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Imperial Library
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1 EINE STIMME FÜR DIE TOTEN Der süßliche Geruch von Blut und Geißblatt hing wie fauliger Rauch im feucht-dunstigen Innenhof. Eine nackte Gestalt lag zusammengerollt an einer efeubewachsenen Steinmauer, die gefesselten Hände wie die eines schlafenden Kindes unter dem Gesicht gefaltet – eine Geste, die im krassen Gegensatz zu dem geschwollenen, geschundenen Antlitz des Mannes stand. Ein schwarzes Netzhemd war um seinen Hals gewickelt, und Blut sammelte sich um seinen Körper. Schimmerte auf der Haut und dem Steinboden. An der Wand über ihm stand in Blut geschrieben: WACH AUF Heather Wallaces Muskeln, die von dem langen Flug aus Seattle bereits verkrampft waren, spannten sich noch mehr an. Die Botschaft war eine verstörende Neuerung, falls es sich tatsächlich wieder um eine Tat des Cross-Country-Killers handelte. War es eine Warnung? Eine Aufforderung? Oder ein düsterer, zynischer Scherz auf Kosten seines sterbenden Opfers? Heather holte tief Luft und trat aus der Hintertür von Da Vincis P 2 CLUB HELL »Verpiss dich mit deinem Geld und stell dich gefälligst wie alle anderen auch hinten an.« Heather löste sich aus der Gruppe von Leuten, die sich auf der engen, vollen Straße drängten, fasste nach einem der pferdekopfgekrönten Pfosten aus Messing und zog sich auf den ebenso überfüllten Gehweg. Sie warf einen Blick auf den Sprecher. Er stand an der Eingangstür des Clubs neben einer Absperrung aus einer stacheldrahtumwickelten Samtkordel, die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen. Neonlicht spiegelte sich in den dunklen Gläsern und erleuchtete den silbernen Halbmond, der unter seinem rechten Auge eintätowiert war. Der Mann war groß, schlank und trug Jeans, wettergegerbte Lederchaps und eine Lederjacke in den Farben der Nomads – was Heather überraschte. Sie hatte noch nie zuvor ein Mitglied eines dieser familienbewussten Clans beim Arbeiten gesehen und schon gar nicht in Diensten eines Clubbesitzers. Zumindest nicht, wenn es um etwas Legales ging. Er hatte sein langes, dunk 3 OHNE EIN WORT Dante warf einen Blick über die Schulter. Er sah die rothaarige Frau im Trenchcoat, die neben Lucien gestanden hatte, nicht, aber er spürte, wie sie sich durch die Menge schob, entschlossen und eine Autorität ausstrahlend, der man sich schwer entziehen konnte – rein, durchdringend und tödlich. Was ist los, mon ami? Dante wandte seine Aufmerksamkeit wieder Simone zu. »Keine Ahnung.« Er ließ die Hand über ihr seidenweiches langes Haar gleiten und strich es ihr hinters Ohr. »Aber ich werde es bald herausfinden. Ob ich will oder nicht.« Er lächelte. Simone musterte ihn interessiert. Ihr Blick suchte in seinen Augen nach einer Antwort. Er schüttelte aber nur den Kopf. Sie seufzte. »Wenn du dir sicher bist.« Er senkte den Kopf und küsste sie, während er ihren Duft aus Magnolien und Blut einatmete. »Merci beaucoup, chérie«, flüsterte er gegen ihre Lippen. Simone seufzte erneut. Sie blickte an ihm vorbei zu Silver. »Komm, mon petit.« Dann streckte sie die Hand aus und lockte Si 4 DER ENDLOSE FALL Bourbon lief in Thomas Ronins Whiskyglas und sah im Dämmerlicht wie dunkler, flüssiger Bernstein aus. Der Barkeeper zog die Kreditkarte, die Ronin auf die Theke gelegt hatte, durch die Maschine und schlenderte dann zum nächsten Gast an der langen, polierten Theke. Ronin nahm sein Glas und drehte sich um. »Sieht aus, als hättest du es verpatzt«, meinte E mit affektiert klingender Stimme. Er schüttelte eine Zigarette aus einem zerknitterten Päckchen, schob sie sich zwischen die Lippen und zündete sie mit einem silbernen Feuerzeug an. Ronin nahm ihm die Kippe aus dem Mund und ließ sie auf den Boden fallen, wo er sie mit der Spitze seiner Schlangenlederstiefel austrat. »Tu mir den Gefallen«, meinte er, »und sag mir, wie ich es verpatzt haben soll.