1. Einleitung:
Die Frage nach dem Maß medizinischer Therapien als theologisch-ethische Herausforderung

1.1. Hinführung zur Thematik

Immer wieder taucht in politischen und gesundheitsökonomischen Debatten die Frage „Gesundheit nach Maß?“ auf.1 Im Hintergrund steht dabei die Frage, welches Maß an medizinischer und pflegerischer Zuwendung einem Patienten zustehe.

Medizin und Pflege vermögen auf vielfältige Weise das Leben kranker Menschen zu heilen und zu erhalten. Dem Einsatz zahlreicher Menschen im Gesundheitswesen, den Möglichkeiten und Entwicklungen in Medizin und Pflege kann man daher nur dankbar gegenüberstehen. Mit der in diesem Zusammenhang häufig aufgeworfenen Frage einer transdisziplinären Studie in Bezug auf das Maß der Gesundheit wird dabei auch auf eine notwendige Klärung der Ressourcenverteilung verwiesen. Angesichts gesellschaftlicher Veränderungen sowie medizinischer und technischer Entwicklungen sind Fragen der Ressourcen und der Ökonomie unerlässlich.2

In grundsätzlicher Weise bleibt dennoch die Frage nach dem Maß der Gesundheit und der Behandlung in Bezug auf den einzelnen Patienten bestehen. Aufgrund der bereits genannten Möglichkeiten in der modernen Medizin und Pflege, die häufig auch bedeuten, das Leben auch schwerkranker Menschen zu verlängern, besteht in zahlreichen Situationen des medizinischen Alltags die Frage nach einem Behandlungsabbruch und -verzicht.3 Jenseits ökonomischer Erwägungen erscheint es daher plausibel, dass auch in der Medizinethik und der theologischen Ethik der Fragestellung nachgegangen wird, was dabei das Maß an Behandlung ist, das dem Einzelnen tatsächlich dient und ethisch verantwortbar ist.

Im Hintergrund steht dabei das grundsätzliche Anliegen ethischer Reflexion, Handlungsorientierung aufgrund moralischer Annahmen zu untersuchen, zu hinterfragen und zu entwickeln.4 In theologischer und medizinethischer Perspektive ist dieses Thema von besonderem Interesse, da es hier um nichts weniger als das Leben geht. Konkret gesagt stehen Fragen der Entscheidungen über Behandlungen sowie des Schutzes und des Erhalts von Menschenleben im Mittelpunkt. Ebenso spielt in dieses Thema der Umgang mit Sterben und Tod hinein. Beide Spektren sind Themen ausführlicher Debatten und Auseinandersetzungen in Gesellschaft und Wissenschaft.5

Jenseits dieser großen Fragestellungen bleibt die Ausgangsfrage als Desiderat bestehen: „Gesundheit nach Maß?“ In dieser Arbeit soll aus theologisch-ethischer Perspektive untersucht werden, worin ein mögliches Maß hinsichtlich der Entscheidung über eine Behandlung seine Grundlegung erfährt. Aus mindestens zwei Gründen erscheint es lohnenswert, sich mit diesem Thema aus theologischer Perspektive auseinanderzusetzen. Zum einen ist es ein Anliegen der christlichen Erfahrung und Deutung der Wirklichkeit im Horizont des Glaubens, gerade an den Grenzen des Lebens die tiefere Dynamik einer menschlichen Dialektik von Kreativität und Leiden auszudrücken.6 Dabei gehört es zu den grundlegenden Aufgaben der Moraltheologie, kritischkonstruktiv aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in den Feldern der Medizin wahrzunehmen und auf der Basis biblischer Annahmen sowie christlicher Anthropologie zu reflektieren. Theologischer Reflexion geht es schließlich um ein hilfreiches Angebot, eine gelingende Balance im Umgang mit Gesundheit und Krankheit, mit Leben und Sterben angesichts der Freiheit und der Grenzen des Menschen. Ein solches Angebot kann dabei in einer sinnstiftenden Orientierung liegen, welche die Erfahrung von Machbarkeit und Begrenzung menschlichen Handelns aufnimmt. Somit ist es ein Grundanliegen theologischer Ethik, im Horizont dieser sinnstiftenden Orientierung auch nach dem Maß des Gebrauchs medizinischer Mittel, besonders im Kontext von Lebenserhaltung und Behandlungsabbruch und -verzicht, zu fragen.

Ein aus theologischer Sicht zweiter Grund, sich diesem Thema zu stellen, liegt darin, dass sich sowohl bei Autoren aus der Moraltheologie als auch in lehramtlichen Texten bereits im Kontext vormoderner Medizin Aussagen zur Auseinandersetzung mit der Bewältigung von Krankheit, Sterben und Tod finden lassen. In der Diskussion um eine menschliche Bewältigung in der Spannweite von Lebenserhaltung und Behandlungsabbruch und -verzicht wird das so genannte Kriterium der Verhältnismäßigkeit erwähnt.7 Die entsprechenden Autoren beziehen dabei die Begriffe „verhältnismäßig“ und „unverhältnismäßig“ auf die Frage medizinischer Behandlungen.8

In der vorliegenden Arbeit wird nicht der Anspruch erhoben, sämtliche ethische Implikationen der Debatte um Lebenserhaltung sowie Behandlungsabbruch und -verzicht darzustellen, zu untersuchen und theologisch aufzuarbeiten. Insbesondere die ethische Auseinandersetzung um Formen des Behandlungsabbruchs und -verzichts oder der Ressourcenallokation verdient eigene Untersuchungen und Herangehensweisen.9

Das Thema der Arbeit muss notwendigerweise eingegrenzt werden. Aus dem Feld der Debatten um Lebenserhaltung und der Frage von Behandlungen wird ein Mosaikstein näher untersucht. So erstreckt sich das Thema der vorliegenden Arbeit auf die Auseinandersetzung mit dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit. Der Fokus der Arbeit liegt dabei auf der Untersuchung des Kriteriums bezüglich gegenwärtiger medizinethischer Desiderate und Herausforderungen bei Entscheidungen über Behandlungen aus theologischethischer Perspektive.

