Das Wort, das ›bejahend, bestätigend‹ bedeutet, ist – als Gegenbegriff zu kritisch – ein zentraler Ausdruck des Jargons jener Linken, die man gemeinhin etwas unscharf als die »68er« bezeichnet. Verantwortlich dafür waren möglicherweise Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die in ihrer erstmals 1944 veröffentlichten »Dialektik der Aufklärung«, einem Hausbuch der kritischen Theorie, über die christlichen Kirchen und ihre Heilsversprechen urteilen: »Darin liegt ihre Unwahrheit: in der trügerisch affirmativen Sinngebung des Selbstvergessens.«
In den Jahren, die auf die Neuauflage der »Dialektik« 1969 folgten, etablierte sich affirmativ dann als Terminus der Kultur- und Gesellschaftskritik. Bei damals viel gelesenen marxistischen Denkern wie dem Kunsthistoriker Otto Karl Werckmeister oder dem Soziologen Claus Offe galt es schlimmster Vorwurf, affirmativ gegenüber den bestehenden Verhältnissen zu sein. In Texten wie Werckmeisters »Von der Ästhetik zur Ideologiekritik« oder Offes »Strukturprobleme des kapitalistischen Staates« wird das Verdammungsurteil freigiebig über die nicht marxistische Kultur, Kunst und Philosophie gefällt – von Kant bis Hollywood. Niklas Luhmann beschreibt diese Etablierung des Wortes Jahrzehnte später in »Die Theorie der Gesellschaft«:
In der Nachfolge des Ideologiestreites des 19. Jahrhunderts, den man eigentlich vermeiden wollte, wurde die Paradoxie der Kommunikation über Gesellschaft in der Gesellschaft in Theoriekontroversen aufgelöst mit Formeln wie strukturalistisch/prozessualistisch, Herrschaft/Konflikt, affirmativ/kritisch oder gar konservativ/progressiv.
Seit den 1960er-Jahren steigt die Gebrauchshäufigkeit von affirmativ nachweisbar an; heute gehört es zum allgemeinen Bildungswortschatz. Vorher, ab dem 16. Jahrhundert, war affirmativ, das von lateinisch affirmativus abgeleitet ist, ein neutraler Begriff im Spezialistenwortschatz von Philosophie, Staatstheorie und Rechtssprache, der dort wie positiv als Gegenwort zu negativ eingesetzt werden konnte und in Linguistik und Logik auch noch so eingesetzt wird. Es gab dazu sogar ein heute obsolet gewordenes feminines Substantiv Affirmative (›Bestätigung‹), das noch Otto von Bismarck verwendete.