EINS

Kaum erreichte Oberkommissar Fokke Mommsen die ersten Marschgebiete, stieg wie immer das wohlige Gefühl von Heimat in ihm auf. Eine Stunde später rollte sein Leihwagen hinter dem Landgasthof seiner Schwester in Bredstedt aus. Der »Pesel« war das beste Haus am Platz und verfügte neben dem Schankraum auch über sechs Gästezimmer. Meistens waren sie durch Außendienstmitarbeiter diverser Unternehmen belegt, die die gute Küche und die günstigen Zimmer von Wiebke Mommsen schätzen gelernt hatten.

»Moin, Fokke. Schnauze voll von Lübeck?«

Es war die Standardfrage von Fliesenleger Fiete Heinzen, der wie üblich mit gerötetem Gesicht am Tresen hockte und seinen Alkoholspiegel auf ein für ihn erträgliches Niveau brachte.

»Moin, Fiete. Nur ein Kurzbesuch«, antwortete Fokke.

Er schaute auf das Schlüsselbord hinter dem Tresen und nahm zufrieden den Schlüssel für Zimmer 4 vom Haken. Das war sein Lieblingszimmer, da es auf den Marktplatz hinausging. So war die Entwöhnung für den Stadtmenschen Fokke Mommsen nicht gar zu groß. Er stellte seine Reisetasche im Zimmer ab, zog die Gardine zur Seite und öffnete das Fenster. Autohupen und leises Stimmengewirr drangen in den Raum, was Fokke mit einem zufriedenen Nicken quittierte. Dann stieg er die Treppe hinunter in den Gastraum.

»Moin«, grüßte er fröhlich.

Seine drei Jahre ältere Schwester stand hinter dem Schankhahn und füllte eifrig Biergläser für die durstigen Gäste. Beim Ausruf ihres Bruders zuckte Wiebke Mommsen leicht zusammen.

»Moin, du Städter. Jagt man in Lübeck den Menschen immer einen solchen Schreck ein?«, schimpfte sie.

Fokke grinste ungeniert und umarmte seine Schwester, die es sich nicht nur gefallen ließ, sondern gleichzeitig kritisch seinen Haarschnitt musterte.

»In der Großstadt kommt der Hippielook wohl wieder in Mode«, murrte Wiebke.

»Nein, aber in Bredstedt macht der Friseurbesuch mehr Spaß«, sagte Fokke.

In den dunkelblauen Augen von Wiebke stieg Unmut auf. Es gab zwei Friseurgeschäfte in Bredstedt. Eines wurde vom fast siebzig Jahre alten Heinrich Bahnsen betrieben, und das andere stand unter der Leitung von Celia Boysen. Da ihr jüngerer Bruder schon früher nie gern zu Bahnsen gegangen war, blieb demnach nur Celias Salon.

»Da läuft doch was zwischen euch«, sagte sie.

Fokke schaute Wiebke an.

»Wen meinst du denn, liebes Schwesterherz?«, fragte er scheinheilig.

»Das blonde Gift aus der Bergstraße natürlich«, sagte Wiebke.

Fokke war mit seinem Erfolg zufrieden. Es war einfach, seine ältere Schwester aufs Glatteis zu führen. Er freute sich darauf, drei Tage in Wiebkes Gasthaus zu nächtigen und ihre gute Küche genießen zu dürfen.

»Reingefallen«, lachte er.

Das Blau in Wiebke Mommsens Augen wurde noch dunkler, woraufhin Fokke blitzschnell das Tablett mit den gefüllten Biergläsern schnappte und zwei Schritte zurückwich. Keine Sekunde zu früh, wie das nasse Tuch in Wiebkes Hand bewies.

»Sieh bloß zu und bring den Gästen das Bier, du Frechdachs«, rief sie.

Die Geschwister grinsten sich an und schon eilte Fokke hinaus zu den Tischen vor dem Gasthaus. Alle Plätze waren besetzt, doch anhand des kleinen Zeichens am Tropfenfänger der Gläser konnte Fokke die Biere korrekt verteilen.

»Moin, Fokke. Urlaub oder Arbeit?«, fragte einer.

Verblüfft schüttelte Fokke den Kopf. Er kam nur privat in seine Heimatstadt, und das wusste eigentlich auch jeder, weshalb ihn die Frage des Elektroinstallateurs irritierte.

»Privat natürlich. Wie kommst du darauf, dass ich dienstlich hier bin?«, fragte er Hartmann.

Der hagere Mann deutete mit dem Daumen auf einen Streifenwagen, der just in diesem Augenblick über den Marktplatz in ihre Richtung rollte.

»Hab es grade erfahren. Die Sheriffs haben Dirk festgenommen. Wegen Hauke Boysen«, antwortete Hartmann.

Fokke verstand kein Wort, und das war offenbar an seinem Gesichtsausdruck ablesbar. Guido Hartmann stutzte und erkannte dann seinen Fehler.

»So’n Schiet. Du hast keinen Schimmer, oder?«, fragte er.