Die Differenzierung zwischen „Verhältnismäßigkeit“ und „Unverhältnismäßigkeit“ lässt sich bis in das 16. Jahrhundert hinein nachweisen. Wenngleich das Kriterium jeweils im historischen Kontext verankert ist, so ist zu fragen, welche theologisch-ethische Bedeutung Autoren dem Kriterium beimessen. Zudem ist zu untersuchen, ob es nicht mehr als nur eine theologiegeschichtliche Bedeutung besitzt.10 Daher soll in der Arbeit geprüft werden, welche Impulse das Kriterium der Verhältnismäßigkeit angesichts gegenwärtiger medizinethischer Fragestellungen bezüglich einer Entscheidung über eine Behandlung bieten kann.11

1.2 Forschungsstand:
Begriffsgeschichte und gegenwärtige Relativierung des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit

Die in Gesellschaft und Wissenschaft virulenten Fragen nach dem „Maß der Gesundheit“, der Gestaltung der letzten Lebensphase, der Lebenserhaltung und des Behandlungsabbruchs und -verzichts lassen zunächst einmal vermuten, dass hier typische Fragestellungen aus dem beginnenden 21. Jahrhundert zur Debatte stehen. Ein Ringen darum, was das Maß einer Behandlung und der Gesundheit sei und wie man diese befördern könne, lässt sich aber bereits in ethischen Ansätzen seit der Hippokratischen Medizin feststellen.12 Es kann an dieser Stelle keine Darbietung sämtlicher theologischer und medizinethischer Ansätze zu Entscheidungen über Behandlungen geleistet werden. Eine begriffsgeschichtliche Darstellung zeigt allerdings, dass das Kriterium der Verhältnismäßigkeit in vielfältiger Weise reflektiert worden ist und in eine besondere Beziehung zum Patienten und seiner Einschätzung seiner gesundheitlichen Situation gebracht worden ist.

Im Kontext naturrechtlicher Ethik und vormoderner Medizin wurde das Kriterium der Verhältnismäßigkeit bereits von Theologen ansatzweise in Handbüchern ab dem 16. Jahrhundert aufgegriffen.13 In theologiegeschichtlicher Hinsicht ist insbesondere die Arbeit von Daniel A. Cronin von Bedeutung.14 In der Dissertation aus dem Jahr 1956, die im Jahr 1958 publiziert wurde, wird eine Analyse zur Geschichte des Terminus „Verhältnismäßigkeit“ bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vorgenommen. In der Arbeit wird das Kriterium im Kontext naturrechtlicher Moraltheologie und der sich daraus ergebenden Fragestellungen, unter welchen Umständen ein Behandlungsabbruch und -verzicht erlaubt sei, untersucht. Cronin bietet schließlich auf Grundlage der rezipierten Autoren eine Begriffsdefinition an.

Auch in der vorliegenden Arbeit wird im dritten Kapitel auf die Begriffs- und Theologiegeschichte rekurriert und versucht, einen gemeinsamen Ansatz ausgewählter Autoren zu finden. Ergänzt wird dieser Abschnitt durch die Einbeziehung lehramtlicher Texte. Dies bildet schließlich die Grundlage dafür, das Kriterium der Verhältnismäßigkeit kritisch zu untersuchen. Dazu wird Literatur aus der neueren Forschung einbezogen.

Der weitere Verlauf der Forschungsgeschichte zum Kriterium zeigt, dass sich die Autoren angesichts neuer medizinischer Möglichkeiten und ethischer Fragestellungen weiterhin um Begriffsklärungen bemühen.15 Mit Hilfe von Beispielen aus der Begriffsgeschichte werden dabei Fragen zu aktuellen medizinischen Fällen ethisch erörtert.16 Die Autoren bleiben dabei auf einer moralisch konkreten Ebene. Ihre Ausführungen bilden für diese Arbeit die Grundlage für die Begriffskritik und die weitere ethische Auseinandersetzung mit dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

Im 20. Jahrhundert wird das Kriterium von Medizinethikern und Theologen auf vielfache Weise zurückgewiesen und kritisiert, da es als zu unbestimmt erscheint und keine eindeutige Kriteriologie für eine moderne Medizin bietet.17

Einen neuen Anlauf zur Begriffsklärung nimmt der Würzburger Moraltheologe Stephan Ernst. Mit Hilfe rechtswissenschaftlicher Kategorien bestimmt er die Differenzierung zwischen verhältnismäßigen und unverhältnismäßigen Mitteln näher.18

Um an späterer Stelle das Kriterium der Verhältnismäßigkeit einordnen zu können und den Forschungskontext zu skizzieren, zeigt jedoch ein Rekurs auf auch für die Fragestellung der Arbeit relevante und exemplarische Ansätze der Gegenwart, dass die subjektive Entscheidung des Patienten und die Achtung davor für die Bewältigung medizinischer Konflikte immer wichtiger werden.

Die Frage, woran zum Beispiel eine Entscheidung über Lebenserhaltung oder Behandlungsabbruch bzw. -verzicht festgemacht wird, lässt sich an verschiedenen Polen verorten. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein liegt die Entscheidung über eine solche Behandlung vorrangig in den Händen des Arztes. In der Ethik wird dieser Ansatz als paternalistisch und fürsorglich beschrieben.19 Der Arzt nimmt aufgrund seiner Kompetenz eine dominierende Rolle in der Entscheidung ein.20 Das fürsorgliche Vertrauensverhältnis ist vor allem durch das exklusive Eingriffsrecht des Arztes in den persönlichintimen Bereich des Kranken geprägt, das mit dem Recht, Tabus körperlicher Berührung zu durchbrechen, versehen ist und das Moment der Unsicherheit und des Risikos der Behandlung in sich trägt.21 Eine besondere Grundlage hat der Ansatz im Eid des Hippokrates. Der Hippokratische Eid nimmt Bezug auf die exklusive Stellung des Arztes in der Beziehung zu einem Patienten. Der Arzt soll stets zum Nutzen des Kranken in dessen Haus eintreten.22 Charakteristisch wird darin das Ziel des ärztlichen Handelns aus dem allgemeinen Versprechen, sich der ärztlichen Kunst zu verschreiben („Techneversprechen“), hervorgehoben.23

Der Arzt besitzt demnach die Definitionsvollmacht hinsichtlich der Krankheit und des Zustandes des Patienten. Aufgrund seiner Kompetenz bestimmt er das Maß der Behandlung und die Gestaltung der Therapie.

