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1 Juliet Rose Astor Lowell blieb im Schatten der Marmorsäulen vor dem Polizeirevier des achten Bezirks stehen, betupfte sich diskret mit dem Handrücken die Stirn, atmete tief ein und langsam wieder aus. Himmel, was für eine Hitze. Und was für eine Feuchtigkeit. Bereits nach ein paar Schritten aus der klimatisierten Limousine fühlte sie sich vollkommen erledigt. Sie zupfte den meterlangen Voilestoff von ihren Oberschenkeln und schüttelte, um die Luftzirkulation zu fördern, ihr Kleid vorsichtig aus. Sie war seit weniger als einer Stunde hier in New Orleans, doch war jetzt schon alles völlig anders, als sie vor ihrer Abreise aus Boston angenommen hatte. Und das lag vor allem an diesem unvorhergesehenen Stopp. Sie hatte sich allen Ernstes eingebildet, sie wäre hier unten etwas freier als zu Hause, und sie fand, dass das ein durchaus bescheidener Wunsch war. Schließlich hätte ihre allzu strenge Großmutter sie hier nicht im Visier, und sie war in einer Stadt, deren Name gleichbedeutend mit F
2 Gottverdammter Hurensohn von Bürokrat! Auf dem Weg in Richtung Garden District trat Beau das Gaspedal von seinem Wagen bis auf den Boden durch. Das alles wäre nie passiert, wenn Captain Taylor nicht in Urlaub wäre. Aber Taylor war ja auch ein echter Cop und kein halbgarer, arroganter, aufgeblasener Politiker, wie der Pingelpott es war. Beau schnaubte zornig auf. Vergessen Sie diese blödsinnige Sache, hatte der ahnungslose Volltrottel zu ihm gesagt. Okay, zu Anfang hatte er wie alle anderen auf der Wache die Sache mit dem Höschen-Klauer als schlechten Witz gesehen. Manchmal erlebten sie als Polizisten wirklich hässliche Verbrechen, und dieser Perverse hatte zumindest niemanden körperlich verletzt. Natürlich war er deshalb nicht harmlos, denn mit seinem Handeln hatte der Kerl, dessen Gesicht hinter einer Karnevalsmaske nicht zu erkennen war, über ein halbes Dutzend Frauen in Angst und Schrecken versetzt. Schließlich hatten sie nicht wissen können, dass er ihnen nichts weiter antun würd
3 Sekunden oder Stunden später – sie konnte es nicht sagen – hörte sie ein lautes Trommeln an der Tür. »Juliet!«, rief Roxanne gleichermaßen drängend wie verängstigt. »Ist alles in Ordnung? Lassen Sie mich rein.« Juliet beeilte sich, der Bitte nachzukommen. Eilig stolperte sie durch die beiden Zimmer, riss die Tür auf und wäre von Roxannes erhobener Faust mitten im Gesicht getroffen worden, hätte ihre Assistentin nicht den Arm nach unten sinken lassen, als hätte man auf sie geschossen, und sie mit großen Augen reglos angestarrt. »Mein Gott«, hauchte Roxanne tonlos. »Ihre Haare sind einfach fantastisch. Weshalb tragen Sie sie niemals offen?« Juliet stand am ganzen Körper zitternd in dem winzig kleinen Flur und ihr Gesichtsausdruck war offenbar genauso leer wie ihr Gehirn, denn ihre Assistentin winkte ungeduldig ab und schob sich an ihr vorbei ins Innere der Suite. »Alles in Ordnung? Heiliges Kanonenrohr, Mädchen, Sie sind ja praktisch nackt. Obwohl die Unterwäsche wirklich hübsch ist.«
