Neukölln

Downtown Neukölln | An der Sonnenallee
Kreativ- und Problemkiez, Multikultihochburg und Biedermannhausen - Neukölln hat ganz unterschiedliche Gesichter. Spannend ist der Norden des Bezirks rund um den Reuterkiez, dem momentan dynamischsten Eck der Stadt.
„Neukölln rockt!“ titelte das Stadtmagazin Zitty vor ein paar Jahren. Damit wussten es auch die Letzten: Das junge und wilde Berlin ist nun hier zu suchen. Was mit ein paar rockenden Bars nördlich des Hermannplatzes begann, entwickelte sich zu einem neuen Fokus der Kneipen- und Galerienszene abseits des Establishments. Wo sonst gab und gibt es zentrumsnah noch so viel Altbau-Leerstand und bezahlbare Mieten? Es vergeht kein Monat, in dem nicht neue Bars aufmachen mit Lampen und Sofas vom Trödler, als gäbe es dafür schon ein Franchisekonzept. Dazu entstehen witzige Galerien, verrückte Projekträume und mit dem → Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst eine neue Spielwiese für die Großen unter den Kreativen. Selbst einen eigenen Namen hat man für den an Kreuzberg grenzenden Szenekiez geschaffen: Kreuzkölln. Bald aber wird der Name nicht mehr passen, denn Jahr für Jahr, Straße für Straße dehnt sich der Szenekiez gen Osten und Süden aus.
Dass der Norden Neuköllns noch immer zu den Problemvierteln der Stadt gehört, darf bei all der Euphorie nicht vergessen werden. Mit dem großen industriellen Absturz nach der Wende schwand die Arbeitswelt der hier lebenden Migranten - rund 160 Nationen sind versammelt. Neukölln hat mancherorts eine Arbeitslosenquote von über 20 % und kämpft mit den Stigmata der Kriminalität, der gescheiterten Integration und Gettoisierung. Die Neuköllner Hauptarterien, ob Sonnenallee oder Karl-Marx-Straße, spiegeln auch wahrlich alles andere als Prosperität wider: Arabische Wohnzimmerausstatter gibt es dort, Wettbüros, Sexshops, Videotheken, Matratzendiscounter und Ein-Euro-Shops.
Schon immer war Neukölln, das ehemalige Rixdorf, ein Viertel der einfachen Leute, eine „Arbeiterschlafstube“ mit vielen zwielichtigen Tanzlokalen, die stets für einen Skandal gut waren. Um sich vom schlechten Ruf zu befreien, änderte man 1912 einfach den Namen: Aus Rixdorf wurde Neukölln. Dass Rixdorf tatsächlich einmal ein Dorf war, lässt sich am beschaulichen Richardplatz noch bestens nachvollziehen. Nahebei fanden einst übrigens protestantische böhmische Glaubensflüchtlinge im 18. Jh. eine neue Heimat - das Eck wurde „Böhmisch-Rixdorf“ genannt. Auch die Rixdorfer Höhe, ein Trümmerberg im nahen → Volkspark Hasenheide, erinnert an den alten Namen.
Südlich des S-Bahn-Rings liegen die Neuköllner Stadtteile Britz, Buckow und Rudow. Hier präsentiert sich Neukölln so ganz anders: Reihenhäuser mit Gartenzwergen hinter gestutzten Hecken, Wohnblocks aus den Wirtschaftswunderjahren und dazwischen der → Britzer Garten, der schon unter die zehn schönsten Parks Deutschlands gewählt wurde.