2.2    Natur-, Architektur-, Sach- und Tieraufnahmen veröffentlichen und verwerten

Die Herstellung von Sachaufnahmen ist noch einigermaßen unproblematisch, auch dann, wenn sie eigentlich nicht zulässig ist. Denn wer erfährt etwas von heimlich gemachten Sachaufnahmen, die zwar verboten sein mögen, aber anschließend nicht veröffentlicht werden? Solange man bei der Aufnahme nicht ertappt wird, bleibt die Aufnahme regelmäßig im Verborgenen. Die eigentlichen Probleme treten erst dann auf, wenn die Bilder veröffentlicht oder in sonstiger Form verwertet werden und damit an die Öffentlichkeit gelangen. Denn die Veröffentlichung ist ein irreversibler Vorgang. Ist das Bild erst einmal veröffentlicht worden, kann die Rechtsverletzung nicht wieder rückgängig gemacht werden, während die bloße Herstellung einer Aufnahme ohne Genehmigung zwar auch eine Rechtsverletzung bleibt, faktisch jedoch keinen erkennbaren Schaden verursacht.

[+]  Eigenverantwortliches Handeln

Ich animiere Sie in keiner Weise dazu, unbemerkt Aufnahmen anzufertigen, wenn diese nicht zulässig sind, und damit rechtlich unzulässig zu handeln. Sie kennen nun aber die rechtliche Situation und müssen letztlich selbst entscheiden, welches Risiko Sie für eine bestimmte Aufnahme einzugehen bereit sind.

Der Eigentümer des Friesenhauses wäre vermutlich nie veranlasst worden, einen teuren Rechtsstreit einzuleiten, hätte er das Bild seines Friesenhauses nicht in einer Werbebroschüre entdeckt. Auch die heimlich fotografierte Innenansicht eines Gebäudes hat so lange keine rechtlichen Folgen, wie das Foto die Privatsphäre des Fotografen nicht verlässt. Niemand weiß, dass es diese Aufnahme überhaupt gibt. Aber schließlich macht jeder Fotograf, auch der Amateur, seine Aufnahmen nicht für das eigene Fotoalbum, sondern hat auch das Bestreben, seine Bilder in der Öffentlichkeit zu zeigen und andere an seinen fotografischen Erlebnissen teilhaben zu lassen oder seine Fotografien zu Lernzwecken der öffentlichen Kritik zu stellen.

[ ! ]  Veröffentlichung und Verwertung von Fotos

Bei der Veröffentlichung oder Verwertung von Fotos gilt zunächst der Grundsatz, dass das, was frei in der Natur und anderswo ohne einen Genehmigungsvorbehalt und ohne eine Verletzung der Rechte anderer sanktionslos fotografiert werden kann, anschließend auch verwertet werden darf – und dies auch gewerblich.

Auch die Veröffentlichung von Sachaufnahmen ist grundsätzlich – wie schon die Herstellung – kein relevanter Eingriff in die Eigentumsrechte des Eigentümers oder Besitzers. So durfte etwa die bereits angesprochene Segeljacht, die nach dem LG Hamburg genehmigungsfrei fotografiert werden durfte, später auch ebenso genehmigungsfrei kommerziell, nämlich im Rahmen einer Werbung für eine Whiskey-Marke, verwendet werden. Wie bereits angesprochen, durfte auch das Bild vom Friesenhaus anschließend gewerblich genutzt werden.

Umgekehrt ist natürlich klar, dass Aufnahmen, die bereits nur mit Genehmigung hergestellt werden durften (Stichwörter »Hausrecht«, »Urheberrecht« etc.) in der Regel auch nur mit (meist zusätzlicher) Genehmigung veröffentlicht werden dürfen. Wenn ich sage »in der Regel«, so ist diese einschränkende Formulierung durchaus absichtlich gewählt. Denn es gibt mindestens ein Gerichtsurteil, in dem trotz Verbots der Aufnahme die Zulässigkeit der anschließenden Veröffentlichung gerichtlich festgestellt wurde. Dieses Paradoxon (die Herstellung ist rechtswidrig – die Veröffentlichung ist dagegen rechtmäßig) wird an dem im Folgenden beschriebenen Fall deutlich.

Das OLG Hamm hat sich 2004 in einem Urteil (21.07.2004 – AZ 3 U 77/04) mit dem Fall befassen müssen, dass ein Journalist sich als Mitarbeiter in ein Tierversuchslabor eingeschmuggelt hatte. Er drehte dort während seiner Arbeit mit versteckter Kamera mehrere Filmsequenzen, die anschließend im Fernsehen (ZDF-Magazin »Frontal21«) gezeigt und auch auf Datenträgern veröffentlicht wurden. Mit diesen Aufnahmen sollten die unzulässigen Praktiken in Tierversuchslaboren der Allgemeinheit gezeigt werden.

Das OLG Hamm hat zwar nicht verkannt, dass die Aufnahmen wegen der Verletzung des Hausrechts rechtswidrig waren. Dennoch hat es die spätere Verbreitung der unzulässig beschafften Informationen als von der Pressefreiheit gedeckt angesehen. Denn die Pressefreiheit des Art. 5 GG sei hier vorrangig. Zur Pressefreiheit gehöre die Kontrollaufgabe, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen, wobei sich das OLG Hamm auf entsprechende Feststellungen des BVerfG bezog.

Mit dieser Entscheidung wird jedoch auch deutlich, dass Veröffentlichungen von Pressefotografen in einem anderen Licht zu betrachten sind als Amateuraufnahmen. Ich kann keinem Amateur raten, auf eigene Faust Bilder zu veröffentlichen, die er unter Verletzung des Hausrechts angefertigt hat. Denn er kann sich nicht auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen, es sei denn, er ist nebenbei als Reporter für eine Zeitung oder ein sonstiges Informationsmedium tätig.

Aber selbst dann besteht noch die Gefahr, dass ein anderes Gericht den Fall anders beurteilt, denn es liegt mit dem Urteil des OLG Hamm immerhin kein höchstrichterliches Urteil, d. h. kein Urteil des BGH als höchstem deutschen Zivilgericht, vor. Das bedeutet für die Rechtsprechungspraxis, dass ein anderes OLG anders entscheiden kann als das OLG Hamm, während das bei Vorliegen einer BGH-Entscheidung zwar theoretisch auch möglich wäre, es dann jedoch mit Sicherheit zur Revision kommen und der BGH das Urteil im Zweifel aufheben würde. Es kann andererseits durchaus wieder vorkommen, dass derartige, eigentlich paradox klingende Entscheidungen erneut getroffen werden, nämlich dann, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit höher zu werten ist als das Schutzrecht des Eigentümers oder Besitzers.

Einige Privilegien, die der Presse aufgrund von Pressefreiheit und aktueller Berichterstattung durch Gesetz und Rechtsprechung zugestanden werden, stehen dem Amateur eben nicht zu. Damit muss man sich abfinden. Trösten kann man sich damit, dass Aufnahmen, die ein Pressefotograf teilweise macht, von einem Amateurfotografen in der Regel gar nicht erst gemacht, geschweige denn veröffentlicht werden. Dies ist auch die Erklärung dafür, warum sich ein großer Teil der Gerichtsentscheidungen, bei denen es um die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Sachaufnahmen und – in noch viel stärkerem Umfang – von Personenaufnahmen geht, mit Aufnahmen aus dem Bereich des professionellen Bildjournalismus befasst. Gerichtsprozesse gegen Amateure bilden nach meiner Kenntnis dagegen eher die Ausnahme, können aber durchaus vorkommen, wenn Rechtsverletzungen von Amateuren begangen werden.

Nebenbei bemerkt: Immer wieder zeigen mir Mandanten in Beratungsgesprächen triumphierend Fotos, die sie heimlich oder ohne Genehmigung und deshalb meist unter Verletzung von Rechten anderer hergestellt haben. Sie sind sicher, damit vor Gericht oder bei Behörden den Beweis für irgendeinen Tatbestand oder Geschehensablauf in der Hand zu haben. Aber Freude und Siegeszuversicht der Mandanten verfliegen meist schnell, wenn sie über den Wert dieser »Beweismittel« aufgeklärt werden, der nämlich gleich null ist. Denn Foto- und Filmaufnahmen, die unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts, also etwa durch eine Hausrechtsverletzung, gefertigt wurden, sind gleichzeitig unzulässige Beweismittel und dürfen – zumindest in Zivilverfahren – von den Gerichten in der Regel nicht zur Urteilsfindung verwendet werden. In Strafverfahren mag unter Umständen etwas anderes gelten.

Im Folgenden sollen nun die rechtlichen Probleme, aber auch die Privilegien bei der Veröffentlichung von Bildern beleuchtet werden. Dabei handelt es sich naturgemäß um Fälle, bei denen eine Genehmigung des Berechtigten zur Veröffentlichung gerade nicht vorliegt, denn anderenfalls könnte es ja auch keine rechtlichen Probleme geben.

2.2.1    Schutz der Privatsphäre

Zu den meisten Einschränkungen und Verstößen gegen die Privatsphäre kommt es naturgemäß im Bereich der Personenaufnahmen. Aber wie Sie bereits erfahren haben, können auch Sachaufnahmen, etwa bei Umgehung von Sichtschutzeinrichtungen, die Privatsphäre verletzen. Doch auch bei Sachaufnahmen, die zum Beispiel ein bestimmtes Haus zeigen, ist die bloße Herstellung unproblematisch (Stichwort »Friesenhaus«), eine bezugslose Veröffentlichung des reinen Fotos ebenso. Die Privatsphäre wird jedoch dann verletzt, wenn ein ausdrücklicher Bezug zu einer bestimmten Person hergestellt wird, indem diese in der Bildunterschrift oder in dem dazugehörigen Text namentlich erwähnt wird.

inline image  Nehmen wir an, Herr Krösus, ein reicher Kaufmann aus Hamburg, hat eine Villa in nobler Gegend unmittelbar an der Alster. Ein Foto dieser Villa darf – wie das Friesenhaus – aufgenommen und verwertet werden. Wenn aber im Rahmen der Veröffentlichung der Name von Herrn Krösus genannt wird und dadurch die Zuordnung des Hauses zu seinem Eigentümer möglich ist, dann verletzt dies das Persönlichkeitsrecht des Herrn Krösus. Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob einem Teil der Bevölkerung dieses Haus als das von Herrn Krösus bereits bekannt ist. Denn durch den ausdrücklichen Bezug zu Herrn Krösus wird möglicherweise dessen Sicherheitsinteresse gefährdet, weil die Veröffentlichung des Bildes Neid und Begehrlichkeiten wecken und Kriminelle zu irgendwelchen Straftaten inspirieren könnte. Außerdem hat der Eigentümer Krösus ein Recht darauf, dass durch diese ausdrückliche Bezugnahme keine Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit und seine Lebensumstände möglich werden. Jeder hat das Recht, selbst zu bestimmen, ob er seine Lebensumstände anderen oder der Öffentlichkeit offenbaren will. Gerade Personen, die beruflich ständig im Licht der Öffentlichkeit stehen, haben oft das Bedürfnis, ihr Privatleben möglichst unentdeckt und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit zu führen.

Hat der Eigentümer jedoch von sich aus zuvor seine Lebensumstände offenbart und das Haus in Verbindung mit seiner Person gebracht, kann er sich hinterher nicht gegen die Veröffentlichung von Bildern wehren, in deren Kontext sein Name genannt wird.

inline image  Dies hat der BGH im Falle einer Finca der Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen auf Mallorca ausführlich dargestellt (Urteil vom 09.12.2003 – VI ZR 373/02): Die Finca von Frau Christiansen wurde von einem Hubschrauber aus fotografiert, das Bild wurde anschließend in der Fernsehzeitung »TV Movie« veröffentlicht. Dagegen wehrte sich Frau Christiansen und meinte, dadurch sei sie in ihrer Privatsphäre verletzt worden.

Zwar gab der BGH der Klägerin insoweit recht, als er den unzulässigen Eingriff in ihre Privatsphäre bejahte, die Besonderheit dieses Falls bestand jedoch darin, dass Frau Christiansen zuvor bereits anderen Zeitungen ihren Privatbesitz für eine Berichterstattung zugänglich gemacht hatte und deshalb die Privatsphäre selbst aufgegeben hatte und nun nicht bei einer weiteren Publikation die Verletzung der Privatsphäre reklamieren könne.

Meist geht es, wie auch dieses Beispiel aus der Rechtsprechung zeigt, in den zu dieser Thematik geführten Gerichtsverfahren auch um Klagen exponierter Persönlichkeiten der Gesellschaft und Prominenter, die sich dagegen zur Wehr setzen, dass durch die Kombination von Bild und Namensnennung zum Ausdruck kommt, in welchen Lebensumständen diese Personen leben. So sind es auch hier wieder fast ausschließlich Gerichtsfälle, in denen es um Aufnahmen von Wohnhäusern Prominenter durch Pressefotografen ging. Auch in dieser Beziehung wird der Amateur selten ein Interesse daran haben, das Foto eines Prominenten mit ausdrücklicher Namensnennung zu veröffentlichen. Wenn doch, so ist – wie gesehen – die Gefahr eines Eigentores recht groß.

Eine Aufnahme des unscheinbaren Reihenhauses von Lieschen oder Otto Müller dagegen werden sowohl die Presse als auch der Amateur nicht mit Namensnennung veröffentlichen wollen.

Anders zu beurteilen ist der Fall natürlich, wenn das jeweilige Haus Gegenstand aktueller Berichterstattung ist, auf die die Öffentlichkeit einen Anspruch hat und mit der nicht nur das Klatschbedürfnis befriedigt werden soll, zum Beispiel wenn es anlässlich eines Brandes zerstört wird oder Objekt eines Verkaufs bzw. einer Zwangsversteigerung ist. Dann hat zumindest die Presse im Rahmen einer Güterabwägung, die zugunsten der Pressefreiheit ausfallen muss, ein Veröffentlichungsrecht. Der BGH hat im Übrigen mehrfach bestätigt, dass die Pressefreiheit auch dann gilt, wenn es sich um eine Berichterstattung mit geringem Informationswert handelt.

Innenaufnahmen dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Berechtigten veröffentlicht werden, gleichgültig, ob es sich um privat oder gewerblich genutzte Räume handelt. Das folgt aus der Tatsache, dass schon die Herstellung einer jeden Innenaufnahme ohne Genehmigung des Berechtigten unzulässig ist, wie wir oben im Zusammenhang mit dem Hausrecht bereits festgestellt haben.

Sie haben u. a. anhand der Entscheidung zu Schloss Tegel bereits erfahren, dass sich eine Fotografiergenehmigung in der Regel auf die Herstellung der Fotos beschränkt und ausschließlich für eine private Nutzung gilt. Eine kommerzielle Nutzung ist unzulässig.

Fotos von anderen Gegenständen dürfen in der Regel ohne Einschränkungen verwertet werden, sofern eine Zuordnung zu einem bestimmten Eigentümer aufgrund des Fotos nicht möglich ist. Da bei Fotos von Fahrzeugen über das Nummernschild aber unter Umständen ein Bezug zum jeweiligen Eigentümer hergestellt werden kann, empfiehlt es sich allerdings, vorsichtshalber vor der Veröffentlichung des Bildes das Nummernschild zu pixeln, mit schwarzem Balken zu versehen oder auf andere Weise unkenntlich zu machen. Kann dagegen durch Kennzeichen und/oder Namensnennung auf den Eigentümer des Fahrzeugs geschlossen werden, muss der Fotograf damit rechnen, vom Eigentümer des Fahrzeugs in Anspruch genommen zu werden.

2.2.2    Unwesentliches Beiwerk (§ 57 UrhG)

Ein urheberrechtlich geschütztes Werk darf nach § 57 UrhG dennoch vervielfältigt und veröffentlicht werden, wenn es im Verhältnis zum übrigen Bildinhalt als unwesentliches Beiwerk anzusehen ist. Dies ist allerdings eng auszulegen.

[§]  § 57 Unwesentliches Beiwerk

»Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.«

Unwesentliches Beiwerk liegt somit nur vor, wenn die Darstellung so nebensächlich ist, dass sie jederzeit auch weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne die Bildaussage wesentlich zu verändern. Beiwerk darf in keiner Form zur Gesamtwirkung des Bildes beitragen, sondern muss vielmehr zufällig auf dem Bild zu sehen sein.

