Wenn der Papst alljährlich zu Ostern seinen Segen »Urbi et orbi« spricht, hören ihm exorbitant viele Menschen auf der ganzen Welt zu. Das Wort orbis bedeutet ›Kreis, Rundung‹, und der Pontifex segnet ›die Stadt und den Weltkreis‹. Orbis steckt auch im Adjektiv exorbitant, das auf lateinisch exorbitans zurückgeht, aber im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt wurde, wie die Endung -ant anzeigt. Genau wie im Deutschen bedeutet es schon im Lateinischen, dass etwas außergewöhnlich ist, in dem es von der orbita (›Gleis, Fahrbahn‹) abweicht oder die Grenzen des üblichen orbis überschreitet.
Im Deutschen hat das Wort von Anfang an die intensivierende Bedeutung ›außerordentlich, jenseits des Gewöhnlichen‹. Schon früh wurde exorbitant auf Kaufpreise bezogen, wie beispielsweise bei Johann Gottfried Seume, der 1803 beschreibt wie er auf seinem »Spaziergang nach Syrakus« aus Deutschland kommend die Schweiz und Frankreich in Richtung Dijon durchquerte und bemerkt: »Wenigstens war nirgends der drückende Mangel und die exorbitante Teurung, die man jenseits der Alpen fand.«
Früher konnte exorbitant auch neutral im Sinne einer bloßen Zustandsbeschreibung verwendet werden. Beispielhaft dafür ist ein Zitat in Theodor Mommsens »Römischer Geschichte«, in dem er die Rechte der Censoren in der Römischen Republik erklärt: Diese hätten »die exorbitante Befugniss« gehabt, »von fünf zu fünf Jahren die Rathliste zu revidiren und nach Gutdünken Namen zu streichen oder zuzusetzen«.
Ungewöhnlich erscheint uns heute die Beschreibung einer Person mit dem Attribut exorbitant. Ricarda Huch entschied sich 1912/14 für dieses Wort, um in ihrer Geschichte des Dreißigjährigen Krieges den »tollen Christian«, einen Braunschweiger Herzog und protestantischen Heerführer, zu charakterisieren. Dieser kämpfte für den Winterkönig Friedrich von der Pfalz und mehr noch – in einer Art ritterlichem Minnedienst – für Friedrichs Gattin, die englische Königstochter Elizabeth Stuart. Dementsprechend lautete Christians Motto auch »Pour dieu et pour elle« (›Für Gott und für sie‹). Huch schildert den Eindruck, den Christian auf das Königspaar machte:
Elisabeth hatte unleugbar ein gewisses Wohlgefallen an ihm und seinem exorbitanten Wesen, wie es auch Friedrich anzog; denn es war nicht recht dahinterzukommen, ob er ein ritterlicher Held oder ein gottloser Spötter war, der sich über alle Welt lustig machte, oder ob er nur in Erstaunen setzen und bewundert sein wollte.
Mit exorbitant drückt Huch hier aus, was der Volksmund mit dem Wort toll in seiner alten Bedeutung meinte: dass Christian seinen Zeitgenossen ziemlich durchgeknallt vorkam. Bei der Autorin ist dennoch eine gewisse Faszination für den Herzog zu spüren.
Doch schon früh tendierten Sprecher dazu, exorbitant eher im abwertenden Sinne von ›unmäßig‹ zu verwenden. Im Lexikon der »A la Mode-Sprach der Teutschen« von Sperander wird es 1727 mit der schönen Wendung »unmäßig, über die Schnur hauend« definiert. Das passt zum Vorwurf, den in Frank Wedekinds »Erdgeist«-Tragödie von 1895 Dr. Schön seiner ehemaligen Geliebten Lulu macht: »Du stellst weiß Gott was für exorbitante Anforderungen an legitime Verhältnisse!« Dr. Schön ist übrigens der Chefredakteur einer Berliner Zeitung, und bis heute ist exorbitant, das nun seit mehr als 300 Jahren dem deutschen Bildungswortschatz angehört, ein Lieblingswort von Journalisten geblieben.