« E warf Ronin einen Blick zu. Seine Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt, und auf seinem Gesicht zeigte sich ein breites Grinsen. Er schüttelte eine weitere Zigarette aus dem Päckchen, schob sie sich wieder z 5 AUF DIE HARTE TOUR Nachdem der Styroporbecher endlich kühl genug war, um ihn anzufassen, nippte Heather an ihrem Milchkaffee. Der Sonnenaufgang verlieh dem grauen Horizont einen orangerosa Anstrich und vergoldete die Unterseite der Wolken. Sie gähnte und rieb sich das Gesicht. Der Durchsuchungsbefehl flatterte auf der Entlüftung des Armaturenbretts des Subaru Legacy. Sie schaltete die Heizung aus. Der Motor ihres Wagens klickte und brummte, als er sich abkühlte. Heather parkte gegenüber von Dantes Plantagenhaus, mehrere Kilometer von New Orleans entfernt. Alte, rundgewaschene Steinblöcke und schwarzes Eisengitter umgaben das Haus. Auf dem Papier gehörte auch dieses Grundstück Lucien De Noir, doch ebenso wie der Club war es in Wahrheit Dantes, wie Heather vermutete. Dichtes Laubwerk und duftende Blüten rankten sich entlang der Mauern. Riesige Eichen spendeten dem Anwesen Schatten. Das schwarze Eisentor stand offen. In der runden Auffahrt parkten ein schwarzer Van, ein Harley-Chopper u 6 MAGIE UND MYSTERIEN Johanna Moore stand am Fenster ihres Büros und sah den Schneeflocken zu. Schnee ließ sie immer an Weihnachten und ihre Jugend denken; sie erinnerte sich an die Magie und Mysterien der winzigen, glitzernden Fenster des Adventskalenders und die Überraschungen, die sich zeigten, wenn man sie öffnete. Der Februar in Washington ließ jegliche Magie und alles Mysteriöse vermissen. Hier gab es nur vereiste Bürgersteige und kahle Bäume. »E ist in New Orleans«, sagte sie schließlich. »Zufall«, erwiderte Gifford. »Wohl kaum«, entgegnete Johanna. »Das gefällt mir ganz und gar nicht.« Entschlossen drehte sie dem Fenster, dem Schnee und ihren Erinnerungen den Rücken zu. Gifford saß auf dem vornehmen Ledersessel vor Johannas Kirschholzschreibtisch. Er runzelte die Stirn, während er die dicke Akte, die auf seinen Beinen lag, überflog. Dann fasste er in seine Anzugjackentasche und holte einen dünnen braunen Zigarillo heraus. Er schüttelte den Kopf, den Blick noch immer auf die Akt 7 NÄHER ALS JE ZUVOR Ihr nackter Körper lag mit dem Gesicht nach oben auf dem zerknüllten Bett, die Hände an die Bettpfosten gefesselt, die Beine gespreizt, einen schwarzen Strumpf um den Hals gelegt und zugezogen. Stichwunden übersäten ihre Brüste und ihren Bauch. Langes, dunkles Haar verbarg zum Teil ihr Gesicht, das der Tür zugewandt war. Blut und Schaum befleckten ihre Lippen, und ihre Zunge hing leicht heraus. Wimperntusche, Kajal und getrocknete Tränen waren über ihre Wangen verschmiert. Ihre halb geschlossenen Augen schienen auf Heather zu blicken. In beide milchweißen Innenseiten der Schenkel war das Anarchiezeichen geschnitten. Blut troff auf den Teppich. Heathers Augen folgten ihm zu den durchtränkten Leintüchern, den blutverschmierten Oberarmen bis zu den vertikal aufgeschlitzten Handgelenken. Jetzt sah sie nur noch die herabfallenden Blutstropfen. Gerade erst gestorben. Vor Minuten? Höchstens vor einer halben Stunde. An der Wand hinter dem Bett stand in Blut eine Nachricht 8 DER UNSCHÖPFER Mit scharfem, metallischem Klicken schlossen sich die Handschellen um Dantes Handgelenke. Alte Dämonen, die er nicht einmal zu benennen wusste, reckten ihre hässlichen Häupter. Gedanken wie trockene Wüstenluft brannten in seinem Bewusstsein. Spreng die Handschellen. Lösch sie aus. Alle. Du wirst über den Balkon geflohen sein, ehe ihr Blut aufhört zu fließen. Willstesbrauchstestueswillstesbrauchstes … Dante senkte mit angespannten Muskeln den Kopf, während er versuchte, nicht auf die Stimmen zu hören. Durch den Duft von Ginas Blut nahm er einen Hauch von Benzin und verbranntem Fleisch wahr. Er hörte das Knistern von Flammen. Aber nicht hier. Ein andermal. An einem anderen Ort. Ihm lief ein eiskalter Schauder über den Rücken. Vor seinen Augen verschwamm das Zimmer. »He«, sagte Agent Wallace. »Atmen Sie. Einfach atmen. Ein, aus … ein, aus … los, versuchen Sie es doch.« Er lauschte der tröstlichen, leisen Stimme der Agentin. Dann tastete er nach Lucien und berührte über ih 9 NEUE WEGE Die Blondine mit den langen Korkenzieherlocken machte die Tür auf. »Oui?