000“ (oder „0D0“) eingestellt werden, um den Eigenrhythmus festzustellen. Aus: Fischer und Ritter (2002)

5.5 Provokationstest

Bei Verdacht auf Oversensing von Myosignalen sollte ein Provokationstest durchgeführt werden. Hierbei wird bei laufendem EKG geprüft, ob Muskelanspannungen zu einer Inhibition oder Triggerung des Schrittmachers führen (► Abschn. 9.​3, Oversensing von Myosignalen).

5.6 Belastungstest

Der Belastungstest kann bei klinischen Symptomen oder nach Änderung der Medikation die Frage einer chronotropen Inkompetenz klären und dient auch der Optimierung des Sensors für die Frequenzanpassung. Der Test zeigt, ob die erzielte Stimulationsfrequenz adäquat ist. Zu beachten ist dabei, dass Aktivitätssensoren während einer Fahrradergometrie einen inadäquaten Frequenzanstieg zeigen, da sie keine wesentliche Aktivität mit Vorwärtsbewegung registrieren. Ein Pulsoxymeter, Kurzzeitholter oder Simulationstest können zusätzlich für die Einstellung der Sensoren hilfreich sein (► Abschn. 5.7).

Holterfunktionen im Schrittmacher können Hinweise auf das Vorliegen einer chronotropen Inkompetenz geben. Bei chronotroper Inkompetenz sollte die Frequenzadaptation aktiviert werden. Falls der Patient unter Belastung mit seiner intrinsischen Frequenz adäquat ansteigt, ist die Sensorfunktion entbehrlich. Eine spezielle Situation liegt vor bei Patienten mit chronotroper Kompetenz und AV Block III° im Falle einer Mode Switch Situation, z. B. wegen Vorhofflimmern. Bei nicht aktiviertem Sensor (DDD zu VDI/DDI) erfolgt in dieser Situation eine Stimulation an der Grundfrequenz. Aus diesem Grund sollte idealerweise in einer solchen Situation die Frequenzadaptation automatisch aktiviert werden (z. B. Mode Switch von DDD zu DDIR).

5.7 Simulation

Die Simulation der Belastungsfrequenzen dient der Optimierung der Sensoreinstellungen. Der Patient führt eine Belastung (z. B. Treppensteigen) durch, um die erreichten Belastungsfrequenzen zu dokumentieren. Bei der Belastung ist darauf zu achten, eine automatische Sensoranpassung auszuschalten und den kleinsten fixen, sensorkalkulierten Frequenzanstieg zu wählen, um die intrinsischen Frequenzen unter Belastung erkennen zu können. Jetzt können mittels Simulationsprogramm bei verschiedenen Einstellungen der Sensorparameter die daraus resultierenden Frequenzkurven mit der intrinsischen Frequenz verglichen werden.

Das Beispiel in ◘ Abb. 5.6 zeigt den Verlauf der Eigenfrequenz unter Belastung bei einem chronotrop inkompetenten Patienten mit einer max. Eigenfrequenz vom 94 min−1. Die Sensorfrequenz liegt bei einer Einstellung eines kleinen Anpassungsfaktors von „3“ bei 78 min−1. Mittels Simulationsprogramm werden mit verschiedenen Einstellungen der Sensorparameter die daraus resultierenden Frequenzkurven dargestellt (schwarze Kurve: Eigenfrequenz; blaue Kurve: simulierte Sensorfrequenz). Es wurde in diesem Falle die Einstellung von „7“ (c) gewählt und den Frequenzanstieg bei der kleinsten sensorkalkulierten Einstellung.
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Abb. 5.6

a–c Simulation der Sensoreinstellung (schwarze Kurve: Eigenfrequenz; blaue Kurve: simulierte Sensorfrequenz). a: Frequenzverlauf mit Adaptation 3, maximale Eigenfrequenz unter Belastung: 94 min−1, Patient ist chronotrop inkompetent; b: Frequenzverlauf mit (max.) Adaptation 16; c: Frequenzverlauf mit (optimierter) Adaptation 7

5.8 Langzeit EKG Untersuchungen

Bei Verdacht auf eine Fehlfunktion des Schrittmachersystems oder wenn der Patient über Symptome wie z. B. Herzrasen oder Palpitationen klagt, die nicht durch die gespeicherten Arrhythmien oder im Rahmen der Nachkontrolle erklärt werden können, kann das Langzeit EKG Informationen liefern. Dies ist z. B. der Fall, wenn Vorhofflimmerphasen vom Schrittmacher nicht adäquat erkannt werden, weil die Flimmersignale zu niedrig sind, bei Verdacht auf intermittierenden Exitblock/Entranceblock , oder wenn AV Überleitungsstörungen im AAI Modus vermutet werden.