Befindet sich also irgendein urheberrechtlich geschützter Gegenstand, wie ein Gemälde oder ein Foto (zum Beispiel bei Innenaufnahmen), irgendwo im Hintergrund oder am äußersten Rand eines Bildes und spielt er für die Bildwirkung keine entscheidende Rolle, darf das Bild ohne Genehmigung des Urhebers hergestellt und veröffentlicht werden.

inline image  Das OLG München (Urteil 09.06.1988 – 6 U 4132/87) hat sich in einer der wenigen Entscheidungen zu § 57 UrhG mit dieser Abgrenzungsproblematik u. a. in folgendem Fall auseinandergesetzt:

Ein Möbelhaus hatte einen Möbelkatalog drucken lassen. Dort waren verschiedene Wohnlandschaften abgebildet, und in einer dieser Wohnlandschaften hingen Bilder eines Kunstmalers an der Wand (es hätten auch Fotos sein können), die im Stil genau zu der dort gezeigten Wohnlandschaft passten und auch deutlich erkennbar waren. Eine Genehmigung des Malers zur Veröffentlichung der Bilder in einem Möbelkatalog lag unstreitig nicht vor. Der Kunstmaler vertrat die Auffassung, die ungenehmigte Abbildung seiner Gemälde verletze sein Urheberrecht, das Möbelhaus war hingegen der Meinung, die Bilder seien nur unwesentliches Beiwerk, eindeutige Hauptsache der Abbildung im Katalog seien die dort abgebildeten Wohnlandschaften und Einrichtungsgegenstände.

Das Gericht gab mit seinem Urteil dem Kunstmaler recht. Bei einer gezielten Auswahl von Bildern, die zum Stil der Einrichtung ausgesucht wurden und damit deutliche Akzente setzen, könne nicht mehr von unwesentlichem Beiwerk gesprochen werden, da die Gemälde die gesamte Bildwirkung mitbestimmen. Würden sie weggelassen, wäre die Bildwirkung eine andere. Das OLG stellte im Übrigen auch klar, dass es für die Anwendung des § 57 UrhG nicht darauf ankomme, ob die Einbeziehung des Werkes absichtlich erfolgt sei oder nicht.

[+]  Vervielfältigung des Werkes

Soweit im Zusammenhang mit dieser oder den folgenden Bestimmungen immer wieder von Vervielfältigung des Werkes die Rede ist, möchte ich Ihnen, um Missverständnisse zu vermeiden, in Erinnerung rufen, dass bereits die Fotografie eines urheberrechtlichen Werkes die Vervielfältigung eines Werkes ist. Wenn deshalb – in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut und für den einen oder anderen vielleicht etwas verwirrend – von Vervielfältigung eines Werkes gesprochen wird, ist dies in unserem Fall gleichbedeutend mit: Foto von diesem Werk.

2.2.3    Veranstaltungs- und Verkaufswerbung (§ 58 UrhG)

Eine weitere Ausnahme von dem Prinzip, dass die Vervielfältigung und Veröffentlichung von urheberrechtlichen Werken ohne Zustimmung des Urhebers unzulässig sind, findet man in § 58 UrhG. Nach dieser Vorschrift sind Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von öffentlich ausgestellten oder zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken durch den Veranstalter zur Werbung zulässig, soweit dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. Zulässig sind darüber hinaus die Vervielfältigung und Verbreitung dieser Werke in Verzeichnissen, die von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen in inhaltlichem oder zeitlichem Zusammenhang mit einer Ausstellung oder zur Dokumentation von Beständen herausgegeben werden und mit denen kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird.

In den Fällen, in denen es um den Verkauf oder die Ausstellung von Werken der bildenden Kunst oder Lichtbildwerken geht, darf durch den Veranstalter mit Veröffentlichung eines Bildes der Werke geworben werden, sofern dies zur Förderung der Veranstaltung erforderlich ist. Man spricht hier auch von der sogenannten Katalogbildfreiheit. Privilegiert zur Veröffentlichung ist jedoch immer nur der Veranstalter, und Voraussetzung ist, dass kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird.

inline image  Im Gemeindehaus findet zum Beispiel eine Diaschau des Fotografen Franz Weitgereist zum Thema »Neuseeland« statt. Im Rahmen seiner Anfrage für den Diaabend hat Herr Weitgereist der Gemeinde einige Beispielbilder zur Ansicht überlassen. Ohne Zustimmung des Herrn Weitgereist dürfen eines oder gegebenenfalls auch mehrere dieser Bilder auf einem Plakat, einem Flyer oder einer Einladungskarte abgebildet werden, mit denen für den Besuch dieser Diaschau geworben wird. Das Gleiche gilt, wenn das örtliche Museum die Aquarellzeichnungen des jungen Malers Felix Farbenfroh, die gerade in einer Ausstellung zu sehen sind, fotografiert, um sie in einem Ausstellungskatalog abzudrucken. Auch hier ist eine Zustimmung des Malers nicht erforderlich.

[ ! ]  Katalogbildfreiheit

Die Katalogbildfreiheit nach § 58 UrhG gestattet die Vervielfältigung von Werken, die bei einer Veranstaltung öffentlich ausgestellt oder verkauft werden oder dafür vorgesehen sind, sofern die Vervielfältigung der Förderung dieser Veranstaltung dient. Die Katalogbildfreiheit beinhaltet auch das Recht von Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen, Bestandsverzeichnisse oder Ausstellungskataloge mit vervielfältigten Werken herauszugeben, sofern damit kein Erwerbszweck verfolgt wird.

2.2.4    Panoramafreiheit in Deutschland (§ 59 UrhG)

Widmen wir uns nun der bereits mehrfach erwähnten Panoramafreiheit, einem Zentralthema im Bereich der Sachfotografie.

 Kann sich der Architekt gegen das Foto zur Wehr setzen?

Abbildung 2.14     Kann sich der Architekt gegen das Foto zur Wehr setzen?

Zum Einstieg werde ich Ihnen zunächst einige Fälle vorstellen, die das Leben schreiben kann und die ich im weiteren Verlauf in ihren Einzelheiten behandeln werde. Die Lösung der einzelnen Fälle finden Sie anschließend im weiteren Verlauf des Buches.

Stellen Sie sich zunächst bitte einmal vor, Sie haben sich der Architekturfotografie verschrieben und sind auf Fototour in irgendeiner deutschen Stadt. Plötzlich entdecken Sie eine architektonisch brillant gestaltete und äußerst fotogene Fassade eines erst kürzlich errichteten Gebäudes. Der Lichteinfall ist gerade in diesem Moment optimal, und die Fassadenelemente aus Stahl und spiegelnden Glasflächen bilden das überragende Motiv. Da Sie dringend noch ein paar gute Aufnahmen für Ihre Internetgalerie oder einen Bildband über moderne Architektur benötigen, montieren Sie sofort das Weitwinkel- oder Shiftobjektiv auf Ihre Kamera und beginnen damit, die Hausfassade auf Film oder Sensor zu bannen. Noch während Sie mit Ihren ersten Aufnahmen beschäftigt und in das Motiv vertieft sind, tritt ein Mann aus diesem Haus, kommt auf Sie zu und fordert Sie in bestimmtem und nicht gerade freundlichem Ton auf, sofort jegliche Aufnahmen des Hauses zu unterlassen, denn er sei der Eigentümer und Architekt dieses Hauses, habe die Fassade entworfen und sei deshalb im Besitz aller Urheberrechte. Er verbietet Ihnen unter Androhung von Polizei, Gerichtsverfahren und Schadensersatzforderungen jede Veröffentlichung der bisher gemachten Fotos. (Die Lösung dieses Falles finden Sie im Abschnitt »Merkmal ›ohne Hilfsmittel‹« weiter unten in diesem Abschnitt.)

Dieser konstruierte Beispielfall ist im Übrigen gar nicht so lebensfremd, wie er sich vielleicht zunächst anhört. Viele Fotografen, mit denen ich gesprochen habe und die in meinen Vortragsveranstaltungen von ihren Erlebnissen berichten, haben solche oder ähnliche Situationen bereits erlebt. Ich erinnere an das vergleichbare Beispiel von der Aufnahme an der Pferdekoppel zu Beginn von Abschnitt 2.1. Nehmen wir zur Abrundung des Beispielfalls schließlich noch an, dass der Mann nachweislich der Urheber ist und dass die Fassade aufgrund der erreichten Schöpfungshöhe tatsächlich ein dem Urheberrecht unterliegendes Werk ist.

Ein weiterer Fall, dessen Lösung Sie im Abschnitt »Merkmal ›an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen‹« weiter unten in diesem Abschnitt finden: Sie möchten die Skulptur eines jungen Künstlers, die erst kürzlich auf einem kleinen Platz mitten in der Stadt aufgestellt wurde, fotografieren. Da Sie Ihr Weitwinkelobjektiv nicht dabeihaben und nicht genügend Abstand nehmen können, um das Denkmal formatfüllend zu fotografieren, fragen Sie einen Anwohner, ob er Ihnen gestattet, die Aufnahme von seinem Grundstück aus zu machen, weil Sie von dort den ausreichenden Abstand haben. Der freundliche Anwohner hat ein Herz für Fotografen und gestattet Ihnen die Fotografie von seinem Garten aus. Sie machen die Aufnahme und verwenden sie später in einem von Ihnen selbst herausgegebenen Kalender mit dem Titel »Neue Stadtansichten 20xx«.

Und noch ein Fall: Sie schlendern durch die Stadt und kommen an einer Plastik vorbei, die einen Esel darstellt und von einem stadtbekannten, noch lebenden Bildhauer der Stadt vor einigen Jahren zum Geschenk gemacht wurde. Belustigt stellen Sie jedoch fest, dass Unbekannte in der Nacht die Plastik bunt angestrichen, ihr einen Strohhut aufgesetzt und eine Kuhglocke umgebunden haben. Da Sie als begeisterter Fotoamateur immer Ihre Kamera dabeihaben, machen Sie schnell von der Straße aus ein paar Bilder und übergeben diese später an einen Postkartenverlag, mit dem Sie vereinbart hatten, ihm eine Serie ungewöhnlicher und lustiger Bilder aus dem Stadtleben zu liefern. Wie dieser Fall zu bewerten ist, erfahren Sie im Abschnitt »Das Änderungsverbot des § 62 UrhG« weiter unten in diesem Abschnitt.

In allen diesen Fällen dreht sich die entscheidende Frage natürlich darum, ob Sie das, was Sie fotografiert haben, auch fotografieren durften oder ob Sie dabei möglicherweise Rechtsverletzungen begangen haben, die dazu führen können, dass Sie vom Urheber in Anspruch genommen werden. Ich wage einmal – ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen – die Prognose, dass Sie in den meisten der genannten Fälle gar kein Problem sehen. Ob das wirklich so ist, werden Sie im Laufe der folgenden Ausführungen erfahren.

inline image  Kehren wir zurück zu unserem Ausgangsfall des Architekten und seiner urheberrechtlich geschützten Hausfassade.

Welche tatsächlichen Möglichkeiten vor Ort Sie nun haben, wenn der, der ein Recht für sich reklamiert, wutentbrannt auf Sie zugestürmt kommt, habe ich bereits im Zusammenhang mit der Fotografie des Pferdes auf der Koppel dargelegt: die Kamera einpacken und auf die Aufnahme verzichten, eine vermutlich fruchtlose Diskussion anfangen, an deren Ende das schöne Licht und Ihr Spaß am Fotografieren für diesen Tag weg sind, oder die Aufnahme trotzdem machen und alle Unwägbarkeiten, die nun auf Sie zukommen können, in Kauf nehmen. Ich würde einmal sagen: Das ist eine Typfrage.

Aber wie ist dieser Fall in rechtlicher Hinsicht zu bewerten? Ist der Architekt im Recht, und kann er Ihnen als Urheber der Fassade die Herstellung und/oder die Verwertung der von seiner Fassade gemachten Aufnahme, die unstreitig dem Urheberrecht unterliegt, tatsächlich verbieten?

Wir hatten bereits festgestellt, dass die Herstellung eines Fotos von urheberrechtlich geschützten Gegenständen nach § 53 UrhG jedenfalls dann unproblematisch und zulässig ist, wenn die Fotos ausschließlich zum privaten oder eigenen Gebrauch hergestellt und verwendet werden. Die Verwendung der Aufnahme über den reinen Privatgebrauch hinaus – und damit auch die Verwendung in Ihrer für alle einsehbaren Internetgalerie oder für einen Kalender – ist jedoch zweifellos durch § 53 UrhG nicht mehr gedeckt, folglich ist sie also – wendet man das bisher Gesagte an – als Verletzung des Urheberrechts und als unautorisierte Vervielfältigung eines geschützten Werkes unzulässig. Dies könnte, nach dem, was wir bis jetzt erarbeitet haben, aber folgerichtig nur bedeuten, dass die schönen Aufnahmen von der Hausfassade weder in der Internetgalerie noch in einem Kalender gezeigt werden dürfen, wenn Sie nicht eine rechtliche Auseinandersetzung riskieren wollen. Aber ist dieses Ergebnis richtig?

Wenn dieses Ergebnis richtig ist, dann hätten Sie ja sogar noch Glück gehabt – denn durch das Auftreten des Architekten wurden Sie ja davon abgehalten, ein Foto der Fassade in die Internetgalerie aufzunehmen. Was wäre, wenn der Architekt nicht aus seinem Haus gekommen wäre, und das Foto der Fassade wäre in Ihrer Internetgalerie gelandet, oder Sie hätten den Kalender herausgegeben? Kurz darauf wäre ein Brief vom Anwalt des Architekten auf Ihren Schreibtisch geflattert, in dem Urheberrechte und möglicherweise auch Schadensersatz geltend gemacht worden wären.

Aber dann stellen sich die nächsten Fragen: Wie soll denn überhaupt ein Fotograf, der beim Gang über die Straße ein Denkmal, einen schön gestalteten Brunnen oder eben eine architektonisch interessante Fassade entdeckt, zutreffend und spontan vor Ort beurteilen können, ob das, was er dort als Motiv sieht und fotografieren und insbesondere als Foto anschließend verwerten möchte, nicht möglicherweise urheberrechtlich geschützt ist und er sich durch die Veröffentlichung der Gefahr einer rechtlichen Inanspruchnahme aussetzt? Wie kann er wissen, ob die urheberrechtliche Schutzfrist von 70 Jahren seit dem Tod des Urhebers abgelaufen ist oder nicht? Zugegeben, bei einem Gebäude wie der Würzburger Residenz weiß man in der Regel, dass der Architekt Balthasar Neumann doch schon etwas länger verstorben ist und Schutzfristen deshalb ohne jeden Zweifel abgelaufen sind. Aber wie ist das bei neueren Bauwerken, die zum Beispiel erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind? Lebt der Architekt vielleicht noch, oder wann ist er gestorben? Muss der Fotograf in diesen Fällen erst einmal umfangreiche Recherchen anstellen, um sichere Erkenntnisse über etwaige Urheberrechte zu erhalten und um sicher zu sein, sich mit der Herstellung oder Veröffentlichung seines Bildes keinen Ärger einzufangen? Wer muss eine etwaige Genehmigung erteilen? – Fragen über Fragen also, die der Gesetzgeber jedoch eindeutig beantwortet hat.

Zwar zeigt der Gesetzgeber nicht immer ein gutes Händchen bei der Formulierung gesetzlicher Regelungen, in diesem Fall hat er dies jedoch getan, denn er hat mit der Regelung der sogenannten Panoramafreiheit in § 59 UrhG alle in unserem ersten Beispiel aufgeworfenen Fragen eindeutig geklärt. Allerdings verwendet das UrhG den Ausdruck Panoramafreiheit nicht, dieser hat sich vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch so eingebürgert. Manche sprechen stattdessen auch von Straßenbildfreiheit.

§ 59 UrhG trägt den Titel »Werke an öffentlichen Plätzen« und bestimmt, dass es zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstreckt sich diese Befugnis allerdings nur auf die äußere Ansicht.