4 Josie Lee überprüfte noch einmal ihren Lippenstift, hielt sich ihren kleinen Taschenspiegel in verschiedenen Winkeln vors Gesicht und bauschte ihre dunklen Locken mit den Händen auf. Als der Lift im zweiten Stock zum Stehen kam, klappte sie den Spiegel zu, warf ihn in ihre Tasche, strich sich kurz die Bluse glatt und atmete tief ein. Dies war ihr großer Augenblick. Sie liebte Luke Gardner, solange sie denken konnte, doch sah er in ihr nie etwas anderes als die kleine Schwester seines Partners. Tja, das würde sich jetzt ändern. Solange Beau wegen seines Auftrags außer Haus wäre, würde sie ihre Chance nutzen und seinem Kumpel deutlich machen, dass sie kein kleines Kind mehr war. Großer Gott, ich glaube, mir wird schlecht. Nein. Sie würde es ganz sicher schaffen. Sie atmete so tief es ging durch ihre Nase ein, möglichst langsam wieder aus und wischte sich die feuchten Hände an ihrem kurzen Leinenröckchen ab. Jetzt oder nie, Mädel. Du schaffst es. Pack die Gelegenheit beim Schopf. Sobald
5 Bist du vollkommen wahnsinnig geworden? Du wolltest sie schockieren, damit sie einen anderen Leibwächter verlangt, und nicht ... Beau schnitt das Ende dieses Satzes einfach ab. Am besten, er dächte nicht einmal darüber nach, dass nicht Miss Astor Lowell, sondern eher er selbst das Opfer seines so genannten Plans geworden war. Er saß mit gekreuzten Armen und lang ausgestreckten Beinen zusammengesunken auf demselben Stuhl, auf dem er schon vor ihrem Ausflug ins French Quarter auf Juliet gewartet hatte, und sah stirnrunzelnd ihre Assistentin an. Als würde sie sich für seine Probleme interessieren. Mit ihrer Fähigkeit, ihn vollkommen zu ignorieren, erinnerte die rötlich braunhaarige Sekretärin ihn an seine Schwestern. Außerdem war schließlich nicht sie diejenige, auf die er sauer war; sie war einfach ein passender Ersatz. Im Grunde war er wütend auf sich selbst. Auch wenn er sich die größte Mühe gab, die Gründe dafür nicht genauer zu erforschen, kehrten seine Gedanken – wie wenn man mit
6 Tja, die Sache war eindeutig anders verlaufen als geplant. Während er seinen GTO aus der Einfahrt des Hotels auf die Straße lenkte, sah Beau Juliet verstohlen von der Seite an. Was war sie bloß für eine Frau? Immer, wenn er meinte, er hätte alles hervorragend im Griff und wüsste ganz genau, welche Knöpfe er bei diesem Wesen drücken müsste, reagierte sie vollkommen anders als gedacht. Gütiger Himmel, sie war wirklich eine höchst widersprüchliche Person. Als spüre sie den Blick, mit dem er sie bedachte, schlug sie ihre nackten Knöchel übereinander, neigte ihre Knie in Richtung der Mittelkonsole und wandte sich ihm zu. »Darf ich?« Ohne seine Antwort abzuwarten, streckte sie bereits die Hand nach dem Lautstärkeregler des Autoradios aus und drehte das Volumen ein paar Dezibel herunter. »Kümmer dich ganz einfach nicht um das, was ich vielleicht möchte, Engelsgesicht«, knurrte er erbost. »Fühl dich einfach wie zu Hause.« Als er merkte, dass sie ihn von der Seite ansah, hellte sich seine Sti
7 Bis Luke endlich das Revier verließ, war es allerhöchste Zeit, dass er nach Hause kam. Jedoch wurde die Anspannung, die er bereits den ganzen Nachmittag verspürte, dadurch nicht gelockert, dass er auf dem Parkplatz abermals das wohlgeformte Hinterteil der jüngsten Schwester seines Partners sah. Unter der aufgeklappten Motorhaube ihres Wagens war ihr Oberkörper nicht zu sehen, doch beim Anblick ihrer endlos langen Beine unter dem kurzen Saum des beigefarbenen Rockes rang er erstickt nach