«, fragte sie und warf einen raschen Blick in die Dunkelheit hinter Heather, ehe sie diese in Augenschein nahm. Ein angedeutetes Lächeln erhellte ihr Gesicht. »Ich muss dringend Dante sprechen«, erklärte ihr Heather. Die Blondine schüttelte den Kopf, so dass Heather einen Hauch von Blumenduft in die Nase stieg – Rosen, möglicherweise Magnolien. »Dante ist nicht da«, sagte sie und wollte die Tür wieder schließen. Heather hielt die Tür mit der Hand auf. »Dann werde ich warten«, erklärte sie und hielt der Frau ihre Dienstmarke unter die Nase. Diese musterte die Marke nachdenklich mit ihren nussbraunen Augen. Dann trat sie zurück und machte die Tür weiter auf. »S’il vous plaît«, sagte sie und bedeutete Heather einzutreten. »Danke.« Die Blondine führte sie in einen Salon. »Machen Sie es sich hier bequem«, meinte sie und blieb neben einer breiten Couch stehen. Heather setzte sich auf den Rand der Couch, die M 10 UNVORHERGESEHEN Ronin lenkte seinen Camaro an den Bordstein und schaltete den Motor ab. Er warf einen Blick auf das tragbare GPS-Gerät. Dante hatte sich eine Weile nicht gerührt, dann hatte er sich weiterbewegt, allerdings wesentlich langsamer. Das hieß, der Junge war jetzt zu Fuß unterwegs. Nachdem Ronin ausgestiegen war, schob er seine Kreditkarte in die Parkuhr und zahlte für zwei Stunden. Er warf einen weiteren Blick auf das GPS und begann dann, die von der Straßenbeleuchtung erhellte Canal Street in Richtung Mississippi entlangzulaufen. Selbst hier drängten sich Touristen und Straßenhändler auf den Bürgersteigen, und auf den vier Fahrbahnen kamen die Autos nur langsam voran. Immer wieder hupte jemand, um Fußgänger zu warnen, die rechts und links neben den Zebrastreifen auf die Straße traten. Ronin bemühte sich, nicht schneller als ein Sterblicher zu gehen. Er mischte sich unter eine kleine Gruppe von Fußgängern, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Sich anpassen, 11 EINE LEBENDE VERBINDUNG Lucien ließ den bewusstlosen Assistenten auf die Couch im Salon fallen. Eine riesige blauviolette Beule hatte sich auf der Stirn des Mannes gebildet. Dante kniete sich neben die Couch und durchsuchte die Taschen des Mannes mit flinken, sicheren Händen. Das hat er schon mal gemacht, dachte Heather. Wahrscheinlich sogar mehr als einmal. Er warf einen kleinen Schlüsselbund auf den Boden, dem ein Mobiltelefon, mehrere Münzen und ein Kaugummi in Silberpapier folgten. Dann fiel noch ein scharfes Messer auf den kleinen Haufen. De Noir atmete geräuschvoll ein. Heather warf ihm einen Blick zu. Er schüttelte den Kopf, die Kiefermuskeln angespannt. Offenbar war er sauer, dass ihm diese Waffe entgangen war. Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder Dante zuwandte, stellte sie fest, dass er eine schmale schwarze Geldbörse in Händen hielt. Er klappte sie auf und zog einige Kreditkarten und Rechnungen heraus. »Elroy Jordan«, sagte er. »Jedenfalls seinem Ausweis nach.« »Woher kommt 12 VERGESSENE VERGANGENHEIT Mit Dante in den Armen ging De Noir mit angeborener Anmut durch das verdunkelte Schlafzimmer und wich dabei den auf dem Boden verstreuten CD-Hüllen, Klamotten und Büchern aus oder stieg über sie hinweg. Das Bett, ein Futon, war ungemacht und zerwühlt, die Bettwäsche und das Leintuch waren komplett schwarz – oder eventuell auch dunkelblau, dachte Heather, als sie De Noir ins Zimmer folgte. Er kniete sich neben das Bett und ließ Dante langsam herunter. Dann schob er ein paar Kissen unter seinen Kopf und tupfte das Blut an seiner Nase mit einem Geschirrtuch ab, das er aus der Küche mitgenommen hatte. Mondlicht ließ De Noirs charakteristische Gesichtszüge weicher erscheinen und verwandelte seine grimmige Miene in eine traurige. Heather legte den Kopf schief und betrachtete den Mann, während er sich um Dante kümmerte. Seine große Hand berührte sanft Dantes Haar, um es ihm aus dem Gesicht zu streichen. Was war zwischen den beiden? »Wird er sich bald erholen?«, fra 13 ANDENKEN Ronin sperrte das Vorhängeschloss auf, das die Metalltür versperrte. Die Tür knarrte, als er sie aufriss, und der Laut hallte durchdringend in dem leeren Lagerhaus wider. Er drückte den Lichtschalter neben der Tür und trat ein. Auf einem Feldbett zusammengerollt, die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, lag der Junge und sah ängstlich auf, als auf einmal das grelle Licht im Raum aufleuchtete. Die fluoreszierenden Deckenlampen begannen zu surren und unterbrachen die Stille. Als der Junge Ronin sah, setzte er sich auf und drückte sich in die Ecke des Betts, den Rücken an die Wand gepresst. Amüsiert schüttelte Ronin den Kopf. »Mich musst du nicht fürchten, Junge«, sagte er, »sondern meinen Partner – den Mann, der dich hierhergebracht hat. Erinnerst du dich?