»Nö. Was ist Hauke denn jetzt schon wieder passiert, und wieso hat man Dirk festgenommen?«, wollte Fokke wissen.

Guido Hartmann fasste sich kurz und erzählte vom Feuer auf dem Bauernhof von Hauke Boysen und von dem grausigen Fund, den die Feuerwehrleute in der Scheune gemacht hatten.

Fokke war geschockt über das, was er von Hartmann soeben erfahren hatte. Gleichzeitig sorgte er sich um seinen Cousin Dirk. Sein Blick erfasste Ulf und Heiner Boysen, die sich beim Verlassen des Fahrzeugs ihre Schirmmützen aufsetzten. Fokke ließ die beiden Polizisten kaum aus dem Streifenwagen aussteigen.

»Stimmt das, Ulf? Hast du wirklich Dirk festgenommen, weil er angeblich Hauke umgebracht haben soll?«

Polizeihauptmeister Ulf Boysen schaute den kräftig gebauten Fokke mit einem distanzierten Blick an. »Ja, aber das geht dich nichts an. Wir wollen mit Wiebke sprechen, um einige Angaben von Dirk zu überprüfen.«

Diese dämliche Fehde zwischen den Familienclans der Boysens und Mommsens war der Hauptgrund, warum Fokke nicht mehr in Bredstedt lebte. Weder seine Eltern noch einer der vielen Verwandten hatte ihm jemals den Auslöser dafür benennen können. Das hielt aber niemanden davon ab, an dieser Fehde festzuhalten. Normalerweise hielt Fokke sich tunlichst aus diesen Auseinandersetzungen heraus, aber angesichts der Festnahme seines Cousins konnte er das momentan nicht tun.

Fokke Mommsen unterdrückte den Impuls, Ulf Boysen an den Kragen zu gehen. Stattdessen folgte er ihm und Heiner Boysen in den Schankraum, wo seine Schwester immer noch hinter dem Tresen stand und die Getränke der Gäste vorbereitete.

»Na, Mittagspause bei der Polizei?«, rief sie vergnügt.

Es war offenkundig, dass Fokkes Schwester ebenfalls noch nicht im Bilde war. Dank ihres cleveren Verhaltens war das Gasthaus so etwas wie neutrales Gebiet geworden, wo sich die Mommsens und Boysens relativ friedlich trafen. Als Wiebke die düsteren Mienen der Männer bemerkte, trocknete sie sich die Hände ab und kam um den Tresen herum.

Fietes Augen funkelten im geröteten Gesicht. Fiete Heinzen war kein Freund der örtlichen Polizei. Die Ordnungshüter hatten dem Fliesenleger schon zweimal den Führerschein abgenommen, weil er betrunken mit dem Auto unterwegs gewesen war.

»Dirk ist verhaftet worden«, sagte Fokke knapp.

»Stimmt das?«, fragte Wiebke ungläubig.

Während Fokke stumm nickte, setzte Ulf Boysen eine dienstliche Miene auf oder was er dafür hielt.

»Wir wissen doch alle, dass Dirk und Hauke seit der Grundschule im Streit lagen. Jetzt ist Hauke eben zu weit gegangen, und Dirk hat die Kontrolle verloren«, sagte er.

Obwohl er sich sehr anstrengte, konnte der Polizeihauptmeister sein Unwohlsein nicht völlig verbergen. Wiebke trat dicht vor ihn und starrte Ulf Boysen drohend an.

»Sag mir, dass das ein dummer Scherz sein soll.«

Ihre Stimme war gefährlich leise geworden, sodass Fokke eilig neben seine Schwester trat und ihr besänftigend die Hand auf die Schulter legte.

»Nein, Wiebke. Erst vorgestern hat es einen schweren Streit zwischen Dirk und Hauke gegeben. Es gab Ärger wegen des Knicks zwischen den Feldern. Vermutlich ging das Ganze gestern weiter und ist dann eskaliert. Wir haben Zeugenaussagen, die es belegen«, antwortete Heiner Boysen.

Die in anderen Regionen Deutschlands auch als Wallhecken bezeichneten Baum- und Strauchhecken begrenzten die Felder und dienten vielen Tieren als natürlicher Lebensraum. Zwischen den Landwirten der beiden Clans brach regelmäßig Streit über die Pflege der Knicks aus, die zum Teil auch handgreiflich ausgetragen wurden. Heiner und Ulf hatten deswegen öfter dienstlich einschreiten müssen.

Heiner genoss die Situation sichtlich und zeigte sich gewohnt schadenfreudig.

»Ihr habt hoffentlich mehr als nur diese wenigen Indizien, Boysen«, sagte Fokke Mommsen.

Für einige Sekunden lang starrten die beiden Männer sich feindselig an. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Ulf ging Heiner Boysen in der Fehde voll auf. Da er generell schnell die Nerven verlor, würde er es wohl nicht weiter als bis zum Obermeister bringen. Ulf war der Klügere von beiden und behielt seinen kleinen Bruder stets im Blick.

