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Eins Alejandro ging noch einmal alle Punkte des Arbeitsvertrags für den Koch durch. Die Arbeit mit Sterneköchen konnte äußerst schwierig sein, auch wenn er sie nur für jeweils vier Wochen an sein exklusives kleines Hotel am Leuchtturm Cap Gros auf Mallorca verpflichtete. Da waren wasserdichte Verträge überlebenswichtig – für beide Seiten. Das hatte er seit der Erfahrung mit Enrico begriffen. Enrico war ein hoch gelobter Promikoch von der Costa Brava, der jedes Jahr in der eigenen Versuchsküche neue Gerichte erfand und wie kein anderer in seiner hoch technisierten Küche mit Aromen spielte und die Gaumen immer wieder aufs Erfreulichste überraschte. Die Menükarte seines kleinen Restaurants wechselte einmal jährlich jeweils für die Saison von fünf Monaten. Den Rest des Jahres benötigte die Diva Enrico, um neue ausgefallene Kreationen zu erfinden, mit denen er sich bislang stets selbst übertraf. So war es Alejandro selbstverständlich nur außerhalb Enricos Restaurantsaison möglich gewesen, i Zwei Nora war früh am Morgen bereits im Pool geschwommen. Sie achtete sehr darauf, sich die schlanke Figur und körperliche Fitness zu erhalten. Jetzt trug sie das lange braune Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, hatte nach dem Duschen einen Hauch Parfüm aufgetragen und sich dann lediglich einen seidenen Kimono über den nackten Leib geschlungen. Jetzt balancierte sie auf einem übervollen Tablett zwei riesige Tassen Milchkaffee mit viel Schaum und wenig Zucker, Croissants, Marmelade, frisches Obst und Orangensaft. Sie genoss das gemeinsame Frühstück mit Bjarne, der seit einem knappen halben Jahr bei ihr auf ihrer Finca bei Algaida lebte und sein Studium und die Freunde in Deutschland vergessen zu haben schien. Als gäbe es eine geheime Absprache zwischen ihnen, rührten sie beide nicht an dem Thema. Nora ahnte, dass Bjarne sie und Mallorca irgendwann verlassen und nach Deutschland zurückkehren würde. Er war jünger als sie. Er musste sein Kunststudium beenden und war viel zu begabt, um al Drei «Ich verstehe nicht, was dich bei der Auswahl so sicher sein lässt.» Bjarne schob unwillig die Bilder hin und her, die Nora für die Ausstellung im Hotel als gut eingestuft hatte. «Das da», er wies auf eine Aktstudie, «ist noch nicht fertig. Auf keinen Fall lass ich zu, dass es ausgestellt wird.» «Es gibt überhaupt keinen Grund, so nervös zu sein.» Nora umschlang von hinten Bjarnes Hüften und schmiegte sich an seinen Rücken. «Du darfst dich auf mein Urteil verlassen. Warum sollte ich dich ins Messer laufen lassen? Natürlich ist der Akt noch nicht ausgearbeitet. Aber genau darin liegt der Reiz. Du musst ihn unbedingt so lassen.» «Unfertig?» «Vertrau mir.» Sie zog die Bilder wieder hervor, die Bjarne in die hinterste Reihe geschoben hatte. «Ach ja, ich vergaß», spottete er mit leise verzweifeltem Unterton, «du bist die Ältere, du hast Erfahrung, und du weißt, was gut für mich ist.» «Gibt es Grund zur Klaget Habe ich mich in der Vergangenheit jemals getäuscht?» Sie ließ die Hände auf Vier Carla fegte in der großen Küche zwischen den dampfenden Töpfen herum, kostete hier, würzte dort. Dies alles mit großen Gesten, wie sie die Italiener mögen. Gerade erklärte sie den beiden jungen Frauen, die ihr zuarbeiteten, welchen Unterschied es bei Pasta gab. «Wenn es irgend möglich ist, mache ich