Luft. Er überlegte, ob er einfach grußlos weitergehen sollte. Schließlich war sie beschäftigt, und er könnte sich problemlos an ihr vorüberschleichen und in seinem Wagen sitzen, ehe sie sich aufrichtete und ihn vielleicht doch noch sah. Er war ganz bestimmt nicht in der Stimmung, um den Mechaniker zu spielen, das war vollkommen klar. Nur gab es dabei das Problem, dass sie selbst ganz sicher keine Mechanikerin war. Er hörte etwas klappern, hörte ihre Flüche und kam zu dem Ergebnis, dass sich der Defekt
8 Wie konntest du nur derart närrisch sein? Die Strahlen der Morgensonne warfen durch die Jalousien Streifen hellen Lichts auf das schimmernde Parkett, als Juliet vor ihrem Spiegel stand und sich zornig mit einer Bürste durch die Haare fuhr. Nein. Der Ausdruck »närrisch« wurde ihrem Verhalten nicht annähernd gerecht. Du bist einfach dumm gewesen, Juliet. Fürchterlich, entsetzlich dumm! Wie an jedem Morgen steckte sie ihr Haar zu einem festen Knoten und zog es dabei derart straff, dass sie regelrechte Schlitzaugen bekam. Es war einfach unglaublich! Sie, Juliet Rose Astor Lowell, hatte mit einem hoffnungslos sexbesessenen Cop, den sie seit genau zwei Tagen kannte, wie ein schlecht erzogener Teenager geknutscht. Auf dem Vordersitz von einem Auto! Großer Gott, mit einem Mann, der ihr überdeutlich gemacht hatte, dass er das Zusammensein mit ihr als eine lästige Pflicht betrachtete, die er lieber heute als morgen los war. Und als wäre das nicht bereits schlimm genug, hatte ein Motorradpolizi
9 Vor Entsetzen wie gelähmt starrte Juliet auf das Wasser. Vom Motor der Fähre aufgewirbelter, schmutzig grüner Schaum klatschte gegen den Bug des Boots. Es gelang ihr einfach nicht, den Blick davon zu lösen, und sie hatte das sichere Gefühl, dass der aufgewühlte Strom durchaus in der Lage wäre, sie mitsamt dem Wagen anzusaugen und sie – wie es angeblich Krokodile mit ihren Opfern machten, während sie sich immer wieder um sich selber drehten – bis auf den Grund zu ziehen. Dann schaltete jemand den Motor der Fähre ab und die Wellen nahmen ganz allmählich ab. Hypnotisiert von dem breiten Strom, von dem sie nur noch ein paar Millimeter zu trennen schienen, nahm sie die Rufe und die eiligen Schritte, die über das Metalldeck in ihre Richtung kamen, nur am Rande wahr. Sie verfolgte, wie die Wasseroberfläche glatter wurde und dass die Sonne die oberste Wasserschicht mit einem leuchtend bräunlich grünen Licht durchdrang, bevor man wieder nichts mehr sah, hörte das Blut in ihren Ohren rauschen,
10 »Wohin? Ich fahre nirgendwo mit Ihnen hin.« Sie richtete sich derart plötzlich in ihrem Sessel auf, dass es das reinste Wunder war, dass sie sich nichts verknackste. »Was machen Sie überhaupt hier?« Ihr Herz begann zu rasen, ihr Gesicht fing an zu glühen, und sie war ehrlich überrascht, dass sie nicht mit bloßem Auge den Weg erkennen konnte, den das wild rauschende Blut durch ihre Adern nahm. »Nun, Schätzchen, ich melde mich wie jeden Tag zum Dienst. Ich weiß, ich bin ein bisschen spät, aber ich habe eine wirklich gute Entschuldigung.« Das Lächeln, mit dem er sich vom Türrahmen abstieß und in den Raum geschlendert kam, war so ansteckend und fröhlich, dass es ihm im Umgang mit Frauen bestimmt schon in einigen Situationen von großem Nutzen gewesen war. »Sie sollten überhaupt nicht hier sein«, erklärte sie verwirrt, legte den Kopf zurück und blickte, als er vor ihren Schreibtisch trat, mit strenger Miene zu ihm auf. »Ich habe Sie von Ihrem Posten als Bewacher abziehen lassen.« »Und ich