Die Rolle des Arztes und der Pflegekräfte als Experten kann jedoch auch eine Gefahr einer missverstandenen Fürsorgeethik darstellen, die sich in einer paternalistischen Bevormundung äußert. Medizinische Entscheidungen berühren zutiefst menschliche Grundrechte wie die freie Entscheidung oder das Recht auf Selbstbestimmung und Selbstentfaltung. Der Patient bedarf daher aufgrund seiner spezifischen Situation auch des Schutzes durch den behandelnden Arzt in seiner Freiheit.24 Durch die Definitionsvollmacht des Arztes kann die Gefahr bestehen, dass der Patient zum Objekt der Behandlung wird, in der es allein um die richtige Diagnose und die wirksame Therapie geht. Hier liegt der Grund, warum in den modernen Tendenzen von Medizinethik und der Gestaltung medizinischer Therapie selbst der Patient als Subjekt in einer neuen Weise zum Thema wird. Die Einsicht gewinnt an Einfluss: Es bedarf daher eines medizinethischen Ansatzes, der auch die Subjektivität und die Individualität eines Patienten einbezieht.

Sicherlich gibt es auch hier, in diesem ganz modernen Diskurs, noch einmal Überlegungen, die in eine andere Richtung weisen: Ein in der gegenwärtigen Medizin bedeutender Ansatz ist die so genannte Evidence-based Medicine (EBM). Angesichts einer Vielzahl von Möglichkeiten der Gestaltung einer Therapie geht es schließlich um die Wirksamkeit medizinischer Behandlungen. Anhand naturwissenschaftlicher Kriterien, Untersuchungen und Metaanalysen soll eine auf Evidenz basierte Medizin die Wirksamkeit einer Therapie in den Blick nehmen und somit Relevanz für die Entscheidung über eine Therapie besitzen.25 Aufgabe ist daher in erster Linie gemäß der EBM die Ermittlung handlungsorientierenden Wissens, um eine Patientenversorgung mit dem jeweils besten wissenschaftlichen Nachweis zu gewährleisten. Auf der Basis einer empirisch gesicherten Medizin werden Behandlungen anhand definierter Kriterien systematisch beurteilt.26

Gerade im Blick auf das Maß medizinischer Behandlung ist ein solcher Ansatz sicherlich von Bedeutung. Aber auch hier bleiben offene Fragen: Bei der Anwendung der EBM sind aus ethischer Perspektive zwei Seiten zu berücksichtigen.27 Zum einen kann mit Hilfe der EBM der medizinische Auftrag besser erfüllt werden und die Wirksamkeit einer Therapie besser eingeschätzt werden. Hinsichtlich der Anwendung evidenzbasierter Leitlinien ist jedoch das Verhältnis externer Studien zum einzelnen Patienten zu berücksichtigen. Die Studien basieren auf Untersuchungen großer Patientengruppen. Die Ergebnisse für die Praxis sind dabei probabilistischer Natur. Die angenommene Evidenz eines Medikamentes oder einer Therapie muss sich dann in der tatsächlichen Behandlungssituation eines Patienten erweisen. Zudem sind Entscheidungen über eine Behandlung und ihre Art nicht reversibel. Der Patient muss sich mit der Entscheidung über eine Behandlung arrangieren können.

Fasst man diese Bedenken zusammen, so ergibt sich: Eine Entscheidung des Arztes und des Patienten über eine Behandlung ist trotz evidenzbasierter Leitlinien unaufgebbar notwendig. In einer praktischen Wissenschaft, wie sie die Medizin darstellt, werden schließlich Aussagen über Individuen gemacht.28 Bei einer Entscheidung für oder gegen eine Behandlung ist daher die Urteilskraft des Arztes notwendig, um die externen Evidenzen der EBM im Einzelfall anzuwenden. Diese Fähigkeiten sind schließlich nicht in der EBM enthalten. Es bedarf also weiterhin der Frage nach dem Maß einer Behandlung.

So weist auch der bekannteste und einflussreichste medizinethische Ansatz der Gegenwart in Richtung auf eine starke patientenorientierte Perspektive. Während bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein eben – wie schon angedeutet – die Entscheidung sowie die Maßstäbe für eine Behandlung wesentlich beim Arzt lagen, kamen danach auch im Gesundheitswesen Mitbestimmung und Selbstbestimmung zur Geltung. Eine breite Rezeption – insbesondere im amerikanischen und im europäischen Raum – erfahren die vier biomedizinischen Prinzipien nach Tom L. Beauchamp und James F. Childress. So besitzt in dem „four-principles-approach“ der Respekt der Patientenautonomie (respect for autonomy) eine vorrangige Bedeutung.29 In diesem Ansatz werden verschiedene Prinzipien, die in der Bioethik Geltung besitzen, vier allgemeinen Kategorien zugeordnet. (1) Der Respekt vor Autonomie (respect for autonomy) ist ein Prinzip des Respekts gegenüber der Fähigkeit autonomer Menschen [sic!], Entscheidungen zu treffen; (2) nach dem Prinzip des Nichtschadens (nonmaleficence) ist zu vermeiden, anderen Personen einen Schaden zuzufügen; (3) Wohltun (beneficence) meint eine Gruppe von Prinzipien zur Erbringung von Nutzen sowie zur Abwägung von Nutzen gegenüber Risiken und Kosten; (4) das Prinzip der Gerechtigkeit (justice) repräsentiert eine Gruppe von Prinzipien zur fairen Verteilung von Nutzen, Risiken und Kosten.30

Hinsichtlich der Entscheidung über Behandlungen steht dieser medizinethische Ansatz geradezu paradigmatisch dafür, welch immense Bedeutung dem Prinzip der Autonomie seit den 1970er Jahren eingeräumt sowie von den Patienten eingefordert wird. Der „Respekt vor der Autonomie des Patienten“ kommt somit dem Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen nach, um die Freiheit zu wahren und dem eigenen Willen zu folgen. Entscheidungen über eine Behandlung werden demnach in einem „informed consent“ gefällt. Eine durch ärztliche Information vorbereitete eigenständige Entscheidung des Patienten besitzt dabei die ausschlaggebende Bedeutung.