 Woher soll man wissen, ob diese in Berlin aufgestellte Skulptur Urheberschutz genießt? Muss man erst den Künstler fragen?

Abbildung 2.15     Woher soll man wissen, ob diese in Berlin aufgestellte Skulptur Urheberschutz genießt? Muss man erst den Künstler fragen?

[ ! ]  Panoramafreiheit

Mit der sogenannten Panoramafreiheit schützt der Gesetzgeber die Freiheit des Straßenbildes und ermöglicht es, das Straßenbild so abzubilden, wie es ist, ohne Retuschen vornehmen zu müssen, indem zum Beispiel urheberrechtlich geschützte Gegenstände unkenntlich gemacht werden. Dies gilt – auch wenn es sich aus dem Gesetzestext nicht unmittelbar ergibt – jedoch nur für Aufnahmen, die an öffentlichen Plätzen ohne den Einsatz von Hilfsmitteln gemacht werden.

Die Panoramafreiheit ist eine Ausnahme vom Grundsatz, nach dem urheberrechtlich geschützte Werke nicht ohne Zustimmung des Urhebers vervielfältigt und verbreitet werden dürfen. Die Panoramafreiheit bezieht sich immer nur auf das Fotografieren urheberrechtlich geschützter Werke, die normalerweise nicht ohne Zustimmung des Urhebers vervielfältigt (fotografiert) werden dürften. § 59 UrhG ist demnach die Vorschrift, die es unter Beachtung der genannten Voraussetzungen bzw. Einschränkungen ermöglicht, auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen ungehindert zu fotografieren, ohne Erkundigungen über die Entstehungszeit urheberrechtlich geschützter Werke, deren Urheber etc. einholen zu müssen, was natürlich in vielen Fällen auch überhaupt nicht möglich wäre.

Es versteht sich von selbst, dass sich diese Fotografierfreiheit nicht auf Fotos von Menschen bezieht. Diese werden durch die Panoramafreiheit natürlich nicht zu fotografischem »Freiwild« (Näheres dazu erfahren Sie in Kapitel 3, »Menschen«).

[ ! ]  Panoramafreiheit hat nichts mit Landschaftsfotografie zu tun

Aufgrund von Leserzuschriften, die den Verlag erreichten, möchte ich auch nochmals klarstellen, dass die Panoramafreiheit nichts mit Landschaftsfotografie zu tun hat, die grundsätzlich unproblematisch ist. Das Fotografieren der Landschaft aus Zügen und von Schiffen aus kann deshalb keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Sollten allerdings im Einzelfall bei einer Aufnahme aus dem Zug oder vom Schiff urheberrechtlich geschützte Objekte im Bild sein, so halte ich auch dies nicht für problematisch. Ich würde hier die Panoramafreiheit entsprechend anwenden. Eine Rechtsprechung hierzu gibt es nach meiner Kenntnis hierzu bislang nicht.

Betrachten wir nun die einzelnen Voraussetzungen der Panoramafreiheit genauer.

Merkmal »an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen«

Ein Werk unterliegt dann der Panoramafreiheit, wenn es sich ausnahmslos an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befindet und auch von dort aus fotografiert werden kann. Unter öffentlichen Plätzen versteht die herrschende Meinung solche Lokalitäten, die nicht nur frei zugänglich sind, sondern auch dem Gemeingebrauch gewidmet wurden. Dies war in unserem ersten Beispiel der Fall. Die Fassade war von der anderen Seite einer öffentlichen und dem Gemeingebrauch gewidmeten Straße aus zu fotografieren. »An öffentlichen Plätzen liegend« schließt aber auch solche Werke ein, die zwar etwas weiter weg von öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen auf nicht öffentlichem Gelände liegen, von öffentlichen Plätzen jedoch frei einsehbar sind. Selbst wenn die Hausfassade in unserem Beispiel 100 Meter weiter zurück auf einem Privatgelände läge, aber vom Bürgersteig aus durch ein schmiedeeisernes Tor frei sichtbar wäre, dürfte man sie fotografieren und das Foto veröffentlichen.

[ ! ]  Keine Panoramafreiheit vom Privatgelände aus

Grundsätzlich gilt die Panoramafreiheit nicht für Aufnahmen, die von Privatgelände aus gemacht werden. Aufnahmen, die auf oder von Privatgelände aus gefertigt werden, unterliegen schon aufgrund ihrer Definition nicht der Panoramafreiheit.

Aufnahmen von solchen Werken jedoch, die nicht von öffentlichen Plätzen aus frei sichtbar sind, sondern sich hinter Hecken oder Sichtschutzvorrichtungen aller Art verbergen und nur unter Umgehung des Sichtschutzes fotografiert werden können, etwa wenn die Fassade des Hauses nur durch ein zufälliges Loch in einem ansonsten blickdichten Zaun fotografiert werden könnte, wären nicht mehr von der Panoramafreiheit gedeckt, auch dann nicht, wenn sich der Standpunkt des Fotografen auf öffentlicher Fläche befindet. Auch die Rückseite eines Hauses gehört nicht dazu, weil sie nicht vom öffentlichen Straßenraum aus sichtbar ist. Es sei denn, genau hinter dem Haus verläuft auch eine Straße.

inline image  Abbildung 2.16 zeigt ein neueres urheberrechtlich geschütztes Werk. Es handelt sich um die Skulptur »Der Hase« (nach Dürer) des Bildhauers Jürgen Goertz, der dieses Werk 1984 geschaffen hat. Die Skulptur befindet sich auf öffentlicher Verkehrsfläche in unmittelbarer Nähe des Dürer-Hauses in Nürnberg. Dieses Werk unterliegt der Panoramafreiheit, Fotografieren und Veröffentlichen sind damit also erlaubt.

 Der »Hase« nach Dürer des Bildhauers Jürgen Goertz

Abbildung 2.16     Der »Hase« nach Dürer des Bildhauers Jürgen Goertz

Eine andere und im Gegensatz zur herrschenden Rechtsprechung stehende Entscheidung zur Panoramafreiheit hat allerdings das LG Frankenthal getroffen (Urteil vom 09.11.2004 – 6 O 209/04 – »Weimarer Künstlergärten«):

In den Künstlergärten von Weimar, einem frei zugänglichen, aber privaten Gelände, hatte ein Künstler aus der Schweiz ein Kunstwerk aus Pflanzen mit dem Titel »Liegewiese – Betreten verboten« errichtet, das auch als sogenanntes Gras-Sofa bekannt wurde. Der Künstler wehrte sich gegen eine Veröffentlichung des Werkes in der Zeitschrift »Mein schöner Garten«. Das LG Frankenthal hat hier die Panoramafreiheit für anwendbar gehalten und dies damit begründet, die Künstlergärten Weimar seien öffentlich zugänglich, weshalb es sich um einen öffentlichen Platz nach § 59 UrhG handle.

Ob diese Einschätzung richtig ist, möchte ich bezweifeln. Denn wäre sie richtig, müsste man konsequenterweise auch den Park von Schloss Sanssouci, der ebenfalls frei zugänglich ist, als öffentlich ansehen. Das hätte aber zur Folge, dass die dort angefertigten Bilder ebenfalls der Panoramafreiheit unterliegen, was aber weder der BGH noch die Vorinstanzen ernsthaft in Erwägung gezogen haben. Vielmehr wurde ja gerade in diesem Fall vom BGH festgestellt, dass es sich um Privatgelände gehandelt habe. Ebenso dürften die Künstlergärten in Weimar zu klassifizieren sein.

Auch das Berliner Natur-Park Südgelände (in dem sich u. a. viele Graffiti fotografieren lassen) ist beispielsweise zwar öffentlich zugänglich, wird aber nachts verschlossen, womit gleichzeitig ja ein Hausrecht ausgeübt wird. Auch dort gilt die Panoramafreiheit – wie bei den meisten öffentlich zugänglichen Bereichen, die im Regelfall nachts verschlossen sind – nicht. So bedürfen Foto- und Filmaufnahmen für gewerbliche Zwecke dort der Genehmigung durch die Grün Berlin GmbH.

Öffentliche Wege, Straßen und Plätze sind dagegen die der Öffentlichkeit gewidmeten Bereiche, die zu jeder Tages- und Nachtzeit frei zugänglich sind.

[+]  »Öffentlich zugänglich« heißt nicht immer »Panoramafreiheit«

Ich rate Ihnen davon ab, blind auf den Schutz der Panoramafreiheit zu vertrauen, nur weil ein Gelände öffentlich zugänglich ist.

Der zweite Beispielfall (Foto der Skulptur vom Grundstück des Anwohners aus) lässt sich aufgrund des fehlenden Merkmals »an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen« eindeutig lösen. Mit Verlassen des öffentlichen Straßenraumes und Betreten des Privatgrundstücks war die Panoramafreiheit erloschen. Die Herstellung der Aufnahme, sofern nicht für den privaten Gebrauch, und die Veröffentlichung des Bildes von der Skulptur des jungen Künstlers stellen eine Verletzung des Urheberrechts dar.

Zum Abschluss dieser Erläuterungen, von wo aus die Fotos gemacht werden können, um sich auf die Panoramafreiheit berufen zu können, noch ein bemerkenswertes Urteil des LG Frankfurt vom 25.11.2020 (AZ: 2-06 O 136/20). Das Landgericht hat in einem Streit darüber, ob das Fotografieren der Lahntalbrücke in Limburg mit einer Drohne aus der Luft von der Panoramafreiheit gedeckt ist, dies bestätigt und die Klage des Architekten der Brücke, der sein Urheberrecht geltend machte, abgewiesen. Der Beklagte hatte mit seiner Drohne Luftaufnahmen von der Brücke gemacht, diese auf seiner Website zum Verkauf angeboten und einfache Nutzungsrechte an den Fotos eingeräumt.

Die Begründung des Gerichtes war kurzgefasst u. a., dass die Brücke auch von öffentlichen Plätzen aus, und nicht nur aus dem Luftraum, frei einsehbar sei und auch mit einem entsprechenden Teleobjektiv aus dem Taunus oder Westerwald hätte fotografiert werden können. Außerdem sei es nicht nachvollziehbar, dass Panoramafreiheit bestehe, wenn die Brücke von einem Gewässer aus aufgenommen werde, jedoch dann nicht bestehe, wenn die Brücke aus der Luft fotografiert wird. Für diese Ungleichbehandlung gäbe es – so das Gericht – keinen sachlichen Grund.

Diese Entscheidung ist deshalb bemerkenswert, weil sie zum einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH abweicht und zum anderen die Frage erlaubt, ob der oder die Richter tatsächlich jemals ein Teleobjektiv in der Hand hatte(n) oder über so große Teleobjektive verfügen, dass sie vom Westerwald oder aus dem Taunus bis in das Lahntal fotografieren und die Brücke im Foto noch prominent darstellen können. Ob gegen dieses Urteil Berufung eingelegt wurde, ist nicht bekannt, würde mich jedoch nicht wundern.

Merkmal »bleibend«

Eine weitere Voraussetzung ist, dass sich das Kunstwerk bleibend an öffentlichen Plätzen befindet. Das Foto einer fest verankerten Skulptur eines modernen Künstlers auf dem Marktplatz darf somit vom öffentlichen Straßenraum aus fotografiert und verwertet werden, da das Kunstwerk auf öffentlich zugänglichem Raum bleibend und nicht nur vorübergehend errichtet wurde.

Anders verhielt sich der Fall, den der BGH (24.01.2002 – I ZR 102/99 – »Christo«) im Jahr 2002 zu entscheiden hatte. Im Jahr 1995 hatten der bulgarische Aktionskünstler Christo Wladimirow Jawaschew, kurz Christo genannt, und seine Frau Jeanne-Claude den Berliner Reichstag für ein paar Wochen mit riesigen Tüchern verhüllt. Christo wehrte sich gegen eine Foto- und Bildagentur, die ohne seine Zustimmung Postkarten vom verhüllten Reichstag herstellte und diese zum Verkauf anbot.

Der BGH hat in seinem Urteil wie bereits die beiden Vorinstanzen Christo recht gegeben und ausgeführt:

 Immer »bleibend« sind natürlich Gebäude, wie hier im Berliner Regierungsviertel.

Abbildung 2.17     Immer »bleibend« sind natürlich Gebäude, wie hier im Berliner Regierungsviertel.

inline image  »Ein Werk der bildenden Kunst befindet sich nicht bleibend an einem öffentlichen Ort, wenn das Werk im Sinne einer zeitlich befristeten Ausstellung präsentiert wird. Unerheblich ist dabei, ob das Werk nach dem Abbau fortbesteht oder ob es mit dem Abbau untergeht.«

Damit fehlt es dem verhüllten Reichstag an der Voraussetzung eines bleibenden Werkes, denn der Reichstag war nur wenige Wochen verhüllt. Die Verwertung der Aufnahme war nicht von der Panoramafreiheit gedeckt und damit unzulässig, die Postkarten durften nicht vertrieben werden.

Auch in dem vom LG Frankenthal zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob das Merkmal »bleibend« überhaupt erfüllt ist, denn immerhin handelte es sich dort um ein vergängliches Kunstwerk aus Pflanzen. Das Gericht kam zu der Auffassung, es handele sich um ein sogenanntes Work in Progress, von dem nicht klar sei, wie lange es dort stehen werde, und hat das Merkmal »bleibend« als gegeben angesehen, und zwar auch für den Fall, dass sich der Künstler später doch für eine Beseitigung entscheidet.

War bei dem Gras-Sofa nicht bekannt, wie lange es dort stehen würde, wusste man beim verhüllten Reichstag genau, dass er nur für einige Wochen verpackt sein würde.

Da der Begriff »bleibend« nicht im Sinne von »für alle Ewigkeiten« zu verstehen ist, sondern sich auf die gesamte Lebensdauer des Werkes bezieht, wie der BGH in seiner Entscheidung vom verhüllten Reichstag ausgeführt hat, sind Straßenmalereien sowie Graffiti und Tagging (nur die »Unterschrift« des Sprayers) an öffentlichen Plätzen als »bleibend« einzustufen und fallen damit ebenfalls unter die Panoramafreiheit.

 Graffiti unterliegen der Panoramafreiheit.

Abbildung 2.18     Graffiti unterliegen der Panoramafreiheit.

Als bleibend gelten auch Werke, die von Natur aus nur kurzlebig sind, wie zum Beispiel Schnee- oder Eisskulpturen. Der Schneemann im Stadtpark dürfte wohl nicht als geschütztes Werk anzusehen sein, da es im Zweifel bereits an der erforderlichen Schöpfungshöhe fehlt.

Es ist allerdings höchstrichterlich noch nicht entschieden und in der Literatur derzeit auch umstritten, ob das Merkmal »bleibend« auch für Werke zutrifft, die auf Verkehrsmitteln angebracht wurden. Ebenfalls noch nicht endgültig geklärt ist, wie die im öffentlichen Straßenbild vielfach anzutreffenden Werbetafeln und Plakate, die in regelmäßigen Abständen ersetzt werden, im Hinblick auf das Kriterium »bleibend« zu werten sind. Dazu gibt es in der Literatur keine einheitliche Meinung.

Bezieht man aber unter Zugrundelegung der Ausführungen des BGH in der Christo-Entscheidung den Begriff »bleibend« auf die Dauer der Existenz des Werkes, müssen aus meiner Sicht auch Plakate und Werbetafeln als »bleibend« eingestuft werden und dürfen deshalb im Rahmen der Panoramafreiheit abgebildet werden, wenn es sich nicht ohnehin nur um unwesentliches Beiwerk nach § 57 UrhG handelt, bei dem die Veröffentlichung unproblematisch wäre. Plakate werden wieder entfernt oder überklebt, d. h., für ihre Lebensdauer befinden sie sich bleibend an öffentlichen Plätzen. Völlig unstreitig ist dies natürlich für Werbetafeln, die im öffentlichen Straßenraum erkennbar auf Dauer installiert wurden und nicht mit austauschbaren Werbeplakaten beklebt werden, sondern bei denen auch die Werbung dauerhaft angebracht wurde und die fest zum Straßenbild gehören und es mitprägen. Auch an Gasthäusern, Hotels oder Geschäften angebrachte Schilder sind zweifellos als bleibend anzusehen, dagegen wohl nicht Spruchbänder, die zu einem bestimmten Anlass, etwa einer Demonstration oder Veranstaltung, an Häusern angebracht wurden und danach wieder entfernt werden.