»Das hier ist nicht dein Revier, Mommsen! Halt dich da raus, oder es geht eine Beschwerde an deine Dienststelle«, warnte Heiner Boysen.

Jetzt war es Wiebke, die ihren Bruder zur Vernunft anhielt. Ihr mahnender Blick reichte aus, damit Fokke keinen zweiten Schritt auf Heiner Boysen zumachte. Die beiden Geschwisterpaare starrten sich finster an.

Fokke konnte nicht glauben, dass er wirklich in der guten Stube seiner Tante Anne saß und mit den Familienangehörigen über Dirks Verhaftung sprach. Er hatte sich geschworen, nie wieder ein Teil dieser vermaledeiten Fehde zu werden.

»Es ist völlig klar, warum Dirk verhaftet wurde. Weil die Boysens einen Sündenbock benötigen, und da kommt natürlich nur ein Mitglied unserer Familie in Betracht«, schimpfte Karl-Heinz Mommsen.

Der stämmige Metzgermeister kippte seinen vierten oder fünften Doppelkorn hinunter und scherte sich nicht um seinen zu hohen Blutdruck. Seine Tirade wurde von vierzehn Köpfen durch eifriges Nicken untermalt. Nur Wiebke und Fokke hielten sich zurück.

»Was sagst du denn dazu, Kommissar?«, fragte Anne Mommsen.

Die Ehefrau von Stefan Mommsen war die Sprecherin des Clans. Ihr Mann war der größte Windanlagenbauer im Kreis, und allein dadurch erhielt Annes Stimme reichlich Gewicht. Ihre braunen Augen musterten Fokke mit kaum verhohlener Skepsis. Sie traute ihm nicht sonderlich, da er sich seit Jahren aus den Familienangelegenheiten heraushielt.

»Die Indizien reichen kaum für eine längere Inhaftierung aus. Wir sollten einen Rechtsanwalt einschalten, und damit wäre die Angelegenheit vermutlich schon erledigt«, antwortete Fokke.

Es war seine ehrliche Überzeugung, doch die Mienen um ihn herum verdüsterten sich. Sogar Wiebke winkte schnaubend ab.

»Vergiss es, Fokke! Hast du schon vergessen, wer die leitende Kriminalrätin in Husum ist?«, fragte Anne.

Das hatte er in der Tat. Doch die Ermahnung seiner Tante genügte völlig, um Fokke daran zu erinnern. Heidemarie Boysen war eine glänzende Juristin und eine extrem ehrgeizige Polizeibeamtin. Sie war eine Nachzüglerin und kam erst acht Jahre nach ihrem älteren Bruder zur Welt. In der Schule und in ihrer Freizeit wurde Heidemarie oft zum Lieblingsopfer der überwiegend älteren Kinder aus dem Mommsenclan. Sie hasste die Mommsens mit großer Inbrunst und würde nichts unversucht lassen, Dirk als Schuldigen aufzubauen. Auch Fokke war an dieser Situation nicht ganz unschuldig. Heidemarie und er waren in Husum auf das gleiche Gymnasium gegangen. Die ein Jahr jüngere Heidemarie Boysen verliebte sich in Fokke und wollte mit ihm zum Abschlussball gehen. Er hatte jedoch längst seine Wahl getroffen, und es war nun einmal nicht Heidemarie gewesen. Sein damaliger bester Freund hatte dafür gesorgt, dass es bald die ganze Schule wusste, und so für eine große Demütigung der jungen Frau gesorgt.

»Stimmt, das hatte ich vergessen«, murmelte er.

Fokke wollte nicht in die Sache hineingezogen werden. Es wäre sicherlich das Beste, wenn er gleich in aller Herrgottsfrühe zurück nach Lübeck fuhr. Er durfte ohne Erlaubnis seiner Husumer Kollegen sowieso nicht tätig werden.

»Ich habe leider keine Befugnisse in Bredstedt, Anne«, sagte Fokke. Es war ein halbherziger Versuch, auf Einsicht bei seinen Familienangehörigen zu setzen. Das ärgerliche Gemurmel zeigte jedoch, wie aussichtslos sein Versuch war.

»De Jung will utbüxen«, sagte Karl-Heinz.

Die Schnäpse in Verbindung mit dem Bier hatten den Metzgermeister in die niederdeutsche Sprache wechseln lassen. Obwohl viele der jüngeren Einwohner Bredstedts sie nur selten sprachen, verfielen ihre älteren Verwandten regelmäßig in die Heimatsprache. Besonders wenn sie aufgeregt waren, so wie Karl-Heinz in diesem Augenblick.

»Ich will überhaupt nicht abhauen«, protestierte Fokke.

Es ging nicht nur um seine Ehre, sondern auch um Wiebkes Ansehen. Seine ältere Schwester hatte es schwer genug, und Fokke wollte sie nicht durch sein eigensinniges Handeln zusätzlich belasten. Fokke spürte förmlich, wie ihn die unsichtbaren Fäden der Fehde umfingen. Er brauchte Zeit zum Nachdenken und um eine elegante Lösung zu finden.