11 »Mr Lowell ist auf Leitung zwei.« »Danke, Roxanne.« Juliet ließ den Knopf der Gegensprechanlage los und drückte mit der vertrauten, leicht unangenehmen Mischung aus Ängstlichkeit und Freude, der sie schon vor Jahren hätte entwachsen müssen, auf den Knopf des Telefons. »Hallo, Vater. Wie schön, von dir zu hören –« Ungeduldig fiel er ihr ins Wort. »Was höre ich da über eine durchgeschnittene Bremsleitung, Juliet? Hast du wirklich mit in dem Wagen gesessen? Warum zum Teufel wurde ich nicht sofort darüber informiert?« Ihre vorprogrammierte Reaktion wäre gewesen, sich bei ihrem Vater für dieses Versäumnis zu entschuldigen, stattdessen aber holte sie tief Luft, atmete ein paar Sekunden später langsam wieder aus, bemühte sich wie stets in einer schwierigen Situation um Fassung und erklärte ruhig: »Du hättest von dort oben aus sowieso nichts machen können, deshalb habe ich keinen Sinn darin gesehen, dich unnötig in Aufregung zu versetzen.« Nicht, dass er sich auch nur mit einem Wort danach
12 Beau scheuchte die Leute so schnell vom Parkplatz in den Salon des Hauses, dass Juliet beinahe rennen musste, um an seiner Seite zu bleiben, wie sie von ihm geheißen worden war. Er trat entschieden auf, als er mit den Leuten sprach, entschieden und gleichermaßen höflich ... bis auf die paar Male, wenn jemand ihm deutlich zu machen versuchte, dass er ihm gesellschaftlich überlegen war. Dann wurde sein Blick so stählern und seine Stimme derart kalt, dass es geradezu erschreckend war. Innerhalb von wenigen Minuten waren alle Zeugen dort versammelt, wo er sie haben wollte, und er schnappte sich einen zerbrechlich aussehenden Stuhl, stellte ihn schräg hinter einen antiken Kirschholzsekretär, drückte Juliet sanft darauf und wandte sich an einen kräftig aussehenden Mann. »Sie da«, sagte er. »Helfen Sie mir mal, das Ding hier zu verrücken.« Prompt stand der Mann auf, doch eine empörte Matrone protestierte: »Sie können nicht einfach die Möbel umstellen. Diese Stücke sind unendlich kostbar.«
13 Juliet kämpfte verzweifelt gegen den emotionalen Zwiespalt, in dem sie sich befand. Auch wenn sie sich bemühte, das Wissen weitestmöglich zu verdrängen, dass jemand sie hatte töten wollen, tauchte es doch immer wieder in ihren Gedanken auf. Sie wünschte sich, Roxanne wäre noch bei ihr, gleichzeitig jedoch war sie erleichtert, weil sie endlich alleine war. Sie war gereizt und schreckhaft, stapfte unruhig durch die Zimmer ihrer Suite, versuchte immer wieder, sich zu setzen und irgendetwas Sinnvolles zu tun, warf jedoch jedes Schriftstück, das sie zu lesen versuchte, nach wenigen Sekunden wieder fort und sprang, da es ihr ganz einfach unmöglich war, still auf einem Stuhl zu sitzen, eilig wieder auf. Als jemand bei ihr klopfte, band sie in der Hoffnung, es wäre ihre Assistentin, eilig den Gürtel ihres Seidenkimonos in Höhe ihrer Taille zu und lief barfuß an die Tür. Der letzte Mensch, den sie erwartet hätte, war Sergeant Dupree, einen Augenblick lang stand sie einfach reglos da und star