Hierbei ist positiv zu klären, was unter dem Begriff „Autonomie“ bei der Entscheidung über eine Behandlung zu verstehen ist. Kritisiert wird, dass in der Diskussion um Autonomie unter diesem Stichwort, so der Medizinethiker Günter Virt, jeder beliebige Wunsch eines Patienten zu verstehen wäre und der Patient den Arzt als Handlanger dieser Wünsche betrachten könne.31

Die verschiedenen Ansätze machen – so soll für die Untersuchung hier festgehalten werden – deutlich, dass darum gerungen wurde und wird, anhand welcher Aspekte eine Entscheidung über eine Behandlung gefällt werden sollte. Entscheidung meint aber dabei mehr als bloße objektive, logische Folgerung. Auch im Bereich der theologischen Ethik kann im Sinne dieser gleichsam subjektiven Offenheit ein solches Ringen festgestellt werden. Studien zur Patientenautonomie oder Existentialethik öffnen den Blick für anthropologische Hintergründe angesichts medizinethischer Herausforderungen.32 Die Untersuchungen und Entwürfe zeugen dabei von einem Verständnis des Menschen im Kontext seines Selbstbestimmungsrechtes wie auch der Suche nach einer vernunftgemäßen moralischen Orientierung im Kontext des Glaubens. Dabei geht es gegenwärtigen theologisch-ethischen Untersuchungen weniger um den Schluss von einzelnen Beispielen und Fällen auf einzelne Normen, sondern um anthropologische und moraltheologische Zusammenhänge.

Konkret gälte dies auch für die Frage nach der Verhältnismäßigkeit als einem Kriterium für einen Behandlungsabbruch und -verzicht. Aber: Während der Jurist Rainer Dechsling in der Einleitung seiner rechtswissenschaftlichen Studie zum Gebot der Verhältnismäßigkeit im Bereich staatlichen Handelns auf die reichhaltige Forschungsliteratur hinweist („Wer es Mitte der 80er Jahre unternimmt, über die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ein Buch zu schreiben, muß sich die Frage gefallen lassen, ob das Maß nach drei Habilitationsschriften, mehr als doppelt so viel Dissertationen und ungezählten Aufsätzen zu diesem Thema nicht allmählich voll ist. Ist dieser rechtsstaatliche ‚Alleskleber’ und ‚Weichmacher’ nicht längst so ‚lapidar’, daß alles über ihn gesagt ist?“33), kann eine solch intensive Beschäftigung dagegen für das medizinethische Kriterium der Verhältnismäßigkeit im Bereich der theologischen Ethik nicht festgestellt werden.34

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass eine Auseinandersetzung mit dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit insbesondere auf begriffsgeschichtlicher, semantischer und normativer Ebene stattfindet. Die ethische Beschäftigung mit dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit hat einen meist ausschnitthaften Charakter, da sie im Kontext der Diskussion mit der Euthanasie verläuft.35 Eine eigenständige ethische Auseinandersetzung über die Begriffsgeschichte und -definition hinaus muss dagegen noch geleistet werden.

1.3 Zur Vorgehensweise: Die Situation des Patienten als Grundlage für die ethische Reflexion im Kontext des Glaubens

Medizin und Ethik sind einander nicht fremd. Fragen nach den Erfahrungen von Menschen mit den Möglichkeiten der modernen Medizin und die Suche nach möglichen ethischen Orientierungspunkten für eine Entscheidung über eine Behandlung gehören zum Alltagsgeschäft in Praxis und Wissenschaft.

Für die Untersuchung des Begriffes Verhältnismäßigkeit als einem Kriterium für einen Behandlungsabbruch bzw. -verzicht soll nun auf dem Boden des dargelegten Forschungsstandes die Frage im Hintergrund stehen, inwieweit er eine Grundlage für die ethische Reflexion im Kontext des Glaubens hinsichtlich der Situation des Patienten darstellt. Dafür sprechen verschiedene Gründe: Ein wesentliches Motiv kirchlicher Aussagen sowie theologischethischer Reflexion stellt – die begriffsgeschichtliche Darstellung wird das noch zeigen – das „Wohl der Person“ dar.36 Kirchliche Verlautbarungen und ethische Reflexion sind kein Selbstzweck. Aus religiöser Perspektive richtet sich moralische Orientierung an dem „Wohl der Person“ aus.37 Individualethische Normen und Kriterien haben demnach einen orientierenden und unterstützenden Charakter für diesen Dienst an der Person.

Für die vorliegende Untersuchung ist darüber hinaus wichtig, dass hinsichtlich der hermeneutischen Vorgehensweise für die Arbeit relevante Sachverhalte berücksichtigt werden müssen, um grundlegenden kontextuellen Bedingungen und Problemen der Gegenwart zu entsprechen.38 Es muss zunächst um die Situation des Patienten angesichts der Fragestellung des Behandlungsabbruchs und -verzichts in der modernen Medizin gehen. Dies stellt schließlich auch den medizinethischen Kontext des Untersuchungsgegenstandes dar.

Um dem Ziel – dem „Wohl der Person“ – nachzugehen, bietet sich in diesem Sinne gerade die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Behandlung aus zweierlei Gründen an. Zum einen besitzt die Thematik des Behandlungsabbruchs bzw. -verzichts einen unmittelbaren Bezug zu den Fragen der moralischen Orientierung. In der theologisch-ethischen Untersuchung des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit treffen zwei Sachbereiche aufeinander. Die Frage, inwieweit eine Therapie indiziert sei, ist zunächst vor allem eine medizinische Fachfrage, d. h. es werden Erfolgschancen geprüft sowie mögliche Behandlungsalternativen und Rehabilitationen in Betracht gezogen. Da diese Fragen jedoch Lebensperspektiven und -situationen von Menschen betreffen, sind Antworten nicht mehr nur von einem naturwissenschaftlichen, sondern auch von einem existenziellen, in diesem Sinne eben ethischen Standpunkt aus zu beantworten.39

Darüber hinaus bietet sich das Thema an, da das Kriterium der Verhältnismäßigkeit mit medizinethischen Desideraten in Beziehung gesetzt werden kann und mit bestimmten Anforderungen konfrontiert wird. Hier geht es um den angemessenen Umgang mit dem Sterben, mit den Grenzen auch der modernen Medizin bei all ihrem Optionenreichtum.