»Ich werde mich gleich morgen mit der Dienststelle in Lübeck in Verbindung setzen. Auf diesem Umweg erhalte ich vielleicht Einblick in die Ermittlungsakte der Husumer Kollegen«, versprach er.

Fokke würde einen Kollegen bitten, über das Intranet der Landespolizei etwas herauszufinden. Ganz legal war es nicht, aber der schnellste Weg, um an Informationen zu kommen.

Das löste ein zustimmendes Gemurmel aus. Anne Mommsen schaute zufrieden drein.

»Sehr gut, Fokke. Ich werde unseren Rechtsanwalt beauftragen, dann greifen wir von zwei Seiten an«, sagte sie.

Das entsprach Fokkes Vorstellung, der auf ein schnelles Ende dieser unglückseligen Geschichte setzte. Dirk Mommsen war ein liebenswerter Einfaltspinsel, der nicht mit übergroßer Intelligenz gesegnet war.

»Wir müssten an die Unterlagen von Dr. Karstensen kommen. Er hat doch die erste Leichenschau vorgenommen, oder?«, sagte Fokke.

Eine hitzige Debatte entbrannte, auf welchen verschlungenen Wegen diese Informationen von Dr. Karstensen beschafft werden konnten. Eigentlich kamen solche illegalen Methoden für einen Oberkommissar nicht in Frage. Aber der offizielle Weg stand Fokke nicht zur Verfügung, also musste er wohl oder übel alle Proteste hinunterschlucken.

»Du bekommst den Bericht, Fokke. Sonst noch was?«, fragte Anne.

Obwohl es ihm zuwider war, musste Fokke das Netzwerk der Familie um Unterstützung bitten.

»Es muss ein Brandsachverständiger auf Haukes Hof gewesen sein und für die Kripo einen Bericht erstellt haben. Diesen Bericht brauche ich ebenfalls«, sagte er.

Karl-Heinz meldete sich mit einem gewaltigen Rülpser zu Wort. Gute Manieren zählten nicht zu seinen Stärken.

»Das übernehme ich. Es gibt nur zwei Sachverständige im Kreis, und beide gehören zu meinen Spezialkunden.«

Spezialkunden? Fokke wollte lieber nicht wissen, was sein Onkel damit meinte.

Kurz vor Mitternacht löste sich die Versammlung auf.

Wiebke und Fokke verließen den Bredstedter Koog, wo sich der moderne Hof ihres Onkels Stefan Mommsen befand.

»Willst du das wirklich machen, Fokke?«, fragte Wiebke.

Die ersten Minuten war das Geschwisterpaar schweigend über die dunkle Landstraße gefahren. Offenbar machte Wiebke sich Sorgen um ihren kleinen Bruder.

»Nö, eigentlich nicht. Anscheinend geht es aber nicht anders. Wat mott, dat mott«, antwortete Fokke mit einem schiefen Grinsen.

»Was sagt dein beruflicher Instinkt? War es Mord oder doch nur ein scheußlicher Unfall?«, fragte Wiebke.

Fokke hätte sich gewünscht, dass ihm die Antwort erspart geblieben wäre. Aber Wiebke würde nicht lockerlassen, also antwortete er ihr ganz offen.

»Hauke hatte den roden Hahn zu Gast«, sagte er.

»Du glaubst also auch, dass es Brandstiftung war. Fragt sich nur, ob Hauke es selbst getan hat oder ihm jemand die Scheune angezündet hat«, sagte Wiebke.

Darauf würde Fokke erst eine Antwort geben, wenn er mehr darüber in Erfahrung gebracht hatte. Hauke Boysen war es zuzutrauen, dass er einen Versicherungsbetrug versucht hatte und dabei kläglich gescheitert war. Genauso gut konnte Fokke sich vorstellen, dass der unselige Landwirt das Feuer bemerkt und einen dummen Löschversuch gewagt hatte. Im zweiten Fall wäre es definitiv eine Angelegenheit für die Kripo, und Fokke hatte das ungute Gefühl, dass es sich genau so verhielt.

Fokke ging neugierig hinunter in den Gastraum, jemand erwartete ihn. Wie üblich hatten sich auch an diesem verregneten Vormittag einige Stammgäste im »Pesel« eingefunden. Sehr schnell entdeckte Fokke, wer der Besucher sein musste.

»Fokke Mommsen. Sie haben nach mir gefragt?«, stellte er sich vor.

Der hochgewachsene Mann mit schütteren braunen Haaren schaute auf und nickte dann. »Finn Hansen. Karl-Heinz hat mir gesagt, dass Sie sich für das Feuer auf dem Hof von Hauke Boysen interessieren.«

Mit einem überraschten Seitenblick zu seiner Schwester setzte Fokke sich an den Tisch zum Brandgutachter. Offenbar war dieser Spezialkunde sehr erpicht darauf, bei Karl-Heinz Mommsen nicht in Ungnade zu fallen. Fokke nahm sich vor, demnächst mehr über diesen besonderen Service seines Onkels in Erfahrung zu bringen.