14 Juliet hatte das Gefühl, als bräche ein Vulkan in ihrem Innern aus – eine Kraft, die sie ganz einfach nicht beherrschen konnte und die das Potenzial besaß, sie zu verbrennen, bis nur noch ein Häuflein Asche von ihr übrig war. Für die Dauer eines Herzschlags hatte Beau die Hände in ihre Haare geschoben, sich jedoch zugleich dem plötzlichen Verlangen nach einer engeren körperlichen Verbindung zwischen ihnen beiden mannhaft widersetzt. Im nächsten Augenblick jedoch hielten eben diese Hände sie völlig reglos fest, während ein Verlangen über sie hereinbrach, das viel stärker und viel heißer loderte als alles, was ihr je zuvor in ihrem Leben an Empfindungen widerfahren war. Seine Lippen brachen das Siegel ihres Mundes, und mit einem wilden Knurren schob er seine Zunge aggressiv und dominant, so tief es ging, in sie hinein. Ihre Nervenenden sandten glühend heiße Funkenregen aus, ihre Finger schoben sich von seinem Nacken in Richtung seiner Haare, und während jede Lektion in Selbstbeherrsch
15 Äußerlich gelassen saß Celeste in ihrem Ohrensessel, nippte an ihrem Tee, knabberte die kleinen Törtchen, die sie sich von Lily hatte bringen lassen, und plauderte mit ihrem Mann. Innerlich jedoch war sie erfüllt von heißem Zorn. Juliet hatte einfach den Hörer aufgelegt. Diese ungezogene Göre hatte einfach diese Viper Dupree in ihr Zuhause eingeladen und dann auch noch einfach aufgelegt, als sie sie angerufen hatte! Das tat man schlicht und einfach nicht ... dafür würde sie bezahlen. Zu denken, dass sie ein schlechtes Gewissen gehabt hatte, weil das kleine Fräulein ach-so-wohlerzogen Astor Lowell nachmittags einen Schreck bekommen hatte. Sie hatte sich sogar die Mühe gemacht, sich nach dem kleinen Zwischenfall bei Juliet nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen, und so wurde ihr ihre Aufmerksamkeit gelohnt. Tja nun, dann. Vielleicht zielte sie bei ihrem nächsten Anschlag auf Dupree einfach absichtlich auch auf diese unhöfliche junge Frau. Der proletenhafte Polizist war im Augenblick in
16 Roxanne wurde durch ein lautes Klopfen an ihrer Zimmertür geweckt. Verschlafen blickte sie auf ihren Wecker, dessen roten Leuchtziffern zufolge es gerade einmal vier Uhr fünfzehn war, schob sich die Haare aus den Augen, stieg unbeholfen aus dem Bett und hüllte sich in ihren Morgenmantel ein. Wer in aller Welt konnte um diese Uhrzeit etwas von ihr wollen? Ehe sie die Tür erreichte, erkannte sie Beaus Stimme. »Tja, nun, nimm es am besten einfach hin«, hörte sie ihn knurren. »Entweder wir machen es so, oder ich überlasse dich der netten Celeste Haynes. Eins von beidem, Rosenknospe, du hast die freie Wahl.« Sobald Roxanne die Tür geöffnet hatte, schob er Juliet bereits über die Schwelle. »Hi, Miss Roxanne, ich muss Sie um einen Gefallen bitten.« »Tut mir Leid, Roxanne«, murmelte Juliet sehr verlegen. »Ich habe versucht es ihm auszureden, aber ich glaube, sein Spitzname ist ›Sturschädel‹.« »Beinahe«, stimmte Beau ihr zu. »Um ganz genau zu sein, werde ich von den meisten einfach ›vorsicht