die Pasta selbstverständlich von Hand. Aber wenn man denn schon auf Fabrikware ausweichen muss, dann sollte man wissen, welchen Unterschied es macht, ob die Pasta mit teflonbeschichteten Formen hergestellt wird, oder – und das ist das einzig Wahre – mit Bronzeformen. Natürlich ist erstklassige Qualität des Weizens und des Wassers notwendig, und auch der langsame Trocknungsprozess ist nicht zu vergessen, aber darauf kommen selbst Idioten. Doch die Form, die Form aus Bronze, das ist das echte Geheimnis guter Pasta.» «Ihr fanatischen Italiener. Sie wollen uns doch nicht weismachen, dass zwischen Teflon und Bronze ein Unterschied besteht?» Lucas Bauer lehnte lässig im Türrahmen und grinste Fünf Carla saß um zwei Uhr nachts in der abgedunkelten Hotelküche vor einem Glas 2000er Rioja D.O. Crianza Pago del Encinar und starrte einfach nur vor sich hin, als Lucas in die Küche geschlichen kam und sich aus dem Kühlraum eine Platte mit verschiedenen Leckereien herausnahm. «Hier», sie schob ihm die Flasche hinüber und genoss den erschrockenen Gesichtsausdruck des heimlichen Diebes auf seinem Gesicht. «Rioja ‹Lacrimus›, gerade richtig um diese Zeit.» Überrascht von dieser scheinbar versöhnlichen Geste, nahm Lucas sich ein Glas und probierte den Rotwein. «Gut.» Er nahm Teller und Bestecke aus dem Schrank, schnitt Brot, improvisierte mit Geschirrtüchern Tischsets und Servietten und zauberte ein nächtliches Mahl für sich und die gehasste Konkurrenz. «Und warum sitzen Sie um diese Zeit hier? Allein?» «Und Sie?» «Ich habe Hunger.» Er angelte sich ein paar überbackene kalte Muscheln auf den Teller. «Igitt.» Blitzschnell entführte Carla ihm die Muscheln und briet sie in einer kleinen, fl Sechs Bjarne schlenderte neben Denise durch die Anlage des Hotels «Ca’n Poma». Er vermied jeden Körperkontakt zu ihr aus Angst, jemand würde sie beobachten und Nora davon erzählen. Wenn es um Klatsch innerhalb bestimmter Kreise ging, dann schrumpfte Mallorca überraschenderweise auf die Größe eines Hundertfünfzigseelendorfes, in dem nichts verborgen und schon gar nichts geheim blieb. Die Besitzer des kleinen Landhotels bei Sóller hatten anlässlich der Vernissage bei Alejandro zwei Bilder gekauft, die miteinander im Dialog standen. Beide zeigten in traditionellem Stil die mallorquinische Landschaft mit Olivenbäumen, Trockenmauern und trutzig anmutenden Gebäuden im Hintergrund. Alles war im sanften Licht des Herbstes festgehalten. Eigentlich hatten Nora und Bjarne, die Maler der Werke, gemeinsam die Gemälde an die Käufer liefern wollen, doch als Nora vom Familienanwalt kurzfristig aufs Festland beordert wurde, hatte Bjarne die Idee, den Nachmittag mit Denise zu verbringen und die Bilder m Sieben Nora blickte während des Landeanflugs auf Mallorca aus dem Fenster und erinnerte sich an eine Kolumne, die sie vor kurzem gelesen hatte. Darin erzählte der Verfasser im lockeren Plauderton von einem mit ihm befreundeten mallorquinischen Schäfer namens Tomeo, der der Flughafenverwaltung vorschlagen wollte, zwischen den Flugpisten taube Schafe weiden zu lassen. Er habe, so sagte er dem Kolumnisten, jedes Jahr mehrere taube Lämmer, die er zum Schlachten geben müsse. Wenn er sie aber zwischen den Pisten grasen lassen würde, wären sie eine Weile zu etwas nütze, denn das Gras sei saftig, und die Tiere würden sich nicht vor dem Lärm erschrecken. Die Flughafenverwaltung hätte doch schon längst selbst auf die Idee kommen müssen. Nora lächelte in sich hinein. Noch waren keine Schafe auf dem Gelände zu sehen!   