»Ja, das stimmt. Können Sie mir verraten, wodurch das Feuer ausgelöst wurde? War es vielleicht eine defekte elektrische Leitung?«, fragte er.

Der Gutachter beugte sich verschwörerisch zu Fokke hinüber. Nach einem prüfenden Blick auf die anderen Gäste, die jedoch allesamt keine Notiz von ihrem Gespräch nahmen, begann er zu erzählen.

»Einen Moment bitte. Was lagerte in der Scheune?«, unterbrach Fokke. Er nahm an, dass er sich verhört hatte.

»Tonnenweise getrockneter Kot von Schafen. Glauben Sie mir, Herr Mommsen. Der Geruch war ekelerregend«, antwortete Finn Hansen.

Hauke Boysen hatte Schafscheiße in seiner Scheune gehortet? Fokke konnte kaum fassen, was er hier zu hören bekam.

»Aber der Ausbruch des Feuers war kein Unfall? Da gibt es für Sie keinerlei Zweifel?«, hakte er nach.

»Das Feuer ist an drei unterschiedlichen Stellen in der Scheune gleichzeitig ausgebrochen. Allein dieser Umstand lässt keinen anderen Rückschluss als Brandstiftung zu. Außerdem habe ich diese Reste in der Scheune entdeckt. Können Sie erkennen, was es ist?«, fragte Hansen.

Er schob Fokke sein Smartphone hin und deutete auf eine Fotografie, die eine unförmige Substanz zeigte. Fokke hatte zwar im Laufe seiner beruflichen Karriere eine Menge seltsamer Dinge sehen müssen, doch hiermit war er überfordert.

»Nein? Das sind Wachsreste, Herr Mommsen. Der Brandstifter hat das Feuer mit Kerzen entfacht«, erklärte Hansen.

Für Fokke wurde der Fall immer bizarrer. Welcher Feuerteufel hantierte in der heutigen Zeit noch mit Kerzen?

»Dann haben wir es also mit einem völligen Anfänger zu tun?«, fragte er.

Zu seiner Verwunderung wiegte Finn Hansen skeptisch den Kopf. »Könnte man annehmen. Auf der anderen Seite hinterlassen komplizierte Brandsätze immer auch eindeutige Hinweise auf ihre Erbauer. So gesehen stellen Wachskerzen eine clevere Alternative dar.«

Mehr konnte Hansen Fokke nicht erzählen. Er verabschiedete und freute sich, dass Fokke kein Geld für den getrunkenen Kaffee haben wollte. Kaum war Hansen durch die Tür auf den Marktplatz verschwunden, kam Wiebke an den Tisch.

»Und? Was hat er gesagt?«, fragte sie.

Fokke erzählte es seiner Schwester, die daraufhin seltsam still wurde.

»Was ist denn?«, fragte er alarmiert.

Wiebke druckste ein wenig herum, bevor sie mit der Sprache herausrückte. »Dirk war als Teenager ein kleiner Pyromane. Er hat unter anderem den Kaninchenstall von Onkel Erich in Flammen aufgehen lassen. Zum Glück war der Stall damals nicht in Gebrauch.«

Seine riesige Familie war Fokke schon immer ein wenig unheimlich vorgekommen. Jetzt gehörte auch noch ein Pyromane dazu.

»Das dürfte den Kollegen auch bekannt sein, Wiebke. So etwas entlastet Dirk nicht«, sagte er.

Bislang erwies sich diese heimliche Ermittlung als einziger Reinfall. Fokke musste einsehen, dass er sich Unterstützung bei Profis beschaffen musste. Er kehrte zurück auf sein Zimmer und rief auf der Dienststelle in Lübeck an.

»Ja, aber ohne offizielle Genehmigung«, räumte Fokke ein.

Sein Kollege Lars Brinkmann aus der Marzipanstadt reagierte zögerlich, doch dann sicherte er Fokke seine Unterstützung zu.

»Ich benötige dringend die Ergebnisse aus der Rechtsmedizin. Sobald die Auswertung in Kiel vorliegt, muss ich eine Kopie davon bekommen. Kannst du das für mich organisieren?«, bat Fokke.

Lars versprach es und wollte auch versuchen, einen Blick in die Ermittlungsakte der Husumer Kripo zu werfen. Wie er das Kunststück anstellen wollte, verriet er Fokke allerdings nicht.

Nach dem Telefonat blieb Fokke eine Weile am Fenster stehen und verfolgte das lebhafte Treiben auf dem Marktplatz. Bredstedt wurde nicht umsonst von vielen Touristen sehr geschätzt. Die kleine Stadt hatte ihren eigenen Charme, und der gepflasterte Marktplatz mit den Geschäftszeilen gehörte ohne Frage dazu.