« Die Jugendliche schüttelte den Kopf, ohne den Blick von Ronin zu wenden. Der Kajal um seine Augen war verschmiert. Er presste sich fester gegen die Wand, als könne er hineinsickern und darin verschwinden. Ronins Läch 14 VERLOREN IM SYSTEM Heather sah auf die Uhr. Dreizehn Uhr fünfzehn. Sie sog verärgert die Luft ein und ging zu dem verglasten Raum mit den Akten, hinter dessen Scheibe zwei Angestellte sie unermüdlich ignorierten. Mit einem Fingerknöchel klopfte sie gereizt gegen das Glas. Das schnelle, laute Einhacken auf eine Computertastatur brach ab. Der Mann hinter der Scheibe blickte auf und sah Heather mit einer hochgezogenen Braue an. Er wirkte über die Störung nicht gerade glücklich. »Sind Sie sich absolut sicher, dass Dr. Anzalone weiß, dass ich da bin?«, fragte Heather. »Ich warte jetzt seit fast zwei Stunden.« Ihr fielen sein zurückgegeltes Haar und das weiße kurzärmelige Hemd auf, das gemeinsam mit einer dünnen schwarzen Krawatte ziemlich retro aussah. Er sieht aus, als wäre es ihm wesentlich lieber, wenn ich aufgäbe, mich in Luft auflöste oder einfach stürbe. »Ja, Madam, sie weiß Bescheid«, antwortete er. Seine Stimme klang durch die dicke Glasscheibe dumpf. »Aber sie ist sehr beschäfti 15 IM STRUDEL DER EREIGNISSE E schlich den Gang zu Tom-Toms Zimmer entlang. Er drückte sich gegen die geschlossene Tür. Schlief Tommy-Boy noch? Die Sonne war noch nicht untergegangen, der graue Nachmittag zog sich hin, und draußen goss es in Strömen aus einem griesgrämigen Himmel. E horchte. Nichts. Nicht mal ein Schnarchen. Schnarchten Vampire überhaupt? War er überhaupt da drinnen? Oder stand er hinter ihm? Beobachtete ihn? Feixte? E wirbelte mit pochendem Herzen herum, die Klingen gezückt. Nichts. Er stand reglos da und starrte den leeren Flur entlang zu dem schmutzigen Licht, das durch das vordere Fenster hereinfiel. Allmählich verlangsamte sich sein Herzschlag wieder. Mit einer raschen Handbewegung ließ er die Messer wieder in ihre Scheiden an seinen Handgelenken schnellen. Dann wandte er sich wieder der geschlossenen Tür zu. Noch immer kein Schnarchen. Wenn er da drinnen war, schlief er tief. Wenn nicht, musste sich E wegen Lärm keine Gedanken machen. Seine Finger schlossen sich 16 BLUTSCHWÜRE Dante öffnete die Augen. Kerzenlicht flackerte weiß und golden an der Decke. Schatten zitterten. Er roch nach Vanille duftendes Wachs und schmeckte Blut im Rachen. Sein Kopf pochte, doch der Schmerz schien in weiter Ferne zu lauern, als hätten ihn Morphium oder Luciens kühle Hände gelindert. Es tat weh zu schlucken. Das Blut schmeckte nach seinem eigenen. Wieder Migräne? Wieder Nasenbluten? Welche Nacht war dies eigentlich? Er versuchte, sich zu besinnen, sich daran zu erinnern, was er vor dem Schlaf getan hatte. Aber er prallte an einer hohen, leeren Wand ab. Jäh brandeten lebhafte Bilder durch seine Gedanken – eine Wespe, Ketten, die von Fleischerhaken hingen, ein blutiger Baseballschläger – und verwandelten sein Bewusstsein in einen Alptraum. Stacheldrahtstacheln durchbohrten Haut. Wespen summten. Dante schüttelte den Kopf. Er spürte, wie Trey sanft gegen seine Schilde klopfte. Dante holte tief Luft und ließ ihn ein. Eine Nachricht für dich auf dem Club-E-Mail-Konto, 17 ZUM SOZIOPATHEN GEBOREN Blut klebte an Es Fingern. Er biss die Zähne zusammen und bohrte mit der Klinge noch etwas tiefer. Die Spitze kratzte über etwas und ließ sich dann nicht mehr bewegen. Er hielt inne, wartete auf den Schmerz. Nichts. Er fasste mit der freien Hand hinter sich und fuhr mit den Fingern über die Wunde am unteren Rand seines Schädels. Vorsichtig berührte er das Ding, das sein Messer entdeckt hatte. Weiche Ränder. Keine Empfindungen. Aus E quoll ein Lachen, ein tiefes Lachen, angestrengt und wütend. So hat er mich also in New York gefunden. Wie lange war mir dieser Idiot da schon auf den Fersen? Interessant, dass er die Wanzen nie erwähnte. E zog. Seine Finger rutschten ab, und er konnte das Implantat nicht mehr greifen. Blut rann über seinen Nacken in den Hemdkragen und fühlte sich auf der kalten Haut angenehm warm an. E nahm das glitschige Messer in die andere Hand und wischte die verschwitzten Finger an seiner Jeans ab. Dann nahm er