 Diese Ansicht ist von der Panoramafreiheit gedeckt.

Abbildung 2.19     Diese Ansicht ist von der Panoramafreiheit gedeckt.

In der juristischen Literatur ist man sich schließlich auch nicht einig darüber, ob die Gesamtgestaltung eines Schaufensters, sofern sie die für ein schützenswertes Werk erforderliche Schöpfungshöhe besitzt, als bleibend anzusehen ist oder nicht. Während einige dies bejahen, verweisen andere darauf, dass das Innere von Schaufenstern nicht mehr an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen liegt. Deshalb falle eine Schaufenstergestaltung per se nicht unter die Panoramafreiheit. Allerdings wird das Schaufenster bei der Aufnahme eines Straßenzuges in vielen Fällen auch nur unwesentliches Beiwerk sein.

Unstreitig ist aber, dass im Schaufenster ausgestellte Kunstwerke, wie etwa Gemälde oder Schnitzereien, nicht unter die Panoramafreiheit fallen. Wenn aber unstreitig im Schaufenster ausgestellte Kunstwerke nicht der Panoramafreiheit unterliegen, ist es nach meiner Auffassung nur konsequent, dann auch den übrigen Schaufensterinhalt von der Panoramafreiheit auszunehmen. Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu gibt es bislang jedoch nicht.

 Umstritten, ob hier noch die Panoramafreiheit gilt

Abbildung 2.20     Umstritten, ob hier noch die Panoramafreiheit gilt

[ ! ]  Auch vergängliche Werke sind bleibend

Auch vergängliche und kurzlebige Werke, also solche, die nur vorübergehend an öffentlichen Wegen, Plätzen und Straßen zu sehen sind oder von Natur aus nach kurzer Zeit wieder verschwinden, wie zum Beispiel die Straßenmalerei, die vom Regen weggespült wird, gelten als bleibend und dürfen im Rahmen der Panoramafreiheit fotografiert werden, sofern sie nicht – wie der verhüllte Reichstag – als von vornherein befristete künstlerische Ausstellung anzusehen sind.

Nicht endgültig entschieden und deshalb unklar ist dies für auf Verkehrsmitteln angebrachte Werke, für nicht dauerhaft angebrachte Werbeplakate und für Schaufenstergestaltungen. Wegen der bestehenden Unklarheit sollten Sie spätestens bei der Veröffentlichung solcher Fotos vorsichtig sein, vor allem bei der Veröffentlichung von Fotos, die in Schaufenster hinein gemacht wurden.

Merkmal »ohne Hilfsmittel«

Die Aufnahme muss ohne Hilfsmittel gefertigt werden. Liest man den Gesetzestext, sucht man vergebens den Hinweis auf Hilfsmittel. Die Vorschrift des § 59 UrhG wird jedoch von jeher völlig einhellig so ausgelegt, dass an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen alles das liegt, was von einem jedermann frei zugänglichen Standort aus wahrgenommen werden kann. Die Panoramafreiheit soll es ermöglichen, diejenigen Dinge, die Passanten von der Straße aus sehen können, durch Fotografien oder andere Darstellungsformen festzuhalten.

Eine Aufnahme, die mithilfe einer Leiter, von einer Mauer oder einem ansonsten erhöhten Standort aus gefertigt wird, fällt deshalb grundsätzlich nicht unter die Panoramafreiheit, auch dann nicht, wenn sich Leiter oder Mauer ihrerseits auf öffentlichen Plätzen befinden. Denn der durch Verwendung einer Leiter entstehende Blickwinkel entspricht zweifelsfrei nicht mehr demjenigen, den ein Passant hat. Fotos, die unter Zuhilfenahme von Leitern und ähnlichen Hilfsmitteln gefertigt wurden, dürfen deshalb nicht unter Berufung auf die Panoramafreiheit verwertet werden.

 Von der PanoramafreiheitPanoramafreiheit gedeckte Aufnahme des Hundertwasserhauses

Abbildung 2.21     Von der Panoramafreiheit gedeckte Aufnahme des Hundertwasserhauses

Ein geradezu klassischer Fall, der sich mit dieser Problematik befasst, ist der »Hundertwasserhaus-Fall«, den der BGH 2003 entschieden hat (05.06.2003 – I ZR 192/00): Im III. Bezirk von Wien wurde 1986 ein Wohn- und Geschäftshaus nach den Plänen des Künstlers Friedensreich Hundertwasser gebaut, das auch seinen Namen trägt. Dass dieses Haus urheberrechtlich geschützt ist, unterliegt keinem Zweifel.

Fotografen hatten dieses Haus von der gegenüberliegenden Straßenseite aus fotografiert, aber nicht von der Straße aus, sondern waren dazu auf den Balkon des gegenüberliegenden Hauses getreten, da das Haus vom Straßenraum nicht besonders gut zu fotografieren ist, wie ich selbst erfahren musste. Auf Nachfrage bekam man damals ohne Weiteres vom Hauseigentümer den Schlüssel zu einer leer stehenden Wohnung in der ersten Etage, direkt gegenüber dem Hundertwasserhaus, ausgehändigt. Die so hergestellten Fotos wurden von der Metro AG als gerahmte Poster in Deutschland verkauft. Dagegen klagte die Erbin von Hundertwasser, eine Stiftung, wegen Verletzung ihrer Urheberrechte. Der BGH gab der Erbin recht, da es nicht mehr von der Panoramafotografie gedeckt sei, wenn man sich durch Hilfsmittel (hier den Balkon) einen erhöhten Standpunkt verschaffe und dadurch die Aufnahme nicht mehr von der öffentlichen Fläche aus hergestellt werde. Also gilt auch hier: Immer schön mit den Füßen auf dem Boden bleiben, nur dann kann man sich auf Panoramafreiheit berufen.

[+]  Hilfsmittel

Als Hilfsmittel kann man alle technischen Einrichtungen (zum Beispiel Leitern) und Standpunktveränderungen (etwa Aufnahmen vom Balkon) betrachten, mit denen sich der Fotograf einen Blickwinkel oder eine Sichtweise verschafft, die der Passant auf der Straße nicht hat.

Eine für den Fotografen interessante Frage ist auch, ob die Panoramafreiheit Aufnahmen mit Stativ umfasst, da ja – wie bereits geschildert – nur die Verwertung von Aufnahmen gestattet ist, die ohne Hilfsmittel zustande gekommen sind. Zwar ist das Stativ zweifellos ein Hilfsmittel, es dient jedoch nicht dazu, sich eine erhöhte Position zu verschaffen, aus der man ohne Stativ nicht fotografieren könnte, wie das bei einer Leiter der Fall wäre, sondern das Stativ dient der Stabilisierung der Kamera. Gegenüber der Sicht eines normalen Passanten ergeben sich damit keine signifikanten Veränderungen. Gegen die Verwendung eines Stativs dürfte deshalb nichts sprechen, solange die Kamera durch extremen Auszug der Mittelsäule des Stativs nicht in eine Position gebracht wird, die deutlich über Augenhöhe liegt.

Neuere Einbeinstative mit enormer Höhe, die für neue Blickwinkel angepriesen werden, sind dagegen eindeutig Hilfsmittel im Sinne von § 59 UrhG, damit hergestellte Aufnahmen genießen nicht das Privileg der Panoramafreiheit.

In der juristischen Literatur nicht unumstritten ist die Frage, ob ein Teleobjektiv ein unzulässiges Hilfsmittel ist. Aus meiner Sicht kann man dies von zwei Seiten sehen: Fotografiert man mit dem Teleobjektiv horizontal, nur um die Perspektive zu verdichten oder um Dinge etwas näher heranzuholen, die man auch mit wenigen Schritten erreichen und in gleicher Größe sehen kann, bleibt der Blickwinkel wohl im Wesentlichen in der Passantenperspektive. Wird das Teleobjektiv jedoch nach oben gerichtet, um Ausschnitte einer urheberrechtlich geschützten Fassadenmalerei zu vergrößern, die der Passant teilweise nur sehr klein und damit nicht in allen Details sieht, verschafft man sich mit dem Teleobjektiv eine Sichtweise, die der Passant vom Boden aus nicht hat. Dies spricht dann eher für ein Hilfsmittel und damit dafür, dass die Panoramafreiheit auf derart hergestellte Bilder nicht anwendbar ist. Eine eindeutige Rechtslage gibt es für solche Fälle aber nicht. Mir ist aber auch kein Fall bekannt, in dem der Fotograf deshalb Ärger bekommen hat, weil er eine Aufnahme verwertet hat, bei der er vom öffentlichen Straßenraum aus ein Teleobjektiv zu Hilfe genommen hat. Das Risiko, in einem solchen Fall rechtlich in Anspruch genommen zu werden, ist nach meiner Auffassung relativ gering.

 Auch wenn mit einem leichten Teleobjektiv vom Bürgersteig aus aufgenommen, wird dieses Foto einer modernen Plastik sicherlich noch von der Panoramafreiheit gedeckt sein.

Abbildung 2.22     Auch wenn mit einem leichten Teleobjektiv vom Bürgersteig aus aufgenommen, wird dieses Foto einer modernen Plastik sicherlich noch von der Panoramafreiheit gedeckt sein.

Die Lösung des Beispielfalls mit der Hausfassade ist somit jetzt klar und eindeutig: Die Fassade befand sich bleibend an einer öffentlichen Straße und wurde von dort ohne Hilfsmittel fotografiert. Dies ist der klassische Anwendungsfall der Panoramafreiheit. Herstellung und Veröffentlichung des Fotos sind zweifelsohne zulässig.

Merkmal »äußere Ansicht«

Grundsätzlich ist die Panoramafreiheit nicht anwendbar auf Innenaufnahmen, vielmehr gilt sie ausschließlich für Außenaufnahmen und hier nur für die Straßenfront. Wir erinnern uns: Geschützt ist die Straßenbildfreiheit. Ein geschütztes Kunstwerk, das sich innerhalb eines Gebäudes befindet, darf somit auch dann nicht aufgenommen und die Aufnahme nicht verwertet werden, wenn es sich im Inneren des Gebäudes befindet, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um ein frei zugängliches, öffentliches Gebäude handelt und wenn ansonsten dort das Fotografieren grundsätzlich erlaubt sein sollte, was in der Regel allerdings ohnehin wegen des Hausrechts nicht der Fall sein wird.

[ ! ]  Keine Panoramafreiheit bei Innenaufnahmen

Die Panoramafreiheit erstreckt sich ausschließlich auf die Außenansicht, also die Straßenfront. Sie gilt deshalb nicht für Fotos auf Bahnsteigen, in U-Bahn-Schächten sowie für Innenaufnahmen in privaten oder öffentlichen Gebäuden, wie etwa Behörden, Theatern, Bahnhofs- und Flughafenhallen – auch dann nicht, wenn diese für jedermann frei zugänglich sind.

Ein Wandgemälde in einer Halle des Flughafens Berlin-Tempelhof, das dem Urheberschutz unterliegt, fällt deshalb zweifellos nicht unter die Panoramafreiheit!

Nach der bisherigen Lektüre wissen Sie, dass es in allen Gebäuden, also auch in einer Flughafenhalle, ein Hausrecht gibt. Ein grundsätzliches und uneingeschränktes Recht, dort zu fotografieren, geschweige denn, die Fotos zu verwerten, besteht jedoch nicht. Hier gilt keine Panoramafreiheit!

Einen gesetzlichen Sonderstatus genießen Pressefotografen. Zur Berichterstattung über Tagesereignisse dürfen geschützte Werke grundsätzlich in dem Umfang wiedergegeben werden, den der Zweck erfordert. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 50 UrhG. Wie könnte man anders auch anschaulich von der Eröffnung einer Ausstellung über moderne Malerei berichten, wenn man die Kunstwerke, die dort ausgestellt werden, nicht zeigen dürfte?

Das Änderungsverbot des § 62 UrhG

Nicht von der Panoramafreiheit gedeckt sind die Aufnahmen von Kunstwerken an öffentlichen Plätzen, wenn sie von einer anderen Person als dem Urheber verändert wurden. Denn nach § 62 ist die Panoramafreiheit des § 59 UrhG nur auf unveränderte Werke anzuwenden. Hintergrund ist, dass die Integrität des Werkes nicht angegriffen werden darf, was sich – wie Sie in Kapitel 1, »Urheberrecht«, bereits gesehen haben – schon aus den gesetzlichen Rechten des Urhebers ergibt. Dieser hat nach § 14 UrhG das Recht, Entstellungen und Beeinträchtigungen zu verbieten.

Wenn ein Kunstwerk, das unzulässigerweise verändert wurde, vom Fotografen durch Foto- oder Filmaufnahmen vervielfältigt und veröffentlicht wird, dann wirkt der Fotograf an der durch die unzulässige Veränderung begangenen Rechtsverletzung mit. Dies hat das LG Mannheim in der bekannten Entscheidung zum »Holbein-Pferdchen« (14.02.1987 – 7 S 4/96) entschieden:

Die Stadt Freiburg ist Eigentümerin einer Pferdeskulptur aus Beton, die vom Bildhauer Werner Gürtner (gestorben 1991) geschaffen und an der Ecke Anselm-Feuerbach-Platz/Holbeinstraße aufgestellt wurde. Diese Skulptur animierte im Laufe der Zeit Unbekannte immer wieder, ihr eine besondere Bemalung zu verleihen und sie mithilfe von Verpackungsmaterial und bunten Bändern, farbigen Anstrichen etc. zu verändern. Sehr anschaulich sind die mittlerweile vielen verschiedenen Varianten auf der Website www.holbein-pferd.de zu sehen. Diese veränderten Darstellungen wurden fotografisch dokumentiert und danach als Postkarten gedruckt und zum Kauf angeboten.

Das LG Mannheim hat in diesem Fall festgestellt, dass die Panoramafreiheit nur für das Holbein-Pferdchen in seiner ursprünglichen Gestalt gelte, die Darstellung der Veränderungen jedoch nach § 62 UrhG zu beurteilen und deshalb nicht mehr durch die Panoramafreiheit gedeckt sei. Die Veröffentlichung der Fotos des bemalten oder veränderten Pferdchens war demnach rechtswidrig, wie das LG Mannheim so formulierte:

inline image  »Daraus ergibt sich, dass der Beklagte das Verwertungsrecht der Kläger verletzt hat, soweit er sich nicht darauf beschränkt hat, das Holbein-Pferd in einem gegenüber dem Original veränderten Zustand zu fotografieren, den Dritte herbeigeführt haben, sondern solche Veränderungen durch fototechnische Maßnahmen bei der Herstellung des Lichtbildes selbst herbeigeführt und das so hergestellte Lichtbild vervielfältigt und verbreitet hat.«

Deshalb sollten Sie Fotos von in der Öffentlichkeit aufgestellten, aber veränderten Kunstwerken, die noch dem Urheberrechtsschutz unterliegen, nicht veröffentlichen.

Etwas anderes gilt natürlich für solche Kunstwerke, deren Schutzfrist bereits abgelaufen ist. Veröffentlicht ein Fotograf eine Aufnahme des Beethoven-Denkmals auf dem Bonner Münsterplatz, dem Unbekannte einen Zylinder aufgesetzt haben, oder ein Foto des Stadtmusikanten-Denkmals in Bremen, bei dem dem Hahn eine Nikolausmütze verpasst wurde, so mag man über Sinn und Schönheit einer solchen Veränderung und der davon gefertigten Aufnahme zwar streiten, urheberrechtlich sind diese Veröffentlichungen jedoch nicht relevant.

Damit ist auch der dritte Beispielfall gelöst, den ich fast identisch zum Fall des Holbein-Pferdchens gebildet habe. Auch in dem Beispielfall war die Herstellung der Aufnahme zulässig, eine Verwertung dagegen nicht.