»Heike?«

Eine auffallend hübsche Brünette war aus einem silbernen Mercedes gestiegen und ging über den Platz direkt auf den »Pesel« zu. Erinnerungen tauchten auf, die Fokke weit zurück in seine Vergangenheit trugen. Er war mit Heike fast zwei Jahre zusammen gewesen, und allein ihr Anblick reichte aus, um ihm ein leichtes Flattern in der Magengrube zu verursachen. Mit einem Lächeln ging Fokke hinunter in den Schankraum und kam gerade rechtzeitig, um Wiebkes Begrüßung anzuhören.

»Hast du dich verlaufen, Heike? Normalerweise verkehren Frauen deines Standes doch nicht in schlichten Gasthäusern.«

Die beiden Frauen pflegten eine gegenseitige Ablehnung, die Fokke nur schwer nachvollziehen konnte. Sicherlich hatte Heike ihm damals das Herz gebrochen, aber das konnte schwerlich der Grund für Wiebkes anhaltende Wut sein.

»Der Anlass ist soeben auf der Bildfläche erschienen«, antwortete Heike. Sie lächelte Fokke an, so wie es nur sie konnte. Er verdrängte die aufkommende Freude und versuchte, ein neutrales Gesicht zu wahren.

»Moin, Heike. Du willst zu mir? Wieso?«, fragte er.

Der zufriedene Blick seiner Schwester glitt von Heike zu ihm. Fokke hatte den distanzierten Tonfall besser hinbekommen als befürchtet. Als er jedoch in die dunklen Augen von Heike Fehring schaute, erkannte er Spott darin. Er konnte sie nicht täuschen.

»Gehen wir ein Stück?«, fragte sie.

Als Fokke zustimmend nickte, verdüsterte sich Wiebkes Miene.

»Vergiss nicht, was mit Dirk ist«, raunte sie ihrem Bruder zu.

»Keine Bange, Wiebke. Das vergesse ich sicherlich keine Sekunde lang«, erwiderte er.

Der skeptische Ausdruck in Wiebkes Augen war unübersehbar, doch es kamen keine weiteren Ermahnungen.

Sie lenkten ihre Schritte in Richtung Mühlenteich, ohne lange darüber zu sprechen. Es war unheimlich für Fokke, wie schnell sich die alte Vertrautheit zwischen ihnen aufbaute. Dabei hatte er Heike in den zurückliegenden Jahren nur sporadisch getroffen, wie zum letztjährigen Ringreiten.

»Deine Familie steckt in Schwierigkeiten«, sagte sie.

Für Fokke war es immer noch gewöhnungsbedürftig, dass Heike mittlerweile eine verheiratete Frau und ambitionierte Politikerin war. Seit zwei Jahren bekleidete sie das Amt der Landrätin und genoss sogar bei politischen Gegnern viel Respekt.

»Die Ermittlungen laufen ein wenig einseitig, wenn es dich interessiert. Was einen nicht wundern darf, wenn es wieder einmal mit dieser dämlichen Fehde zwischen Mommsens und Boysens zu tun hat«, antwortete Fokke.

Ein prüfender Seitenblick aus Heikes braunen Augen streifte sein Gesicht, während er den Weg zum Mühlenteich einschlug. Offenbar wollte seine frühere Jugendliebe etwas herausfinden.

»Dann zweifelst du an der Schuld deines Cousins?«, fragte Heike.

Fokke steuerte eine der Bänke an und setzte sich, sodass er auf die Fläche des Teiches sehen konnte. Heike musterte kurz die leidlich saubere Oberfläche der Parkbank und ließ sich schließlich mit einem leisen Seufzen nieder.

»Früher warst du nicht so eitel«, sagte Fokke.

In seinen Gedanken war Heike immer noch der vor Lebenslust sprühende Kobold, mit dem man Pferde stehlen konnte. Sie hatten gemeinsam die Heidelandschaft im Langenhorner Forst erkundet und später sich gegenseitig.

»Damals trug ich keine Designerkleidung und musste noch nicht auf meinen Ruf achten«, erwiderte sie.

Das brachte Fokke zurück auf ihre Frage.

»Es spielt keine Rolle, ob ich an Dirks Unschuld glaube oder nicht. Die Ermittlungen sollten objektiv geführt werden und als Ziel die Ergreifung des wahren Täters haben«, sagte er.

Heike nickte und zupfte dabei nervös am Saum ihres hellen Sommermantels. »Und daran hegst du Zweifel. Nur wegen Heidemarie oder auch wegen deiner Kollegen hier vor Ort?«, wollte sie wissen.

Darüber hatte Fokke sich mehrfach den Kopf zerbrochen. Seine Antwort fiel daher zweigeteilt aus.

»Bei Heidemarie steht die Karriere im Mittelpunkt. Dafür würde sie auf den kleinen Triumph verzichten, den ihr die Festnahme eines Mommsen verschaffen würde. Bei Ulf und Heiner sehe ich allerdings schwarz«, sagte er.

Erneut seufzte Heike und starrte schweigend auf den Teich vor sich. Eine Entenfamilie war gleich bei ihrer Ankunft eilig auf den See hinausgepaddelt, wo sie jetzt enge Kreise schwamm. Während die Entenmutter die Nachkommen im Blick behielt, beäugte der Enterich die Menschen auf der Parkbank misstrauisch.

