frugal

Im Jahr 1799 versuchte der schon ziemlich verzweifelte Friedrich Hölderlin, sein Dasein als freier Schriftsteller durch die Gründung einer Zeitschrift auf eine regelmäßige Einnahmengrundlage zu stellen. Seine Ansprüche waren bescheiden. Seinem Freund Christian Ludwig Neuffer, der später ein Vertreter der von Heinrich Heine so gnadenlos verspotteten schwäbischen Dichterschule wurde, schrieb Hölderlin im August des Jahres: »Nur so viel setz ich hinzu, daß ich ganz für das Unternehmen und von ihm leben werde, daß übrigens meine frugale Existenz nicht so teuer zu besolden ist wie der großen Männer, welche die Horen herausgeben.«

Die »Horen« waren zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon wieder eingestellt, und sie hatten nur einen Herausgeber gehabt: Friedrich Schiller. Aber offenbar geisterten in Hölderlins Vorstellungswelt exorbitante Summen herum, die der Verleger Cotta Schiller dafür gezahlt hatte, dass dieser unter anderem Goethe sowie die Humboldt-Brüder Alexander und Wilhelm als Mitarbeiter gewonnen hatte. Im Vergleich zu ihnen sah Hölderlin sich und sein Leben jedenfalls als frugal an.

Das Adjektiv mit der Bedeutung ›einfach, genügsam‹ wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt; etymologisch geht es zurück auf lateinisch frugalis (›nutzbar, wirtschaftlich, sparsam‹) und ist verwandt mit frux (›Frucht‹). Wer also glaubt, Fructarier, die sich heutzutage ausschließlich von Früchten ernähren, äßen frugal, der liegt nicht ganz falsch. Sehr häufig steht das Adjektiv in Wendungen wie frugales Mahl, frugales Abendbrot, frugales Frühstück, frugale Mahlzeit. So erinnert sich 1969 der Physiker Werner Heisenberg in seinen Memoiren »Das Teil und das Ganze«, wie er im vorletzten Kriegsjahr die Mitglieder der sogenannten Mittwochgesellschaft ins Harnack-Haus, der Begegnungsstätte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (heute Max-Planck-Gesellschaft), eingeladen hatte: »Ich hatte den Nachmittag über in meinem Institutsgarten Himbeeren gepflückt, die Leitung des Harnackhauses hatte Milch und etwas Wein beigesteuert, so konnte ich meine Gäste wenigstens mit einem frugalen Mahl bewirten.« Es war das letzte Treffen vor dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, das zur Zerschlagung der Mittwochsgesellschaft sowie zur Verhaftung und Hinrichtung vieler Teilnehmer dieser Sitzungen führte.

Auf die Lebensumstände, die Hölderlin und Heisenberg mit dem Wort frugal schildern, folgt heute eine Farce: Die Bedeutung des Wortes ist teilweise völlig in Vergessenheit geraten, und die Medien verwenden es in einigen Fällen mit dem entgegengesetzten Sinn ›üppig, fruchtreich‹. Das ist dann wieder einmal mehr Unbildungssprache.