Dennoch ist es nicht Anliegen der Arbeit, sämtliche Aspekte des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit zu untersuchen. Vielmehr geht es eben um die spezielle Frage, inwieweit das Kriterium für die Zielstellung ethischer Reflexion – das „Wohl der Person“ – Relevanz besitzt. So ist in theologisch-ethischer Perspektive zunächst ganz prinzipiell und allgemein, allerdings fokussiert auf den Patienten und seine Entscheidungsabwägung zu fragen, welche Sinnqualitäten das Kriterium der Verhältnismäßigkeit angesichts der existentiellen Entscheidung über eine Behandlung bereithält. Wohl liegt nahe, dass diese theologisch-ethische Auseinandersetzung mit dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit auf diese Weise auch einen Beitrag speziell für die theologiegeschichtliche und die medizinethische Diskussion des Behandlungsabbruchs bzw. -verzichts leisten kann.

1.4 Arbeitsschritte und Gliederung der Arbeit

Die Frage, wie das Kriterium der Verhältnismäßigkeit in Beziehung zur Situation von Patienten angesichts vielfältiger Möglichkeiten in der modernen Medizin gebracht werden kann, soll – so ist aus der Darstellung des Forschungsstandes und der Vorgehensweise dieser Untersuchung deutlich geworden – leitend in der vorliegenden Arbeit sein. Die vorangegangenen Überlegungen stellen den Rahmen der Untersuchung zum Kriterium der Verhältnismäßigkeit dar. Im folgenden Abschnitt sollen nun die einzelnen Arbeitsschritte vorgestellt werden:

Im ersten Teil der Arbeit (Zweites Kapitel: Medizinethische Herausforderungen bei der Entscheidung über eine Behandlung) werden Bedingungen und Desiderate hinsichtlich der Entscheidung über eine Behandlung erkundet. Dabei soll die im Abschnitt „Zur Vorgehensweise“ angesprochene induktive Vorgehensweise praktiziert werden. D.h.: Für diese Darstellung wird auf medizinethische Befunde zurückgegriffen. Verschiedene Zugangsweisen aus Ethik, Medizin, Geschichte und Soziologie kommen dabei zur Sprache und werden hinsichtlich der medizinethischen Herausforderung einer Entscheidung über eine Therapie, wie sie sich gegenwärtig stellt, analysiert. Aus dieser Analyse, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wohl aber auf Erfassung von für diese Arbeit relevante Charakteristika erhebt, ergibt sich eine Systematik folgender drei Kategorien der Herausforderung: (1) Technisierung und Objektivierung, (2) Notwendigkeit einer Entscheidung und (3) Verlangsamung des Sterbeprozesses sind hervorstechende Signaturen heutiger medizinischer Behandlung.

Alle drei Kategorien stellen in medizinethischer Hinsicht Herausforderungen dar. Es werden somit unterschiedliche Aspekte der Patientensituation angesichts einer möglichen Entscheidung über eine Behandlung thematisiert.

Der Darstellung medizinethischer Herausforderungen folgt eine Untersuchung des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit (Drittes Kapitel: Zur begriffsgeschichtlichen Entwicklung des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit). Anhand der Begriffsgeschichte in moraltheologischen Darstellungen und kirchenamtlichen Texten soll in einem ersten Schritt analysiert werden, welches gemeinsame Verständnis des Kriteriums den Autoren zugrunde liegt. In darauf folgenden Abschnitten soll der Begriff kritisch aufgearbeitet und Konsequenzen für ein Verständnis in heutiger Zeit gezogen werden. Die Abschnitte zur Begriffsgeschichte und -kritik sollen auf diese Weise zu einem für die Arbeit praktikablen Verständnis führen, um medizinethische Herausforderungen mit dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit ins Gespräch zu bringen.

Im letzten Teil der Arbeit (Viertes bis sechstes Kapitel) wird das Kriterium der Verhältnismäßigkeit hinsichtlich der medizinethischen Desiderate für gegenwärtige Entscheidungssituationen des Patienten reflektiert. Dabei soll gezeigt werden, welche Impulse sich aus der Begriffsgeschichte des Kriteriums für die jeweiligen Fragestellungen ableiten lassen. Zunächst erfolgt in den jeweiligen Kapiteln eine notwendige Klärung von Begrifflichkeiten und Vorverständnissen. In einem zweiten Schritt werden Befunde des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit hinsichtlich der Fragestellungen ausgelegt.

Fragen der Technisierung, der Orientierungspunkte einer Entscheidung sowie erweiterter technischer und medikamentöser Möglichkeiten der Lebensverlängerung sollen dabei als konkrete Situationen heutiger Medizin und Behandlung hinsichtlich des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit bedacht werden, auch wenn die jeweils ganz spezielle Lösung der damit zusammenhängenden Konflikte nicht das Hauptaugenmerk der Untersuchung ausmachen. Eine wesentliche Quelle für die Reflexion stellt immer wieder die Begriffsgeschichte des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit dar. Dabei aber wird der letzte und entscheidende Fokus – das sei auch hier noch einmal ausdrücklich festgehalten – auf die Frage nach der Situation des Patienten im Kontext heutiger medizinischer Behandlungssituationen gelegt.

1     Vgl. u. a. Gethmann, Carl Friedrich [u. a.], Gesundheit nach Maß? Eine transdisziplinäre Studie zu den Grundlagen eines dauerhaften Gesundheitssystems. (Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, Forschungsberichte. Hg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 13) Berlin 2004.