das Messer wieder in die Recht 18 ALLES FÜR DICH Das Blut rauschte in Dantes Ohren, als er den dünnen schwarzen Strumpf in beiden Händen hielt. Ein gelbes Post-it klebte an dem zarten Stoff. Er zog ihn ab. 1616 St. Charles. Dante hob den Strumpf an die Nase. Schnüffelte. Nichts war von Gina übrig. Keine Spur ihres Dufts nach Schwarzkirschen. Stattdessen nahm er den sauberen Geruch von Seife und den Gummiduft von Latexhandschuhen wahr. Er senkte den Strumpf; sein Hals fühlte sich trocken an. Sie war völlig ausgelöscht. Er ballte die Faust um den Strumpf. Flammen loderten in seinen Adern; Zorn entzündete seine Gedanken und sein Herz. In der Ferne surrten Wespen. Lebte Jay noch? Wespen bohrten sich in Dantes Haut. Krochen in seinen Kopf. Sein Körper hallte von dem tiefen Dröhnen wider. Sein Kopf schmerzte. Dante-Engel? Hat sie dir vertraut? Hat sie an dich geglaubt? Leider ja, Prinzessin. Jetzt weiß sie es besser, was, Dante-Engel? Eine Hand ergriff sein Kinn, drehte gewaltsam seinen Kopf. Er öffnete die Augen. Heather 19 ELOHIM Flügel peitschten die nächtliche Luft, während Lucien mit geschlossenen Augen dahinflog und der komplizierten Arie lauschte, die in seinem Herzen und seinem Kopf erklang und ein dunkles Muster aus Informationen in sein Bewusstsein webte. Er wusste jetzt, wer der Sänger war, wie weit er gereist war – und warum. Also blieb Lucien stumm und sein eigenes Wybrcathl ungesungen. Er weigerte sich, irgendetwas mit dem zu teilen, der da in den nächtlichen Himmel von New Orleans sang. Kühle, klamme Luft schlug ihm entgegen und ließ Perlen aus mondlichtgetränktem Tau auf seinem Gesicht entstehen. Lucien schmeckte noch immer Dantes Blut auf den Lippen, geheimnisvoll und süß. Er spürte noch immer dessen Zögern und Frustration, roch seine Enttäuschung, die scharf und bitter gewesen war. Du warst immer für mich da. Was es auch immer sein mag – lass mich diesmal für dich da sein. Nein. Wappne dich. Sperr es aus. Versprich mir, mir nicht zu folgen. Mann! Versprich es. Lucien öffnete die Augen 20 DAS FINSTERSTE HERZ »Unter stillen Wassern liege ich die Finger meiner Mutter verankern mein Haar auf den Porzellanboden sie schlägt Wellen über mir eine Göttin keine Frau versucht, den Makel des Blutes abzuwaschen Unter stillen Wassern liege ich meine Mutter, mein Anker ich schließe die Augen und atme unter stillen Wassern …« E las das Gedicht laut und übertönte dabei das gurgelnde Pfeifen, das vom Sofa kam. Er klappte das Buch zu und schob es wieder in seine Tasche. »Ich liebe Navarros Gedichte«, sagte er zu dem röchelnden Ding auf dem Sofa. »Es spricht zum finstersten Herzen.« E lehnte sich auf dem Sessel zurück, neigte den Kopf zur Seite und betrachtete sein jüngstes Werk. »Ding« war der richtige Ausdruck. Er hatte alles entfernt, was Keith zum Mann gemacht hatte und es kunstvoll im Zimmer drapiert. Auf dem Couchtisch neben einer Kerze. Auf dem Bücherregal neben einem gerahmten Foto von Keith und einem anderen Mann … Liebhaber? … Bruder? … Wen interessierte das? Er lächelte. Na 21 IN UNGNADE Lucien fiel. Die Welt drehte sich unter ihm. Die Stadt verschwamm zu einem verwirrenden Lichtpunkt. Kalte Luft schlug ihm ins Gesicht, kühlte seine Wangen und überzog sein Haar und seine Flügel mit einer dünnen Eisschicht. Dantes Schilde waren zerstört. Erinnerungssplitter stiegen aus der Tiefe auf und glitten durch sein Bewusstsein. Schmerz verschlang Dante von innen heraus – Schmerz, der so heftig war, dass es Lucien aus dem Himmel auf die Erde herabriss. Das Chaoslied, dunkel, verschlungen und pulsend, floss in Luciens verbrannten Geist. Schöpfer. Unschöpfer. Führungslos und einsam. Er wusste in diesem Augenblick, dass er seinen Sohn im Stich gelassen hatte. Genauso wie er Genevieve im Stich gelassen hatte – und Jahwe. Die hohen Türme einer Kirche tauchten unter ihm auf; verwitterte schwarze Giebel füllten sein Sichtfeld. Er krachte durch das alte Holz, stürzte durch Dachboden, Decke und dicke Holzbalken. Jeder Aufprall drehte seinen Körper um die eigene Achse. Seine K 22 ANGE DE SANG Luciens Lied schwelte in Dante, der Rhythmus war schwach und wurde immer leiser wie die erlöschende Glut eines Feuers, das stetig seit Jahrhunderten – nein, Jahrtausenden – gebrannt hatte. Er rannte die Stufen der Kathedrale hinauf, bis