Feuchtigkeit (Shi 濕) ist ein sehr häufig vorkommender pathogener Faktor. Hervorgerufen wird Feuchtigkeit vor allem durch eine Qi-Schwäche der Milz (innere Feuchtigkeit) oder durch die Umwandlung von außen eingedrungener Feuchtigkeit (Aufenthalt in feuchter Umgebung, Durchnässung) in innere Feuchtigkeit. Gestört wird damit der Wassermetabolismus, an dem Milz, Lunge, Niere, Blase und 3-Erwärmer beteiligt sind. In jedem Fall sind die Milz-Funktionen der Umwandlung und des Transportes (Yùn Huà 运化) beeinträchtigt, was zu Ansammlung, Stagnation und Trübheit der Flüssigkeiten führt.
Geschädigt wird die Milz besonders durch nicht zuträgliche Essgewohnheiten, zu viele Süßigkeiten, Zuckerwaren, Rohkost, kühlende Getränke, Alkoholabusus, lange anhaltende Sorgen – alles Faktoren, die das Qi der Milz verstopfen und zur Bildung von trüber Feuchtigkeit führen (MAG 2010: 788f.)
Feuchtigkeit ist ein Yin-Pathogen, ist schwer und träge, hat einen absinkenden (herunterziehenden), verlangsamenden Einfluss und ruft Stagnation hervor.
Feuchtigkeit bringt oft einen zähen und chronischen Krankheitsverlauf mit sich und ist in der Folge auch mit verantwortlich für viele Erkrankungen der Haut, des Verdauungstraktes, der Harnwege, des Menstruationszyklus sowie für Erschöpfung.
Die Kräuter dieser Arzneigruppe sind vorwiegend warm, aromatisch, scharf, bitter, trocknend und mild süß.
Sie helfen, Feuchtigkeit zu beseitigen und den Energiefluss wiederherzustellen. Sie zeigen meist eine Wirkung auf Milz, Lunge und Dickdarm. Da Feuchtigkeit zu Stagnation führt, ist es sinnvoll, Feuchtigkeit umwandelnde Kräuter mit Qi bewegenden Kräutern aus ▶ Kap. 9.2 zu kombinieren.
Auch wenn die Feuchtigkeit ätiologisch mit Milz-Nieren-Yang-Mangel einhergeht, so stellt die Feuchtigkeit doch eine Fülle dar. Dann muss gleichzeitig Feuchtigkeit beseitigt und Yang Qi gestärkt werden. Hier stehen warme Kräuter im Vordergrund. Sie helfen, das Klare aufsteigen zu lassen und das trübe Yin nach unten abzuführen.
„Wenn das Nieren-Yang leer ist und sein Qi das Wasser nicht mehr transformieren kann, wird das Wasser pathogen, indem es überläuft und Ödeme verursacht oder stagniert und Nässe entstehen lässt. Es entstehen Symptome wie Miktionsstörungen, Ödeme und Taubheit im unteren Abdomen. Wenn das Milz-Yang leer ist, können ähnliche Probleme entstehen.“ (BEN 1996: 214) Solche Probleme sind:
Bei Anzeichen von Feuchte-Hitze werden die Kräuter kombiniert mit Kräutern aus ▶ Kap. 7.2, die sich teilweise in ihrer Wirkung mit den hier vorgestellten überlappen können.
Allgemein haben aromatische Kräuter die Fähigkeit, trübe Feuchtigkeit zu trocknen, Qi-Blockaden zu lösen und die Milz wiederzubeleben.