Da Nora bis zum letzten Augenblick nicht gewusst hatte, welche Maschine sie nehmen würde, erwartete sie nicht, am Flughafen abgeholt zu werden. Daher freute sie sich, dort unverhoff Acht Das Puerto Viejo in Palma war kein Stundenhotel. Beileibe nicht. Es war eine Liebesgrotte. Sie gehörte Isabel, die einige Jahre in Costa Rica eine gemütliche Pension für Rucksacktouristen ihr Eigen genannt hatte, bis sie sich eines Tages in einen der Gäste verliebte, alles aufgab und dem Angebeteten nach Spanien folgte. Sie erlitt quasi einen Kulturschock, entliebte sich rasch und übernahm kurzerhand das winzige Hotel, das in einer schäbigen Gasse weit hinter der Kirche Santa Eulalia lag. Die Altstadt war in Palma, wie in allen Städten Europas, der Stadtteil mit dem größten Charme. Der Flaneur erhaschte hier und dort durch geschmiedete Gitter einen Blick in prächtige Patios mit Gewölben und Treppenaufgängen. Und Lucas, der sich auf dem Weg zum ersten Besuch des Hotels von Eliza durch die Straßen ziehen ließ, hatte neben den Patios die Fassaden der alten Herrenhäuser bewundert. «Warum reden alle immer vom Fortschritt und dem damit verbundenen Segen und Heil, wenn der schönste Stadt Neun Claudia lehnte an der gemauerten Umrandung der Dachterrasse und blickte in den weitläufigen von Gärtnern gepflegten Garten des kleinen Landhaushotels, das ihr Bjarnes Freund Martin empfohlen hatte. Der Gärtner, ein junger, athletisch gebauter Spanier, schnippelte an verschiedenen Sträuchern herum und blickte immer wieder zu ihr hinauf, was ihr keineswegs entging. Unentschlossen, ob sie winken oder sonst ein Zeichen senden sollte, beschirmte sie mit der Hand die Augen gegen die Sonne und gab vor, die faszinierende Aussicht zu genießen. Ein kleiner Flirt mit einem gut aussehenden Typen wäre mal eine echte Abwechslung, nachdem sie seit mehr als einem halben Jahr vor lauter Liebeskummer nur Trübsal geblasen und eventuelle Interessenten nicht einmal wahrgenommen hatte. Und ausgerechnet jetzt, als sie sich von Martin hat überreden lassen, noch einen letzten Versuch zu starten, Bjarne zurückzugewinnen, ausgerechnet jetzt bemerkte sie diesen gärtnernden Mann, der ihr unverhohlen glutvolle Zehn «Hier bin ich.» Liliann sprang noch voller Elan aus dem Wagen, blieb dann jedoch zögernd stehen, weil sie Alejandros Blick nicht zu deuten vermochte. Er hatte sie telefonisch zum Treffpunkt bestellt, und es hatte sich als schwierig herausgestellt, das richtige Haus zu finden, das etwas abseits der alten Landstraße zwischen Pollenca und Alcudia lag. Über Land waren die kleinen, untergeordneten Straßen meist nicht ausgeschildert. Sie hatten schlichtweg keinen Namen oder einen, der bloß den Alteingesessenen bekannt war und sich Fremden niemals erschloss. Die Einheimischen brauchten diese Namen nicht, da sie sich auch so zurechtfanden. Für Fremde wurden die Wegkreuzungen kurzfristig mit Plastiktüten markiert, oder man stellte als Markierung einen alten Eimer auf oder band eine Ziege an. Doch waren diese Markierungen stets ungenau, dem Wind und mutwilliger Veränderung ausgeliefert, sodass es schon gelegentlich vorkam, dass man, statt der erwarteten Gäste, fremde, ebenfalls umherirrende
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