2     Vgl. Gethmann, C. F. [u. a.], Gesundheit nach Maß?, 2–8.

3     Vgl. dazu Kapitel 2. Irrgang, Bernhard, Grundriß der medizinischen Ethik. München 1995, 11f.

4     Vgl. Honnefelder, Ludger, Art. Ethik, 1. Philosophisch, in: LBE 1. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 654–662, 655f.

5     Ein Diskurs- und Arbeitsfeld besteht in Untersuchungen zu ethischen Fragen der Sterbehilfe. Vgl. u. a. Raible, Wolfgang (Hg.), Beistand bis zuletzt. Erfahrungen und Hilfen bei der Begleitung sterbender Menschen. Freiburg 2015. Krämmer, Johannes, Vom Wandel des Umgangs mit den Themen Tod und Sterben. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen und Diskussionen, in: Ethica 22 (2014), 253–282. Breitsameter, Christof; Walker, Andreas, Ethische Entscheidungen in Hospizen, in: EthikMed 25 (2013), 301–313. Ärzte verweigern Behandlungen, in: Osterländer Volkszeitung, Nr. 135 (18. Jahrgang), 13./14.6.2009, 2. Göring-Eckardt, Katrin (Hg.), Würdig leben bis zuletzt. Sterbehilfe, Hilfe beim Sterben, Sterbebegleitung; eine Streitschrift. Gütersloh 2007. Scholz, Ruth, Die Diskussion um die Euthanasie. Zu den anthropologischen Hintergründen einer ethischen Fragestellung. (StdM 26) Münster 2002. Zimmermann-Acklin, Markus, Euthanasie. Eine theologisch-ethische Untersuchung. (Studien zur theologischen Ethik, 79) Freiburg/Schweiz [u. a.] 22002. Eibach, Ulrich, Medizin und Menschenwürde. Ethische Probleme der Medizin aus christlicher Sicht. Wuppertal 1976. Wunderli, Jörg, Euthanasie oder über die Würde des Sterbens. Ein Beitrag zur Diskussion. Stuttgart 1974. Sporken, Paul, Menschlich sterben. Düsseldorf 21973. Studien zeigen dabei, dass Entscheidungen über medizinische Behandlungen stets mit anthropologischen Hintergründen verbunden sind. Vgl. u. a. Kostka, Ulrike, Der Mensch in Krankheit, Heilung und Gesundheit im Spiegel der modernen Medizin. Eine biblische und theologisch-ethische Reflexion. (StdM 12) Münster 2000. Lanzerath, Dirk, Krankheit und ärztliches Handeln. Zur Funktion des Krankheitsbegriffs in der medizinischen Ethik. Freiburg [u. a.] 2000. Arntz, Klaus, Unbegrenzte Lebensqualität? Bioethische Herausforderungen der Moraltheologie. (StdM 2) Münster 1996. Nicht zuletzt setzen sich Autoren aus der Nachbardisziplin, der Sozialethik, mit Fragen der Ressourcenallokation im Gesundheitswesen auseinander. Vgl. u. a. Gethmann, C. F. [u. a.], Gesundheit nach Maß? Kostka, Ulrike; Mack, Elke, Medizinische Leitlinien: Eine ethische Analyse, in: Ludger Honnefelder; Christian Streffer (Hg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, Bd. 5. Berlin [u. a.] 2000, 227–241. Arnold, Michael, Probleme bei der Einlösung des Wirtschaftlichkeitsgebotes, in: Ludger Honnefelder; Christian Streffer (Hg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, Bd. 3. Berlin [u. a.] 1998, 159172. Gäfgen, Gérard, Das Dilemma zwischen humanem Anspruch und ökonomischer Knappheit im Gesundheitswesen, in: Ludger Honnefelder; Christian Streffer (Hg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik, Bd. 3. Berlin [u. a.] 1998, 149–158. Badura, Bernhard; Feuerstein, Günter, Systemgestaltung im Gesundheitswesen. Zur Versorgungskrise der hochtechnisierten Medizin und den Möglichkeiten ihrer Bewältigung. Weinheim [u. a.] 1994.

6     Vgl. im Folgenden Römelt, Josef, Ethik der Sterbebegleitung. Zwischen der Unverfügbarkeit des Lebens, dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der zwischenmenschlichen Solidarität, in: Ethica 21 (2013), 195–220. Römelt, Josef, Christliche Ethik in moderner Gesellschaft. Bd. 2: Lebensbereiche. (Grundlagen Theologie) Freiburg/Br. 2009, 117f. Römelt, Josef, Freiheit, die mehr ist als Willkür. Christliche Ethik in zwischenmenschlicher Beziehung, Lebensgestaltung, Krankheit und Tod. Handbuch der Moraltheologie Bd. 2. Regensburg 1997, 200.

7     Vgl. zur Begriffsgeschichte und -kritik des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit Kapitel 3.

8     In der Theologiegeschichte lassen sich für den Begriff „Verhältnismäßigkeit“ in Bezug auf die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch und -verzicht zahlreiche Synonyme finden. Autoren aus dem Bereich der Moraltheologie verwenden auch Begriffe wie „gewöhnliche“ und „ungewöhnliche“ Mittel sowie „übliche“ und „unübliche“ Mittel. Bis ins 19. Jahrhundert hinein erfolgt die Auseinandersetzung überwiegend in lateinischer Sprache. In der vorliegenden Arbeit wird vorrangig der Begriff „Verhältnismäßigkeit“ bzw. „Unverhältnismäßigkeit“ verwendet. Damit schließt sich der Autor gängigen Formulierungen an. Vgl. dazu Kapitel 3.

9     Die Erörterung sozialethischer Allokations- und Rationierungsfragen, die in Bezug zum Kriterium der Verhältnismäßigkeit stehen, erfordert eine eigenständige Zielformulierung und Methodik. Einen Verweis auf eine mögliche sozialethische Dimension des Kriteriums der Verhältnismäßigkeit bietet Alfons Auer in seinem Lexikonartikel zum Behandlungsabbruch und -verzicht. Vgl. Auer, Alfons, Art. Behandlungsabbruch/Behandlungsverzicht. 2. Ethik, in: LMed. Freiburg [u. a.] 1989, 175–181.