Der Missbrauch des Begriffs »Panoramafreiheit«

So klar die Panoramafreiheit gesetzlich auch definiert ist, es gibt in der Meinungspluralität des Internets massenweise Fehleinschätzungen und zuweilen auch regelrechten Missbrauch des Begriffs. Sie haben bereits gesehen, dass es im Sanssouci-Fall des BGH um das Hausrecht ging, das dazu berechtigte, das Fotografieren für gewerbliche Zwecke auf dem Gelände zu untersagen. Das Urteil stand somit voll und ganz in der Tradition der jahrzehntealten Rechtsprechung des BGH zum Hausrecht. Selbst das bereits zitierte OLG Brandenburg, das ja durchaus auf der Seite der Fotografen stand und in der zweiten Instanz noch anders entschieden hat als in letzter Instanz schließlich der BGH, hat darauf hingewiesen, dass § 59 UrhG nicht einschlägig sei:

inline image  »Hinzu kommt, dass der hinter § 59 stehende rechtfertigende Gedanke, ein an einem öffentlichen Ort aufgestelltes Werk sei der Allgemeinheit gewidmet, auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls keine Anwendung finden kann.«

Einen deutlicheren Beleg, nämlich die Aussage eines unmittelbar mit dem Fall befassten Gerichts, dass das Sanssouci-Urteil überhaupt nichts mit Panoramafreiheit zu tun hatte, kann es sicherlich nicht geben.

[ ! ]  Das Wichtigste zur Panoramafreiheit

Urheberrechtlich geschützte Dinge dürfen fotografiert und die Fotos ohne Einschränkung, auch in der Werbung und zu kommerziellen Zwecken, verwertet werden, wenn sie sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befinden und ohne Hilfsmittel oder Erhöhung des Standortes des Fotografen vom öffentlichen Straßenraum aus abgelichtet wurden.

Innenaufnahmen sind grundsätzlich nicht von der Panoramafreiheit gedeckt. Dies gilt auch für öffentliche oder frei zugängliche Gebäude, Bahnsteige, U-Bahn-Tunnel etc.

Nicht unter die Panoramafreiheit fallen solche urheberrechtlich geschützten Werke, die von anderen Personen als dem Urheber selbst verändert wurden.

Aus Anlass des Sanssouci-Urteils sahen dennoch zahlreiche Kommentatoren – auch aus Fachkreisen – die Panoramafreiheit in Gefahr. Von einem »schwarzen Freitag für die Panoramafotografie« war ebenso zu lesen wie von der eher amüsanten Einschätzung, dass gerade Panoramafotografen doch die Panoramafreiheit am Herzen liegen müsse.

Angesichts solcher Äußerungen, mit denen sich jede ernsthafte Auseinandersetzung verbietet, muss es nicht verwundern, dass Verwirrung über eine Sachlage entsteht, die durch Gesetz und Rechtsprechung eindeutig geregelt und auch durch das genannte Urteil nicht umgewertet worden ist. Ein weiteres Mal zeigt sich auch hier, dass das Internet als Informationsquelle durchaus seine Schattenseiten haben kann und häufig für den Rechtsratsuchenden alles andere als zuverlässig ist.

2.2.5    Panoramafreiheit im Ausland

Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf § 59 UrhG und damit ausschließlich auf die Rechtslage in Deutschland. In anderen Ländern gelten teilweise andere Regeln.

Auch innerhalb der in vielen Dingen so harmoniebedürftigen EU herrschen zum Teil völlig unterschiedliche Regelungen u. a. zur Panoramafreiheit. Die EU-Richtlinie 2001/29/EG gibt in Art. 5 Abs. 3 lit. h den Mitgliedsländern zwar die Möglichkeit, eine ganze Reihe von Regelungen, u. a. die urheberrechtliche Nutzung von Abbildungen eines geschützten Werkes, zuzulassen und somit den Urheberrechtsschutz einzuschränken, die Länder der EU haben von dieser Möglichkeit jedoch durchaus unterschiedlichen Gebrauch gemacht. Im Sprachgebrauch der EU nennt man das Vorgehen, dass jedes Mitglied der EU für sich entscheiden kann, ob es bestimmte Vorgaben aus Brüssel in nationales Recht umsetzt oder nicht, Harmonisierung.

Die Schutzfrist von 70 Jahren für das Urheberrecht, gerechnet ab dem Tod des Urhebers, gilt jedoch einheitlich in der gesamten EU.

Im Folgenden erhalten Sie einen knappen Überblick über die Rechtslage in den wichtigsten EU-Ländern und einigen anderen Ländern innerhalb und außerhalb Europas im Vergleich zur deutschen Gesetzeslage nach § 59 UrhG. Ich möchte aber betonen, dass dieser Überblick weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Tagesaktualität erheben kann. Eine vollständige Darstellung würde zum einen voraussetzen, dass ich die nicht immer unkomplizierten Urheberrechtsvorschriften in allen Ländern, die ich nachfolgend erwähnen werde, theoretisch und praktisch im Detail kenne, was jedoch zugegebenermaßen nicht der Fall ist. Zum anderen würde es voraussetzen, dass dieses Buch nur ein Buch einer ganzen Reihe von Büchern über Foto- und Bildrecht in Europa und einem Teil der Welt ist, da eine so komplexe Darstellung des Themas mehrere Bücher spielend füllen würde. Außerdem kann diese Darstellung zwangsläufig nur eine Feststellung des Status quo zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Buches sein. Änderungen in der Gesetzgebung oder Rechtsprechung der jeweiligen Länder kann es natürlich jederzeit geben, ohne dass sie auch sofort über die jeweiligen Ländergrenzen hinaus bekannt werden.

[+]  Informieren Sie sich vor jeder Auslandsreise

Vor jeder Reise ins Ausland empfiehlt es sich deshalb dringend, sich mit den örtlichen Fotografierregeln vertraut zu machen. Auskünfte dazu erteilen im Allgemeinen die Industrie- und Handelskammern vor Ort, Touristikverbände, Fotoverbände im Ausland etc. Was von der Informationsquelle Internet in vielen Fällen zu halten ist, habe ich ja bereits mehrfach angesprochen.

Eine sehr schöne und brauchbare, wenn auch keineswegs vollständige, sondern eher rudimentäre Übersicht ist im Internet unter https://www.erkunde-die-welt.de/panoramafreiheit-in-ausgewaehlten-laendern/ zu finden.

Länder ohne entsprechende Regelung des § 59 UrhG

Es gibt in Europa Länder, die eine Panoramafreiheit de facto überhaupt nicht kennen, mit der Folge, dass dort keinerlei Privilegierung für Fotografien und Filme besteht, die an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen hergestellt wurden. Hierunter befinden sich neben Italien auch Griechenland, Belarus und die Ukraine.

[+]  Landschaftsaufnahmen in Ländern »ohne« Panoramafreiheit

Um in diesem Zusammenhang auch hier die Frage eines Lesers zu beantworten: Selbstverständlich sind auch in den Ländern, deren Urheberrecht keine Panoramafreiheit kennt, Landschaftsaufnahmen jeglicher Art zulässig. Denn es geht dabei ja gerade nicht um das Fotografieren urheberrechtlich geschützter Gegenstände.

In Italien fällt es dem Fotografen nach meiner Erfahrung überhaupt nicht auf, dass es keine Panoramafreiheit gibt. Ich habe bei meinen unzähligen Aufenthalten in Italien nie Probleme irgendwelcher Art mit dem Fotografieren gehabt. Nur ein einziges Mal wurde ich in Rom vor dem Quirinalspalast von einem Carabiniere aufgefordert, von einer Mauer zu steigen, die ich wegen der besseren Perspektive erklettert hatte. Aber dies geschah offenkundig nicht wegen meiner Fotografierabsichten, der Mann hatte offensichtlich nur Angst, ich könnte dort herunterfallen.

Ich habe den Eindruck gewonnen, in Italien ist man Fotografen gegenüber äußerst tolerant, niemand scheint gegen das Fotografieren auf öffentlichem Gelände etwas zu haben. Das gilt teilweise sogar für Innenaufnahmen. Weder im Dom von Siena mit seiner berühmten Marmorkanzel von Nicola Pisano noch im Vatikan (der Vatikanstaat hat die italienischen Urheberregelungen übernommen) und vielen anderen Kirchen habe ich gesehen, dass Aufsichtspersonal Besucher am Fotografieren gehindert hat, obwohl die Innenaufnahmen – wie Sie gesehen haben – ohnehin nicht unter die Panoramafreiheit fallen würden. Oft waren sogar Verbotsschilder (durchgestrichene Kamera) vorhanden, was aber offenbar niemanden so richtig gestört hat. Mag sein, dass dies auch ein Stück Lebensart der Italiener ist.

Frankreich hat viele Jahre ebenfalls darauf verzichtet, die Panoramafreiheit einzuführen. Zwischenzeitlich sind Fotos zu privaten Zwecken erlaubt, auch diejenigen Gebäude, die zu kommerziellen Zwecken keinesfalls fotografiert werden dürfen, wie beispielsweise der beleuchtete Eiffelturm. Bei kommerzieller Nutzung gibt es in Frankreich nach wie vor faktisch keine Panoramafreiheit.

Der Eiffelturm darf tagsüber ohne Weiteres fotografiert und die Bilder dürfen auch veröffentlicht werden, da die urheberrechtliche Schutzfrist von 70 Jahren (Gustav Eiffel starb im Jahr 1923) abgelaufen ist. Nachts wird der Eiffelturm jedoch beleuchtet, wobei die Beleuchtung auch immer mal wieder verändert wird.

 Bei Tag erlaubt, bei Nacht ohne Genehmigung verboten

Abbildung 2.23     Bei Tag erlaubt, bei Nacht ohne Genehmigung verboten

So gab es zum Beispiel im Rahmen der Olympiabewerbung für 2012 eine besondere Beleuchtung unter Einbezug der olympischen Ringe. Auch zu anderen Anlässen lässt sich die Stadt Paris immer wieder besondere Beleuchtungen ihres Wahrzeichens einfallen. Wenn der Eiffelturm im nächtlichen Lichterglanz erstrahlt, ist er ein urheberrechtlich geschütztes Gesamtkunstwerk, die Rechte liegen bei der Stadt Paris! Aufgrund der fehlenden Panoramafreiheit in Frankreich darf der Eiffelturm deshalb mit dem Einschalten der Beleuchtung nicht mehr fotografiert werden, auch nicht von öffentlichen Plätzen aus. Wollen Sie ihn nachts fotografieren und die Bilder später veröffentlichen, müssen Sie sich bei kommerzieller Verwertung wegen einer Genehmigung, die gegen Zahlung einer Gebühr erteilt wird, an die Societé Nouvelle d’Exploitation de la Tour Eiffel (SNTE) wenden.

Erinnerungsfotos vom beleuchteten Eiffelturm und von anderen Gebäuden sind damit jetzt zulässig, wenn sie ohne Stativ und insbesondere mit Kompaktkameras, mit denen der Eiffelturm nach Touristenart aus 300 Metern Entfernung vielleicht noch angeblitzt wird, erstellt werden. Sobald man, insbesondere in Paris, jedoch ein Stativ und gegebenenfalls noch eine größere Kamera verwendet, geht das Aufsichtspersonal offensichtlich davon aus, dass man professioneller Fotograf ist und zu kommerziellen Zwecken fotografiert. Dann sind Ärger und Rechtfertigungszwang vorprogrammiert.

Bei der erlaubten privaten Nutzung sollten Sie jedoch stets berücksichtigen, dass das Einstellen der Fotos bei Instagram oder Facebook keine private, sondern eine kommerzielle Nutzung ist. Allerdings ist mir kein Fall bekannt, in dem man gegen ein Einstellen von Fotos in soziale Netzwerke juristisch vorgegangen ist, aber ein Freibrief lässt sich daraus sicher nicht ableiten.

Drei Tage Paris mit Hindernissen – eine persönliche Fotochronik

An dieser Stelle möchte ich einmal persönliche Erfahrungen schildern, die ich auf einer dreitägigen Fotoreise nach Paris gemacht habe. Ich hatte bereits angedeutet, in Paris als Fotograf beileibe nicht die gleichen guten Erfahrungen gemacht zu haben wie allgemein in Italien. Zur Verdeutlichung möchte ich darlegen, was man in Paris als Amateurfotograf alles erleben kann, wobei ich versichere, nichts erfunden zu haben. Der eine oder andere Leser wird sich vielleicht wiederfinden können.

Am ersten Tag meines Aufenthalts in der von Fotomotiven prall gefüllten Seine-Metropole machte ich auf dem Gelände des Invalidendoms diese Aufnahme mit Stativ in Richtung Eiffelturm.

 Hier durfte nicht mit Stativ fotografiert werden.

Abbildung 2.24     Hier durfte nicht mit Stativ fotografiert werden.

Mir wurde das Fotografieren mit dem Stativ vom Wachpersonal sofort verboten. Als Begründung teilte man mir mit, das Gelände des Invalidendoms sei militärisches Gebiet. Das konnte ich nicht überprüfen, Verbotsschilder gab es jedoch keine, und Panzer und anderes Kriegsgerät waren dort auch nicht zu fotografieren. Für mich war es öffentliches Gelände mit freiem Zugang. Wenn es tatsächlich militärisches Gebiet sein sollte, wäre es zwar unter das Hausrecht fallendes Privatgelände, dennoch vermag ich nicht einzusehen, warum eine Aufnahme hinüber zum Eiffelturm, also gar nicht vom Gelände selbst, nicht zulässig gewesen sein soll. Ich verzichtete jedenfalls auf weitere Aufnahmen und fruchtlose Diskussionen.

Nur wenige Schritte weiter, auf dem Champ de Mars, wurde ich – noch nicht einmal beim Fotografieren, sondern nur mit dem Stativ auf der Schulter – von einer uniformierten Parkwächterin angesprochen, ob ich ein »Professional« sei. Als ich dies verneinte, ließ sie mich allerdings unbehelligt, beobachtete mich aber kritisch. Allerdings fühlte ich mich von da an unsicher, denn was wäre passiert, wenn ich tatsächlich Fotos, vielleicht sogar mit dem Stativ, gemacht hätte? Ein urheberrechtlich geschütztes Objekt war jedenfalls weit und breit nicht zu sehen. Das Fotografieren wäre auch ohne Panoramafreiheit zulässig gewesen, und dass man schon zur Rede gestellt wird, wenn man nur ein Stativ herumträgt, ist für mich keinesfalls mehr akzeptabel.

Am nächsten Tag fotografierte ich die vom Architekten I. M. Pei entworfene Glaspyramide auf dem Platz vor dem Louvre, sicherlich ein urheberrechtlich geschütztes Werk, unter Zuhilfenahme eines Stativs. Ich erhielt prompt den barschen Hinweis des Aufsichtspersonals »No tripod!«, unzählige andere Besucher fotografierten derweil mit Kompakt- und Spiegelreflexkameras unbehelligt. Für mich etwas unverständlich, denn entweder ist die Pyramide geschützt, dann darf sie allenfalls zum Privatgebrauch fotografiert werden, oder sie ist es nicht, dann müssen sie jedoch alle fotografieren dürfen. Anhand des Stativs und meiner damaligen Mittelformatkamera unterstellt man – wie bereits erwähnt – offenbar, dass keine touristischen Erinnerungsfotos mehr gemacht werden. Ob man allerdings auch am Abend, wenn das Wachpersonal Feierabend hat, das Ensemble besonders stimmungsvoll beleuchtet ist und sich die Pyramide fotogen in den Wasserbecken spiegelt, in der Wahl der Ausrüstung so konsequent eingeschränkt wird, vermag ich nicht zu sagen.

Zum Abschluss des Tages fotografierte ich auf dem Place Vendôme das nächtlich beleuchtete Luxushotel Ritz, ebenfalls mit Stativ, was einen Herrn im grünen Frack, vermutlich war es der Portier, veranlasste, mich durch wilde Gesten aufzufordern, das Fotografieren zu unterlassen. Ich stand auf öffentlichem Grund und Boden, mindestens hundert Meter vom Hotel entfernt, und die Fassade des Hotels genießt keinen urheberrechtlichen Schutz (mehr). Trotz fehlender Panoramafreiheit war diese Aufnahme zulässig, und ich habe sie natürlich gemacht.

 Der Portier sah diese Aufnahme gar nicht gerne.

Abbildung 2.25     Der Portier sah diese Aufnahme gar nicht gerne.