er vor dem versperrten Portal stand. Er sah empor. Vor den Fenstern waren Holzläden. Das Bild eines Raumes mit Kuppeldach – SANTUSSANCTUS-SANCTUS – blitzte immer wieder vor Dantes innerem Auge auf und ging dann in goldenen Regen über. Er berührte seine Verbindung zu Lucien, die aber geschlossen war. Er warf sich dagegen, doch das Siegel hielt. Stimmen wisperten und rauschten. Wespen krochen. Lucien, mon cher ami … Jays grüne Augen, ruhig und voller Vertrauen, selbst als ihr Licht erlosch, kamen Dante in den Sinn. Ich wusste, du würdest kommen. Würde er auch Lucien im Stich lassen? Würde er auch bei ihm zuschauen müssen, wie das Leben in seinen Augen erlosch? Weißes Licht brannte rätselhafte Zeichen an die Ränder von Dantes Sichtfeld. Blu 23 FEUERSTURM Sie steht neben ihm, kleine Finger klammern sich an seine Hand, unter den anderen Arm hat sie den Plüschorca geklemmt. Ihre blauen Augen sind für eine Achtjährige zu direkt. Rotes Haar umrahmt ihr sommersprossiges Gesicht. Ich jage sie in die Hölle, Chloe. Versprochen. Was ist mit dir? Ich brenne schon lichterloh. Chloes Körper verschwimmt, ihr Bild wird schwächer. Ihre warmen Finger entgleiten ihm. Das ist nicht genug, Dante-Engel.   »Ich weiß«, flüsterte Dante und schaltete in den vierten Gang. Sein Fuß trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der Motor heulte. Die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos verschwammen, blauweiße Schlieren durchzogen die Nacht. Er konnte sich nicht erinnern, in den Wagen gestiegen zu sein. Konnte sich nicht erinnern, wie er den Zündschlüssel gedreht hatte und wusste auch nicht, wohin er fuhr. Er erkannte die Straße nicht. Eines aber wusste er: Die Stimmen waren verstummt. Du kannst ihn noch retten, Blutgeborener. Mon ami, es tut mir lei 24 VERTRAUENSBRUCH Lucien schloss die Augen. Von seinem Aussichtspunkt auf dem Dach aus konnte er den Mississippi riechen – kaltes Wasser, Moos und Schlamm. Er lauschte und wartete, ob Dantes Gedanken ihre Verbindung berührten – eine Berührung, die er möglicherweise nie mehr spüren würde. Die Verbindung war geschlossen, aber nicht durchtrennt. Noch nicht. Der Junge wusste vielleicht nicht, dass eine solche Trennung ihnen beiden schaden würde. Trotz der Schilde um Luciens Bewusstsein zerrten Dantes blutrünstiger Zorn und seine kurz darauf folgende Euphorie an ihm. Sie drangen als Chaoslied an sein inneres Ohr – wie bei ihrem ersten Treffen unten am Fluss. Er hielt sich am Dach fest, so dass sich seine Krallen in die Ziegel bohrten. Seine Krallen … dicker und stärker als zuvor. Durchzogen von der Fantasie des Creawdwrs. Luciens Muskeln bebten unter seiner Haut. Sein neu geschaffener Körper schmerzte. Sein Haar flatterte in der winterlichen Brise. Was hatte Dante noch verändert, als er ve 25 DER TEUFEL STECKT IM DETAIL Heather saß im Schneidersitz auf dem Parkettboden und betrachtete die ausgedruckten Papiere, die ihr Trey gegeben hatte. Ihre Erschöpfung verschwand schlagartig und machte großer Erregung Platz. Elroy Jordan war jetzt in New York, hatte aber zuvor in Seattle gelebt – wo er auch geboren und aufgewachsen war –, und zwar zur Zeit der beiden ersten Morde. Er hatte sogar in der Nähe des ersten Opfers, einer gewissen Karen Stilman, gewohnt. Kreditkartenbelege zeigten, dass er in Portland, Oregon und Boise in Idaho gewesen war, als es Morde in diesen Städten gegeben hatte. Man konnte Elroy Jordan tatsächlich nachweisen, dass er sich bei jedem Mord in der jeweiligen Stadt aufgehalten hatte. Papier raschelte, als sich Heather die Seite über Ronin vornahm. Nichts wies darauf hin, dass sich der Journalist vor dem zweiten Mord in Seattle aufgehalten hatte. Das galt auch für die Morde in Portland, Boise, Salt Lake City und Helena. Heather runzelte die Stirn und durchs 26 GEHEILIGT Mit einer vorsichtigen Krallendrehung holte De Noir die Kugel aus Simones Schulter. Das verformte Stück Metall fiel zu Boden. Silver gab De Noir ein feuchtes Tuch und bückte sich dann, um die eingedellte Kugel aufzuheben. Er sah Heather an. »Brauchen Sie die? Als Beweisstück oder so?« Heather schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht.« »Cool.« Silver schob die Kugel in seine Jeanstasche. Dann sah er Simone an. »Hat’s wehgetan?« »Oui, sehr«, flüsterte sie. »Ich will nicht nochmal angeschossen werden, petit.