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Imperial Library
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KAPITEL 1 Sturm Plötzlich wurde es finster. Über die Autobahn fegte ein Sandsturm hinweg. Die Sichtweite betrug keine zehn Meter mehr und führte zu einer Massenkarambolage. In den Nachrichten wurde später erklärt, Ursache dieses Phänomens sei das Tief »Elvira«. Der Orkan habe von den trockenen Feldern den Sand mit sich gerissen und den Himmel verdunkelt. Erst zwei Stunden später regnete der Sand über Häusern, Gärten und Straßen ab. Zuvor aber gab es auf der Autobahn viele Schwerverletzte.     »Ich weiß noch ganz genau, wie das im Krankenhaus war, als ich zu meinem täglichen Besuch kam und der Arzt mir sagte, Pit sei eine halbe Stunde zuvor gestorben.« Katja drehte in Gedanken eine Strähne ihres dunklen Haares um den linken Zeigefinger. Sie drückte sich in die Ecke der tiefen Ledercouch und blickte ihren Vater nicht an, während sie sprach, sondern sah sich am Muster des roten Täbris fest. Den Teppich hatte Pit vor Jahren einer Kollegin abgekauft, die ihren Hausstand bereits zwei Monate KAPITEL 2 Traum Ich schlendere mit Pit an einem heißen Sommerabend nach Einbruch der Dunkelheit durch den Park. Wir gehen quer über die Wiesen und ignorieren die Verbotsschilder, die uns bei Tageslicht davon abhielten, querfeldein zu gehen. Wer soll uns schon um diese Zeit dabei beobachten? Wir sind auf der Suche nach einem ungestörten Plätzchen, zu dem wir dann einen der weißen Holzliegestühle mit der schrägen Rückenlehne ziehen wollen. In diesen Stühlen kann man bequem sitzen und gleichzeitig halb liegen ... »Ich hab einen Stuhl entdeckt. Komm her!« Pit ruft mich. Ich folge, vorsichtig Schritt für Schritt tastend, seiner Stimme. Auf der Wiese, weit ab von den ohnehin spärlich aufgereihten Laternen, ist es nämlich stockdunkel. Ich bin keine Katze, die im Dunkeln sehen kann. Dann stehe ich endlich neben ihm. Er faßt meinen Arm und zieht mich auf den Stuhl. »Komm, setz dich.« Ich ahne den matten Schimmer des weißen Holzes. Sanft drückt mein Mann mich in den Stuhl nieder und sagt: »Schli KAPITEL 3 Spuren Das Eichhörnchen flitzte in den Ästen und Zweigen der Eiche hin und her, daß Katja schon meinte, es müsse zu Boden stürzen. Dabei war es nur zu flink für ihre Augen. Sie konnte von der Parkbank aus, auf der sie seit fünf Minuten saß, nicht sehen, wo sich die kleinen Krallen festhielten, wohin der buschige Schwanz steuerte. Amigo hatte das Eichhörnchen entdeckt, als es den Stamm hinauflief. Er hatte sich jammernd und fiepend unter den Baum gestellt, den Kopf zur Krone erhoben. Warum bloß konnten Chow-Chows nicht auf Bäume klettern oder sogar fliegen? Eichhörnchen sahen hübsch aus, hatten sie doch die gleiche Fellfärbung wie er. Allerdings, so mußte Katja zugeben, bewegten sie sich schneller und graziöser als ihr Hund. Andererseits sah Amigo einmalig elegant aus, wenn er in seinen leichten Trab verfiel. Stolz schritt er so durch den Park, und Katja hatte jedesmal Mühe, überhaupt mitzukommen. »Die normale Vorwärtsbewegung des Hundes ist Trab«, meinte Pit immer und paßte s KAPITEL 4 Herzsplitter Alles ging drunter und drüber. Berger verschob seinen Besuch in Bad Altensee zweimal. Zuletzt meldete er sich für Ende Mai an. Auch die Lesereise der Miller wurde verschoben. Berger äußerte Katja gegenüber entschuldigend die Vermutung, die Terminänderung läge an den privaten Schwierigkeiten der Autorin. Das alles war Katja egal. Es paßte viel besser in ihren Zeitplan, wenn sie nicht jetzt schon aufbrechen mußte, um quer durch Deutschland aus amerikanischen Südstaatenschmonzetten zu lesen. Irgendwie fand sie zu diesem Stoff momentan nicht die richtige Einstellung. Sie fühlte sich innerlich zerrissen. Die Gewitterwolken, die all die Monate in ihrem Kopf nur darauf gewartet hatten, einen Sturm loszuschicken, ballten sich immer dichter zusammen. Katjas Ahnung, es würde über kurz oder lang etwas geschehen, wurde langsam zur Gewißheit. Jeden Tag konnte es passieren. Was immer es auch sein würde. Sie fühlte sich wie jemand, der bereits verschiedene schwere Erkrankungen KAPITEL 5 Veränderungen Die alteingesessene Anwaltskanzlei Sager und Lehnig fand man seit knapp zwanzig Jahren an derselben Stelle. Das alte Fachwerkhaus, das vor langer Zeit einmal ein riesiger Speicher gewesen war, beherbergte die Kanzlei, seit Sager senior, zu erheblichem Ansehen und Wohlstand als Rechtsanwalt und Notar gekommen, nicht länger umhingekommen war, nach größeren Büroräumen zu suchen. Der frühere Speicher, in dem zuvor die Raiffeisenbank ihre Hauptstelle betrieben hatte, stand Anfang der siebziger Jahre einige Monate leer. Es war schwer, für ein ungewöhnliches Objekt dieser Größe einen Nachmieter zu finden. Sager senior mietete nicht, sondern kaufte das Gebäude, ließ es umbauen, modernisieren und restaurieren und arbeitete danach fast auf den Tag genau noch zehn Jahre in dem Haus. Dann bekam er den zweiten Herzinfarkt und überließ auf Drängen seiner Frau und des Arztes die Kanzlei seinem Sohn und seinem langjährigen Partner. Die Kanzlei genoß hohes Ansehen in Bad Altense KAPITEL 6 Besucher »Gut, Frau Kreys. Dann erwarte ich Sie morgen um elf. Kommen Sie mit dem eigenen Wagen? Ich beschreibe Ihnen gern noch den Weg.