17 Juliet schämte sich zu Tode, weil sie der Forderung von Beau, ihre sexuellen Wünsche laut zu formulieren, so schnell nachgekommen war. Das Letzte, was sie brauchte, war, dass ihm erst die Kinnlade herunterklappte und er dann unter brüllendem Gelächter den Kopf in den Nacken warf. Deshalb stellte sie eilig ihre Füße auf den Boden, drückte ihm beide Hände auf die Schultern, um eilig aufzustehen, und bekam einen puterroten Kopf, als sie spürte, wie er aus ihr herausglitt. Er schlang einen Arm um ihre Taille und zog sie erneut auf sich herab, wobei eine ihrer Fersen unter ihr hervorglitt und hart auf seinen Oberschenkel prallte. »Tut mir Leid«, erklärte er und unterdrückte mühselig ein Lachen. »Es ist nur, wenn man meine Lebensart bedenkt, ist diese Frage wirklich lustig. Hör zu –« »Es freut mich, dass dich meine Frage amüsiert«, antwortete sie eisig. »Ich bin sicher, dass ich mich, wenn ich deine Lebensart bedenke, selbst auf dem Weg ins Krankenhaus noch köstlich amüsiere. Das heißt, f
18 Juliet lag im Tiefschlaf, als das Piepsen anfing. Ein immer wieder unterbrochenes, doch durchdringendes Geräusch, das zum Glück leise genug war, um sie nicht dazu zu bewegen, genauer darauf einzugehen. Sie war derart müde, dass die Erschöpfung wie der Sog des Meeres an einem ermatteten Schwimmer an ihrem Bewusstsein saugte. Sie wollte gerade wieder in den Tiefen der Vergessenheit versinken, als Beau sie mit einem leisen Fluch von seinem Oberkörper schob, sich an den Rand des Bettes rollte und auf irgendeine Weise dafür sorgte, dass das Piepsen ebenso abrupt, wie es begonnen hatte, auch wieder erstarb. In irgendeiner Ecke ihres Hirns kam Juliet zu dem Schluss, dass vielleicht sein Piepser die Ursache des Lärms gewesen war, weshalb sie bereits wieder in ihrer halben Ohnmacht versank, während er eilig irgendeine Nummer wählte. Beim ersten Wort aus seinem Mund war sie jedoch mit einem Mal hellwach. »Anabel? Ich hoffe, es ist wirklich wichtig, Süße, schließlich ist es ein Uhr nachts.« Er
19 Endlich fand Juliet einmal einen Augenblick für sich. Regelrechte Menschenmassen wogten durch die hell erleuchteten Räumlichkeiten des Hotels, Celeste hatte sie den ganzen Abend von einem Gast zum anderen gezerrt, und auch wenn Juliet keinen Zweifel daran hegte, dass die Mitglieder des Boston Club durchweg sympathisch waren, unterschieden sie sich kaum von den Personen, von denen sie zeit ihres Lebens umgeben war – was vielleicht erklärte, weshalb sie es nicht schaffte, Celestes Begeisterung für diesen Menschenschlag zu teilen. Sie interessierte sich viel mehr dafür, wie die Cocktailparty insgesamt verlief, denn dies war die erste Gelegenheit zur Bewertung der Ergebnisse ihrer Bemühungen, die sie bekam. Sie hatten wirklich Glück gehabt, dass alles rechtzeitig fertig geworden war, dachte sie beim Anblick der elegant gekleideten Gäste, die. durch das Erdgeschoss des Hauses schlenderten, während sich befrackte Ober mit Tabletts voller Champagner und Horsd’œuvres durch das Gedränge scho
20 Beau war von heißem Zorn erfüllt. Nie im Leben war die Balustrade zufällig genau in dem Moment genau an der Stelle zerbrochen, an der sie drei gestanden hatten. Selbst wenn er an einen solchen Zufall hätte glauben wollen, hätte bereits ein kurzer Blick auf die angebliche Unfallstelle ihn eines Besseren belehrt. Jemand hatte das Geländer vorsätzlich angesägt. Jemand hatte gewollt, dass Juliet Rose Astor Lowell während ihrer Dankesrede durch die entstehende Lücke in der Brüstung stürzte und sich das Genick beim Aufprall auf den harten Marmorboden in der Eingangshalle brach. Auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, weshalb es irgendwer auf Juliet abgesehen haben sollte, würde er denjenigen finden und hinter Gitter stecken, von dem dieser neuerliche feige Anschlag gegen seine Schutzbefohlene verübt worden war. Was bei all den Leuten, die in der vergangenen Woche hier ein und aus gegangen waren, sicherlich nicht einfach werden würde, dachte er erbost. Zwar hatte niemand die Details de