« Trey, der neben ihr saß, drückte ihre Hand. De Noir wischte den letzten Rest Blut von Simones weißer Haut und richtete sich dann auf. Er wandte den Kopf, und einen Augenblick später hörte Heather das Laufen eines Motors vor dem Haus. Dante, dachte sie und setzte sich auf, plötzlich wieder hellwach. Sie fuhr sich mit den Finger durchs Haar. Ihr Puls schlug schneller. Lächelnd zog Simone das blutige Tuch weg, mit dem sie ihre Brüste bedeckt hatte, und zog die Träger ihres Kleides 27 SÜHNE »Ich habe den Kontakt zu meinen Leuten in New Orleans verloren«, sagte Gifford ruhig. »Ich fürchte, sie könnten gescheitert sein.« Johannas Finger klammerten sich an das Telefon. »Dann bring es selbst zu Ende. Wenn du Stearns und Wallace zusammen antriffst, lass es wie ein Mord-Selbstmord-Szenario aussehen. « Sie warf einen Blick aus dem Fenster ihres Schlafzimmers. Hinter den Vorhängen dämmerte es schon. Schlaf drückte sie nieder. »Natürlich. Sonst noch etwas?« »Da E abgetaucht ist, finde ich, wir sollten seinen Teil des Projekts abschließen.« Johannas Kopf sackte nach vorn. Sie riss ihn hoch und zwang ihre Augen, offen zu bleiben. »Was ist mit S?« »Lass ihn. Für den Augenblick.«   Heather wachte mit pochendem Herzen auf. Ihr Mund fühlte sich trocken an. Sie starrte auf die dunkle Decke über ihr, während die Bilder des Alptraums allmählich verschwanden. Sie hatte wieder einmal von dem letzten stolpernden Gang ihrer Mutter und dem Autofahrer, der angehalten hatte, um sie mitzu 28 KONVERGENZ »Scheiße!« Heather starrte frustriert auf das Handy in ihrer Hand. »Halsstarriger …« Sie warf Collins einen Blick zu. »Wir müssen uns beeilen. Dante ist schon ohne uns unterwegs. « Der Wagen schoss davon, nachdem Collins Gas gegeben hatte. »Ich hoffe, Sie irren sich nicht mit Ihrem Verdacht. Wenn wir Jordan mitnehmen, um ihn zu befragen, will ich nicht, dass wir ihn wegen technischer Details wieder laufen lassen müssen.« »Meine Nachforschungen haben eindeutig ergeben, dass Jordan jedesmal am Tatort war, wenn es einen Mord gegeben hat«, antwortete Heather. »Wenn wir seine DNS analysieren, wird sich in jedem der Fälle zeigen, dass er der Täter war.« Sie ließ das Mobiltelefon in ihre Handtasche fallen. Die Glut, die in ihr schwelte, seit sie erwacht war und Dante neben sich entdeckt hatte, war beim Klang seiner Stimme zu neuem Leben erwacht. Oui, chérie? Sie konnte ihn fast riechen – warm, erdig und einladend. Doch hinter Dantes Worten hatte seine Stimme angestrengt geklunge 29 ALLES ÜBER S Dunkel. Musik dröhnte, seine eigene. Inferno. Er roch Blut, sauren Schweiß, Abgase. Er schmeckte Blut in seinem Mund, sein eigenes. Etwas stach in seinen Nacken. Tat weh. Kalte Chemikalien flossen in seine Adern, schwächten den Schmerz in seinem Kopf. »Mir«, flüsterte eine Stimme. Unbekannt. Verklingend. Finger berührten sein Gesicht. »Ich werde dein Gott sein, und du wirst mich anbeten.« Dunkel. Die Drogen zeigten Wirkung, und Dante stürzte in tiefe Träume.   Heather saß neben Stearns’ Leiche im Gras, ihre Hand schwebte wie erstarrt über seiner leblosen Brust. Sie sehnte sich danach, den Mann zu berühren, der für sie mehr ein Vater gewesen war als James William Wallace. Sie sehnte sich danach, sich von ihm zu verabschieden. Aber sie brachte es nicht über sich, die Hand weiter zu senken. Er hat Dante kaltblütig erschossen, und jetzt … Eine kalte Böe fuhr in ihr Haar und ließ sie aufblicken. De Noirs dunkle Flügel durchschnitten den Nachthimmel. Sie flatterten, als er ne 30 ERWACHT In Washington, D. C. schneite es. Große Flocken wirbelten aus den tiefhängenden grauen Wolken herab und ließen die Stadt leise und irgendwie gedämpft erscheinen. Lucien flog am Himmel dahin, noch ehe die Sonne durchbrach. Sein Haar war vereist, und an seinen Wimpern und den Rändern seiner Flügel klebte Schnee. Er horchte, aber ein undurchdringliches Rauschen verstopfte seine Verbindung zu Dante. Es knisterte und flüsterte, als seien geisterhafte Kräfte am Werk. Er hatte seit jenem flüchtigen Moment in der Küche, als Dantes Qual das Rauschen und Luciens Herz durchbrochen hatten, nichts mehr von seinem Kind empfangen. Wahnsinn wogte durch diese Stadt, herzzerreißend und brennend vor Verzweiflung. Lokis Stimme flüsterte leise in ihm: Du kannst ihn