5.9 Röntgendiagnostik

Das Röntgenthoraxbild oder eine Computertomographie können bei Verdacht auf z. B. Sondenprobleme, wie Sondenbrüche, Isolationsdefekte, Konnektionsprobleme, Sondenperforationen oder Dislokationen, wichtige Informationen liefern.

5.10 Echokardiographie

Die Echokardiographie (transthorakal oder transösophagial) findet für die hämodynamische Optimierung des AV Delays und bei biventrikulären Systemen für die Synchronisierung des rechten und linken Ventrikels Anwendung. Sie ist unentbehrlich für die Beurteilung von Sondenproblemen und bei der Darstellung bakterieller Auflagerungen an Herzklappen und Sonden.

5.11 Telemonitoring

Andere Bezeichnungen: Home Monitoring ; Care Link Network ; Conexus Automatic Monitoring ; Merlin Net ; Patient Care Network ; Latitude ; SMARTVIEW .

Das Telemonitoring wurde 2001 mit dem System „Home Monitoring“ eingeführt. Mittlerweile bieten die meisten Hersteller auch Telemonitoring an, das eine Fernüberwachung von Herzschrittmacher und Defibrillatorsystemen erlaubt. Mittels Telemonitoring können gespeicherte Daten telemetrisch an ein Zentrum gesendet werden, wo die Daten aufbereitet und über eine sichere Internetseite dem betreuenden Arzt zugänglich gemacht werden (◘ Abb. 5.7).
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Abb. 5.7

Schematische Darstellung: Telemonitoring

Für die Realisierung von Telemonitoring benötigt das Implantat eine Antenne. Der Patient wird mit einer Sende /Empfangseinheit (andere Bezeichnungen: Patientengerät; Monitor; Home Sender; Cardio Messenger etc.) ausgestattet. Die Sendeeinheit ist entweder ein stationäres Gerät, das mit dem Telefonanschluss verbunden ist, oder ein Handy, das mit dem Mobilfunknetz in Verbindung steht. Diese Sendeeinheiten leiten die Daten an ein Telemonitoringzentrum weiter. Je nach Anbieter und Schrittmacher kann die Datenübertragung z. B. einmal täglich automatisch erfolgen, indem sich der Patient in der Nähe der Sendeeinheit aufhält oder aktiv durch Auflage eines Telemetriekopfes auf den Schrittmacher. Übertragen werden Informationen, z. B. Sondenimpedanz, Batteriestatus, Ergebnisse der automatisch durchgeführten Reizschwellen und Sensingtests, Parametereinstellungen und gespeicherte Diagnosedaten. Darüber hinaus können z. B. auch Blutdruck, Gewicht und intrapulmonale Volumenveränderungen etc. je nach Modell übertragen werden.

Das Telemonitoring bietet eine regelmäßige Überwachung der Schrittmacherfunktionen, sodass der behandelnde Arzt bei Problemen frühzeitig eingreifen kann. Bei Patienten, die Fernreisen durchführen, kann eine mobile Sendeeinheit auch bei Aufenthalt im Ausland eine Kontrolle des Schrittmachers ermöglichen.

Wenn der Zustand des Patienten stabil und eine Umprogrammierung nicht erforderlich ist, kann die Online Nachsorge die routinemäßigen Nachsorgeintervalle beim Arzt auf bis zu 12 Monate verlängern.

Bedeutsame klinische Ereignisse führen zur sofortigen Benachrichtigung des Arztes. Dies ist z. B. der Fall, wenn über einen längeren Zeitraum Vorhofflimmern oder anhaltende atriale Tachykardien registriert werden (◘ Abb. 5.8).
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Abb. 5.8

Beispiel Home Monitoring: 3 Monate nach der Schrittmacherimplantation war bei der Patientin plötzlich Vorhofflimmern aufgetreten. Die Patientin und ihr Hausarzt wurden von der betreuenden Klinik am nächsten Morgen über die Diagnose informiert, nachdem der Herzschrittmacher die auffälligen Daten über das Home Monitoring Zentrum per E Mail und Fax an die betreuende Klinik übertragen hatte

Die Telemedizin entspricht den aktuellen Empfehlung des „HRS/EHRA Expert Consensus“ (Wilkoff et al. 2008) zum Monitoring kardiovaskulärer, implantierbarer elektronischer Geräte. Die Empfehlungen zum Telemonitoring (erschienen in der „Kardiologie“, Müller et al. 2013) empfehlen insbesondere die telemedizinischen Nachsorgen von ICDs und CRT D Aggregaten. Bezüglich der Abrechnung von telemedizinischen Nachsorgen sind seit dem 1. Oktober 2017 im EBM Katalog nur ICDs und CRT Aggregate mit verschiedenen GOP Ziffern aufgenommen worden.

Telemetrische Nachsorgen von Herzschrittmachern (mit Ausnahme von CRTP Aggregaten) sind aktuell im EBM Katalog nicht berücksichtigt und damit nicht abrechenbar.