10   Von einzelnen Autoren wird dem Kriterium nur noch eine theologiegeschichtliche Bedeutung beigemessen. Vgl. u. a. Schockenhoff, Eberhard, Ethik des Lebens. Ein theologischer Grundriss. Mainz 1993, 251.

11   Die Begriffe „Behandlungsabbruch“ und „Behandlungsverzicht“ sind zweideutig. Im Anschluss an Enrique H. Prat soll darunter verstanden werden, dass eine Therapie abgebrochen oder auf sie verzichtet wird. Jedoch soll nicht darunter verstanden werden, dass ein kranker Mensch einfach nicht medizinisch und pflegerisch versorgt wird. Vgl. Prat, Enrique H., Behandlungsabbruch und Behandlungsverzicht, in: Imabe-Info 4/1997. http://www.imabe.org/index.php?id=112 (6.8.2008).

12   Vgl. u. a. Manz, Hans Georg von, Typen medizinischer Ethik, in: Eberhard Amelung (Hg.), Ethisches Denken in der Medizin. Ein Lehrbuch. Berlin [u. a.] 1992, 76–91. Eid des Hippokrates, in: Charles Lichtenthaeler, Der Eid des Hippokrates. Ursprung und Bedeutung. Köln 1984, 21.

13   Vgl. u. a. Capellmann, Carl, Pastoralmedizin. Hg. v. W. Bergmann. Paderborn 181920. Ballerini, Antonio, Opus Theologicum Morale. In Busembaum Medullam. Dominicus Pamieri (Ed.). Volumen II. Prati 1890. Laymann, Paul, Theologia Moralis (Quinque Libros), Liber tertius. Monachii 1626.

14   Vgl. Cronin, Daniel A., The Moral Law In Regard The Ordinary And Extraordinary Means Of Conserving Life. Rom 1958. Die Dissertation Cronins wurde im Jahr 1989 in den Sammelband „Conserving Human Life“ aufgenommen: Cronin, Daniel A., The Moral Law In Regard The Ordinary And Extraordinary Means Of Conserving Life, in: Russell E. Smith (Ed.), Conserving Human Life. Braintree 1989, 3–145.

15   Vgl. u. a. O’Donnell, Thomas J., Medicine and Christian Morality. New York 1976, 46–55. Kelly, Gerald, Medico-Moral Problems. St. Louis 41963, 128–141.

16   Vgl. u. a. Doherty, John, The withdrawal of assisted nutrition and hydration and the canonical offence of homicide. Ottawa 2002. McCormick, Richard A., To Save or Let Die. The Dilemma of Modern Medicine, in: JAMA 229 (1974), 172–176. Kelly, G., Medico-Moral Problems, 129ff.

17   Vgl. u. a. Schockenhoff, E., Ethik des Lebens, 251. Fleckenstein, Heinz, Christliche Bewältigung ärztlicher Ausweglosigkeit, in: ArztChr 11 (1965), 235–245, 239f.

18   Vgl. Ernst, Stephan, Zwischen Annehmen und Loslassen. Konflikte der Frühgeborenenmedizin aus theologisch-ethischer Sicht, in: StZ 227 (2009), 86–96. Ernst, Stephan, Verhältnismäßige und unverhältnismäßige Mittel. Eine bedenkenswerte Unterscheidung in der lehramtlichen Bewertung der Sterbehilfe, in: MThZ 58 (2007), 43–57. Ernst, Stephan, Verhältnismäßigkeit der Mittel. Erinnerung an einen nachkonziliaren Begriff in der kirchlichen Bewertung der Sterbehilfe, in: Thomas Franz; Hanjo Sauer (Hg.), Glaube in der Welt von heute. Theologie und Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Bd. 1: Profilierungen. (FS Elmar Klinger) Würzburg 2006, 285–309.

19   Vgl. Manz, H. G. v., Typen medizinischer Ethik, 77ff.

20   Vgl. Dickhaut, Hans H.; Luban-Plozza, Boris, Art. Arzt-Patient-Beziehung, in: Albin Eser (Hg. u. a.), Lexikon Medizin, Ethik, Recht. Freiburg [u. a.] 1989, 122–132, 122. Engelhardt, Dietrich von, Die Arzt-Patienten-Beziehung – gestern, heute, morgen, in: Erich Lang; Klaus Arnold (Hg.), Die Arzt-Patienten-Beziehung im Wandel. Stuttgart 1996, 19–48, 22.

21   Vgl. Siegrist, Johannes, Art. Arzt-Patienten-Beziehung, 1. Zum Problemstand, in: LBE 1. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 238–242, 238.

22   Vgl. Eid des Hippokrates, in: C. Lichtenthaeler, Der Eid des Hippokrates, 21.

23   Vgl. Deichgräber, Karl, Der hippokratische Eid. Stuttgart 41983, 41.

24   Vgl. Siegrist, Johannes, Art. Arzt-Patienten-Beziehung, 3. Ethisch, in: LBE 1. (Studienausgabe) Gütersloh 2000, 245–248, 245.

25   Vgl. Schrappe, Matthias; Lauterbach, Karl W., 3. Medizinische Entscheidungsprozesse und Evidence-based Medicine, 3.1 Evidence-based Medicine: Einführung und Begründung, in: Karl W. Lauterbach; Matthias Schrappe (Hg.), Gesundheitsökonomie, Qualitätsmanagement und Evidence-based Medicine. Eine systematische Einführung. Stuttgart 22004, 60–69, 60.

26   Vgl. Brand, Angela; Brand, Helmut; Schröder, Peter; Laaser, Ulrich, Epidemiologische Verfahren in den Gesundheitswissenschaften, in: Klaus Hurrelmann (Hg. u. a.), Handbuch Gesundheitswissenschaften. Weinheim [u. a.] 42006, 255–300, 288.

27   Vgl. Wiesing, Urban, Ethische Aspekte der Evidence-Based Medicine (1999), in: Urban Wiesing (Hg.), Diesseits von Hippokrates. 20 Jahre Beiträge zur Ethik in der Medizin im Ärzteblatt Baden-Württemberg. Stuttgart 2003, 297–300, 298f.