Am dritten Tag fotografierte ich – mit Stativ – von der Straße aus die Fassade des berühmten »Café de Flore« im Stadtteil Saint Germain, was einen Kellner veranlasste, mir durch Handzeichen und böse Blicke zu signalisieren, dass das Fotografieren nicht erlaubt sei. Auch hier wurde die Aufnahme von der Straße aus gemacht, und ein etwaiges Urheberrecht an der Fassade des Cafés besteht, sofern ein solches je bestanden hat, heute jedenfalls nicht mehr, da sie seit mehr als 70 Jahren existiert und der Urheber längst verstorben ist. Die wenigen auf dem Bild sichtbaren Gäste, die hier als Beiwerk gelten, schienen mich im Übrigen überhaupt nicht bemerkt zu haben und konnten sich deshalb auch gar nicht belästigt gefühlt haben.

 Der Kellner protestierte gegen die Aufnahme.

Abbildung 2.26     Der Kellner protestierte gegen die Aufnahme.

Am Nachmittag des gleichen Tages machte ich Aufnahmen mit dem Stativ auf dem öffentlichen Friedhof »Père Lachaise«. Von einer Ordnerin wurde ich darauf hingewiesen, dass ich so nicht fotografieren dürfe, wobei ich annehme, dass sie das Stativ bemängelte. Auch hier wurde die Aufnahme auf öffentlichem Grund und Boden ohne Verletzung eines Urheberrechts gemacht.

Danach war der Spaß am Fotografieren erst mal ziemlich dahin. Dass man auch auf der Aussichtsplattform des Arc de Triomphe kein Stativ benutzen und in der Notre Dame überhaupt nicht fotografieren darf bzw. durfte, habe ich gar nicht erst erwähnt, da das Fotografieren hier durch Hausrecht eingeschränkt oder verboten werden kann und die Panoramafreiheit ohnehin in den meisten Ländern nicht für Innenräume gilt.

Mittlerweile haben mir mehrere meiner Seminarteilnehmer von vergleichbaren Erfahrungen beim Fotografieren in Paris berichtet. Allerdings soll es nur in Paris so »diffizil« sein, an anderen Orten in Frankreich bliebe man – wie mir gesagt wurde – als Fotograf wohl eher unbehelligt, was ich persönlich für Straßburg und Colmar auch bestätigen kann.

Ebenfalls keinerlei Panoramafreiheit, auch nicht für den Privatgebrauch, kennt die Ukraine. Aufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken darf man nur mit ausdrücklicher Genehmigung des jeweiligen Künstlers veröffentlichen. Ich habe im Internet Berichte über die Ukraine gesehen, in denen sich Vermerke befanden, dass man Fotos beschriebener Denkmäler nicht zeigen könne, da die erforderlichen Genehmigungen der Künstler nicht eingeholt werden konnten.

Ich selbst habe auf der Krim, als sie noch nicht von Russland annektiert war, eine lustige Postkarte in einem Ständer vor einem Souvenirladen fotografiert. Sofort wurde hiergegen protestiert, und ich musste das Bild auf dem Kameradisplay zeigen. Man ließ mich dann jedoch unbehelligt.

Länder mit gegenüber § 59 UrhG eingeschränkten Regelungen

In Belgien und Luxemburg, die sich traditionell in ihrer Gesetzgebung eng an das französische Recht anlehnen, gibt es keine dem deutschen § 59 UrhG entsprechende Panoramafreiheit, sondern nur eine deutlich eingeschränkte Regelung. Dort darf ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf öffentlichem Gelände nur so fotografiert werden, dass es nicht das zentrale Motiv eines Bildes darstellt. Eine Skulptur, an der noch Urheberrechte bestehen, weil der Künstler noch lebt oder noch keine 70 Jahre verstorben ist, muss deshalb im Bild unwesentliches Beiwerk sein, entsprechend der Regelung des deutschen § 57 UrhG, also gegenüber dem Hauptmotiv nebensächlich.

Speziell in Brüssel ist zu beachten, dass die alleinigen Veröffentlichungsrechte von Aufnahmen des Atomiums, das zur »Expo« 1958 errichtet wurde, bei der belgischen Verwertungsfirma SABAM liegen.

In Dänemark, Norwegen und in Finnland ist die Panoramafreiheit auf Gebäude beschränkt, während Aufnahmen von Kunstwerken, wie Brunnen, Plastiken und Malereien im öffentlichen Raum nur dann veröffentlicht werden dürfen, wenn sie – ähnlich wie in Belgien und Luxemburg – nicht das Hauptmotiv der Aufnahme bilden.

Im baltischen Raum wiederum gibt es ähnliche Regelungen. In Estland und Litauen ist es erlaubt, Fotos von allen Dingen an öffentlichen Plätzen zu veröffentlichen, allerdings mit der Einschränkung, dass diese nicht das Hauptmotiv der Aufnahme darstellen und dass keine kommerzielle Nutzung erfolgt. In Lettland darf alles für persönliche Zwecke und zur aktuellen Berichterstattung sowie zur nichtkommerziellen Veröffentlichung fotografiert werden.

Auch in Bulgarien und Rumänien dürfen die Aufnahmen zwar gemacht, aber nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Ähnliches gilt im Übrigen für Russland und die meisten Staaten der ehemaligen UdSSR, allerdings ist dort meist zusätzlich erforderlich, dass das Werk keine zentrale Rolle im Bild einnimmt.

Länder mit vergleichbaren Regelungen zu § 59 UrhG

In sehr vielen Ländern bestehen Regelungen, die nur in Einzelheiten, auf die ich hier nicht im Einzelnen eingehen kann, von der deutschen Regelung in § 59 UrhG abweichen. Dazu gehören Liechtenstein, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn und Zypern (in beiden Teilen).

Auch viele Länder in Übersee haben eine mit Deutschland vergleichbare Regelung, wie zum Beispiel Australien, Brasilien, Israel, Japan, Kanada, Neuseeland und die USA, wobei sich die Panoramafreiheit in den USA nur auf Gebäude, nicht auf Kunstwerke bezieht.

Länder mit über § 59 UrhG hinausgehenden Regelungen

In den Niederlanden wurde das Urheberrecht in den letzten Jahren mehrfach geändert, heute gilt dort ebenfalls eine mit Deutschland vergleichbare Regelung. Hier ist aber auch das Innere einiger öffentlicher Gebäude, zum Beispiel von Bahnhöfen, in die Panoramafreiheit eingeschlossen. Das Gleiche gilt für das Vereinigte Königreich und Irland, wo sich die Panoramafreiheit auch auf Innenräume erstreckt.

In Österreich ist es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) für Bauwerke nicht zwingend erforderlich, dass sie sich auf öffentlichem Gelände befinden (wohl aber andere Kunstwerke). Außerdem umfasst die Panoramafreiheit Innenansichten von Gebäuden, und zwar einschließlich der dort befindlichen Einrichtungsgegenstände, sofern sie nicht singulär herausgestellt, sondern in Verbindung mit der gesamten Räumlichkeit, also ihrem Umfeld, dargestellt werden. Schließlich ist es in Österreich auch nicht zwingend, dass die Aufnahmen vom Boden aus gemacht werden. Hier dürfen auch Hilfsmittel verwendet oder ein erhöhter Standpunkt gewählt werden (Luftaufnahmen sind allerdings – soweit mir bekannt – nicht erlaubt). Auch in Österreich gilt allerdings, dass sich das Objekt bleibend an Ort und Stelle befindet, in dieser Hinsicht besteht Übereinstimmung mit der Rechtslage in Deutschland.

Da es natürlich auch in Österreich ein Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers gibt, gilt jedoch zum Beispiel für Schloss Schönbrunn, dass – nach derzeitigem Stand – Außenaufnahmen nur für private Zwecke gestattet sind, Innenaufnahmen von den Schauräumen sind jedoch grundsätzlich nicht gestattet, auch nicht für private Zwecke (siehe www.schoenbrunn.at). Es handelt sich damit also hinsichtlich des Außenbereichs um einen mit Sanssouci vergleichbaren Fall. Näheres zur Rechtslage in Österreich erfahren Sie in Kapitel 10, »Foto- und Bildrecht in Österreich und der Schweiz«.

2.2.6    Territorialprinzip und Schutzland

Wie Sie bereits erfahren haben, kann es aufgrund der unterschiedlichen Regelungen im Hinblick auf die Panoramafreiheit auch zu unterschiedlichen Bewertungen aus Sicht der einzelnen Länderregelungen kommen. So ist nach deutschem Recht die Fotografie des beleuchteten Eiffelturms von der Panoramafreiheit gedeckt und damit zulässig, in Frankreich jedoch nicht. Das Bild vom Hundertwasserhaus durfte in Deutschland nicht vertrieben werden, weil es unzulässigerweise nicht vom Boden aus aufgenommen wurde und deshalb gegen die Panoramafreiheit verstoßen wurde, in Österreich war die Aufnahme dagegen von der Panoramafreiheit gedeckt.

Was passiert aber nun, wenn man in Deutschland ein Bild vom beleuchteten Eiffelturm veröffentlicht? Gilt dann das deutsche oder das französische Recht? Kann man in Frankreich verklagt werden, wenn man in Deutschland das Bild – nach französischem Recht verbotenerweise – veröffentlicht? Oder könnte man umgekehrt in Österreich belangt werden, wenn man dort Aufnahmen veröffentlicht, die in Deutschland unter Verstoß gegen die deutsche Regelung der Panoramafreiheit entstanden sind, wie die Fotos vom Hundertwasserhaus? Und wie konnte die österreichische Erbin von Friedensreich Hundertwasser, eine Stiftung, überhaupt in Deutschland klagen, wenn doch die Aufnahme in Österreich nach österreichischem Recht ohne jede Rechtsverletzung hergestellt wurde?

Diese Fragen führen uns zu einer klaren Abgrenzung der Urheberrechte der einzelnen Länder voneinander.

Grundsätzlich endet der Schutz des Urheberrechts an der jeweiligen Landesgrenze, er ist also in räumlicher Hinsicht auf ein bestimmtes Land beschränkt. Das deutsche Urheberrecht gilt nur im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, während das Recht anderer Staaten auf deren Hoheitsgebiet beschränkt ist. Diese territoriale Begrenzung der Rechtsordnungen der einzelnen Staaten bezeichnet man als Territorialprinzip.

Das bedeutet: Macht der Fotograf in Deutschland urheberrechtliche Ansprüche geltend, richten sie sich nach dem deutschen Recht, macht er sie zum Beispiel in den USA geltend, gilt US-amerikanisches Recht. Das Land, für das der Fotograf Rechte aus seinen Urheberrechten geltend macht, wird deshalb auch Schutzland genannt.

[ ! ]  Territorialprinzip

Das Territorialprinzip bedeutet, dass das Urheberrecht immer an das Recht des Landes anzuknüpfen ist, für das der Schutz beansprucht wird (das sogenannte Schutzlandprinzip).

inline image  Wenden wir uns nun noch einmal dem beleuchteten Eiffelturm zu: Da für den beleuchteten Eiffelturm nach deutschem Recht die Panoramafreiheit gelten würde, wenn der Eiffelturm ohne Hilfsmittel von öffentlichen Wegen, Plätzen und Straßen aus fotografiert wird, hat man bei einer Verwertung von Fotografien des beleuchteten Eiffelturms in Deutschland keine Rechtsverfolgung in Deutschland zu befürchten. Denn nochmals: Trotz aller europäischen Einigungs- und Harmonisierungsbestrebungen gilt das deutsche Urheberrecht nur in Deutschland, die französischen Gesetze gelten nur in Frankreich.

Für den Fotografen bedeutet dies, dass er sich bei der Vermarktung seiner Fotos des nächtlich beleuchteten Eiffelturms mit der Rechtslage in Frankreich nur dann auseinandersetzen muss, wenn er eine Veröffentlichung in Frankreich beabsichtigt.

Die Verwertung der Aufnahme des Hundertwasserhauses wurde mit der bereits angesprochenen deutschen Gerichtsentscheidung nur deshalb untersagt, weil die Verwertung in Deutschland nach deutschem Recht nicht von der Panoramafreiheit gedeckt war – das Foto war von erhöhtem Standpunkt (Balkon) aus aufgenommen. Wäre das Foto in Österreich veröffentlicht worden, wo eine gegenüber Deutschland weiter gefasste Panoramafreiheit besteht, die auch das Fotografieren von erhöhtem Standort umfasst, hätte ein Rechtsverstoß nicht vorgelegen, das Bild hätte in Österreich veröffentlicht werden dürfen.

Eine grenzüberschreitende Verwertung ist aber schon dann gegeben, wenn der Fotograf das Bild ins Internet einstellt, weil darauf bekanntlich internationaler Zugriff besteht. Auch muss der Fotograf natürlich sicher sein, dass – etwa bei einem Abdruck des Bildes in einer Broschüre – nicht doch eine Veröffentlichung des Bildes auch im jeweiligen Ausland erfolgt. Derjenige dagegen, der eine Diaschau vom nächtlichen Paris und vom Eiffelturm nur in Deutschland zeigt, hat im Prinzip wenig zu befürchten.

Allerdings sollte das Territorialprinzip nicht dazu führen, sorglos bei der Bildverwertung zu werden. Im Zweifelsfall ist es immer besser, die notwendigen Genehmigungen einzuholen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

[ ! ]  Ohne Zustimmung keine Veröffentlichung

Um Ärger und Kosten zu vermeiden, sollten Sie vor Veröffentlichung eines Fotos prüfen, ob die Veröffentlichung ohne Weiteres zulässig ist, und gegebenenfalls vor der Veröffentlichung die dazu erforderliche Zustimmung einholen. Die möglicherweise dafür zu zahlenden Gebühren werden im Zweifel nur einen Bruchteil der Kosten ausmachen, die eine Veröffentlichung ohne Zustimmung des Urhebers verursachen kann.

Ich möchte Sie abschließend vor der Einstellung warnen, die Berechtigten mögen doch ruhig in Frankreich klagen, schließlich wohnten Sie doch in Deutschland und würden sich einfach dem Prozess vor einem französischen Gericht gar nicht stellen und einer Verteidigungsaufforderung oder Ladung zu einem Termin erst gar nicht nachkommen.

In diesem Fall kann es durchaus dazu kommen, dass Sie wegen mangelnder Rechtsverteidigung oder wegen Nichterscheinens vor Gericht in Frankreich in Abwesenheit verurteilt werden, und zwar durch ein sogenanntes Versäumnisurteil, weil Sie es eben versäumt haben, sich in der gebotenen Form am Verfahren zu beteiligen. Bisher ist aber immer noch scheinbar nichts Gravierendes passiert. Sie sind zwar in Frankreich verurteilt worden, sind aber immer noch in Deutschland und beabsichtigen vielleicht auch nicht, in den nächsten Jahren nach Frankreich einzureisen.

Aber das Unangenehme kommt noch: Zwischenzeitlich ist das Versäumnisurteil in Frankreich durch Ablauf von Rechtsmittelfristen rechtskräftig geworden. Aufgrund von Vollstreckungsabkommen zwischen zwei Ländern können in einem Land die in dem jeweils anderen Land ergangenen Urteile nach Erlangung ihrer Rechtskraft vollstreckt werden. Durch Vollstreckungsabkommen der beiden Staaten können französische Urteile in Deutschland und deutsche Urteile in Frankreich wechselseitig vollstreckt werden. Man muss deshalb durchaus damit rechnen, dass der Rechteinhaber in Frankreich versuchen wird, ein Urteil, durch das ihm unter Umständen ein nicht unerheblicher Schadensersatzanspruch zugesprochen wurde, in Deutschland vollstrecken zu lassen. Da eine Abänderung des Urteils aufgrund der Rechtskraft keinesfalls mehr möglich ist, kann spätestens jetzt nur noch eine Zahlung helfen.