„Als aromatisch (Xiang 水) wird in China manchmal der Geschmack, manchmal die Funktion bezeichnet. Das Aromatische hilft der Milz beim Transport. Aroma ist mit starkem Duft verbunden. Aromatische Öle aktivieren die Zirkulation, bewegen Leber-Qi […]. Aromatisches nährt nicht, hat mehr Qì 氣 als Wèi 味. Aromatische Kräuter wecken die Milz und befreien Herz-Shen, beseitigen Nässe und Schleim, lösen auch durch Schleim hervorgerufene Stagnation (Fang Xiang Hua Yào 芳香化藥). Dafür geeignete aromatische Kräuter sind vom Temperaturverhalten warm bis neutral.“ (MAS 187)
Der bittere Geschmack trocknet Feuchtigkeit und ist – in Verbindung mit einem warmen Temperaturverhalten – für die Behandlung von Verdauungsschwäche und Appetitverlust geeignet. Alle Kräuter der Gruppe lassen sich zu den „Amara aromatica“, den so in der europäischen Heilkräuter-Tradition bezeichneten Bittermitteln mit ätherischen Ölen, zählen.
Der scharfe Geschmack, den diese Kräuter ebenfalls aufweisen, bewegt und dynamisiert. Yin-Pathogene wie Feuchtigkeit und Schleim müssen bewegt werden, um erfolgreich behandelt zu werden. Kräuter mit scharfem Geschmack zerstreuen Feuchtigkeitsansammlungen und helfen, sie umzuwandeln. „Scharf-bitter-warme Arzneien trocknen unmittelbar Feuchtigkeit und eignen sich besonders für Wasser- oder Feuchtigkeits-Ansammlungen im mittleren 3-Erwärmer.“ (YAN 98)
Hier sind in erster Linie die ätherischen Öle zu nennen, die alle Kräuter dieser Gruppe enthalten und für den aromatischen Geschmack verantwortlich sind. Sie wirken hyperämisierend und durchgängig machend, bewegend, entstauend und trocknend. Darüber hinaus wirken sie je nach Heilpflanze auch harntreibend oder steigern die Gallensekretion.
Alle Kräuter weisen Bitterstoffe in unterschiedlicher Zusammensetzung auf, einige auch Stärke und Zucker, was im Licht der Chinesischen Medizin auf eine trocknende wie auch tonisierende Wirkung hinweist.
Siehe ▶ Abb. 6.1 und ▶ Tab. 6.1.
▶ Tab. 6.1 Monografie Acorus calamus.
Name (lat.) | Name (dt.) | Temperatur | Geschmack | Organbezug | Tagesdosis |
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Acorus calamus, rhiz. | Kalmus, Wurzel | warm | aromatisch/würzig, scharf, bitter, leicht süß | Mi, Ma, He, (Le, Lu) | mittlere Tagesdosis: 1–5g Infus, Dekokt Droge; 1–8ml Tinktur |
Wirkbeschreibung | Indikationen | ||||
Milz (und Magen) stärkend, wärmend, so Transport und Umwandlung (Yùn Huà) unterstützend, das klare Yang emporhebend | Appetit- und Verdauungsschwäche verbessernd: Hypoacidität, Gastritis Dyspepsie, weiche Stühle; Anämie Verdauungsschwäche bei Milch und Käse allgemeine und chronische Schwäche im Alter skrophulöse und rachitische Kinder Organsenkungen |
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Feuchtigkeit ableitend, (kalten) Schleim zerteilend (Milz, Magen, Lunge, Kopf) | weiche Stühle, träge Verdauung „verstopfte Leber und Milz“, dumpfer Kopf Schleim der Bronchien, Nase, Nebenhöhlen Lipome, Lymphknotenschwellung |
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Herz-Schleim transformierend, Geist (Shen) beruhigend, trübe Energien ausleitend | Konzentrationsschwäche, Gedächtnisschwäche, Geistesträgheit, Dumpfheit, Verdrießlichkeit orthostatischer Schwindel |
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lokale Anwendung: Qi und Blut bewegend, Wunden entgiftend | schwammiges Zahnfleisch (> Pulver) Zahnschmerzen, Heiserkeit Zahnungsschmerzen bei Kleinkindern Hautgeschwüre, alte Knochenulzera, Abszesse, Stiche, Bisse (> Auflage) |
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Jing stärkend | allgemeine und chronische Schwäche (Asthenie junger Frauen) Knochenerkrankungen |
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ROS (2009) 5f., MAG (1994), BÜH 156, KRA (2000) 62, KRA (2008 b), WILL 238ff., JÄN 265f., PAH 177, Positivmonografie Kommission E |
Kontraindikationen
Schwangerschaft, Stillzeit
Beachte: Überdosis kann Durchfall, Erbrechen, Entzündungen innerer Organe auslösen Europäische Arzneibücher legen Grenzwerte für den Gehalt von β-Asaron in der Droge bzw. in Lebensmitteln wegen eines Verdachts auf kanzerogene Wirkung fest. Bisher konnten beim Menschen keine von Kalmus ausgehenden kanzerogenen Effekte beobachtet werden. Im Gegensatz zur indischen enthält die europäische und nordamerikanische Droge nur 15 % β-Asaron im ätherischen Öl und gilt daher als nicht bedenklich. Von einem Dauergebrauch sollte jedoch abgeraten werden.
