Giovanni Bellini, genannt Giambellino (um 1430-1516)
Als Maler der Muttergottes, die Giovanni im Lauf seiner Künstlerkarriere nahezu hundert Mal darstellte, brachte er es zu einer wahren Meisterschaft. Facettenreich wie keiner vor und nach ihm drückte er den geläuterten Schmerz Marias aus.
Als der Sizilianer Antonello da Messina um 1475 die neue niederländische Technik der Ölmalerei in Venedig einführte, nahm Giovanni sie sofort auf. Die ölgebundenen Farben bereicherten die Palette um viele Nuancen und inspirierten Giambellino zu einer transparenteren Malweise. Er begann nun, die Landschaft nicht mehr als bloßen Hintergrund zu behandeln, sondern zum wesentlichen Bildbestandteil zu machen. Auf einigen seiner Landschaftsbilder mit Heiligenszenen sammelt sich das Himmelslicht so verdichtet um die Hauptgestalten, dass diese auch ohne Heiligenschein göttlich anmuten.
Der Umstand, dass Giovanni Bellini bei öffentlichen Aufträgen und offiziellen Ehrungen immer hinter seinem älteren Bruder Gentile rangierte, obwohl er der bessere Maler war, liegt an seiner niedrigeren Stellung als vermutlich unehelicher Sohn. Doch als der (Halb-)Bruder 1479 von der Serenissima nach Konstantinopel entsandt wurde, schlug Giambellinos Stunde. Er bekam den Auftrag, an Stelle von Gentile die Arbeiten am Dogenpalast fortzuführen. Sein Ruf wuchs nun rasch. 1483 avancierte er zum offiziellen Staatsmaler der Republik und arbeitete außerdem für die größten Bruderschaften Venedigs sowie für zahlreiche Auftraggeber aus den Nachbarstädten.
Es ist überliefert, dass die Arbeiten am Dogenpalast unter Giambellinos Leitung mit geradezu beunruhigender Langsamkeit voranschritten, woraufhin die Regierung einen Beamten damit beauftragte, täglich den Großen Saal des Palastes aufzusuchen, um nachzusehen, ob die Maler auch tatsächlich arbeiteten; andernfalls sollte ihnen das Honorar gekürzt werden. Es gibt leider keine Kopien, Zeichnungen und Stiche, die uns heute eine Vorstellung von den Kompositionen vermitteln könnten, die Giambellinos Schöpferkraft damals jahrelang in Anspruch genommen haben. - Von den großen Historiengemälden im Dogenpalast, an denen die besten venezianischen Talente von Gentile Bellini bis Tizian gearbeitet hatten, blieb keines beim großen Brand von 1577 verschont. Giovanni Bellinis erhaltenes Werk, das nahezu die gesamte Zeit der Renaissance umspannt, umfasst Altarbilder, Bildnisse, Allegorien und Landschaften, die allesamt von einer außergewöhnlichen Ausdruckskraft und lebendigen Ausstrahlung gekennzeichnet sind. Sein Zeitgenosse Albrecht Dürer, der Giambellino persönlich gekannt hat, bezeichnete ihn als den Besten in der Malerei. In der Galleria dell’Accademia (→ S. 199) befindet sich eine repräsentative Auswahl seiner Werke.