21 Beau lehnte sich lässig in den Türrahmen des Büros. »Tag, die Damen.« Juliet und Roxanne, die gemeinsam hinter Juliets Schreibtisch standen, hoben gleichzeitig die Köpfe und erwiderten den Gruß. Mit wild klopfendem Herzen blickte Juliet ihn an und wünschte sich, Gedanken lesen zu können. Letzte Nacht hatte er sie mit einer derart leidenschaftlichen Intensität geliebt, dass sie mit wachsweichen Gliedern sofort eingeschlafen war. Heute Morgen aber hatte er sich seltsam reserviert gegeben, und sie hatte keine Ahnung, was der Grund für diesen Sinneswandel war. Sie hätte ihn gern gefragt, ob irgendetwas los war, doch er hätte bestimmt mit einem leisen Schnauben und einem Womit-soll-ich-beginnen? auf eine derart blöde Frage reagiert. Ihr Leben war in letzter Zeit die reinste Kriminalkomödie, natürlich war etwas los. Auch heute Nachmittag gab er sich ganz wie der coole Polizist. Aber nein, sie war total paranoid. Ihm gingen sicher einfach jede Menge Dinge durch den Kopf. »Können wir?«, fra
22 Dies war bereits der dritte Tag in Folge, an dem Beau im Archiv der Wache alte Polizeiberichte durchging. Es war eine mühselige, frustrierende und bisher wenig lohnenswerte Arbeit, immer wieder schweiften seine Gedanken von den Akten ab und – unglücklicherweise – hin zu Juliet Rose. Er sollte sich darüber freuen – verdammt, es sollte ihn sogar erleichtern –, dass sie ihm den Gefallen getan und es ihm so leicht gemacht hatte zu gehen. Nun, vielleicht war er nicht wirklich gegangen, schließlich hatte sie ihm die Tür der Suite gegen den Hintern knallen lassen, nachdem er unsanft von ihr über die Schwelle geschoben worden war. War es nicht erstaunlich, wie schnell sie aufgegeben hatte? Schließlich hatte sie so getan, als würde sie ihn lieben. Himmel. Er fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht, griff nach einem neuen Mikrofiche und gab es in das Lesegerät ein. Er musste endlich aufhören, an sie zu denken. Es trieb ihn in den Wahnsinn. Sie hatte ihn freigegeben und genau das hatte er gewo
23 Übellaunig betrat Beau die Bar, schnappte sich einen Stuhl, schwang seinen Hintern auf den Sitz und warf seinen schmalen Aktenordner auf den vor ihm stehenden winzig kleinen Tisch. Dies war nicht unbedingt der allerbeste Ort zum Arbeiten, das wusste er genau. Das Licht war viel zu schummrig, die Musik war viel zu laut, und aus der Menge, die sich grölend um die Bühne drängte und den Auftritt der Stripperin verfolgte, drangen immer wieder laute, anzügliche Kommentare an sein Ohr. Außerdem hatte der Höschen-Klauer drei von seinen Opfern, unter anderem auch Josie Lee, hier drinnen ausgewählt. Beau hätte auf der Stelle mindestens ein Dutzend Orte nennen können, die geeigneter für das Studium der bisher eher dürftigen Beweise gewesen wären, die es für die Täterschaft des guten Edward gab. Doch ihm war heiß, er war frustriert und hundemüde und hatte sich, ohne einen konkreten Grund dafür zu haben, spontan auf den Weg hierher gemacht. Während der letzten beiden Tage hatte er auf der Suche
