Volte

Fechten, Reiten, und Gesellschaftstänze spielten in früheren Gesellschaften eine größere Rolle als heute. Bei allen drei Aktivitäten konnte das ursprünglich französische Wort Volte jeweils eine rund ausgeführte Bewegung bezeichnen: Der Fechter weicht seinem Gegner durch eine schnelle Drehung aus, der Reiter führt sein Pferd in möglichst engen Kreisen, und der beliebte Modetanz – auch Volta genannt – war so schnell, dass die Röcke hochflogen und Moralapostel Anstoß nahmen. Von diesen Bedeutungen lassen sich die Volten aus der Reitkunst als Erste seit dem 17. Jahrhundert im Deutschen nachweisen. Sie gelten noch den Epigonen in Karl Immermanns gleichnamigem Werk von 1836 als Inbegriff adeliger Reitkunst. Als der Romanheld ein mittelalterliches Kampfspiel nachstellen lässt, heißt es: »Hermann ließ die Ritter nun zuvörderst einige Volten auf dem Turnierplatze machen, und dabei den Speer senkrecht im Bügel führen.«

Seit dem 18. Jahrhundert beschreibt eine Volte schlagen auch ein geschicktes Manöver beim Kartenmischen, mit dem sich der Geber selbst das beste Blatt zukommen lässt. Wohl von dort stammt der heutige bildungssprachliche Gebrauch des Wortes Volte. Bezeichnet wird damit ein rhetorischer Kniff, eine plötzliche Änderung der Argumentation. Schon die Aufklärer Friedrich Nicolai und Thomas Abbt benutzten das Wort in diesem Sinne. Abbt zum Beispiel, der sich Mitte des 18. Jahrhunderts in seinem Aufsatz »Von der Gewissheit in sinnlichen, theoretischen und moralischen Wahrheiten« mit Gottfried Wilhelm Leibniz auseinandersetzt, wirft dem großen Gelehrten vor, »die philosophische Volte« zu schlagen, wenn eigentlich Deutlichkeit geboten sei.

Derartige Volten identifizieren die Medien unter anderem in Politik und Wirtschaft. Der »Spiegel« etwa berichtet 1982 über den FDP-Minister Otto Graf Lambsdorff: »Wir besprechen die staunenswerte Volte des Grafen Lambsdorff, der über Nacht die Ergänzungsabgabe als machbar entdeckt hat, genau jene Abgabe, über die er und Genscher die Koalition neulich noch zu Fall zu bringen planten.« Und 2000 wundert sich die »Zeit« über eine »unternehmerische Volte« des Besitzers der Meyer Werft.