»Du hast keinerlei Befugnisse in Bredstedt, Fokke. Das ist dir doch klar, oder?«, sagte Heike.

Sie richtete den Blick auf Fokkes Gesicht, der sie stumm anstarrte. Er fragte sich, worauf Heike eigentlich hinauswollte. Langsam ärgerte ihn dieses Gespräch.

»Natürlich weiß ich das, Heike. Bist du nur gekommen, um mir das zu sagen? Spannt Heidemarie dich neuerdings vor ihren Karren?«, fragte er.

Mit einem Ruck erhob sie sich und wandte sich zum Gehen.

»Ich lass mich von niemandem vor seinen Karren spannen, Fokke Mommsen. Auch nicht von dir oder deiner Sippe!«, sagte Heike mit heiserer Stimme und eilte dann mit langen Schritten davon. Fokke schaute ihrer schmalen Gestalt nach, die immer kleiner wurde. Ihr letzter Satz verriet ihm, wer sie in Wahrheit unter Druck gesetzt hatte.

»Das war kein kluger Schachzug, Anne«, murmelte er.

Es war generell ein zweischneidiges Schwert, Menschen mit politischem Einfluss für seine Zwecke einsetzen zu wollen. Diese Erfahrung hatte Fokke während seiner Jahre in Lübeck machen können. Während er sich selbst aus solchen Spielchen heraushielt, versuchten sich seine Vorgesetzten regelmäßig darin. Die Erfolgsquote war eher gering und bewies für Fokke nur, wie gefährlich solche Versuche sein konnten. Fokke zog den direkten Weg vor und verspürte keine Neigung, sich eine Karriere auf politischen Freunden aufzubauen. Seine Tante plagten solche Zweifel nicht, wie er schon in der jüngeren Vergangenheit leidvoll erfahren musste. Anne kannte keine Skrupel, um die besondere Beziehung ihres Neffen zur Landrätin für eigene Zwecke auszunutzen. So hatte sie versucht, bei erforderlichen Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen den politischen Einfluss von Heike Fehring für sich arbeiten zu lassen.

»Anne? Ich bin es, Fokke«, meldete er sich.

Er hatte sein Handy aus der Jacke gezogen und bei seiner Tante im Bredstedter Koog angerufen. Zunächst machte er Anne Vorwürfe, weil sie Heike Fehring eingeschaltet hatte.

»Man darf nichts unversucht lassen«, erwiderte sie lakonisch.

Als Fokke erkannte, wie uneinsichtig seine Tante blieb, wechselte er das Thema: »Wie steht es mit den Unterlagen von Dr. Karstensen?«

Doch trotz intensiver Anstrengungen war es den umtriebigen Familienmitgliedern bisher nicht gelungen, an den Arztbericht zu kommen. Seine Tante versicherte ihm jedoch, dass das im Laufe des Tages passieren würde. Fokke beendete das Gespräch, um anschließend das Diensttelefon seines Kollegen in Lübeck anzuwählen.

Doch Lars konnte ihm ebenfalls noch keine Ergebnisse liefern. »Die Obduktion steht nicht sehr weit oben auf der Dringlichkeitsliste im Rechtsmedizinischen Institut. Ich melde mich, sobald ich mehr weiß.«

Damit waren Fokke vorerst die Hände gebunden. Er hatte nichts, wo er ansetzen konnte. Oder doch? Ein Gedanke setzte sich in seinem Kopf fest, und schließlich strich Fokke sich durch die vollen blonden Haare und grinste.

Da könnte ich glatt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, dachte er.

Zufrieden marschierte er los. Sein Weg führte Fokke in die Bergstraße, wo ein Stuhl im Friseursalon von Celia Boysen auf ihn wartete.

Der Stuhl wartete nicht wirklich, denn eine ältere Dame hatte ihn mit Beschlag belegt. Als Celia ihn entdeckte, winkte sie Fokke herein. Er hatte vor dem großen Schaufenster gestanden und gezögert. Doch als er das einladende Lächeln im Gesicht der Friseurmeisterin sah, legte Fokke seine Zweifel ab.

»Moin, Celia. Meine Haare bräuchten den professionellen Einfluss deiner Hände, aber der wird wohl woanders genauso dringend benötigt«, grüßte er.

Er nickte der Frau zu, die unter der Trockenhaube saß und ihn neugierig über den Rand einer Frauenzeitschrift musterte. Sie erwiderte den Gruß mit einem zögerlichen Nicken.

»Marga Andresen hat Klassentreffen, und da will sie natürlich besonders gut aussehen«, sagte Celia.

Sie setzte Fokke auf einen Stuhl in der Warteecke. Auf dem Tisch daneben lag ein Sammelsurium an Zeitschriften, die Celia für ihre Kunden monatlich mietete.

»Es dauert nur noch zehn Minuten, Fokke. Dann bist du an der Reihe«, versprach die Friseurin.

