bramarbasieren

Manchmal erfinden die Dichter tatsächlich Wörter, und wenn es ihnen gelingt, etwas zu prägen, was der Sprache bisher fehlte, dann kann selbst ein mittelmäßiger Poet wegen eines von ihm erdachten Ausdrucks in die Literaturgeschichte eingehen. So erging es Johann Burckhardt Mencke, der 1710 ein Gedicht namens »Cartell des Bramarbas an Don Quixote« veröffentlichte. Ein Cartell war ein Brief, mit dem man jemanden zu einem Duell herausforderte. Aber dieses längst mitsamt dem Duellkult untergegangene Wort interessiert hier weniger als der Name Bramarbas, den Mencke, der seine »Deutschen Gedichte« unter dem typisch barocken Pseudonym Philander von der Linde veröffentlichte, erfunden hatte. Möglicherweise dachte er dabei an das spanische Wort bramar (›brüllen, schreien, tosen‹). Der Bramarbas, der Don Quixote in Menckes Gedicht herausfordert, ist ein unfassbarer Prahler. Dieses vergessene, aber recht lustige Gedicht muss hier länger zitiert werden, weil es gut illustriert, was ein bramarbasierender Bramarbas bis heute ist:

Bramarbas, der in einem Futter

Von Lapland bis nach Königslutter

Gewapnet und zu Fusse geht,

Der, wenn er sich ins Meer will wagen,

Zur Helffte noch heraus kan ragen,

Und doch nicht auf den Zähen steht; […]

Will gegen dem Dulciner-Ritter

Mit einem abgebrochnen Splitter

Von seiner Lantze noch bestehn;

Er will, daß dieser bey dem Streite

Auf seinem Roncinontes reite,

Er aber will zu Fuße gehn.

Die eigentliche Karriere des Namens Bramarbas und des daraus abgeleiteten Wortes begann aber erst 1741 mit Johann Christoph Gottsched. Dieser gab seiner Übersetzung einer Komödie des Dänen Ludvig Holberg den von Mencke inspirierten Titel »Bramarbas oder der großsprecherische Offizier«, obwohl die Titelfigur im dänischen Original einen ganz anderen Namen trägt, nämliche Jacob von Tyboe. Gottsched und Mencke kannten sich aus Leipzig; dort war Mencke 1717 Vorsteher der »Teutschübenden poetischen Gesellschaft«, die sich unter Gottscheds Leitung 1727 in »Deutsche Gesellschaft« umbenannte. Und es war Gottscheds Einfluss als wichtigster Intellektueller, Sprachreformer und Theatertheoretiker des frühen 18. Jahrhunderts zu verdanken, dass Bramarbas sich vom Eigennamen einer einzelnen Figur zum Gattungsbegriff entwickelte, mit dem man allgemein Großsprecher bezeichnete, insbesondere prahlende Soldaten. Einen solchen beschreibt zum Beispiel E. T. A. Hoffmann 1814 in seinem »Phantasiestück«, genannt »Der Magnetiseur«:

Ich erinnere mich, im Traum in einer lustigen Punschgesellschaft gewesen zu seyn; ein mir wohlbekannter Bramarbas von Offizier zog unaufhörlich einen Studenten auf, bis dieser ihm ein Glas ins Gesicht warf; nun entstand eine allgemeine Schlägerei.

Das Substantiv ist seltener als das daraus abgeleitete Verb bramarbasieren (›prahlen, aufschneiden‹), das schon im 1751 veröffentlichten 24. Brief Christian Fürchtegott Gellerts über den Geschmack auftaucht:

So könnt ich von der Liebe singen, wie sie […]

Bald aus der Jugend lacht, bald aus dem Alten keucht,

Aus dem Bramarb bramarbasiret,

Aus dem Pedanten meditiret,

Aus süßen Herren raffiniret.

Doch selbst das Verb gehört eher zum Elfenbein des Bildungswortschatzes. Im Bundestag wurde es seit 1949 genau viermal benutzt. Einer der Letzten, der es gebrauchte, war der SPD-Intellektuelle Horst Ehmke, der am 27. November 1987 über eine Rede von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) höhnisch urteilte:

Sie hat sich im Wesentlichen dadurch ausgezeichnet, daß das Selbstlob in ihr die Heuchelei noch übertroffen hat. Diese Art von Bramarbasieren, Herr Bundeskanzler, hat der Regierungsmannschaft Kohl im Ausland den Spottnamen ›Kegelklub Germania‹ eingetragen; Details will ich Ihnen lieber ersparen.

Wir können Ehmke posthum sehr dankbar sein, dass er mit dieser Invektive ein geradezu mustergültiges Beispiel für den heutigen Gebrauch von bramabasieren lieferte.