nicht davor bewahren, den Verstand zu verlieren, Bruder. Nicht allein. Wie konnte er Dante davor bewahren, durch die Kenntnis seiner Vergangenheit verrückt zu werden? Der Junge hatte einen starken Willen, aber man hatte ihn seit seine 31 WORTE WIE EINE FEUERSBRUNST Johanna ging den leeren Gang entlang. Sie war durch ihre Wachmachertabletten in einer seltsam fiebrig aufgekratzten Stimmung. Ihre Absätze klapperten laut auf den glänzenden Fliesen. Was ist bei Sonnenaufgang passiert? Der Gedanke wirbelte durch ihren Kopf, und sie blieb abrupt mit pochendem Herzen stehen. Es schneit, und der Schnee macht die erwachende Welt hinter ihrem Fenster leise. Der Himmel wird heller und erleuchtet dicke Flocken, die aus dem grauen Himmel fallen, dann … Johanna ging weiter.   Dann flackert das Licht – wie eine Kerzenflamme, die eine Windböe plötzlich erfasst –, wird schwächer und geht aus. Finsternis breitet sich am Horizont aus. Der Tag dreht sich um. Eine unfassbare Macht erschüttert den Himmel. Eine Macht, die so stark ist, dass sie Johanna selbst in ihrem Haus erreicht, während sie fassungslos am Küchenfenster steht. Sie bleibt mit weichen Knien zurück und muss sich am Tisch festhalten. Worte formen sich in ihrem Inneren, flam 32 ES KOMMT EIN STURM Stimmen durchdrangen die Finsternis – leise, angespannte Stimmen. »Endlich geht es weiter«, sagte ein Mann. »Wir werden in fünfzehn Minuten da sein.« Ein Radio knisterte. Also ein Wagen. Eine Heizung schnurrte Wärme in die Luft. Eine ruckelnde Vorwärtsbewegung. »Das ist vielleicht ein Sturm«, sagte eine Frau. »Ich hoffe, wir werden nicht eingeschneit.« »Schau mal nach Wallace.« Stoff raschelte. Plastik quietschte. Der Geruch von süßer Melone. Parfum? »Noch bewusstlos.« Heathers Herz schlug doppelt so schnell wie sonst, als die Erinnerung wiederkehrte. Parka und Trenchcoat. Der Flughafen. Sturz. Kalter Schnee im Gesicht. Wir bringen Sie jetzt zu Dr. Moore. Vor Heathers innerem Auge flackerten Bilder auf, stark und prägnant: Dante, wie er aus dem eingeschlagenen Fenster seines MGs klettert; Dante auf der Schwelle vor Ronins Haus, Blut läuft über seine Schläfe; ein grinsender Jordan, der in dem weißen Transporter davonbraust … ihr Herz sank. Habe ich erneut versagt? 33 HEIMKEHR Ich werde hier sein, Dante. Genau hier. Dante holte tief Luft und erwachte. Hinter seinen geschlossenen Lidern zerstob das Bild Heathers, und nur noch einen Augenblick lang konnte er ihr rotes Haar sehen, das wie Flammen in der Nacht loderte. Sie wartete auf ihn. Noch spürte er die warme, weiche Berührung ihrer Lippen und glaubte, sie auf seiner Zunge, auf seinem Mund schmecken zu können. Er öffnete die Augen. Warmes, enges Dunkel. Sein Herz begann, in seiner Brust zu hämmern. Adrenalin pumpte durch seine Adern. Bilder aus den Stunden vor dem Schlaf schossen ihm ungeordnet und zerbrochen durch den Kopf. Eine große Klinge ragt aus seiner Brust. Jemand ruft seinen Namen. Er dreht sich um. Der Perverse liest ihm mit leiser Stimme und vor Erregung ganz angespannt vor. Eine bluttriefende Hand tastet ihn ab, wandert über seinen Körper, öffnet seinen Gürtel. Lucien blickt auf ihn herab, goldene Punkte in den dunklen Augen. Mein Sohn. »Ich bin noch hier«, sagte Lucien. Seine tiefe 34 WAS HÄTTE SEIN KÖNNEN » Hi. « Heather sah auf. Dante stand in Leder und Latex unter der Tür, eine Hand am Rahmen. Fluoreszierendes Licht schimmerte unter seinem Halsreifen und den Ringen an seinen Fingern hervor. Auf seinen Lippen lag ein Lächeln und erhellte sein bleiches, umwerfendes Gesicht. Er schob sich die Sonnenbrille auf die Stirn. Er nahm ihr immer noch den Atem. Sie vermutete, dass sich das auch nicht ändern würde. Hinter ihm im Flur starrten ihn Krankenschwester und Pfleger an und überlegten sich wohl, wer in Lederklamotten und mit einem Bondagekragen um den Hals Krankenbesuche abstattete und wer da gerade aus der eisigen Nacht zu ihnen hereingekommen war. »Hey«, sagte Heather. Sie drückte die Hände auf die Matratze, um sich aufzurichten, doch Dante war bereits neben ihr und schlang die Arme um sie, um ihr zu helfen. Seine Hände fühlten sich heiß an. Schmerz durchfuhr sie, und sie hielt den Atem an. »Was ist?«, fragte Dante rasch. »Soll ich …« »Es geht schon wieder.« Er s
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