2.2.7    Zukunft der Panoramafreiheit in der EU ungewiss

2015 hatte sich unter Fotografen und all denjenigen, die mit Fotos arbeiten (wie zum Beispiel Wikipedia), Angst breitgemacht, dass europaweit die Panoramafreiheit eingeschränkt werden könnte. Es stand nämlich im EU-Parlament die Abstimmung über eine Änderung der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001 in einigen Punkten an, und es sollte auf Betreiben Frankreichs auch dahingehend abgestimmt werden, die Panoramafreiheit EU-weit aufzuheben. Noch bis kurz vor der Abstimmung am 09.07.2015 war damit zu rechnen, dass dem Antrag Frankreichs stattgegeben werden könnte. Vermutlich nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Petitionen an die EU, die Panoramafreiheit zu erhalten und es den einzelnen Mitgliedstaaten weiter zu überlassen, wie sie das Urheberrecht öffentlicher Bauten und Kunstwerke regeln, sprach sich dann doch eine klare Mehrheit dafür aus, es beim jetzigen Zustand zu belassen.

Allerdings soll die Panoramafreiheit in einem gesamteuropäischen Urheberrecht geregelt werden, sodass es zunächst einmal nur vorläufig beim Status quo bleibt. Wie dann in einem einheitlichen EU-Urheberrecht, das allerdings nun schon Jahre auf sich warten lässt, die Panoramafreiheit letztlich geregelt werden wird, ist noch völlig ungewiss – ob es sie dann überhaupt noch geben wird oder ob durch entsprechende Öffnungsklauseln, die jedem Land bestimmte Regelungen freistellen, letztlich doch wieder alles beim Alten bleibt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Entscheidungsträger der EU die Tragweite erkennen, die eine Entscheidung gegen die Panoramafreiheit für alle Fotografen und auch alle, die Bilder veröffentlichen, hätte.

2.2.8    Marken- und Designschutz

Die Darstellung über die Herstellung und Veröffentlichung von Sachaufnahmen bliebe unvollständig, würde man einen weiteren Aspekt nicht berücksichtigen, nämlich den Marken- und Designschutz (früher: Geschmacksmusterschutz).

Markenschutz

Die überwiegende Anzahl der weltweit operierenden Firmen und nahezu alle Markenartikelhersteller verwenden geschützte Marken (früher bezeichnete man sie als »Markenzeichen«, im englischen Sprachgebrauch ist heute noch »Registered Trademark« ein feststehender Begriff). Eine Marke ist ein Kennzeichen für eine Ware oder eine Dienstleistung.

[§]  § 3 MarkenG – als Marke schutzfähige Zeichen

»Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben- und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. (…)«

Eine Marke liegt auch ohne Eintragung in das Markenregister vor. Aber mit der Eintragung in das Markenregister beim Bundespatentamt entsteht der Markenschutz (§ 4 MarkenG – im Wortlaut finden Sie das Markengesetz unter www.gesetze-im-internet.de/markeng), ab dann steht dem Markeninhaber das ausschließliche Recht zur Verwendung seiner Marke zu, Dritte dürfen nicht nur keine identische Marke, sondern auch keine Marke verwenden, die so ähnlich ist, dass für die Allgemeinheit eine Gefahr der Verwechslung besteht. Ungeschützte und nicht eingetragene Marken können von jedem anderen verwendet werden.

Beispiele für markenrechtlich geschützte Logos sind jedem geläufig und begegnen uns täglich. So sind Marken die Logos der Fahrzeughersteller, wie etwa das springende Pferd von Ferrari oder der Dreizackstern im Kreis von Daimler-Benz, der Coca-Cola-Schriftzug, die drei Streifen von Adidas, das IKEA-Logo, die olympischen Ringe, das M-Symbol von McDonald’s etc., die Liste ließe sich unendlich fortsetzen; in Abbildung 2.27 finden Sie eine kleine Bildauswahl geschützter Marken.

 Beispiele für geschützte Marken, die man hier jedoch problemlos so zeigen darf

Abbildung 2.27     Beispiele für geschützte Marken, die man hier jedoch problemlos so zeigen darf

Auch hier muss sich der Fotograf bei der Veröffentlichung von Bildern, auf denen geschützte Marken zu sehen sind, die Frage stellen, ob er damit nicht möglicherweise eine Rechtsverletzung begeht.

Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, Parallelen zum Urheberrecht zu sehen und daraus zu schließen, dass die Aufnahme, jedenfalls aber deren Veröffentlichung, auf der eine geschützte Marke zu sehen ist, einer besonderen Zustimmung des Markeninhabers bedarf. Jedoch gibt es hier einen entscheidenden Unterschied zum Urheberrecht, der sich unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Fotos mit abgebildeten Marken auswirkt:

Die Marke dient als Erkennungszeichen, Herkunftsnachweis und oft auch als Qualitätsaussage im geschäftlichen Verkehr. Die typische Verwendung einer Marke besteht darin, Produkte oder Leistungen unter Verwendung einer Marke mit einem »Branding« zu versehen, die typische Verletzungshandlung ist deshalb die Herkunftstäuschung, d. h. die Verwendung einer Marke für ein Produkt, das nicht vom Markeninhaber stammt.

Der Markeninhaber ist jedoch nur gegen eine Verwendung der Marke durch andere geschützt. Mit dem Markenrecht wird ein gänzlich anderer Schutzzweck verfolgt als mit dem Urheberrecht. Als markenrechtliche Verletzungen sind deshalb nur solche Verwendungen der Marke anzusehen, die geeignet sind, Herkunft, Qualitätsaussage und sonstige Merkmale, die mit einer Marke kommuniziert werden sollen, infrage zu stellen, zu diskreditieren oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Eine Markenverletzung setzt voraus, dass die Marke oder eine ähnliche Marke im Geschäftsverkehr benutzt wird. Ein Beispiel: Eine Fast-Food-Kette nutzt das für McDonald’s geschützte Zeichen oder ein Zeichen, das mit diesem verwechselt werden kann, um damit den Ruf von McDonald’s auszubeuten und um beim Publikum den falschen Eindruck zu erwecken, die Fast-Food-Kette habe irgendetwas mit McDonald’s zu tun.

Die Frage der unzulässigen Rufausbeutung spielt auch in einer anderen Entscheidung des BGH eine Rolle, die immer wieder in diesem Zusammenhang zitiert wird, die sogenannte »Rolls-Royce«-Entscheidung (Urteil vom 09.12.1982 – I ZR 133/80):

Der Whiskey-Hersteller Jim Beam hatte ein Werbefoto in Auftrag gegeben und veröffentlicht, auf dem ein Rolls-Royce von vorn abgebildet war, einschließlich der markenrechtlich geschützten Kühlerfigur »Flying Emily«. Auf den Kotflügeln saßen einige Männer und spielten Karten, während im Vordergrund der Aufnahme eine Flasche Jim Beam abgebildet war.

Der BGH war hier der Auffassung, dass mit dieser Darstellung der Eindruck erweckt werde, dass diejenigen, die einen Rolls-Royce fahren, auch diese Whiskey-Marke trinken. Aufgrund des besonders exklusiven Images, das ein Rolls-Royce vermittle, sah das Gericht eine unzulässige Rufausbeutung durch Jim Beam als gegeben an und verurteilte zur Unterlassung dieser Werbung.

Dagegen ist eine bloße Abbildung einer Marke keine Verwendung und damit zulässig. Ein Beispiel: Jemand möchte im Internet eine Markenjeans des Herstellers Diesel verkaufen. Wäre die Fotografie schon eine unzulässige Verwendung der Marke, dürfte von der Jeans kein Foto ins Internet eingestellt werden, auf dem die Marke zu sehen ist. Dass dies nicht richtig sein kann, leuchtet ein. Selbstverständlich darf ein Markenprodukt zum Zwecke des Verkaufs mit seiner Marke fotografiert und das Foto dann veröffentlicht werden. Das Gleiche gilt für eine Ablichtung des Produkts samt Marke zu Werbezwecken. Auch zu Illustrationszwecken dürfen Marken abgebildet werden, auch dies ist generell keine Verwendung einer Marke.

[ ! ]  Abbildung der Marke zum Zweck des Verkaufs

Die fotografische Abbildung einer Marke zum Zwecke des Verkaufs ist rechtlich unproblematisch.

Ebenso zulässig ist die Abbildung einer Marke, wenn damit bestimmte Dienstleistungen angeboten werden, die mit der Marke in unmittelbarer Verbindung stehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 23.02.1999 – C-63/07 ausdrücklich bestätigt, dass eine unabhängige Reparaturwerkstatt Abbildungen sowohl des BMW-Logos als auch von BMW-Fahrzeugen verwenden darf, sofern es sich um eine auf Reparaturen von BMW-Fahrzeugen spezialisierte Werkstatt handelt.

Wer eine gewerbliche Website betreibt, sollte mit der Verwendung fremder Marken allerdings sehr zurückhaltend sein, denn damit nimmt er am geschäftlichen Verkehr teil, womit eine Voraussetzung für die Anwendung des Markenrechts erfüllt wäre. Kommt dann noch eine irgendwie geartete Markenverletzung dazu, kann es schnell sehr brenzlig werden.

Vorsicht ist auch immer dort geboten, wo eine Marke in einen unzutreffenden Kontext zu einem Produkt gesetzt wird und damit eine Herkunftstäuschung begangen wird. Angesprochen sind hier allerdings weniger Amateure als vielmehr Werbefotografen. Fotografiert ein Werbefotograf verschiedene Produkte eines Herstellers A und fügt er der Aufnahme ein Produkt eines ganz anderen Herstellers B hinzu, sodass der falsche Eindruck entsteht, auch das Produkt von B sei ebenfalls eines von A, dann sind rechtliche Probleme vorprogrammiert. Etwas anderes gilt, wenn den Produkten gänzlich andere Produkte zur Seite gestellt werden, bei denen gar nicht der Eindruck entstehen kann, diese Produkte seien ebenfalls solche von A.

Schließlich ist überall dort besondere Vorsicht geboten, wo im Rahmen von Fotomontagen oder Verfremdungen Marken abgebildet werden. Werden – das Digitalzeitalter macht’s möglich – Arbeitsstiefel in einer Fotomontage mit den Adidas-Streifen versehen oder wird einem anderen Fahrzeug ein Mercedes-Stern auf die Kühlerhaube gezaubert, mag dies im Einzelfall vielleicht ganz originell aussehen, ist aber sicherlich rechtlich durchaus problematisch.

[ ! ]  Keine Veränderung von Marken vornehmen

Sie sollten sich als Fotograf bei Marken deshalb unbedingt auf die unveränderte fotografische Abbildung beschränken und keinen Kontext zu fremden Marken herstellen, dann sind Sie auf der sicheren Seite.

Soweit Markenprodukte ohne Erkennbarkeit der Marke dargestellt werden, ist dies aus rechtlicher Sicht unproblematisch. Denn die Beseitigung oder Unkenntlichmachung ist nach der Rechtsprechung des BGH keine Verwendung des Zeichens und somit auch keine Verletzungshandlung.

Eine andere Marke darf natürlich – wie gerade erwähnt – nicht ersatzweise angebracht werden, und schon gar keine, die man leicht mit der Originalmarke verwechseln kann. Das Foto eines Mercedes, bei dem der Mercedes-Stern wegretuschiert wurde, wäre unproblematisch, ein Mercedes-Stern, der plötzlich vier Zacken hat, wäre im Zweifel ein Problem.

 Diese Aufnahme stellt keine unzulässige Verwendung des Schriftzuges »Giorgio Armani« dar.

Abbildung 2.28     Diese Aufnahme stellt keine unzulässige Verwendung des Schriftzuges »Giorgio Armani« dar.

In der Regel dürften aber selbst bei einer Markenverletzung die Firmen, die Inhaber der Marken sind, kein Interesse daran haben, Amateurfotografen rechtlich zu verfolgen. Bei Berufs- und insbesondere Werbefotografen sieht dies sicherlich ganz anders aus. Aber Sie sollten als Amateur nie darauf spekulieren, dass der Inhaber von Rechten diese schon nicht geltend machen wird, weil Sie schließlich die Fotografie nur als Hobby betreiben.

[ ! ]  Das Wichtigste zu Marken

Designschutz (früher: Geschmacksmusterschutz)

Nicht ganz so einfach für Fotografen ist die Rechtslage bei sogenannten Designs. Darunter versteht man gemäß § 1 DesignG (das aufgrund der Richtlinie 98/71 EG vom 13.10.1998 im Februar 2014 das frühere Geschmacksmustergesetz von 1876 abgelöst hat) die zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt. Anders als das Urheberrecht entsteht der Designschutz durch Anmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt und Eintragung in ein entsprechendes Register und gilt für maximal 25 Jahre, gerechnet ab dem Anmeldetag. Die Eintragungs- und damit die Schutzfähigkeit eines Designs setzt gemäß § 2 DesignG zweierlei voraus, nämlich zum Ersten, dass es sich um ein neues Design handelt, und zum Zweiten, dass das Design eine Eigenart hat, was bedeutet, dass es sich von anderen Designs deutlich abhebt, wobei bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs berücksichtigt wird.

Erst das eingetragene Design gewährt seinem Entwerfer, wie das Gesetz ihn nennt, umfangreiche Rechte aus dem DesignG, gegen die unerlaubte Nutzung des Designs durch Dritte vorzugehen. Der Schutzumfang des Rechts am eingetragenen Design ist im Einzelnen in § 38 DesignG geregelt.

[§]  § 38 DesignG – Rechte aus dem eingetragenen Design und Schutzumfang

»Das eingetragene Design gewährt seinem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Eine Benutzung schließt insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das eingetragene Design aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, und den Besitz eines solchen Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein. (…)«

Das Designgesetz finden Sie im Wortlaut unter www.gesetze-im-internet.de/geschmmg_2004.

Zum Designrecht kann im Einzelfall noch ein Urheberschutz hinzukommen. Falls ein zusätzlicher Urheberschutz für ein Designobjekt in Betracht kommt, was bei einzelnen Gebrauchsgegenständen wie bestimmten Möbeln und modernen Haushaltsgeräten der Fall ist, ergeben sich die Einschränkungen im Hinblick auf die freie Fotografierbarkeit bereits aus den bisherigen Ausführungen zum Urheberrecht. Der BGH hat mit seinem Urteil vom 13.11.2013 (I ZR 143/12) seine bisherige Auffassung, wonach designgeschützte Gebrauchsgegenstände in der Regel keinem Urheberrecht unterliegen, da im Gegensatz zur bildenden Kunst die Schöpfungshöhe zur Anerkennung eines Urheberschutzes zu gering sei, aufgegeben. Urheberrecht und Designrecht können nunmehr nebeneinander bestehen. Designgeschützte Gebrauchsgegenstände sind heute in der Regel urheberrechtlich geschützt! Auch der Gebrauchskunst kann – so der BGH – grundsätzlich Schutz nach dem UrhG zukommen, was das Gericht am Beispiel einer Gebrauchsgrafik entschieden hat. Diese jetzt mögliche Dualität von Design- und Urheberrecht kann sogar dazu führen, dass auch ein nicht eingetragenes Design geschützt ist, zwar nicht durch das DesignG, aber nach den Bestimmungen des UrhG.

Das eingetragene Design allerdings gewährt dem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und gleichzeitig Dritten zu verbieten, es ebenfalls zu benutzen. Der Begriff der Benutzung geht beim Designrecht jedoch deutlich weiter als im Markenrecht. Denn der Designschutz nimmt keine Benutzungsform aus, sodass nach herrschender Meinung auch derjenige ein Design benutzt, der einen dem Designschutz unterliegenden Gegenstand fotografiert und zum Beispiel in der Werbung verwendet, auch wenn dies nur im Hintergrund erfolgt. Entscheidend kommt es darauf an, wie sehr der Gesamteindruck des Fotos vom Design geprägt wird. Auch Fotos von einem Imitat oder Plagiat dürfen nicht verwendet werden, wie das OLG Frankfurt (Urteil vom 15.08.2002 – 6 U 116/01) anhand von Fotos von Uhrenplagiaten festgestellt hat. Fotos von Plagiaten werden somit wie Fotos der Originale behandelt.

inline image  Der BGH hat sich (Urteil vom 07.04.2011 – I ZR 56/09 – »ICE«) mit der Frage einer weitreichenden Benutzungsfreiheit eines Designs, damals noch »Geschmacksmuster«, befasst:

Das Fraunhofer Institut hatte in einem Messekatalog für die Fachmesse »InnoTrans« eine Illustration des ICE 3 der Deutschen Bahn verwendet. Der ICE 3 ist als Design ebenso eingetragen wie die älteren Modelle ICE 1 und ICE T und natürlich auch der neue ICE 4. Die DB sah deshalb in der Abbildung im Messekatalog eine Geschmacksmusterverletzung und forderte Unterlassung und Zahlung einer Lizenzgebühr.