« »Nein, das ist nicht nötig. Ich werde mir ein Taxi nehmen.« Katjas Kehle war wie zugeschnürt. Ihr Herz hämmerte gegen die Brust. Was hatte sie nur dazu getrieben, Denise Lornsen anzurufen? Seit Tagen hatte sich dieser Gedanke wie ein Hakenwurm in ihrem Kopf verbissen und nicht mehr losgelassen. Dann griff sie entschlossen zum Hörer und wählte die Telefonnummer, die Philip Sager ihr gegeben hatte. Vielleicht war Denise nicht zu Hause. Es war Ferienzeit. Wahrscheinlich war sie mit der Tochter in Spanien oder in Dänemark. Zweimal wollte sie es noch klingeln lassen und dann auflegen und nicht mehr daran denken.   Was versprach sie sich von einem Telefonat oder sogar einem Treffen? Pit war tot. Alles Schnee von gestern? Oder nicht?   »Gut. Also dann — bis morgen, Frau Kreys.« »Bis morgen.« Hätte sie ›Frau Lornsen‹ sagen sollen? Denise Lornsen ha KAPITEL 7 Chancen Es hatte Marlies alle erdenklichen Überredungskünste gekostet, die Möbelpacker zu veranlassen, Katjas Ehebett abzuschlagen, bevor sie das neue Bett ins Haus transportierten. Das hatte Katja beim Kauf des neuen Bettes mit dem Verkäufer so besprochen. Doch die Möbelpacker wußten davon nichts und sprachen bloß immer wieder nörgelnd davon, wie sie es liebten, solchen Sonderwünschen nachgeben zu müssen, die dann nur den Tageszeitplan durcheinanderbrachten. Am Ende ließen sie sich natürlich doch überreden. Ohne Abbau des alten Bettes hätte das neue schließlich keinen Platz gefunden. So wurde das alte abgeschlagen und in Einzelteilen in den Keller getragen. Danach stärkten sie sich mit einer deftigen Brotzeit. Marlies schnitt in aller Eile »Alte rote Wurst« auf, eine Art Mettwurst, die mit Knoblauch und Pfeffer gewürzt wurde und eine Spezialität der Region war. Außerdem stellte sie frisches Brot, Käse, ein Glas Gurken, Tomaten und Schmalz auf den Gartentisch. Dazu gekühltes KAPITEL 8 Diskrepanzen Denise stand am Fenster und beobachtete Katja, die die Straße auf und ab ging und sich anscheinend mit Pits Hund unterhielt. Bestimmt war Katja ebenso nervös und dankbar für jede Verzögerung des Treffens. Obwohl sie beide miteinander reden wollten, hatten sie auch beide davor Angst.   Denise hatte sich gestern am Telefon sehr souverän gegeben. Doch leicht nahm sie dieses Treffen natürlich nicht. Zwar war ihre Liebesbeziehung mit Pit schon lange vor seinem Tod beendet gewesen ... Er hatte sich für seine Ehefrau entschieden, als Denise ihm klarmachte, daß sie nicht länger irgendwann, eines Tages, vielleicht, in vager Zukunft mit ihm leben wollte. Sie würde nicht länger auf ihn warten, weil sie ihn nicht mehr so liebte wie zu Beginn. Damals wie heute fühlte Denise sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie hatte doch von Anfang an von seiner Frau gewußt und sich trotzdem nicht abhalten lassen, eine Affäre zu beginnen. Sie war nicht schuldlos. Sie war Pits Geliebte geworden. KAPITEL 9 Überleben Sarah jauchzte vor Vergnügen. Ihr rotgelber Drachen schraubte sich immer weiter in den graublauen Himmel hinauf. Herbst. Eine steife Brise fegte über die Insel Sylt. Das ideale Wetter, um Drachen steigen zu lassen.   Denise war froh darüber, daß Immes Nachbar, Knut Jansen, sie an den Strand begleitet hatte. Sie selbst widmete sich lieber weiter ihrem Skizzenbuch, als darauf zu achten, daß Sarahs Drachen nicht ins Meer stürzte. Gladys fegte vor Begeisterung laut bellend den Strand entlang. Dabei wurde sie von Knuts kleinem Mischlingsrüden begleitet, mit dem es sich trefflich um angeschwemmte Hölzer balgen ließ. Sarahs Drachen war für die Hunde ebenso uninteressant wie für Denise. Oder doch nicht? Der Kontrast zwischen Rotgelb und Blaugrau am Himmel hatte durchaus seinen Reiz. Denise skizzierte mit flinken Fingern – bannte Drachen, Tochter und Hund aufs Papier. Beim Drachenlenken ähnelte Knut Jansen für einen flüchtigen Moment scheinbar Pit Kreys. Ein Anflug leiser We
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Chief Librarian: Las Zenow <zenow@riseup.net>
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