24 Celeste beendete ihre Toilette, beugte sich ein Stück nach vorn, um sich im Spiegel zu betrachten, und legte zur Krönung ihres Erscheinungsbilds die Butler-Perlen an, ohne auf die Schritte und die Stimmen außerhalb der ihr und Edward verbliebenen Wohnräume zu achten. Bis zum Beginn des großen Balls wäre es noch eine Stunde, doch bereits seit sechzehn Uhr, seit die ersten Gäste eingezogen waren, herrschte auch in ihrem Stockwerk ein ständiges Kommen und Gehen. Sie hatte Juliet sagen hören, dass das Hotel an diesem Abend zu achtzig Prozent belegt sein würde, und hatte selbst die Reservierungen durchgesehen. Die Namensliste war ihr wie ein Who is who der besseren Gesellschaft von Louisiana vorgekommen. Selbst mehrere Mitglieder des Boston Club hatten die Absicht, hier zu übernachten, und sie hatten wunderbare eigene Häuser direkt hier in der Stadt. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie davon hielt, sie hob ihr winziges Sherryglas an ihre Lippen und lehnte sich auf ihrem Stuhl vor dem
25 Luke fand Josie Lee bei ihren Schwestern. Anabel stand links von ihr, Camilla hatte ihr von rechts einen Arm um die Schultern gelegt, und Ned hatte sich schützend hinter dem Mädchen aufgebaut. »Alles in Ordnung, Josie?«, fragte er, nachdem er vor sie getreten war. »Alles okay.« Trotzdem warf sie sich ihm eilig in die Arme. »Dann war er also wirklich der Höschen-Klauer?« »Ja.« Er zog sie eng an seine Brust. »Habe ich mir’s doch gedacht, ich war mir nur nicht wirklich sicher.« Da sie heftig zitterte, schlang er seine Arme noch ein wenig fester um ihren wohlgeformten Leib. »Tut mir Leid, Kleines. Ich hatte keine Ahnung, dass uns heute Abend so etwas geboten werden würde. Ebenso wenig wie Beau. Muss ziemlich hart sein, dem Kerl plötzlich ohne Vorwarnung direkt gegenüberzustehen.« »Ich hatte mir immer eingebildet, dass ich diesem Typen mit bloßen Händen das Gesicht vom Schädel reißen wollte, wenn ich ihn jemals wiedersähe. Aber er sah aus wie ein verwirrter alter Mann.« »Ich weiß. Aber w
26 Juliet starrte auf den Lauf der Waffe und hätte schwören können, dass er so groß und dick wie eine Kanone war. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet, und sie leckte sich die Lippen, nur war auch ihre Zunge vollkommen ausgedörrt. Celeste bedachte sie mit einem unfreundlichen Lächeln. »Ich würde dir ja einen Schluck Sherry anbieten, aber ich habe nur ein Glas.« Zur Hölle mit dem Glas. »Dann geben Sie mir einfach die Flasche.« Solange ihre Lippen an den Zähnen klebten, hätte sie noch nicht einmal die Möglichkeit, Celeste durch Reden abzulenken, bis vielleicht Hilfe kam. Die ältere Frau verzog missbilligend das Gesicht, beugte sich jedoch, ohne die Waffe sinken zu lassen, ein wenig auf ihrem Sitz nach vorn und hielt ihr die Flasche hin. Juliet packte sie, hob sie an ihren Mund, nahm einen möglichst großen Schluck und hatte das Gefühl, als ob ihr Magen explodierte. Dann ließ sie die Flasche wieder sinken und drückte sie an ihre Brust. Celeste starrte sie angewidert an. »Man braucht anscheine
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