Siehe ▶ Tab. 6.2.
▶ Tab. 6.2 Monografie Elettaria cardamomum.
Name (lat.) | Name (dt.) | Temperatur | Geschmack | Organbezug | Tagesdosis |
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Elettaria cardamomum fruct. | Kardamom | warm | aromatischwürzig, etwas scharf, leicht süß und bitter | Ma, Mi, Därme | 1–6 g Infus; Tinktur: 1–6ml |
Wirkbeschreibung | Indikationen | ||||
Qi der Mitte wärmend, bewegend und tonisierend, Umwandlung und Ausleitung von Feuchtigkeit fördernd | Übelkeit, Erbrechen, saurer Reflux, Sodbrennen, epigastrische Schmerzen/Distension Gastritis/Gastroenteritis, Dyspepsie, Helicobacter pylori Diarrhöe mit Verdauungsschwäche und Kälte |
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Magen- und Darm-Qi bewegend und wärmend | Nahrungsmittelstagnation Blähungen, Völlegefühl, Schmerzen |
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das klare Yang emporhebend | Schwindel, Konzentrationsmangel, geistige Trägheit | ||||
PAH 389, LPH 183, JÄN 274, HOL 252, Positivmonografien Kommission E, WHO |
Siehe ▶ Abb. 6.2 und ▶ Tab. 6.3.
▶ Tab. 6.3 Monografie Citrus aurantium.
Name (lat.) | Name (dt.) | Temperatur | Geschmack | Organbezug | Tagesdosis |
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Citrus aurantium amara, pericarp. | Pomeranze, Schale | warm | scharf, aromatisch, bitter | Mi, Ma, Le, Lu, Därme | 1–6 g getr. Droge, Infus 1,5–3 ml Tinktur |
Wirkbeschreibung | Indikationen | ||||
Qi des Mittleren 3-Erwärmers (Mi, Ma, Le) regulierend und bewegend Umwandlungs- und Transportfunktion der Milz weckend |
Magenschmerz, Abdominalschmerz, abdominelle Spasmen, Dyspepsie Übelkeit, Erbrechen, Rülpsen, Schluckauf Ansammlungen, Analprolaps Gleichgültigkeit |
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Nahrungsretention auflösend Verdauung „schwerer“ Kräuter und Speisen fördernd |
Nahrungsretention Appetitlosigkeit, Verdauungsschwäche Blähung, Flatulenz, dyspeptische Beschwerden Anorexie, Magersucht Verstopfung |
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Feuchtigkeit trocknend Schleim-Kälte auflösend |
Tumor, wässriger Schleim Husten mit Schleim, Völlegefühl im Thorax |
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JÄN 419, SCW 187, BÜH 157, ROS (2009) 68, PAH 406, Positivmonografie Kommission E |
Nebenwirkungen
bei hellhäutigen Personen Fotosensibilisierung möglich
Siehe ▶ Tab. 6.4.
▶ Tab. 6.4 Monografie Levisticum officinale.