Sie stellte ein Glas Latte macchiato vor ihm ab und strich sanft mit den Fingerspitzen durch sein Haar. Es konnte leicht als Begutachtung einer Friseurin durchgehen, doch bei Fokke löste es völlig andere Assoziationen aus. Während die gut gebaute Blondine sich wieder ihrer Kundin zuwandte, gönnte er sich einen gedanklichen Ausflug in die Vergangenheit. Vor drei Jahren war er ausnahmsweise auf Wiebkes Bitte eingegangen und hatte seine Schwester zum Feuerwehrball begleitet. Das traditionelle Sauffest der Freiwilligen Feuerwehr artete in erwarteter Weise aus, und dummerweise hielt Fokke gut mit.

»Schön, dich auch mal wieder hier anzutreffen«, hatte Celia gesagt.

Zuerst hatte Fokke Celia gar nicht erkannt. Die angehende Friseurmeisterin änderte ihre Haarfarbe regelmäßig und passte dazu ihren Kleidungsstil an. Damals waren Extensions gerade sehr angesagt, weshalb Celia sich in eine langmähnige Blondine verwandelt hatte. Für Fokke war sie an dem Abend die Frau mit der größten erotischen Ausstrahlung, was allerdings auch an den vielen Gläsern »Kalte Ente« gelegen haben mochte. Jedenfalls tanzten sie unter den missbilligenden Blicken der anderen Clanmitglieder miteinander, und da Celia ihm eindeutige Avancen machte, verließen sie auch gemeinsam das Fest. Zu seiner Überraschung verstand sich Celia nicht nur auf erstklassigen Sex, sondern auch auf angenehme Gespräche danach. Seitdem schätzte er Celia mehr, als es seiner Schwester lieb war.

»Träumst du?«, fragte eine Stimme.

Mühsam löste Fokke sich aus den angenehmen Erinnerungen und schaute auf das verschmitzte Grinsen Celias.

»Ja, allerdings. Ich musste gerade an den Feuerwehrball denken«, antwortete er.

Sie hatte ihn überrumpelt, ansonsten hätte Fokke es ihr nicht erzählt. Das Leuchten in ihren Augen gefiel ihm trotzdem, und er folgte Celia zum leeren Stuhl. Fokke hatte nicht einmal mitbekommen, wie Marga Andresen den Salon verlassen hatte.

»Das mit Dirk tut mir leid«, sagte sie später.

Fokke hatte bislang kein Wort über die unschöne Angelegenheit verloren, nur einfach den Friseurbesuch genossen. Er nahm Celias Duft wahr und die leichten Berührungen ihres Körpers, wenn sie sich über ihn beugte und seine Haare schnitt.

»Und mir tut es wegen Hauke leid. Kamt ihr gut miteinander aus?«, erwiderte er.

Sie erzählte ganz ungeniert über die vielen erfolglosen Versuche ihres Verwandten, mit irgendeiner verrückten Geschäftsidee doch noch wirtschaftlichen Erfolg zu haben.

»Hätten die Erträge aus dem Bauernhof nicht gereicht?«, fragte Fokke.

»Nicht, wenn man so wenig Talent als Landwirt mitbringt. Hauke war ein Träumer und Fantast. Außerdem ließ er sich zu gern auf Streitereien ein und hatte leider den Dickkopf der Familie Boysen geerbt«, antwortete Celia.

Sie stand hinter dem Stuhl und betrachtete kritisch ihr bisheriges Werk. Fokke fand daran nichts auszusetzen, aber er schwieg, um das Gespräch am Laufen zu halten.

»Ja, ich weiß. Er und Dirk scheinen sich auch öfter gestritten zu haben«, sagte er.

Davon konnte Celia mehr erzählen, da Hauke ihr beim Haareschneiden ausführlich sein Leid geklagt hatte.

»Ja, auch seine neueste Idee hatte wohl zu einem Streit geführt. Leider habe ich nicht so genau zugehört. Hauke hat sich deswegen schon diesen großen Schlepper gekauft«, sagte sie.

Dann hing der Kauf des Schleppers also mit den Grenzstreitigkeiten zwischen Hauke und Dirk zusammen. Damit baute sich leider ein mögliches Motiv für Dirk auf.

»Woher hatte Hauke das Geld für den Schlepper, wenn es ihm wirtschaftlich so schlecht ging?«, hakte Fokke nach.

Celia zuckte mit den Schultern und holte einen Spiegel, damit Fokke den Haarschnitt in seinem Nacken begutachten konnte.

»Soviel ich weiß, hat er eine größere Anzahlung geleistet. Sonst hätte Pörksen ihm sicherlich nichts verkauft«, antwortete sie.

Hauke war also auf einmal zu Geld gekommen. Wie und von wem? Der Besuch bei Celia hatte Fokke einen guten Haarschnitt eingebracht, doch die gewonnenen Informationen entlasteten Dirk nicht. Vielmehr warfen sie weitere Fragen auf.