Der BGH hat in seiner Entscheidung zwar erkennen lassen, dass die Benutzung eines geschmacksmustergeschützten Designs in Einzelfällen zulässig sein kann, wenn diese notwendig ist, um eine bestimmte Leistung zu illustrieren, wobei er zur Klärung dieser Frage den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwies. Gleichzeitig hat der BGH jedoch festgestellt, dass die ungenehmigte Verwendung in einer Werbebroschüre, also die kommerzielle Verwertung, ohne Zustimmung der DB unzulässig war.

Auch wenn der BGH den Fall nicht abschließend entschieden hat, kann für die fotografische Praxis jedenfalls folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Das Foto eines designgeschützten Gegenstandes darf in der Werbung oder zu sonstigen kommerziellen Illustrationszwecken nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Schutzrechtsinhabers verwendet werden.

Für den Liebhaber der Eisenbahnfotografie bedeutet dies, dass Fotos des ICE zu kommerziellen Zwecken nicht veröffentlicht werden dürfen, ohne zuvor die Zustimmung der DB eingeholt zu haben.

[+]  »Information für Hobbyfotografen und -filmer« von der Deutschen Bahn AG (Stand: Januar 2020)

»(…)

(1) Foto- und Filmaufnahmen (sowie deren Veröffentlichung) zu privaten Zwecken in öffentlich zugänglichen Bereichen der Deutschen Bahn sind ohne vorherige Zustimmung gestattet, solange die nachfolgenden Bedingungen eingehalten werden:

  • Die eigene Sicherheit und die Sicherheit Anderer darf durch die Foto-/Filmaufnahmen nicht gefährdet werden. Eine Behinderung der betrieblichen Abläufe und der Bahnkunden ist untersagt.
    Flucht- und Rettungswege sind stets freizuhalten.

  • Der Aufenthalt im Gleis- und Gefahrenbereich ist untersagt. Das gilt auch für nicht mehr für den Bahnbetrieb genutzte Anlagen der Deutschen Bahn.

  • Der Einsatz von künstlichem Licht, Reflektoren, Leitern, Podesten, Stativen, Teleskopmasten/-armen oder ähnlichen Hilfsmitteln ist untersagt. (U. a. in der Hausordnung von DB Station & Service geregelt.)

  • Ein Einsatz von Drohnen und kugelförmigen Wurfkameras für Foto-/Filmaufnahmen auf Bahnanlagen sowie deren Überflug über Anlagen der Deutschen Bahn sind untersagt (...).

  • Das Recht am eigenen Bilde, insbesondere der Mitarbeiter und Bahnkunden, ist strikt zu beachten.

  • Den Belangen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist Rechnung zu tragen.

Die kommerzielle Verwertung von Fotos ist grundsätzlich nicht gestattet.

(2) Die Veröffentlichung der Foto- und Filmaufnahmen auf privaten – nicht kommerziellen – Webseiten und auf Sozial-Media-Accounts ist gestattet.

(3) Dritte dürfen die Foto- und Filmaufnahmen ebenfalls nur zu privaten Zwecken nutzen, soweit diesen Nutzungsrechte daran eingeräumt werden.
Die Überlassung der Foto-/Filmaufnahmen an Bild-/Stockagenturen ist jedoch nicht gestattet.

(4) Eine redaktionelle Nutzung von Fotoaufnahmen in Eisenbahn Verlagen/Bahn Fachverlagen ist gestattet.

(5) Nicht von einer Gestattung zur Fotoerstellung umfasst, sind Aufnahmen zu privaten Zwecken im Rahmen von entgeltlichen Foto-/Filmkursen oder ähnlichen Veranstaltungen (z. B. Fotoshooting für Hochzeits-/Mode- oder Portraitaufnahmen).
Für alle anderen, nicht privaten Zwecke bedarf es einer vorherigen Vereinbarung zumindest in Textform (Gestattung) mit der Deutschen Bahn, die bei
filmvorhaben@deutschebahn.com anzufragen ist. Für die Erstellung und Bearbeitung von Erlaubnissen fallen Entgelte an. Zusätzliche Entgelte sind zu leisten, wenn eine Begleitung durch befugte Personen erforderlich ist.

(6) Ein Zugang zum Führerraum von Triebfahrzeugen/Steuerwagen der DB und deren Tochterunternehmen ist für private Foto- und Filmaufnahmen nicht gestattet.

(7) Das Anbringen von Stativen/Kameras jeglicher Ausführung an Eisenbahnfahrzeugen ist untersagt.

(…)«

(Im Internet unter www.deutschebahn.com als PDF abzurufen – suchen Sie nach dem Begriff »Drehgenehmigungen«; alternativ über die Verlagswebsite zum Buch: https://www.rheinwerk-verlag.de/fotorecht_5348/.)

Damit ist es aus meiner Sicht, auch wenn nicht ausdrücklich in der Information der Bahn erwähnt, unproblematisch, Fotos mit dem ICE zu einem Fotowettbewerb einzureichen, solange die Wettbewerbsbedingungen nicht beinhalten, dass die Aufnahmen anschließend vom Veranstalter frei genutzt werden können, abgesehen davon, dass solche Wettbewerbsbedingungen ohnehin jeden ernsthaften Fotografen abschrecken sollten. Die Information der DB lässt erkennen, dass die gewerbliche Nutzung unterbunden werden soll, dass man ansonsten jedoch sehr großzügig ist, was eine Veröffentlichung der Fotos von Bahneigentum betrifft.

Ob und inwieweit Zustimmungen von anderen Inhabern geschützter Designs erteilt werden, kann nicht eindeutig beantwortet werden, es kommt sicherlich auf den Einzelfall und den Verwendungszweck der Aufnahme an. Manche Rechteinhaber erteilen grundsätzlich keine Zustimmung, andere nur gegen Zahlung einer Gebühr, einige sind jedoch auch großzügig und erteilen die Freigabe, sofern dem keine berechtigten Eigeninteressen entgegenstehen. Fragen müssen Sie aber immer!

Dem Designschutz unterliegt neben dem ICE eine Unzahl weiterer deutscher und ausländischer Produkte, wie etwa der TGV der SNCF in Frankreich, fast alle Fahrzeuge mit charakteristischem Design, die Barbie-Puppen, Disney-Figuren, Porzellan diverser Marken, Sessel von Le Corbusier, Gläser von Colani und vieles mehr. Auch hier ist die Liste schier unüberschaubar.

Wenn Sie Zweifel haben, ob ein Designschutz besteht, ist über die Website des Deutschen Patent- und Markenamtes (www.dpma.de) eine Recherche möglich, bezogen auf Europa, also hinsichtlich der europäischen Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsgeschmackmuster (hier wurde in §§ 62 ff. DesignG der alte Begriff des »Geschmacksmusters« beibehalten), können Sie über die Website des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), www.oami.europa.eu, recherchieren.

In Anhang A, »Gegenüberstellung der Gesetzesnormen D-A-CH«, dieses Buches finden Sie eine Liste von Objekten, bei denen auch aus designrechtlicher Sicht bei einer Veröffentlichung und gewerblichen Verwendung höchste Vorsicht geboten ist.

[ ! ]  Designrecht gegen Panoramafreiheit

Die bereits besprochene Panoramafreiheit genießt keinerlei Vorrang vor einem eingetragenen Design! Sie ist – wie ausführlich dargestellt – nur eine Ausnahme vom Urheberrecht. Das bedeutet, dass Fotos von Objekten, die dem Designrecht unterliegen, auch dann nicht zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht werden dürfen, wenn sie von öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen aus fotografiert werden.

Bei der Abbildung von Designs sollte man meiner Ansicht nach wie bei urheberrechtlich geschützten Gegenständen § 57 UrhG entsprechend anwenden. Diese Vorschrift, die Sie bereits in Kapitel 1, »Urheberrecht«, kennengelernt haben, gestattet eine Veröffentlichung für den Fall, dass der geschützte Gegenstand nur unwesentliches Beiwerk ist. Wenn ein dem Designschutz unterliegender Gegenstand in einer Aufnahme eine untergeordnete Bedeutung hat und nicht zentrales Bildmotiv ist, muss nach meinem Dafürhalten eine Veröffentlichung auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers zulässig sein. Allerdings muss in jedem einzelnen Fall sorgfältig geprüft werden, ob es sich tatsächlich um unwesentliches Beiwerk und nicht doch um ein Hauptmotiv handelt. Aber es bleibt dabei: Sie sollten auch dann unbedingt fragen!

Einige Einschränkungen des Rechts am eingetragenen Design enthält § 40 DesignG, von denen zwei für die bildrechtliche Betrachtung bedeutsam sind. Nach § 40 DesignG können Rechte aus einem eingetragenen Design nicht geltend gemacht werden:

Durch diese Gesetzesregelung wird klargestellt, dass Aufnahmen und auch Verwertungen für private Zwecke unproblematisch sind. Denn der private Bereich ist im Designrecht nicht – wie beim Urheberrecht – auf die eigenen vier Wände beschränkt, sondern wird durch den Zusatz »zu nichtgewerblichen Zwecken« von der gewerblichen und kommerziellen Nutzung abgegrenzt. Daraus ist zu folgern, dass das Fotografieren und Ausstellen der Fotos, z. B. des ICE, von Autos (meist designgeschützt) oder Disney-Figuren (designgeschützt) ohne gewerbliche Interessen keine Verletzung des eingetragenen Designs darstellt und deshalb unproblematisch ist. Auch das Herumzeigen solcher Fotos im Fotoclub ist gefahrlos. Von einer Verwendung im Internet, auch wenn es keine gewerbliche Website ist, würde ich dagegen ohne Einwilligung des Rechteinhabers abraten. Kritisch wird es in jedem Fall, wenn man ohne entsprechende Genehmigung einen Kalender mit Fotografien des ICE oder einen Porsche-Kalender erstellt und diesen ohne Genehmigung des Designrechtsinhabers zum Verkauf anbietet oder Fotos von designgeschützten Gegenständen an Bildagenturen abgibt. In diesen Fällen muss eine Genehmigung zur eigenen Sicherheit eingeholt werden! Denn wie das UrhG sieht auch das DesignG in §§ 42 ff. Beseitigungs-, Unterlassungs-, Vernichtungs- und Schadensersatzansprüche bei widerrechtlicher Nutzung eines eingetragenen Designs vor. Und das kann teuer werden!

In Analogie zu § 51 UrhG (Zitatrecht, siehe Kapitel 1, »Urheberrecht) wird darüber hinaus geregelt, dass ein eingetragenes Design zum Zwecke des Zitierens abgebildet werden darf, allerdings muss dann stets die Quelle angegeben werden.

Allgemein wird man hier zusammenfassend sagen können, dass die Berechtigten eines eingetragenen Designs in der Regel wohl kaum gegen Privatpersonen vorgehen werden, die ein paar Fotos machen und in einer für die Berechtigten unschädlichen Weise veröffentlichen. Vielmehr ist das Hauptaugenmerk der Berechtigten auf Konkurrenten und sonstige Marktteilnehmer gerichtet, die sich bei ihren Produkten zu sehr an das Design der Berechtigten »anlehnen« oder es sogar gänzlich kopieren. Das Überwachen und Verfolgen von Hobbyfotografen dürfte hinsichtlich des zu betreibenden Aufwands in keinem Verhältnis zum möglichen Ergebnis stehen. Im Zweifel wird man allenfalls ein Mahnschreiben schicken und auffordern, die Veröffentlichung ohne Zustimmung zukünftig zu unterlassen. Aber auch hier gilt natürlich: Was bis heute geduldet wurde, wird ab morgen vielleicht nicht mehr geduldet. Deshalb ist es so wichtig, immer zu fragen.

[ ! ]  Das Wichtigste zum eingetragenen Design

Der Designschutz reicht weiter als der Schutz im Markenrecht.

Der Inhaber eines eingetragenen Designs kann jede Benutzung des Designs verbieten. Dazu gehört auch das Fotografieren des dem Designschutz unterliegenden Gegenstandes.

Für eine Verwendung im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken und für das Zitieren ist die Herstellung der Fotos von Gegenständen, die dem DesignG unterliegen, erlaubt.

Auch bei einer Veröffentlichung von Fotos mit designgeschützten Gegenständen, die nicht gewerblich ist, empfiehlt es sich trotzdem, die Zustimmung des Berechtigten einzuholen.

2.2.9    Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Eine interessante Frage, die im Zusammenhang mit einem Bild aufgetreten ist, das für einen Fotowettbewerb eingereicht wurde, betraf die Darstellung eines Kennzeichens verfassungswidriger Organisationen, nämlich die Fotografie eines Gegenstandes mit dem Hakenkreuzsymbol der NS-Diktatur.

Der Fotograf hatte auf einem Foto das Buch »Mein Kampf« von Adolf Hitler abgebildet, und zwar so, dass das auf dem vorderen Einband abgebildete Hakenkreuz deutlich erkennbar war. Daneben befindet sich ein weiteres, aufgeschlagenes Exemplar dieses Buches, auf dem eine Brille liegt und bei dem eine Seite mit roten Flecken versehen ist, die ganz offensichtlich Blut darstellen sollen.

Es fragt sich, ob ein solches Bild veröffentlicht werden darf (die Herstellung ist sicherlich rechtlich unproblematisch).

Auf den ersten Blick scheint es, dass die Veröffentlichung des Bildes unzulässig ist. Denn im StGB gibt es die Vorschrift des § 86a, die mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe denjenigen bestraft, der u. a. Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verbreitet oder öffentlich in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften verwendet oder der Gegenstände, die solche Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. Mit der Veröffentlichung des Bildes wird man bei strenger Auslegung den objektiven Tatbestand des § 86a StGB als erfüllt ansehen müssen.

Im Jahr 2007 hat der 3. Strafsenat des BGH sich mit der Frage der Darstellung des Hakenkreuzsymbols ausführlich auseinandergesetzt (Urteil vom 15.03.2007 – 3 St 486/06). Dabei hat sich das Gericht auf den Schutzzweck der Vorschrift des § 86a StGB bezogen und eine Gesetzeslücke festgestellt. Der Schutzzweck der Norm ist – so der BGH – die Abwehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Die Vorschrift dient aber auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung im In- und Ausland vermieden werden soll.

Die Darstellung des Kennzeichens in der Form, dass offenkundig und eindeutig die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck kommt, läuft nach BGH jedoch dem Schutzzweck der Norm nicht zuwider und ist deshalb nicht strafbar.

[ ! ]  Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck des § 86a StGB ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand der Vorschrift nicht umfasst (Leitsatz des BGH).

Bezogen auf unser Wettbewerbsfoto, ergibt sich damit Folgendes:

Die Veröffentlichung des Bildes widerspricht nicht dem Schutzzweck des § 86a StGB. Die Bildaussage lässt gerade durch die Verbindung mit Blut, das durch die NS-Diktatur vergossen wurde, eine Ablehnung und Gegnerschaft zum Symbol und dessen Organisation erkennen. Selbst wenn man die roten Flecken auf der Seite des aufgeschlagenen Buches nicht als Blut interpretieren würde, fehlt auf jeden Fall jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass der Fotograf sich nicht von dem Symbol und seiner Organisation distanzieren würde. § 86a StGB greift deshalb, die Veröffentlichung des Buches ist somit zulässig.

Damit haben wir nun den Bereich der Sachfotografie ausführlich beleuchtet, und ich bin mir fast sicher, der eine oder andere von Ihnen, der sich vielleicht vorher insgeheim gefragt hat, was bei der Fotografie von Sachen denn schon problematisch sein könne, hat einige Dinge erfahren, die ihm so noch nicht bekannt oder bewusst waren. Auf diesem Wissen aufbauend, werden wir uns nun im nächsten Kapitel dem ebenso spannenden wie sensiblen Thema der Personenfotografie zuwenden.