28   Vgl. Rager, Günter, Medizin als praktische Wissenschaft. Zur Grundlegung des ärztlichen Handelns, in: ArztChr 37 (1991), 75–85, 79. Vgl. dazu auch Duttge, Gunnar, Einseitige („objektive“) Begrenzung ärztlicher Lebenserhaltung? – Ein zentrales Kapitel zum Verhältnis von Recht und Medizin, in: NStZ (2006) 9, 479–484.

29   Vgl. Beauchamp, Tom L., Prinzipien und andere aufkommende Paradigmen in der Bioethik, in: Oliver Rauprich; Florian Steger (Hg.), Prinzipienethik in der Biomedizin. Moralphilosophie und medizinische Praxis. (Kultur der Medizin, 14) Frankfurt/M. [u. a.] 2005, 48–73, 50. Beauchamp, Tom L.; Childress James F., Principles of Biomedical Ethics. New York 52001.

30   Im Kontext des Prinzips des Nichtschadens wird die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Behandlungen (ordinary vs. extraordinary treatments) rezipiert, deren Entwicklung auf die römisch-katholische Moraltheologie zurückgeführt wird. Diese Unterscheidung wurde, so Beauchamp und Childress, in der medizinischen Ethik vor allem genutzt, um die Möglichkeit eines Behandlungsabbruchs und -verzichts von Seiten des Patienten zu erwägen und dies von einem Suizid abzugrenzen. Sie wurde in der Vergangenheit insbesondere in Bezug auf die Mittel (usual/customary vs. unusual/uncustomary) interpretiert, was ihr Kritik aufgrund moralischer Irrelevanz und mangelnder Praktikabilität einbrachte und durch die Unterscheidung zwischen optionaler und verpflichtender Behandlung ersetzt werden sollte. Vgl. Beauchamp, T. L.; Childress J. F., Principles of Biomedical Ethics, 123ff.

31   Zur Kritik am Begriff der Autonomie vgl. u. a. Virt, Günter, Leben bis zum Ende. Zur Ethik des Sterbens und des Todes. Innsbruck 1998, 17f.

32   Vgl. u. a. Breitsameter, Christof (Hg.), Autonomie und Stellvertretung in der Medizin. Entscheidungsfindung bei nichteinwilligungsfähigen Patienten. Stuttgart 2011. Salloch, Sabine; Breitsameter, Christof, Selbstbestimmung bis zuletzt – Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie zu Möglichkeiten und Grenzen der Autonomieausübung im stationären Hospiz, in: EthikMed 23 (2011), 217–230. Brantl, Johannes, Entscheidung durch Unterscheidung. Existentialethik als ein inneres Moment einer medizinischen Ethik in christlicher Perspektive. (StdM 37) Münster [u. a.] 2007. Giese, Constanze, Die Patientenautonomie zwischen Paternalismus und Wirtschaftlichkeit. Das Modell des „Informed Consent“ in der Diskussion. (StdM 22) Münster 2002. Holzem, Christoph, Patientenautonomie. Bioethische Erkundungen über einen funktionalen Begriff der Autonomie im medizinischen Kontext. (StdM 11) Münster [u. a.] 1998.

33   Dechsling, Rainer, Das Verhältnismäßigkeitsgebot. Eine Bestandsaufnahme der Literatur zur Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns. München 1989, 1.

34   So wird im Artikel des Lexikons für Theologie und Kirche „Verhältnismäßigkeit“ allein in juristischer Perspektive behandelt. Vgl. Hollerbach, Alexander, Art. Verhältnismäßigkeit, in: LThK 10. (Sonderausgabe) Freiburg [u. a.] 2006, 669–670.

35   Im Zusammenhang mit medizinethischen Fragestellungen zum Lebensende erfolgen in der moraltheologischen Forschungsliteratur und in Handbüchern zumeist Erörterungen über die Möglichkeit von Behandlungsabbrüchen in Form indirekter und passiver Sterbehilfe sowie die aktive Euthanasie. Vgl. u. a. Sporken, Paul, Die Sorge um den kranken Menschen. Grundlagen einer neuen medizinischen Ethik. Düsseldorf 41988. Zur Begriffsgeschichte und -problematik von „(aktiver) Euthanasie“ vgl. u. a. Jochemsen, Henk, Sterbehilfe und Palliativpflege in den Niederlanden, in: Katrin Göring-Eckardt (Hg.), Würdig leben bis zuletzt. Sterbehilfe, Hilfe beim Sterben, Sterbebegleitung; eine Streitschrift. Gütersloh 2007, 87–98. Zimmermann-Acklin, M., Euthanasie, 19ff.; 223ff. Dagegen ist das Kriterium der Verhältnismäßigkeit sehr selten explizit Gegenstand der Darstellung. Vgl. u. a. Weber, Helmut, Spezielle Moraltheologie. Grundfragen des christlichen Lebens. Graz [u. a.] 1999, 228. Römelt, J., Freiheit, die mehr ist als Willkür, 273f. Häring, Bernhard, Frei in Christus. Moraltheologie für die Praxis des christlichen Lebens, Bd. 3: Die Verantwortung des Menschen für das Leben. (Sonderausgabe) Freiburg [u. a.] 1989, 123f.

36   Vgl. Götz, Christoph, Medizinische Ethik und katholische Kirche. Die Aussagen des päpstlichen Lehramtes zu Fragen der medizinischen Ethik seit dem Zweiten Vatikanum. (StdM 15) Münster 2000, 311–321.

37   Vgl. Götz, C., Medizinische Ethik und katholische Kirche, 315. Weber, Helmut, Allgemeine Moraltheologie. Ruf und Antwort. Graz [u. a.] 1991, 153–166.

38   Vgl. Wiedenhofer, Siegfried, Art. Hermeneutik, III. Systematisch-theologisch, in: LThK 5. (Sonderausgabe) Freiburg [u. a.] 2006, 6f.

39   Vgl. Böckle, Franz, Verantwortlich leben – menschenwürdig sterben. Zürich 21992, 62.