Vittore Carpaccio (um 1455 bzw. 1465-1526)
Die genaue Herkunft und das Geburtsjahr des Malers sind unbekannt; außerdem gibt es keinen Beleg seiner künstlerischen Tätigkeit vor 1490. Da man nichts Gesichertes über seine Ausbildung weiß, wird Carpaccio in der Kunstwissenschaft gemeinhin als Einzelgänger bzw. Autodidakt bezeichnet, der ausschließlich seiner schöpferischen Fantasie folgte. Ähnlichkeiten mit den unterschiedlichen Malstilen der Bellini-Werkstatt sind jedoch auffällig. Von Jacopo Bellini lernte Carpaccio, seine Figuren in Architekturlandschaften zu stellen, während er von Gentile Bellini einen Hang zum Orientalischen übernahm, der einigen Kunsthistorikern sogar Anlass zu der Vermutung gab, Carpaccio habe Gentile auf seiner Reise nach Konstantinopel begleitet. Mit Giovanni Bellini hingegen verbindet ihn die konsequente Ablehnung von Pathos und Monumentalität in der Malerei, insbesondere in den Pietà-Darstellungen.
Carpaccio arbeitete wie die Brüder Bellini am Dogenpalast sowie für die großen Bruderschaften der Stadt. In den Bruderschaftsbildern, in denen er Zyklen heiliger Geschichten malte, schilderte er zugleich das Leben in seiner Heimatstadt mit solcher Hingabe und Fantasie, dass seine Bilder zu regelrechten Hymnen auf Venedig gerieten. In seinem 1495 beendeten Hauptwerk, einer Bilderreihe mit Szenen aus dem „Leben der Heiligen Ursula“ (Galleria dell’Accademia → S. 199), lässt er in märchenhaften Szenerien farbenprächtig gekleidete Personen auftreten. Von 1502 bis 1508 widmete sich Carpaccio dem Gemäldezyklus der Scuola di San Giorgio degli Schiavoni (→ S. 171), der ebenfalls noch vollständig erhalten ist. In den späteren Jahren, als in Venedig bereits die Malergenies Giorgione und Tizian dominierten, arbeitete Carpaccio in Istrien und Dalmatien.