Name (lat.) | Name (dt.) | Temperatur | Geschmack | Organbezug | Tagesdosis |
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Levisticum officinale, rad. | Liebstöckel, Wurzel | warm | süß, scharfaromatisch, etwas bitter | Mi, Ma, Le, Därme, Ni, Bl, Uterus | 1–6 g getr. Droge, Infus 1–4 ml Tinktur |
Wirkbeschreibung | Indikationen | ||||
Ansammlung von Feuchtigkeit-Kälte auflösend und ausleitend | Wasseransammlung (spez. von Taille abwärts), Miktionsstörungen chronische Harnwegsinfekte, Harnverhalten, spärliche Miktion, häufiger Harndrang, Bettnässen, Albuminurie, Eiweiss im Urin, Zystitis weißer Ausfluss, Leukorrhöe |
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Qi regulierend, bewegend und stärkend | Dysmenorrhöe; PMS, verlangsamte Geburt, ret. Plazenta, Nachgeburt austreibend Melancholie, Hysterie, Müdigkeit, Abgeschlagenheit Erschöpfung, sexuelle Schwäche, Impotenz, Frigidität |
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Feuchtigkeit und Schleim transformierend und Inneres wärmend | abdominelle und epigastrische Schmerzen und Spannungsgefühl, Verdauungsstörungen, Flatulenz, breiige Stühle, Appetitmangel, Dyspepsie, Übelkeit; Koliken Verschleimungen der Atmungs- und Verdauungsorgane |
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Wind-Kälte eliminierend | Erkältung, Bronchitis, Atemwegskatarrh | ||||
Wundheilung fördernd lokale Anwendung | Hauterkrankungen wie Furunkel, Akne, Wunden | ||||
HIL 2, 20; SCW 223, MON 262, BÜH 255, HVI 310, JÄN 328, KOE (1990) |
Nebenwirkungen
kann bei allergisch reagierenden Menschen Schwindelgefühle auslösen (selten)
Kontraindikationen
Siehe ▶ Tab. 6.5.
▶ Tab. 6.5 Rezeptur Dumpfe Kopfschmerzen und Konzentrationsmangel.
Kräuter | Menge | Temperatur | Geschmack | Wirkung in der Rezeptur |
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Acorus calamus, rhiz. | 25 g | warm | aromatisch/würzig, scharf, bitter, leicht süß | Mitte tonisierend, wärmend, klares Yang emporhebend, Feuchtigkeit ableitend |
Levisticum off., rad. | 15 g | warm | süß, bitter, scharf-aromatisch | Feuchtigkeit-Kälte auflösend und ausleitend, Qi regulierend, bewegend und tonisierend, Inneres wärmend |
Angelica arch., rad. | 15 g | warm | aromatisch, bitter, scharf | Milz-, Magen-Qi stärkend und wärmend, kalten Schleim der Lunge ableitend, Darm-Qi regulierend |
Elettaria cardamomum, fruct. | 10 g | warm | aromatischwürzig, etwas scharf, leicht süß und bitter | Qi der Mitte wärmend, bewegend und tonisierend, Umwandlung und Ausleitung von Feuchtigkeit fördernd, klares Yang emporhebend, Magen- und Darm-Qi bewegend |
Gentiana lut., rad. | 10 g | kühl (-neutral) | bitter | Qi in Magen und Därmen bewegend, Mitte tonisierend, Leber-Qi bewegend |
Citrus aurant., pericarp. | 10 g | warm | scharf, aromatisch, bitter | Feuchtigkeit und Schleim auflösend und trocknend, Qi bewegend |
Zea mais, stip. | 5 g | neutral | süß | Feuchtigkeit zerstreuend und ausleitend, Nässe-Hitze eliminierend |
Zingiber, rhiz. | 2 Scheiben pro Infus | heiß | scharf, aromatisch | Qi tonisierend und bewegend, Schleim umwandelnd, Milz und Magen wärmend |
Syndrom Schleim-Feuchtigkeit in Milz und Lunge mit Ansammlung von Feuchtigkeit-Schleim